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Die Großstädte Baden‑Württembergs – Ein Vergleich anhand ausgewählter Indikatoren

Die Bevölkerungsentwicklung in den Großstädten und Ballungsräumen war jahrzehntelang schwächer als in den ländlichen Regionen Baden‑Württembergs. In den letzten Jahren zeichnet sich hier aber eine Trendwende ab, allenthalben wird bereits von einer »Renaissance der großen Städte« gesprochen. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, vor diesem Hintergrund die Struktur und Entwicklung der 9 Großstädte des Landes zu beleuchten und auch mögliche Unterschiede zu den mittleren und kleineren Kommunen herauszuarbeiten. Dabei hat sich gezeigt, dass die Großstädte einerseits durch signifikante Unterschiede gegenüber den kleineren Kommunen geprägt sind; andererseits stellen sie – erwartungsgemäß – keine homogene Einheit dar. Deutliche strukturelle Unterschiede wurden insbesondere zwischen Mannheim und Heidelberg sowie zwischen Freiburg im Breisgau und Heilbronn festgestellt.

In Baden‑Württemberg gibt es 9 Städte mit mehr als 100 000 Einwohnern: Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Heilbronn, Ulm, Pforzheim und Reutlingen. Diese Großstädte haben zusammen etwas mehr als 2 Mill. Einwohner, sodass dort jeder fünfte Einwohner des Landes lebt. Von den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Baden‑Württembergs arbeiten sogar annähernd 30 % in diesen Zentren.

Renaissance der Großstädte?

Jahrzehntelang hatte die Bevölkerungszahl in den Großstädten erheblich schwächer zugenommen als in den übrigen Gemeinden des Landes: So lag zwischen 1980 und 2000 das Plus in den 9 größten Städten des Landes im Schnitt bei lediglich 5 %, in den anderen Kommunen dagegen dreimal so hoch (+16 %). In den letzten Jahren ist dieses »Land-Stadt-Gefälle« praktisch zum Stillstand gekommen: Seit Ende 2000 war die Zunahme der Bevölkerungszahl in den Großstädten mit +2 % genauso hoch wie in den übrigen Gemeinden. Spitzenreiter unter den Großstädten war zuletzt – wie bereits in den Jahrzehnten zuvor – die Stadt Freiburg im Breisgau. Lediglich Mannheim hat einen, verglichen mit dem Landesdurchschnitt, deutlich geringeren Anstieg der Einwohnerzahl seit Ende 2000 erzielt.

Ähnlich verlief die Entwicklung bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten: Während in den mittleren und kleineren Kommunen die Beschäftigtenzahl zwischen 1980 und 2000 um immerhin 16 % zunahm, konnte im Jahr 2000 in den Großstädten der Beschäftigtenstand des Jahres 1980 im Schnitt nur knapp erhalten werden. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Entwicklung in den Zentren derjenigen in den übrigen Kommunen angeglichen (−2,9 % gegenüber −2,1 % in den übrigen Kommunen).

Die Ursachen dieser »neuen« Entwicklungen sind vielschichtig. Entscheidend dürfte unter anderem sein, dass in den Zentren gerade für ältere Menschen günstigere Infrastrukturverhältnisse gegeben sind und zwar auch deshalb, weil entsprechende Versorgungseinrichtungen (Handel, Kreditinstitute, Post, Ärzte) in dünner besiedelten Gebieten stetig abgebaut wurden.1 Auch die zunehmende Verkehrsbelastung auf den Straßen, gestiegene Benzinpreise und die verschlechterte steuerliche Absetzbarkeit der Fahrtkosten zur Arbeit haben dazu geführt, dass der Anreiz, der insbesondere Familien zum Wegzug in die ländlichen Gebiete bewegt hat, geringer geworden ist.

Strukturunterschiede gegenüber den kleineren Kommunen – Beispiel Wohnverhältnisse …

Trotz der günstigen Bevölkerungsentwicklung in den Großstädten liegt das Bautätigkeitsniveau weiterhin unter dem Durchschnitt der übrigen Kommunen des Landes. Ursache hierfür ist vor allem die Knappheit von Bauland und dem daraus resultierenden hohen Preisniveau. Dieses ist in den letzten Jahren in den Zentren zwar schwächer als in den übrigen Gemeinden des Landes angestiegen, der Niveauunterschied ist aber weiterhin beträchtlich: Durchschnittlich 532 Euro je Quadratmeter baureifes Land musste zuletzt in den Großstädten bezahlt werden, »nur« 153 Euro in den anderen Kommunen2 (Tabelle 1). Die divergierenden Baulandpreise sind wohl auch für die regional unterschiedlichen Gebäudestrukturen verantwortlich: Während in den ländlich geprägten Gebieten der Einfamilienhausbau dominiert, ist dies in den Zentren der Geschosswohnungsbau: Nur knapp 42 % der Wohngebäude sind in den Großstädten Einfamilienhäuser, in den übrigen Kommunen immerhin 60 %. Diese starken Unterschiede in der Gebäudestruktur korrespondieren mit der Wohnungsgröße: In den Großstädten mit einem geringen Anteil an Einfamilienhäusern sind die Wohnungen mit durchschnittlich knapp 78 m² Wohnfläche erheblich kleiner als in den übrigen Gemeinden (95 m²). Entsprechend ungünstiger ist auch die quantitative Wohnungsversorgung in den Großstädten: Kommen in den 9 Zentren des Landes rechnerisch im Schnitt nur 92 Wohnungen auf 100 Haushalte, sind es in den übrigen Gemeinden 101; das heißt, dass in den kleineren und mittleren Kommunen eine Voll- bzw. sogar eine geringe Überversorgung erreicht ist.3

… Beispiel Arbeitsplatzangebot

Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede zwischen den Großstädten und den übrigen Kommunen beim regionalen Arbeitsplatzangebot: In den 9 Zentren des Landes kommen auf 1 000 Einwohner durchschnittlich 517 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, in den mittleren und kleineren Kommunen sind es im Schnitt nur 307. Diese Unterschiede spiegeln sich auch im Pendlerverhalten wider: Während in den Großstädten auf 100 Auspendler exakt dreimal so viele Einpendler kommen, sind es in den übrigen Kommunen nur 86. Vom überdurchschnittlichen Arbeitsplatzangebot profitieren auch die kommunalen Haushalte der Großstädte: Die Steuerkraft je Einwohner lag hier im Jahr 2005 bei durchschnittlich 703 Euro, in den kleineren Kommunen »nur« bei genau 600 Euro.

Das Schaubild zeigt im Überblick die Strukturunterschiede zwischen den Großstädten einerseits und den mittleren und kleineren Kommunen andererseits für ausgewählte Indikatoren. Die Kenngrößen, für welche zwischen den Gemeindegruppen sehr starke Abweichungen ermittelt wurden – wie beispielsweise beim Siedlungsflächenanteil oder dem Baulandpreisniveau – sind dabei größtenteils in den naturräumlichen Gegebenheiten begründet. Nicht minder interessant sind diejenigen Indikatoren, bei denen sich – zum Teil überraschend – praktisch keine Unterschiede zwischen den Gemeindegruppen ergeben haben: So liegt beispielsweise das Kaufkraftniveau in den Großstädten kaum höher als in den Umlandgemeinden, und die Bevölkerung ist hier kaum älter als in den übrigen Gemeinden. Obwohl die Arbeitsplatzdichte in den Großstädten um zwei Drittel über der der anderen Kommunen liegt, ist die »Industriedichte«, das heißt die Zahl der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe je 1 000 Einwohner, praktisch identisch.

Die Großstädte selbst bilden allerdings keine homogene Gruppe. Für die Indikatoren »Übernachtungen je Einwohner«, »Anteil der Waldfläche«, »Krankenhausbetten je 100 000 Einwohner« sowie »Fertigstellungen im Wohnungsbau« zeigten sich die größten Unterschiede zwischen den 9 Zentren.4 Es gibt aber auch durchaus ähnliche Indikatorenwerte: »Durchschnittsalter der Bevölkerung«, die »Wahlbeteiligung«, »Wohnfläche je Wohnung und der Wohnungsversorgung«, »Zweitstimmenanteilen der SPD« sowie »Kaufkraft je Einwohner«. Im Folgenden werden die Besonderheiten der 9 Großstädte schlaglichtartig dargestellt.

Stuttgart: Wirtschaftliches Zentrum des Landes

Stuttgart hat derzeit 593 000 Einwohner, das heißt knapp 6 % der Bevölkerung Baden‑Württembergs leben in der Landeshauptstadt. Die Stadt hat damit seit 1998 in jedem Jahr Einwohner hinzugewonnen; ihre Bevölkerungsdichte liegt mit knapp 2 900 Einwohnern je Quadratkilometer um beachtliche 70 % über dem Durchschnitt der Großstädte und sogar knapp zehnmal so hoch wie landesweit (vgl. Tabelle 2).

In Stuttgart fallen – verglichen mit den übrigen Großstädten – die um ein Drittel höheren Kaufwerte für baureifes Land auf. Entsprechend gering sind die relativen Fertigstellungszahlen im Wohnungsbau, was dazu geführt hat, dass auch weiterhin ein beachtliches Wohnungsdefizit besteht. Auch in der Struktur des Wohnungsbestandes – der Einfamilienhausanteil ist mit lediglich 30 % der geringste der 9 Großstädte – spiegeln sich die sehr hohen Grundstückspreise und die topografisch teilweise beengte Lage der Stadt wider.

Die Stadt Stuttgart ist trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu Beginn der 90er-Jahre auch weiterhin das unangefochtene wirtschaftliche Zentrum des Landes. Dies zeigt sich nicht nur am höchsten Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen, sondern auch an der Steuerkraftmesszahl, die ein Maß für die kommunale Einnahmekraft darstellt. Dieser Indikator lag zuletzt um ein Fünftel über dem entsprechenden Großstadtdurchschnitt. Auch die Kaufkraft je Einwohner – das sind diejenigen Mittel, die der Bevölkerung für Konsumzwecke zur Verfügung stehen – war in der Landeshauptstadt zuletzt höher als in den übrigen 8 Großstädten des Landes.

Überraschend ist auf den ersten Blick, dass die Landeshauptstadt in wichtigen Versorgungsbereichen nicht den Durchschnitt der Großstädte erreicht. So ist sowohl die Zahl der Krankenhausbetten je Einwohner als auch diejenige der Ärzte in freier Praxis je Einwohner unterdurchschnittlich. Diese Ergebnisse dürften vor allem auf das Vorhandensein von mehreren starken Mittelzentren in unmittelbarer Nachbarschaft Stuttgarts zurückzuführen sein. Das heißt der Verflechtungsbereich der Landeshauptstadt ist erheblich geringer als beispielsweise derjenige von Ulm, das bei den zuletzt angesprochenen Indikatorenwerten besser abschneidet.5

Mannheim: Höchste Arbeitslosenquote aller Großstädte

Die Stadt Mannheim mit derzeit 308 000 Einwohnern bildet zusammen mit Heidelberg und dem rheinland-pfälzischen Ludwigshafen das wirtschaftliche Zentrum der seit dem 1. Januar 2006 bestehenden länderübergreifenden Region Rhein-Neckar. Die Situation der Stadt ist weiterhin durch erhebliche wirtschaftliche Probleme gekennzeichnet: In keiner anderen Großstadt und auch in keinem anderen Baden‑Württembergischen Stadt- oder Landkreis liegt die Arbeitslosenquote so hoch wie in der »Quadratestadt«. Die hohe Arbeitslosigkeit spiegelt sich auch in den weit überdurchschnittlichen Sozialhilfe- und Wohngeldempfängerzahlen wider, die ihrerseits in einem hohen kommunalen Schuldenstand ihren Niederschlag gefunden haben. Wenig verwunderlich ist angesichts der wirtschaftlichen Probleme, dass auch die Kaufkraft der Bevölkerung Mannheims mit durchschnittlich 12 700 Euro pro Einwohner und Jahr niedriger liegt als in den anderen Großstädten. Nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Probleme und der damit verbundenen Stagnation der Einwohnerzahl lag auch die Bauaktivität in der Stadt in den letzten Jahren erheblich unter dem Durchschnitt der Großstädte: Trotzdem ist – rein rechnerisch – die Wohnungsversorgung günstiger als in den übrigen Zentren des Landes.

Karlsruhe: Stadtprofil entspricht am ehesten dem Großstadtdurchschnitt

Karlsruhe ist nach Stuttgart und Mannheim mit knapp 286 000 Einwohnern die drittgrößte Stadt des Landes. Bei der Betrachtung des Städteprofils von Karlsruhe fällt auf, dass hier die überwiegende Zahl der gewählten Indikatoren nur relativ geringe Abweichungen zum Durchschnitt der Großstädte aufweist: 25 der 34 Indikatoren weichen weniger als 10 % vom Durchschnitt ab6 (Tabelle 2). Zum Vergleich: In Freiburg im Breisgau gilt dies nur für 11 der 34 Indikatoren. Auffällig ist allenfalls das relativ günstige Preisniveau für baureifes Land in der »Fächerstadt«. Dieses lag in den letzten Jahren (Durchschnitt der Jahre 2003 bis 2005) um etwa ein Drittel unter dem entsprechenden Vergleichswert für die Gesamtheit der Großstädte, wobei der Durchschnittswert erheblich durch das Stuttgarter Preisniveau bestimmt wird. Allerdings war der Preisanstieg in den letzten 10 Jahren mit Abstand der stärkste der 9 Großstädte (+42 %). Zurückzuführen dürfte dies auf überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum sein: Nur Freiburg und Ulm waren seit 1995 noch dynamischer.

Freiburg: Wirtschaftsleistung, Kaufkraft und Steuerkraft sind unterdurchschnittlich

Die Bevölkerungsentwicklung in der Stadt Freiburg im Breisgau war in den letzten Jahren herausragend: Seit 1995 lag hier das Plus bei über 8 %, das zweitplatzierte Ulm erreichte lediglich halb so viel! Die viertgrößte Stadt des Landes hat damit erstmals mehr als 216 000 Einwohner. 1980 waren es noch 40 000 Personen weniger! Die »Breisgau-Metropole« ist nicht nur durch eine relativ geringe Verdichtung und einen verhältnismäßig kleinen Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche gekennzeichnet. Die große Attraktivität und der hohe Freizeitwert der Stadt spiegeln sich nicht zuletzt in den Übernachtungszahlen wider, die um ein Drittel über dem Durchschnitt für alle Großstädte liegen.

Überdurchschnittlich – jedoch insgesamt nicht so ausgeprägt wie in Heidelberg – ist auch die Versorgung mit niedergelassenen Ärzten und Krankenhausbetten. Die wirtschaftlichen Kenngrößen Freiburgs liegen dagegen zum Teil erheblich unter dem Durchschnitt der Großstädte: Das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen ist niedriger als in den anderen Zentren, ebenso die Kaufkraft der Bevölkerung, deren Pro-Kopf-Wert nur in Mannheim geringer ist. Entscheidender Grund hierfür dürfte das Zusammentreffen von mehreren Faktoren sein: ein hoher Studentenanteil sowie ein überdurchschnittlicher Anteil an Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit seinen wahrscheinlich auch heute noch unterdurchschnittlichen Verdiensten in Verbindung mit einem hohen Mietpreisniveau. Diese geringe Kaufkraft und das ebenfalls unterdurchschnittliche Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen korrespondiert mit einem Steuerkraftniveau, das immerhin um 14 % unter dem Durchschnitt der Großstädte liegt.

Auffallend ist auch die sektorale Struktur der Stadt an der Dreisam: Sie hat – bezogen auf die Bevölkerungszahl – die geringste Zahl an Beschäftigten im Produzierenden Gewerbe aller Großstädte. Dieser geringe Industriebesatz ist auch historisch bedingt: Bis Mitte der 50er-Jahre war aus militärisch-politischen Gründen die Ansiedlung neuer moderner Industrien in der sogenannten »blauen Zone« nicht möglich. Folgerichtig weist die Stadt heute den höchsten Dienstleistungsanteil aller 44 Stadt- und Landkreise des Landes auf. Dabei zeigt sich – ähnlich wie in Heidelberg – eine starke Abhängigkeit von den universitären Einrichtungen in den Bereichen Gesundheit und Bildung.7

Heidelberg: Herausragende Infrastruktur im Gesundheitsbereich

Heidelberg, die fünftgrößte Stadt des Landes, hat derzeit 144 000 Einwohner. Herausragend ist hier zum einen die Tourismusintensität, gemessen an der Kennziffer »Übernachtungen je Einwohner«, die annähernd doppelt so hoch wie der Durchschnitt der übrigen Städte liegt; zum anderen sind die Indikatoren aus dem Gesundheitsbereich überragend: Die Größen »Krankenhausbetten je Einwohner« sowie »Ärzte in freier Praxis je Einwohner« liegen in der Stadt mit der ältesten Universität Deutschlands höher als in den anderen Zentren.

Insgesamt zeigt sich eine starke strukturelle Ähnlichkeit Heidelbergs mit dem ebenfalls von Universitäten und Kliniken geprägten Freiburg im Breisgau. Deutlich geringer ist in Heidelberg aber der Anteil der Sozialhilfe- und Wohngeldempfänger – sicherlich eine Ursache für das hier erheblich höhere Kaufkraftniveau verglichen mit dem südbadischen Zentrum. Ebenfalls günstiger liegt der Schuldenstand je Einwohner. Andererseits hat Heidelberg in den letzten Jahren bei Weitem nicht die Entwicklungsdynamik Freiburgs erreicht. Während die »Breisgau-Metropole« nicht zuletzt durch die Erschließung zweier neuer Stadtteile (Rieselfeld und Vauban) den enormen Bevölkerungszuzug ermöglicht hat, lag das Bautätigkeitsniveau in Heidelberg zuletzt nur halb so hoch.

Heilbronn: Geringe Entwicklungsdynamik

Die Stadt Heilbronn ist mit gut 121 000 Einwohnern das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Region Heilbronn-Franken und nach der Landeshauptstadt die zweitgrößte Kommune im württembergischen Landesteil. In den vergangenen 10 Jahren war die Entwicklung in der »Käthchenstadt« unterdurchschnittlich: Während hier die Bevölkerungszahl gegenüber 1995 unverändert ist, hatten die Großstädte in diesem Zeitraum immerhin ein Plus von durchschnittlich gut 2 % erzielen können. Noch ungünstiger war die Entwicklung bei den Arbeitsplätzen: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nahm seit 1995 um ein Zehntel ab, im Schnitt der Großstädte lag das Minus »nur« bei 2 %. In den letzten Jahren hat sich aber die Entwicklung Heilbronns in diesen zentralen Bereichen der Landesentwicklung angeglichen, und die Bautätigkeit war sogar überdurchschnittlich.

Vergleichsweise günstig ist dagegen der kommunale Schuldenstand Heilbronns: Die Pro-Kopf-Verschuldung lag mit 403 Euro im Jahr 2005 niedriger als in allen anderen Großstädten. Allerdings ist die Vergleichbarkeit des Schuldenstandes dadurch eingeschränkt, dass in unterschiedlichem Umfang wirtschaftliche Aktivitä­ten der Kommunen in formal privatisierte aber noch durch die Gemeinde kontrollierte Betriebe überführt wurden, wobei ein Teil der Schuldenlast in diese Betriebe mit übertragen wurde.

Ulm: Günstige Werte im Bereich Bauen und Wohnen

Die Universitätsstadt Ulm hatte im Juni 2006 knapp 121 000 Einwohner. Zusammen mit dem bayerischen Neu-Ulm bildet die Stadt das Oberzentrum in der Region Donau-Iller. Diese ist aus administrativer Sicht – neben dem Rhein-Neckar-Dreieck – die zweite grenzüberschreitende Region des Landes. Auffallend günstig sind – sicherlich bedingt durch die geringste Bevölkerungsdichte aller Großstädte – die Werte im Bereich Bauen und Wohnen: Aufgrund der niedrigsten Baulandpreise ist hier der Anteil an Einfamilienhäusern der zweithöchste nach Reutlingen. Entsprechend großzügig sind die verfügbaren Wohnflächen. Herausragend ist auch die »Arbeitsplatzdichte« in der Stadt an der Donau: Auf 1 000 Einwohner kommen hier 836 Erwerbstätige, in der Landeshauptstadt, dem Zweitplatzierten, sind es »nur« 782. Nicht ganz so günstig ist der Wert für das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen mit knapp 59 000 Euro, der immerhin von vier Zentren übertroffen wird.

Pforzheim: Geringstes Arbeitsplatzangebot

Die Stadt Pforzheim, am Fuße des nördlichen Schwarzwalds, ist mit 119 000 Einwohnern die achtgrößte Stadt Baden‑Württembergs. Sie verfügt über den größten Waldflächenanteil aller Großstädte: Mehr als die Hälfte der Gemarkungsfläche ist bewaldet; im Durchschnitt der Zentren ist es lediglich gut ein Viertel, in Mannheim sogar nur ein Achtel. Entsprechend klein ist die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Pforzheim.

Die Wirtschaft der »Goldstadt« ist traditionell stark von der Industrie geprägt. Nur knapp 63 % der Beschäftigten arbeiten im tertiären Sektor – ein Wert, der nur in Reutlingen mit 59 % noch niedriger liegt. Auf den ersten Blick erstaunlich ist, dass Pforzheim die geringste »Arbeitsplatzdichte« aller Großstädte aufweist. Das heißt, sowohl die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten als auch die Zahl aller Erwerbstätigen bezogen auf 1 000 Einwohner ist hier geringer als in den anderen Zentren. Zu vermuten ist, dass dies vor allem auf die geografische Lage zwischen den Großzentren Stuttgart und Karlsruhe zurückzuführen sein dürfte. Und die Relation der Ein- zu den Auspendlern scheint dies zu belegen: In Pforzheim kommen auf 100 Auspendler lediglich 163 Einpendler – im Schnitt der Großstädte liegt dieser Wert annähernd doppelt so hoch. Ebenfalls schwächer als im Durchschnitt ist die technologische Leistungsfähigkeit der Pforzheimer Wirtschaft ausgeprägt. Mit einem Indexwert von 19,3 liegt Pforzheim zum Teil erheblich unter dem der anderen Stadtkreise.8

Reutlingen: Sonderstellung innerhalb der Großstädte

Die Stadt Reutlingen mit derzeit 112 000 Einwohnern ist die kleinste Großstadt Baden‑Württembergs. Sie nimmt auch insofern eine Sonderstellung ein, als sie als einzige Großstadt nicht auch gleichzeitig einen Stadtkreis bildet. Aufgrund dessen ist die Datenlage für die Stadt an der Achalm ungünstiger, da ein Teil der Indikatorenwerte nur für Kreise verfügbar ist. Ergebnisse fehlen insbesondere für die Kenngrößen »BIP je Erwerbstätigen«, »Innovationsindex«, »Ärzte je 100 000 Einwohner« und »Wohngeldempfänger je 1 000 Einwohner«. Aber auch für den Bereich Arbeitsmarkt und Beschäftigung ergibt sich nur ein unvollständiges Bild. Dennoch zeigen sich hier Ähnlichkeiten mit Pforzheim, insbesondere was das Arbeitsplatzangebot, die Einpendler-Auspendler-Relation und die sektorale Struktur angeht. Herausragend ist die Wohnfläche je Wohnung mit durchschnittlich knapp 86 m². Dies ist auf die besondere Gebäudestruktur in Reutlingen zurückzuführen: Fast 64 % der Wohngebäude sind Einfamilienhäuser – der Wert für die Stadt Ulm als Zweitplatzierte liegt um immerhin mehr als 12 Prozentpunkte niedriger und dies, obwohl in der Stadt an der Donau die Baulandpreise erheblich günstiger sind.

Günstige Perspektiven

Die Struktur in den Großstädten unterscheidet sich nicht nur gegenüber den mittleren und kleineren Kommunen; auch die Zentren selbst sind zum Teil sehr unterschiedlich. Am größten sind diese strukturellen Unterschiede zwischen den Städten Mannheim und Heidelberg sowie zwischen Freiburg und Heilbronn (vgl. Übersicht). Andererseits zeigen sich durchaus auch ähnliche Strukturen: Dies gilt beispielsweise für die Städte Pforzheim und Heilbronn einerseits sowie Heidelberg und Freiburg andererseits.

Mit welcher künftigen Entwicklung der Großstädte ist zu rechnen? Nach heutiger Sicht spricht einiges dafür, dass sich die günstige Bevölkerungsentwicklung zu einem neuen Trend verfestigen könnte – nicht zuletzt wegen der zunehmend weniger tolerierten Pendelzeiten und Pendlerbelastungen.9 Aber auch der weitere »Aufholprozess« bei den Baulandpreisen im Umland könnte dazu führen, dass die Städte zusätzlich an Attraktivität gewinnen werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Städte entsprechend aktiv werden. »Abwanderung in die Randlagen und ins suburbane Umland wird vor allem dann gleichsam »erzwungen«, wenn – insbesondere im Fall des Wunschs nach Wohnflächenvergrößerung – im Zentrum selbst kein nach Größe, Qualität und vor allem Kosten akzeptables Wohnungsangebot zur Verfügung steht.«10

1 Vgl. Holl, Stefan/Kollmar, Monika: Wohnen im Zentrum – Eine neue Chance für die Innenstädte, in: Wohnen im Zentrum – Strategien für attraktive Stadt- und Ortskerne; herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft Baden‑Württembergischer Bausparkassen, November 2006, S. 19, (Zitierweise: Wohnen im Zentrum).

2 Berechnet aus dem Durchschnitt der Jahre 2003 bis 2005.

3 Für eine exakte Ermittlung der Wohnungsversorgung wäre allerdings noch eine Fluktuationsreserve zu berücksichtigen sowie festzulegen, in welchem Umfang auch für Untermieterhaushalte ein Wohnungsbedarf anzusetzen ist. Entsprechende Ergebnisse werden im Rahmen einer neuen regionalisierten Wohnungsbedarfsprognose voraussichtlich im Juni 2007 vorliegen.

4 Gemessen am Variationskoeffizient, das heißt der durchschnittlichen Standardabweichung, bezogen auf den Durchschnittswert der Großstädte.

5 Deutlicher würde der jeweilige Zentralitätsüberschuss insbesondere anhand der Umsätze im Einzelhandel und des Kaufkraftzuflusses. Entsprechende Ergebnisse sind aber nur für Mitte der 90er-Jahre verfügbar.

6 Die Aussage bezieht sich auf die in der Tabelle dargestellten Indikatoren, für die auch für Reutlingen als kreisangehörige Kommune Daten verfügbar waren.

7 Vgl. Pressemitteilung des Statistischen Landesamtes Baden‑Württemberg vom 25. September 2006: Neuer Branchenspiegel für Baden‑Württemberg und seine Kreise.

8 Ergebnis des Innovationsindex 2006, der unter anderem die relativen FuE-Aufwendungen, den Anteil der Beschäftigten in industriellen Hochtechnologiebranchen und die Patentanmeldungen berücksichtigt; vgl. hierzu Winkelmann, Ulrike: Baden‑Württemberg ist in der EU die Region mit der höchsten Innovationstätigkeit; in: Statistisches Monatsheft Baden‑Württemberg 12/2006, S. 24–33.

9 Vgl. Harlander, Tilman: Renaissance des urbanen Wohnens, in: Wohnen im Zentrum, S. 12 (Zitierweise: Urbanes Wohnen).

10 Harlander, T., Urbanes Wohnen, S. 11.