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Neue Statistik: Das Finanzvermögen der Kommunen

Mit Novellierung des Finanz- und Personalstandstatistikgesetzes vom Juni 2005 und der darauffolgenden Neufassung vom Februar 2006 wurde in Deutschland eine neue Statistik eingeführt: Die Statistik des öffentlichen Finanzvermögens. Diese wurde im Jahr 2005 erstmals für das Jahr 2004 bei Bund, Ländern und Gemeinden/Gemeindeverbänden (Gv.) durchgeführt. Im Jahr 2006, sprich für das Meldejahr 2005, wurde der Berichtskreis um die Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (FEU) des Staatssektors erweitert. In der amtlichen Statistik konnte bei Gemeinden/Gv. bislang lediglich die Passivseite des Finanzvermögens durch die Statistik der öffentlichen Schulden ermittelt werden. Mit Einführung der Statistik des Finanzvermögens kann nun der Nachweis des kommunalen Aktivfinanzvermögens erbracht werden.1

Im vorliegenden Beitrag, der ausschließlich den kommunalen Bereich betrachtet, soll die neue Statistik in ihren Grundzügen vorgestellt, erste Ergebnisse vorgelegt sowie Probleme bei der (Be-)Wertung der Ergebnisse erläutert werden.

Exkurs: Statistiken der öffentlichen Finanzen

Bevor näher auf die Statistik des Finanzvermögens eingegangen wird, soll zunächst zur besseren Übersicht das »Gesamtgefüge« der Statistik der öffentlichen Finanzen kurz aufgezeigt werden.2

Die Statistik der öffentlichen Finanzen (inkl. Personalstand- und Hochschulfinanzstatistiken) umfasst derzeit 9 Einzelstatistiken (Tabelle 1) und hat im föderalen Deutschland die Aufgabe, die verschiedenen Haushaltsebenen von Bund, Ländern, Gemeinden/Gv. etc. zu einem Gesamtbild der öffentlichen Finanzwirtschaft zu konsolidieren. Eine umfassende Darstellung der Finanzaktivitäten der öffentlichen Hand bedeutet konkret, die »finanziellen Auswirkungen der staatlichen Aktivitäten im weitesten Sinne, das heißt sowohl der traditionell-hoheitlichen als auch der wirtschaftlichen Aufgaben des Staates detailliert abzubilden«.3

Aufgrund des Wandels der Haushaltsstrukturen im öffentlichen Sektor unterliegt auch die amtliche Statistik laufenden Änderungen und Anpassungen, um die öffentliche Finanzwirtschaft so detailliert wie möglich und nötig abbilden zu können. Da ökonomische Tätigkeiten, insbesondere Investitionen, vor allem im kommunalen Bereich mehr und mehr ausgelagert werden, müssen neben den Kämmereihaushalten auch die öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (FEU)4, die außerhalb der Kernhaushalte der Gemeinden ein eigenes Rechnungswesen führen, einbezogen werden. Der Prozess der Auslagerungen verläuft mit einer regional recht unterschiedlichen Dynamik; folglich sind Vergleiche regionaler oder lokaler Einheiten äußerst kritisch zu betrachten.

Statistik des Finanzvermögens

Wie eingangs bereits erwähnt, konnte in der amtlichen Statistik bislang lediglich die Passivseite der öffentlichen Vermögensbilanz durch die Schuldenstandstatistik abgebildet werden. Diese weist sowohl den Schuldenstand (Schulden am Kreditmarkt und Schulden bei öffentlichen Haushalten) und die Kassenkredite nach, als auch die Aufnahme und Tilgung von Schuldenaufnahmen im Laufe eines Jahres. Bereits in den 60er- und 70er-Jahren gab es Bestrebungen, eine Statistik des öffentlichen Vermögens einzuführen; der gesetzliche Rahmen dafür war bereits geschaffen. Die Umsetzung der geplanten Vermögensstatistik scheiterte jedoch daran, dass eine monetäre Bewertung von öffentlichem Sachvermögen (»Wie hoch ist der Buchwert bzw. der Marktpreis einer Brücke oder einer Stadtmauer?«) nicht einheitlich festgelegt werden konnte, weshalb auch die gesetzliche Grundlage im Jahr 1986 durch das 2. Statistikbereinigungsgesetz aufgehoben wurde.

Erst knapp 20 Jahre später wurde auf Forderung der Europäischen Union5, das Finanzvermögen der öffentlichen Haushalte auch in Deutschland zu erfassen, mit der Novellierung des Finanz- und Personalstandstatistikgesetzes vom Juni 2005 und der darauffolgenden Neufassung vom Februar 20066 die Statistik über das Finanzvermögen des Staates verbindlich eingeführt und damit eine verbesserte Datenbasis – unter anderem für die Zwecke der Stabilitätsberichterstattung (»Maastrichtkriterien«) durch die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und die Deutsche Bundesbank an die Europäische Kommission – erschlossen. In Anlehnung an die Definitionen des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, kurz ESVG 1995, werden nun seit dem ersten Berichtsjahr 2004 von den öffentlichen Haushalten bei Bund, Ländern und Gemeinden/Gv. sowie ab 2005 von den FEU des Staatssektors7 – in Baden‑Württemberg sind dies zusammen rund 2 300 Berichtsstellen (Tabelle 1) – folgende Vermögensarten befragt:

  • Bargeld und Einlagen
    • Bargeld
    • Einlagen
    • Sonstige Einlagen
  • Wertpapiere (ohne Anteilsrechte) und Finanzderivate
    • Geldmarktpapiere
    • Kapitalmarktpapiere
  • Ausleihungen (Kredite)
  • Anteilsrechte
    • Börsennotierte Aktien
    • Nicht börsennotierte Aktien
    • Sonstige Anteilsrechte
    • Investmentzertifikate
  • Sonstige Forderungen
    • Öffentlich-rechtliche Forderungen aus Dienstleistungen
    • Privatrechtliche Forderungen aus Dienstleistungen

Damit wird deutlich, dass es sich bei der Statistik des Finanzvermögens ausschließlich um die Finanzaktiva handelt und damit lediglich einen Teil der Bilanzposten der Aktivseite einer Jahresabschlussstatistik wiedergibt.

Kommunales Finanzvermögen 2005 – Ergebnisse

Bei der Betrachtung der folgenden Ergebnisse des kommunalen Finanzvermögens sei an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen, dass diese noch mit gewissen Unklarheiten und Unsicherheiten behaftet sind, auf die im weiteren Beitrag noch eingegangen wird.

Im Rahmen der Statistik des kommunalen Finanzvermögens meldeten die Gemeinden/Gv. – also die Stadt- und Landkreise sowie die kreisangehörigen Gemeinden – zum 31. Dezember 2005 ein Finanzvermögen von 13,6 Milliarden Euro (Tabelle 2). Das bedeutet, dass rein rechnerisch gegenüber 2004 ein Zugang von rund 2 Mrd. Euro bzw. 17,7 % zu verzeichnen ist. Rein rechnerisch deshalb, weil vor allem im ersten Erhebungsjahr bei den Angaben sowohl mit größeren Fehlmeldungen als auch mit Untererfassungen zu rechnen war.

Wie teilte sich das Finanzvermögen nun in die einzelnen Vermögensarten auf? – Den größten Anteil am Finanzvermögen der Gemeinden/Gv. stellten 2005 die Anteilsrechte dar. Hierzu zählen zum Beispiel börsennotierte und nicht börsennotierte Aktien, Beteiligungen an Unternehmen, die nicht in Form von Aktien bestehen und Investmentzertifikate. Sie beliefen sich 2005 auf 5,4 Mrd. Euro, also auf knapp 40 % der gesamten Finanzvermögenssumme.

Der zweitgrößte Posten des Finanzvermögens der Gemeinden/Gv. Bargeld und Einlagen bezifferte sich im Jahr 2005 auf gut 3,8 Mrd. Euro. Diese waren entweder in Landes- oder Fremdwährung im Umlauf oder als Einlage auf Konten eingezahlt. Die Einlagen können dabei entweder sofort und ohne nennenswerte Einschränkung und Gebühr (Sichteinlagen) oder zum Beispiel als Termineinlagen oder Spargelder etc. beschränkt bzw. gegen Gebühr (sonstige Einlagen) in Bargeld umgewandelt werden.

In Wertpapieren mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr oder auch in langfristigen Wertpapieren ohne Anteilsrechte wie zum Beispiel Inhaberschuldverschreibungen oder Anleihen haben die Gemeinden/Gv. des Landes zusammen knapp 1,3 Mrd. Euro gebunden. Bezüglich der Forderungen aus Krediten wurden dem Statistischen Landesamt im Jahr 2005 annähernd 1,8 Mrd. Euro gemeldet. Öffentlich-rechtliche Forderungen, die aus der Festsetzung von Gebühren, Beiträgen und Steuern resultieren und private Forderungen aus Dienstleistungen, die durch die Gewährung von Zahlungsfristen auf Dienstleistungen der öffentlichen Haushalte entstehen, bezifferten die Bücher der Gemeinden/Gv. 2005 auf insgesamt knapp 1,4 Mrd. Euro.

Betrachtet man das Finanzvermögen der einzelnen Körperschaften, so verfügten die kreisangehörigen Gemeinden und Gemeindeverbände am 31. Dezember 2005 mit 7,8 Mrd. Euro über das höchste Finanzvermögen, die 9 Stadtkreise des Landes meldeten einen Betrag von 4,8 Mrd. Euro und die 35 Landkreise gut 970 Mill. Euro. Nach Gemeindegrößenklassen (Tabelle 3) betrachtet zeigt sich, dass mit zunehmender Gemeindegrößenklasse bei den kreisangehörigen Gemeinden das Finanzvermögen pro Kopf in der Tendenz zunimmt – bei einer Spanne von rund 500 bis knapp 2 300 Euro je Einwohner. Im Landesdurchschnitt kommt auf jeden Einwohner einer kreisangehörigen Gemeinde ein Finanzvermögen von 890 Euro. Das Pro-Kopf-Finanzvermögen in den 9 Stadtkreisen liegt hingegen weitaus höher, nämlich bei 2 474 Euro je Einwohner. Soweit die kommunalen Kernhaushalte.

Wie bereits erwähnt, wurde für das Berichtsjahr 2005 erstmals für die ausgelagerten Einrichtungen das Finanzvermögen erhoben. So meldeten die kommunalen FEU des Staatssektors dem Statistischen Landesamt zusammen ein Finanzvermögen von 3,3 Mrd. Euro. Mit 1,3 Mrd. Euro (Tabelle 2) gaben sie ihren Bargeldbestand und ihre Einlagen an, was damit den größte Posten ihres Finanzvermögens darstellt. Im Gegensatz zu den Kernhaushalten machen die Forderungen aus Krediten bei den FEU einen größeren Anteil an der Finanzvermögenssumme aus, nämlich mit annähernd 1 Mrd. Euro ein knappes Drittel. Unter dem Posten »Anteilsrechte« wurden gut 469 Mill. Euro gemeldet, unter »Wertpapiere« rund 236 Mill. Euro und die sonstigen Forderungen beliefen sich auf knapp 312 Mill. Euro.

Probleme bei der Bewertung der Ergebnisse

Die Vorbereitungen und erstmalige Erhebung des Finanzvermögens im Jahr 2005 für das Berichtsjahr 2004 wurden unter größtem Zeitdruck durchgeführt. Da die öffentliche Verwaltung durch ihre kamerale Haushaltsführung keine einheitlichen Vermögensnachweise hat, mussten in den Kämmereien zunächst unterschiedliche Datenquellen, die für die Angaben der Finanzaktiva herangezogen werden sollten, ermittelt werden. So ist zum Beispiel der Begriff »Forderungen« im kameralen Rechnungswesen unbekannt und musste erst den entsprechenden Gruppierungen zugeordnet werden.

Wie bei jeder neu eingeführten statistischen Erhebung können die Angaben in Höhe und Struktur – auch im zweiten Erhebungsjahr – größere Unsicherheiten aufweisen, die sowohl auf Fehlinterpretationen der Berichtspflichtigen als auch auf eine noch nicht vollständige Plausibilitätsprüfung von Seiten der Statistik zurückzuführen sein können. Vor allem im ersten Erhebungsjahr, als ausschließlich das Finanzvermögen der Kernhaushalte nachgewiesen wurde, stellte sich die Problematik der Bewertung des Beteiligungsvermögens. Durch unterschiedliche Erfassung der öffentlichen Finanzvermögen waren möglicherweise zum Teil auch die Stammkapitale von Eigenbetrieben sowie die Anteile an Eigen- und Beteiligungsgesellschaften gemeldet worden, was zu einem verzerrten Bild der kommunalen Finanzvermögen geführt haben konnte. Auch daher ist es grundsätzlich nicht zulässig, das Finanzvermögen mit realisierbaren Vermögen gleichzusetzen. Eine Gegenüberstellung von Finanzvermögen und Schulden darf – nicht zuletzt aufgrund der erläuterten Probleme bei der Bewertung des Finanzvermögens – nur mit aller gebotenen Zurückhaltung erfolgen. Beide Größen in Beziehung zu setzen wäre unangebracht.

Verbesserte Aussagekraft durch die künftige kommunale Doppik?

Mit der Einführung des doppischen Haushalts- und Rechnungswesens in der Kommunalverwaltung erschließt sich für die Statistik der öffentlichen Finanzen grundsätzlich eine erweiterte Datengrundlage.8 So können künftig Daten über das Finanzvermögen aus einheitlichen Rechnungsgrundlagen der kommunalen Rechnungssysteme gewonnen werden (siehe i-Punkt). Dazu müssen die Kommunen allerdings zunächst durch die Aufstellung einer Eröffnungsbilanz das tatsächliche Vermögen, sprich Sach-, Anlage- und Finanzvermögen bewerten. Grundsätzlich gibt es dafür mehrere Methoden: Die Bewertung nach dem Wiederbeschaffungswert (auf Grundlage der Anschaffungs- und Herstellungskosten), dem Zeitwert (wenn Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht mehr zu ermitteln sind) oder auch dem Verkehrswert (erzielbarer Verkaufspreis). Wie die Vermögensgegenstände in Baden‑Württemberg in der Eröffnungsbilanz zu bewerten sind, muss im künftigen Wirtschaftsrecht zur kommunalen Doppik detailliert festgesetzt werden.

Die Hauptschwierigkeit, auch für die amtliche Statistik, wird darin liegen, in allen Kommunen bei der Bewertung des Vermögens möglichst gleiche Maßstäbe anzusetzen, um aussagekräftige und vergleichbare Werte zu erhalten. Darüber hinaus bleibt aber weiterhin das »Problem« der Bewertung des kommunalen Vermögens bestehen. Während bei einem wirtschaftlichen Unternehmen das Vermögen bzw. ein Teil des Vermögens veräußert werden kann, um eine Insolvenz abzuwenden, kann kommunales Vermögen zum Großteil gar nicht veräußert werden, da mit ihm gesetzliche Aufgaben zur Versorgung der Bürger verbunden sind. Somit ist kommunales Vermögen nur zum Teil als Schuldendeckungspotenzial verwertbar. »Aufgrund der fehlenden Marktfähigkeit ist daher eine monetäre Bewertung nur bedingt interpretierbar: Ist eine Stadt reicher als eine vergleichbare Stadt, nur weil sie eine mit 1 Mill. Euro bilanzierte Stadtmauer […] besitzt? Darf diese Stadt daher um 1 Mill. Euro höhere Schulden aufnehmen?«9

1 Der Nachweis des Finanzvermögens der FEU erfolgt durch die Statistik der Jahresabschlüsse, welche jedoch erst mit großer zeitlicher Verzögerung vorliegt.

2 Ausführliche Erläuterungen hierzu bei Rehm, Hans: Statistiken der öffentlichen Finanzen – aussagekräftiger und aktueller, in: Wirtschaft und Statistik 3/2006, S. 279–302.

3 Vgl. Rehm, H.: Statistiken der öffentlichen Finanzen – aussagekräftiger und aktueller, in: Wirtschaft und Statistik 3/2006, S. 279–302.

4 FEU: Rechtlich selbstständige Fonds, Einrichtungen und Unternehmen, an denen Bund, Land, Gemeinden, Gemeindeverbände, Zweckverbände und andere juristische Personen zwischengemeindlicher Zusammenarbeit mit mehr als 50 % des Nennkapitals oder Stimmrechts unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind.

5 Verordnung (EG) Nr. 501/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2004.

6 Das Gesetz zur Änderung des Finanz- und Personalstatistikgesetzes vom 24. Juni 2005, verkündet am 30. Juni 2005, BGBl. I, Nr. 39, S. 1860 trat rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft. Die Neufassung des Finanz- und Personalstatistikgesetzes in der Bekanntmachung vom 22. Februar 2006, verkündet am 6. März 2006, BGBl. I, Nr. 10, S. 438.

7 FEU des Staatsektors: gemäß Verordnung (EG) Nr. 2223/96.

8 Eine ausführliche Darstellung über die Auswirkungen der Umstellung auf die Doppik auf die gesamte amtliche Statistik kann an dieser Stelle nicht erfolgen.

9 Magin, Christian: Möglichkeiten und Grenzen der Jahresabschlussanalyse mit Kennzahlen eines kommunalen Haushalts, in: Der Gemeindehaushalt 9/2006, 107. Jg.