:: 12/2006

Zum Verhaltenskodex der europäischen Statistik

Der Ausschuss für das Statistische Programm (ASP) hat 2004 eine Task Force unter deutscher Beteiligung eingerichtet, um einen Verhaltenskodex für das Europäische Statistische System zu erarbeiten.

Wichtige Basis der Arbeiten der Task Force waren die Fundamental Principles of Official Statistics der UN, die Qualitätsdeklaration des Europäischen Statistischen Systems von 2001 und die Qualitätsstandards des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Etwa zeitgleich verabschiedete die Kommission eine Mitteilung an den Rat und an das Europäische Parlament mit dem Titel »Hin zu einer europäischen Governance-Strategie für Finanzstatistiken«. Darin schlug sie eine Strategie zur Stärkung der Governance der Europäischen Union im Bereich Finanzstatistik auf der Grundlage der folgenden drei Aktionslinien vor:

  • Weiterentwicklung der Rechtsvorschriften,
  • Verstärkung der operationellen Kapazität der zuständigen Kommissionsdienststellen und
  • Einführung europäischer Standards für die Unabhängigkeit der statistischen Stellen der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft.

Mit der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zur Unabhängigkeit, Integrität und Rechenschaftspflicht der statistischen Stellen der Mitgliedstaaten in der Gemeinschaft vom 25. Mai 2005 wurde ein Verhaltenskodex (Code of Practice) als selbstregulierendes Instrument vorgeschlagen.

Hintergrund und Zweck des Verhaltenskodex

Unter dem Europäischen Statistischen System (ESS) ist die bestehende Partnerschaft zwischen Eurostat, den nationalen Statistischen Ämtern und anderen statistischen Stellen zu verstehen, die in den einzelnen Mitgliedstaaten für die Produktion und Verbreitung jener Statistiken zuständig sind, die die Europäische Union für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt. Bei den meisten der Statistiken, die innerhalb dieses Systems von den Statistischen Ämtern der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft produziert werden, kann davon ausgegangen werden, dass strenge Anforderungen an Qualität und Verlässlichkeit erfüllt werden. Fraglich ist aber die gleichmäßige Anwendung der Grundsätze in der erweiterten Union. Der Verhaltenskodex versucht deshalb, für die wichtigsten Produzenten europäischer Statistiken eine gemeinsame Basis herzustellen, indem er die einheitliche Anwendung der bestehenden internationalen statistischen Grundsätze, Methoden und Verfahren seitens aller Produzenten von amtlichen Statistiken in der EU fördert und damit die Qualität der von ihnen erstellten und verbreiteten Statistiken verbessert.

Der Verhaltenskodex bezieht sich auf alle Statistiken der Gemeinschaft

Der Verhaltenskodex bezieht sich auf alle Statistiken, die von den nationalen statistischen Stellen und vom Statistischen Amt der EU (Eurostat) erstellt und veröffentlicht werden. Dabei erfasst der Kodex das ganze Spektrum aller auf Gemeinschaftsebene vorliegenden Statistiken und reicht damit weit über den Bereich der Wirtschafts- und Finanzstatistik hinaus. Er bezieht sich auch auf Einrichtungen, die außerhalb des ESS amtliche Statistiken auf europäischer Ebene produzieren, wie zum Beispiel die Europäische Zentralbank (EZB), die Statistiken im Bereich Wirtschaft und Währung erstellt.

Der Verhaltenskodex gliedert sich in 15 Grundsätze (i-Punkt). Sie spiegeln zum überwiegenden Teil bereits bestehende internationale Standards wider, wie die von der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen angenommenen Grundprinzipien der amtlichen Statistik. Diese Grundsätze sind in drei Abschnitten zusammengefasst, die sich jeweils auf den institutionellen Rahmen, die statistischen Prozesse und die statistischen Produkte beziehen.

Die Anwendung des Kodex

Zur Beobachtung der Praxis des Verhaltenskodex wurde ein Berichtssystem eingeführt, das sowohl laufende Selbstbewertungsberichte1 der Mitgliedstaaten wie auch Peer Reviews2 umfasst. In einem ersten Schritt im Herbst 2005 erstellten sowohl die Mitgliedstaaten als auch Eurostat selbst erste umfangreiche Selbstbewertungsberichte auf der Grundlage der Fragebogen von Eurostat. Die Kommission wird nach drei Jahren dem Europäischen Parlament und dem Rat unter Einbeziehung der Ergebnisse dieses kombinierten Verfahrens aus Selbstbewertungen und Peer Reviews einen Bericht darüber vorlegen, wie die Mitgliedstaaten und Eurostat den Kodex jeweils angewandt haben.

Die Grundsätze des Kodex decken ein breites Spektrum ab

Der Verhaltenskodex soll von allen Stellen der Regierungen, der Ministerien, der Kommission oder des Rats, die Statistiken erstellen und verbreiten angewendet werden. Er gibt ihnen Leitlinien an die Hand die sicherstellen, dass ihre statistischen Dienste professionell organisiert und mit den Mitteln ausgestattet sind, die sie benötigen, um europäische Statistiken auf eine Art und Weise zu erstellen, die Unabhängigkeit, Integrität und Rechenschaftspflicht gewährleistet. Für die statistischen Stellen und ihre Mitarbeiter bietet der Kodex Grundsätze, Werte und Lösungen, die es ihnen erleichtern, harmonisierte europäische Statistiken von hoher Qualität zu erstellen und zu verbreiten. Die Governance-Träger und die nationalen statistischen Stellen in der Europäischen Union sollen sich an die in dem Verhaltenskodex festgelegten 15 Grundsätze halten und die Anwendung des Kodex regelmäßig anhand der festgelegten Indikatoren überprüfen, wobei nationale, organisatorische und finanzielle Gegebenheiten den Rahmen bilden.

Bei der Produktion von Statistiken ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Datenerfordernissen, Ressourcen der statistischen Stellen und Belastung der Auskunftgebenden anzustreben. Nach dem Kodex soll eine übermäßige Belastung der Auskunftgebenden vermieden werden. Es werden mehrere Indikatoren genannt, mit deren Hilfe dies erreicht werden kann. Dazu gehören insbesondere die Verwendung von Schätzungen und Approximationen, der Zugriff auf administrative Datenquellen oder eine gemeinsame Datennutzung innerhalb der statistischen Stellen.

Der Verhaltenskodex dient auch der Information der Statistiknutzer und der Datenlieferanten. Er gewährleistet, dass die Vertraulichkeit der von ihnen gelieferten Angaben gewahrt wird und dass keine überzogenen Anforderungen an sie gestellt werden. Letztlich soll der Verhaltenskodex als Empfehlung sicherstellen, dass die statistischen Stellen bei der Organisation, Erhebung, Verarbeitung und Verbreitung amtlicher Statistiken internationalen Standards Rechnung tragen. Die wichtigsten Grundsätze in diesem Zusammenhang sind eine solide Methodik, geeignete statistische Verfahren, die Vermeidung einer übermäßigen Belastung der Auskunftgebenden und die Wirtschaftlichkeit der Verfahren.

Europäische Statistiken müssen in Einklang mit europäischen Qualitätsstandards stehen und den Bedarf der europäischen Institutionen, Regierungen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen sowie der Öffentlichkeit decken und damit dem Nutzerbedarf entsprechen. Die Grundsätze in diesem Zusammenhang sind Relevanz, Genauigkeit und Zuverlässigkeit, Aktualität, Kohärenz, Vergleichbarkeit zwischen Regionen und Ländern sowie die leichte Zugänglichkeit der Daten für die Nutzer.

1 Die Selbstbewertungsberichte wurden auf der Grundlage umfangreicher Fragebogen erstellt.

2 Überprüfungen durch Fachleute aus anderen Statistischen Ämtern.