:: 2/2007

Die Bevölkerungsentwicklung in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2050

Ergebnisse einer neuen Vorausrechnung

Der demografische Wandel, seine Ursachen und möglichen Folgen sind mittlerweile ein viel beachtetes Themenfeld öffentlicher Diskussionen geworden. Bremst eine alternde Erwerbsbevölkerung den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt? Hilft eine Verlängerung der Ruhestandsgrenze auf 65 oder 67 Jahre, den Drei-Generationen-Verbund als Umlagesystem zu erhalten? Zu diesen Themen bieten Bevölkerungsvorausrechnungen eine unabdingbare Informationsgrundlage. Sie dürfen jedoch nicht als »Vorhersagen« missverstanden werden. Die jüngsten Rechnungen bestätigen frühere Ergebnisse: Um 2030 werden die 60-Jährigen und Älteren doppelt so stark vertreten sein wie die unter 20-Jährigen.

Demografische Wende im Jahr 2000

Mit Beginn des neuen Jahrhunderts hat Baden-Württemberg die demografische Wende hinter sich. Seitdem leben im Lande erstmals in seiner Geschichte mehr ältere Menschen als jüngere. Aber bereits in den Jahrzehnten davor war die Bevölkerungsentwicklung in Baden-Württemberg durch einen allmählich voranschreitenden Alterungsprozess mitgeprägt. Bei Gründung des Landes wies seine Bevölkerung noch einen Anteil an unter 20-Jährigen von rund 31 % auf – heute sind es 21 %. Der Anteil der 60-Jährigen und Älteren lag damals bei knapp 14 %, gegenwärtig bei 24 %. Das Durchschnittsalter der Baden-Württemberger ist seitdem von rund 35 Jahren auf etwas mehr als 41 Jahre zum Jahresende 2005 angestiegen. Diese demografische Alterung – bedingt durch ein anhaltend niedriges Geburtenniveau und eine deutlich gestiegene Lebenserwartung – vollzog sich, obwohl die Einwohnerzahl des Landes seit 1952 von rund 6,6 Mill. bis heute um gut 60 % auf etwas mehr als 10,7 Mill. zugenommen hat.

Die demografischen Strukturveränderungen werden sich künftig fortsetzen und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten in vielen Gesellschaftsbereichen neue Herausforderungen mit sich bringen. Wesentliche Informationsgrundlagen zur quantitativen und qualitativen Einschätzung dieser Aspekte liefern die Ergebnisse von Vorausrechnungen der amtlichen Statistik zur künftigen Bevölkerungsentwicklung.

Rückgang der Einwohnerzahl kann bereits 2012 eintreten

Nach den Ergebnissen der Bevölkerungsvorausrechnung Basis 2005 würde die Einwohnerzahl Baden-Württembergs bei Wanderungsgewinnen von 17 000 Personen pro Jahr (Variante 1) in den kommenden 5 Jahren nur leicht ansteigen. Um das Jahr 2011 läge die Einwohnerzahl mit rund 10,77 Mill. Menschen um etwa 30 000 Personen höher als zum Jahresende 2005 (10,74 Mill.). Damit würde sich das rasante Bevölkerungswachstum der vergangenen 90er-Jahre künftig nicht mehr fortsetzen. Zwischen Anfang 1990 und Ende 2005 hatte die Bevölkerungszahl um etwas mehr als 1 Mill. Menschen zugenommen (+11 %).

Auf mittlere und längere Sicht ist jedoch mit einer rückläufigen Bevölkerungsentwicklung zu rechnen. Die zunehmenden Sterbefallüberschüsse in der Bilanz aus Geborenen und Sterbefällen würden nach 2011 zu sinkenden Einwohnerzahlen führen, weil sie dann die erwarteten Wanderungsgewinne in immer stärkerem Maße übertreffen. Nach allmählichem Beginn dürfte sich dieser Abwärtstrend langfristig verstärkt fortsetzen. Unter diesen Bedingungen werden um das Jahr 2030 mit rund 10,5 Mill. Einwohnern etwa 225 000 Menschen weniger im Lande leben als heute. Bis 2050 wäre mit knapp 9,7 Mill. wieder der Bevölkerungsstand vom Frühjahr 1990 erreicht. Das sind dann knapp 10 % weniger als gegenwärtig.

Sollten allerdings die Nettozuwanderungen in den nächsten Jahren wieder ansteigen (Variante 2), sodass im Durchschnitt der Jahre bis 2025 rund 30 000 Menschen pro Jahr netto zuwandern, so könnte das Land im Jahre 2025 eine Einwohnerzahl von etwa 11 Mill. erreichen – rund 3,5 % mehr als heute. Gleichwohl ist aber danach – bei etwas niedrigerer Zuwanderung (durchschnittlich 20 000 Personen pro Jahr) – ebenfalls ein Bevölkerungsrückgang zu erwarten. Im Jahre 2050 würde die Einwohnerzahl dann mit rund 10,3 Mill. Menschen etwas unter dem gegenwärtigen Stand liegen.

Die Rechenergebnisse mit unterschiedlich hohen Annahmen zu den künftigen Wanderungsgewinnen zeigen, dass selbst bei relativ hohen jährlichen Nettozuwanderungen die Bevölkerungszahl des Landes nach einer Phase mit Einwohnerzuwächsen langfristig in einen Abwärtstrend übergeht.

Für die Darstellung weiterer Strukturmerkmale der künftigen demografischen Entwicklung wird im Folgenden auf die Ergebnisse der Variante 1 mit einem jährlichen Wanderungsplus von 17 000 Personen Bezug genommen.

Fortschreitender Alterungsprozess der Bevölkerung

Im Vergleich zur Entwicklung der Bevölkerungszahl stellen die absehbaren Veränderungen in der Altersgliederung der Bevölkerung die weitaus bedeutenderen Herausforderungen an Gesellschaft und Politik dar. Die Besetzungsstärken der einzelnen Altersjahrgänge wirken sich – direkt wie indirekt – auf nahezu alle Gesellschaftsbereiche aus: vom Kinderbetreuungs- und Bildungsbereich über den Arbeitsmarkt bis hin zum Gesundheitswesen und Rentenbereich.

Die vorliegende Bevölkerungsvorausrechnung bestätigt wiederum frühere Vorausrechnungsergebnisse, dass aufgrund der demografischen Ausgangslage die künftigen Verschiebungen in der Altersstruktur weitestgehend vorprogrammiert und damit für die nächsten Jahrzehnte nahezu unvermeidbar sind. Der Anteil der nachwachsenden Generation – der unter 20-Jährigen – an der Gesamtbevölkerung wird voraussichtlich von gegenwärtig 21 % langsam auf 17 % im Jahr 2020 sinken, auf lange Sicht aber auf 15 % (2050) abnehmen. In einer gegenläufigen Bewegung dürfte der Bevölkerungsanteil der 60-Jährigen und älteren Menschen von heute 24 auf 29 % im Jahr 2020 ansteigen. Danach erhält diese Entwicklung einen besonderen Schub, wenn die geburtenstarken Jahrgänge aus der Zeit von etwa 1960 bis 1970 in die Altersphase der Älteren hineinwachsen. Um 2030 würden die 60-Jährigen und Älteren gut ein Drittel der Bevölkerung stellen. Die große Gruppe der 20- bis unter 60-Jährigen, die hauptsächlich das Erwerbspersonenangebot bildet, wird in den kommenden 15 Jahren einen Bevölkerungsanteil von rund 55 % halten. Längerfristig würde dieser Anteil auf 46 % (2050) sinken.

Insgesamt gesehen würde die Alterung der Landesbevölkerung in Zukunft noch deutlich stärker ausfallen als in den fünf Jahrzehnten von 1950 bis 2000. In der Vergangenheit stieg das Durchschnittsalter der Baden-Württemberger innerhalb von 50 Jahren von rund 34 Jahren (1950) auf etwa 40 Jahre (2000). Um das Jahr 2050 läge dieses Alter mit fast 50 Jahren sogar um rund 9,5 Jahre höher als zur Jahrhundertwende. Diese Entwicklungslinien sind bereits vorprogrammiert, weil insbesondere nach 2020 die »Geburtenboomer« aus den 60er-Jahren in das Seniorenalter hineinwachsen. Auf der anderen Seite ergibt sich auf Grund des seit Mitte der 70er-Jahre anhaltend niedrigen Geburtenniveaus, dass es künftig im Lande deutlich weniger potenzielle Mütter und Väter geben wird als heute. Frauen und Männer, die nicht geboren wurden, können auch nicht Eltern werden.

Höhere Nettozuwanderungen mildern den Alterungsprozess kaum

Die hiermit unter den Bedingungen einer anhaltenden Nettozuwanderung von jährlich 17 000 Personen dargestellten Eckdaten zum langfristigen Alterungsprozess unterscheiden sich – bis auf kleine Nuancen – nicht von den Ergebnissen der Rechenvariante mit höheren Wanderungsgewinnen. Die in der Variante 2 unterstellten Nettozuwanderungen (durchschnittlich rund 24 000 Personen pro Jahr) führen zwar zu einer länger anhaltenden Phase des Bevölkerungswachstums, jedoch nicht zu einer nennenswerten Abmilderung oder zeitlichen Verschiebung der demografischen Alterung im Lande. Unter diesen Bedingungen ist ein Bevölkerungsanteil der 60-Jährigen und Älteren von 33 % (Variante 1 rund 35 %) um das Jahr 2030 zu erwarten, um 2050 läge dieser Anteil dann bei rund 36 % (Variante 1 etwa 39 %).

Alterung von der »Basis« und der »Spitze« des Altersaufbaus

Ein Blick auf die grafisch dargestellte Entwicklung der Altersgliederung der baden-württembergischen Bevölkerung zeigt, dass sich die demografische Alterung sowohl von der »Basis« wie auch von der »Spitze«. her vollzieht Bereits heute hat das seit rund 30 Jahren anhaltende niedrige Geburtenniveau zu einer relativ schmalen Basis des Altersaufbaus geführt. Die nachwachsenden Jahrgänge sind beträchtlich geringer besetzt als ihre Elterngeneration – die heute etwa 30- bis 40-Jährigen. Aufgrund dieser Ausgangssituation ist zu erwarten, dass es künftig im Lande deutlich weniger potenzielle Mütter und Väter geben wird als heute. Somit dürfte in den nächsten Jahrzehnten – falls das gegenwärtige generative Verhalten fortbesteht – die Basis des Altersaufbaus noch schmaler werden.

Andererseits wachsen die geburtenstarken Jahrgänge der 60er-Jahre etwa ab 2022/2025 in das Seniorenalter hinein. Um 2030 befinden sich die meisten von ihnen in der Lebensphase zwischen 60 und 70 Jahren, um 2050 gehören sie dann zu den 80-Jährigen und Älteren. Diese natürliche lebensbiografische Entwicklung wird in ihrem quantitativen Ausmaß durch die Erwartung einer weiterhin steigenden Lebenserwartung verstärkt: immer mehr Menschen erreichen ein hohes Alter, die Bevölkerung altert auch von der »Spitze«.

Rückläufige Zahl von Kindern und Jugendlichen

Gegenwärtig leben knapp 2,3 Mill. Kinder, Jugendliche und junge Heranwachsende im Alter von unter 20 Jahren in Baden-Württemberg. Bis zum Jahr 2020 dürfte ihre Zahl mit etwas weniger als 1,9 Mill. um ein Fünftel abnehmen, bis 2050 um rund ein Drittel gegenüber dem heutigen Stand auf dann fast 1,5 Mill. sinken. Dabei sind bei den Jahrgängen der 6- bis unter 20-Jährigen relativ stärkere Rückgänge zu erwarten als bei den unter 6–Jährigen. Die Zahl der Kinder im Vorschulalter würde von rund 603 000 zum Jahresende 2005 auf knapp 541 000 im Jahre 2020 sinken (−10 %), während die prozentuale Abnahme der Zahl der älteren Kinder und Jugendlichen doppelt so stark ausfiele. Erst der neuerliche Schub des langfristigen Geburtenrückgangs würde nach etwa 2025 dazu führen, dass die Zahl der Kinder im Vorschulalter rascher als in den Vorjahren abnimmt. Diese Kinder wären die Enkel der in den 70er-Jahren – das Jahrzehnt eines rasanten Geburtenrückgangs – geborenen Jahrgänge.

Für den Kindergartenbereich lässt sich absehen, dass die Zahl der Kinder (zwischen 3 und 7 Jahren) bis zum Jahr 2010 landesweit um etwa 10 % sinken dürfte. Während Ende 2005 rund 368 000 Kindergartenkinder in Baden-Württemberg lebten, wären es 2010 etwa 330 000 Kinder. Nach 2010 würde sich aus heutiger Sicht die rückläufige Entwicklung vorübergehend etwas abschwächen. Zwischen 2015 und 2020 könnte sich die Zahl der mit Kindergartenplätzen zu versorgenden Kinder in einer Größenordnung von 316 000 Kindern einpendeln.

Überproportionaler Anstieg der Zahl alter und hochbetagter Menschen

Ein besonders markantes Merkmal der künftigen Entwicklung der drei »Generationen« stellt die auseinanderscherende Entwicklung von nachwachsender und Altengeneration dar. Die Zahl der unter 20-Jährigen würde bis zum Jahr 2050 um ein Drittel gegenüber 2005 abnehmen, während die Zahl der 60-Jährigen und Älteren im gleichen Zeitraum um etwa 50 % anwachsen würde. Schon ab 2030 gäbe es etwa doppelt so viele ältere und alte Menschen wie junge. In den vergangenen fünf Jahrzehnten war dieses Verhältnis umgekehrt: bis Ende der 90er-Jahre lebten hier stets mehr unter 20-Jährige als 60-Jährige und Ältere.

Bei den hochbetagten Menschen – den 85-Jährigen und Älteren – ist vor allem längerfristig mit einer im Vergleich zur Gesamtgruppe der älteren Bevölkerung überdurchschnittlich starken Zunahme zu rechnen. Ende 2005 gab es in Baden-Württemberg etwa 196 000 Hochbetagte1. Bis zum Jahr 2025 könnte sich die Zahl der 85-Jährigen und Älteren (die vor 1940 Geborenen) etwas mehr als verdoppeln; dann wären rund 420 000 Einwohner des Landes im Hochbetagtenalter. Mit dem Hineinwachsen der »Babyboomgeneration« in diese Altersphase dürfte sich ihre Zahl langfristig im Vergleich zu heute sogar fast vervierfachen. Um das Jahr 2050 würden rund 765 000 Männer und Frauen im Alter von 85 und mehr Jahren in Baden-Württemberg leben.

Die Erwerbsbevölkerung schrumpft und altert

Die Zahl der 20- bis unter 60-Jährigen wird aus heutiger Sicht bis etwa 2011 auf rund 5,97 Mill. Personen im erwerbsfähigen Alter anwachsen, wenn jedes Jahr 17 000 Menschen mehr ins Land zuwandern als fortziehen. Das wären etwa 86 000 Menschen mehr als Ende 2005. Allerdings ist etwa ab 2012 mit einem anhaltenden Rückgang der Zahl von Menschen im erwerbsfähigen Alter zu rechnen. Bereits 2030 wäre die Erwerbsbevölkerung um nahezu 840 000 Personen kleiner als heute und 2050 sogar um 1,4 Mill.

Bereits in den vergangenen Jahren ist das Durchschnittsalter der Menschen im erwerbsfähigen Alter gestiegen. Künftig wird sich diese Entwicklung fortsetzen. Es wachsen immer schwächer besetzte Jahrgänge in die Gruppe der 20- bis unter 60-Jährigen nach. Gleichzeitig erhalten innerhalb des Erwerbspersonenpotenzials die »Älteren« zahlenmäßig ein deutlich steigendes Gewicht. Dieser Effekt würde sich bei Ausweitung der Altersgrenze auf 65 Jahre verstärken.

Der »Erneuerungsindex«2 zeigt, dass Ende 2000 die Zahl der »Jüngeren« die der »Älteren« noch um etwa 10 % überstieg. Zum Jahresende 2004 waren erstmals mehr »Ältere« als »Jüngere« in der erwerbsfähigen Bevölkerung vertreten. Aus heutiger Sicht ist damit zu rechnen, dass künftig die »Älteren« stets die »Jüngeren« zahlenmäßig überwiegen. Um das Jahr 2010 läge die Zahl der 20- bis unter 40-Jährigen rund ein Fünftel niedriger als die der 40- bis unter 60-Jährigen. In den Folgejahren fällt dieses Zahlenverhältnis nur wenig günstiger aus. Es bleibt bei dem strukturellen Problem einer deutlich »alternden« Erwerbsbevölkerung.

In diesem Zusammenhang wird häufig die These genannt, dass junge Erwachsene in der Regel innovationsfreudiger und innovationsfähiger seien als ältere. Dies sei besonders in der aktuellen beruflichen Erstausbildung der Jüngeren sowie ihrer höheren Mobilität und Flexibilität begründet, während ältere Erwerbspersonen allerdings über einen deutlich größeren beruflichen und sozialen Erfahrungsschatz und dementsprechende Kompetenz verfügten. Deshalb spreche einiges dafür – so die These weiter –, dass eine gleichmäßigere Altersstruktur mit einem entsprechend hohen Anteil jüngerer Arbeitskräfte günstigere Voraussetzungen bietet, um in Zukunft die zu erwartenden Herausforderungen auf wirtschaftlichem, technischem und gesellschaftlichem Gebiet zu bestehen. Ohne das Für und Wider dieser These hier im Einzelnen diskutieren zu können, lässt sich aus den künftig zu erwartenden Altersstrukturen der Bevölkerung der Schluss ziehen, dass Innovationen sowie die Bewältigung des technischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandels in Zukunft mehr als bisher von der »älteren« aktiven Bevölkerung getragen werden müssen. Insofern werden das Lernen im Beruf, die berufliche Fortbildung sowie Um- und Neuqualifizierungen auch im höheren Erwerbsalter eine noch stärkere Bedeutung erhalten als bislang.

Drei-Generationen-Verbund künftig als Umlagesystem noch finanzierbar?

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Diskussionen um die künftige Sicherung des sozialen Solidarsystems sei an dieser Stelle die Tragweite der zu erwartenden Altersstrukturverschiebungen am Beispiel des Verhältnisses der Bevölkerungsgruppen im erwerbsfähigen und im nicht erwerbsfähigen3 Alter zueinander veranschaulicht. Angesichts der Frage nach den Belastungen der mittleren, im erwerbsfähigen Alter stehenden Generation durch die kollektiven Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den alten wie den jungen Menschen spielt die zahlenmäßige Entwicklung dieser Bevölkerungsgruppen eine wesentliche Rolle. Aus demografischer Sicht stellen die unter 20-Jährigen (noch nicht erwerbsfähiges Alter), die 20- bis unter 60-Jährigen (erwerbsfähiges Alter) und die 60-Jährigen und Älteren (nicht mehr erwerbsfähiges Alter) die relevanten Altersgruppen dar. Diese Abgrenzungen orientieren sich daran, dass heute das durchschnittliche Rentenzugangsalter knapp 61Jahre beträgt und die Erwerbsbeteiligung der unter 20-Jährigen sehr niedrig ist.

Setzt man diese Zusammenhänge in bevölkerungsstatistische Größen um, so lässt sich die (demografische) »Belastung« der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter durch die nicht mehr Erwerbsfähigen anhand des Altenquotienten zeigen, die »Belastung« durch die noch nicht Erwerbsfähigen anhand des Jugendquotienten.

Zwischen Anfang der 70er- und der 90er-Jahre ergab sich aus dem zahlenmäßigen Verhältnis der drei »Generationen« eine relativ günstige Entwicklung in Baden-Württemberg. Während 1970 auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter etwa 94 Personen im noch nicht oder nicht mehr erwerbsfähigen Alter entfielen, belief sich dieses Verhältnis Anfang der 90er-Jahre auf 100 zu 70. Seitdem stieg dieses Zahlenverhältnis an. Zum Jahresende 2005 standen 100 Personen im Alter von 20 bis unter 60 Jahren bereits etwa 83 nicht erwerbsfähige Personen gegenüber.

Zunehmende Belastung der Erwerbsbevölkerung absehbar

Nach den aktuellen Bevölkerungsvorausrechnungen ist für die weitere Zukunft mit einer deutlichen Zunahme des Altenquotienten zu rechnen. Auf mittlere Sicht (etwa bis 2020) würde diese Relation von 100 Personen im Erwerbsalter zu 43 älteren Nichterwerbspersonen (2005) auf 100 zu 54 ansteigen – um rund ein Viertel. Langfristig dürften jedoch nahezu doppelt so viele nicht mehr Erwerbsfähige auf 100 Personen im Erwerbsalter entfallen wie heute. Der Altenquotient würde sich bis zum Jahr 2050 auf 100 zu 84 erhöhen. Gleichzeitig wird voraussichtlich der Jugendquotient tendenziell leicht abnehmen, sodass mittelfristig eine gravierende Zunahme des Gesamtquotienten (Jugend- plus Altenquotient) gegenüber heute nicht zu erwarten ist.

Längerfristig allerdings – wenn etwa beginnend mit dem dritten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts geburtenstarke Jahrgänge das Rentenalter erreichen – würde die »Gesamtbelastung« der erwerbsfähigen Generation erheblich anwachsen. So könnten um das Jahr 2025 auf 100 Personen im Erwerbsalter bereits ebenso viele im noch nicht und nicht mehr erwerbsfähigen Alter entfallen. Bis zum Jahr 2050 würde der Gesamtquotient auf 100 zu 117 ansteigen. Somit führen die Veränderungen der Altersstrukturen aus heutiger Sicht dazu, dass die Bevölkerung im nicht erwerbsfähigen Alter in etwa 20 Jahren ebenso zahlreich ist wie die der potenziellen Erwerbspersonen und in 50 Jahren diese um rund 17 % übersteigen wird.

Erhöhung der Altersgrenze auf 65 und 67 Jahre

Angesichts der Diskussion um eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit wurden mit den Ergebnissen der Bevölkerungsvorausrechnung für den Jugend-, Alten- und Gesamtquotient Alternativrechnungen durchgeführt. Diese gehen einerseits von einem durchschnittlichen Rentenzugangsalter von 65 Jahren aus und andererseits von einer gesetzlichen Altersgrenze von 67 Jahren, die schrittweise ab 2012 eingeführt wird und im Jahre 2029 vollständig erreicht ist. Damit wäre das erwerbsfähige Alter auf die Phase von 20 bis unter 65 bzw. 67 Jahren festgelegt, die nicht mehr erwerbsfähige Bevölkerung als 65-Jährige und Ältere bzw. als 67-Jährige und Ältere definiert. enthält die Vergleichsergebnisse für die Entwicklung des Altenquotienten.

Erwartungsgemäß liegen die Quotienten bei einem Hinausschieben der Altersgrenze niedriger als bei einem früheren Rentenzugangsalter, weil die »Belastungen« durch Junge und Alte auf eine größere Erwerbsbevölkerung verteilt werden. Dabei fällt der demografische »Entlastungseffekt« beim Jugendquotienten mit einer Größenordnung von rund 10 bis 15 % in den einzelnen Vorausrechnungsjahren deutlich geringer aus als beim Alten- und Gesamtquotienten. Eine Erhöhung der tatsächlichen Altersgrenze von 60 auf 65 Jahre führt zu einer Senkung des Altenquotienten um jeweils etwa ein Drittel, beim Gesamtquotienten um rund ein Viertel. Gleichwohl ändern sich Richtung und Ausmaß der künftigen Veränderung der demografischen »Belastung« der erwerbsfähigen Bevölkerung nicht. Sowohl bei einem durchschnittlichen Rentenzugangsalter von 60 Jahren als auch von 65 Jahren ergibt sich langfristig eine Verdoppelung des Altenquotienten und eine Zunahme des Gesamtquotienten um rund ein Drittel. Allerdings wäre bei einer verlängerten Altersgrenze die Erwerbsbevölkerung über den gesamten Vorausrechnungszeitraum stets größer als die Zahl der Nichterwerbspersonen.

Unter Beibehaltung der gesetzlichen Altersgrenze von 65 Jahren wäre etwa nach dem Jahr 2015 mit einem zunächst allmählichen, ab 2020/2025 mit einem deutlichen Anstieg des Altenquotienten zu rechnen. Ein schrittweises Umsteigen zwischen 2012 und 2029 auf eine Altersgrenze von 67 Jahren würde die Zunahme des Zahlenverhältnisses von nicht mehr Erwerbsfähigen zur Erwerbsbevölkerung etwas bremsen, aber nicht vermeiden. Um das Jahr 2025 kämen dann auf 100 Erwerbspersonen rund 36 nicht mehr erwerbsfähige Personen, im Jahre 2050 wären es 100 zu 53. Heute – mit einer gesetzlich definierten Altersgrenze von 65 Jahren – beläuft sich dieses Zahlenverhältnis auf 100 zu 30 und würde bis 2050 auf 100 zu 60 zunehmen. Unter diesem Blickwinkel – wenn ab 2012 die gesetzliche Altersgrenze stufenweise auf 67 Jahre heraufgesetzt wird – fiele der Anstieg des Altenquotienten mit rund 76 % niedriger aus als bei Fortbestehen der gesetzlichen Altersgrenze von 65 Jahren (+100 %).

Bei dieser Betrachtungsweise ist freilich zu beachten, dass es sich hier lediglich um demografische Quotienten handelt. Sie können nicht einfach gleichgesetzt werden mit Belastungsquoten im ökonomischen Sinne. Dennoch liefern diese Ergebnisse wichtige Anhaltspunkte über die Probleme, mit denen künftig nicht nur die erwerbstätige Generation rechnen muss, sondern auch diejenigen, die von ihr im Rahmen eines Drei-Generationen-Verbundes ökonomisch unterhalten werden müssen.

Wie gehen »Alt« und »Jung« in Zukunft miteinander um?

Die besonders gravierenden demografischen Strukturveränderungen zeigen sich erst in längerfristiger Perspektive. Ihre Entstehungsgründe sind jedoch längst in der Vergangenheit angelegt, mögliche Auswirkungen heute schon – zumindest der Richtung nach – absehbar. Denn die im Jahre 2030 über 30-jährige Bevölkerung lebt bereits jetzt. Die Folgen der künftigen Bevölkerungsentwicklung berühren alle Gesellschaftsbereiche und betreffen auch qualitative Aspekte unserer Gesellschaftsstruktur. Es ist heute kaum abzuschätzen, was es für die Art des Umgangs und des Zusammenlebens der Generationen miteinander bedeutet, wenn in drei Jahrzehnten die nachwachsende Generation nur noch halb so stark in der Landesbevölkerung vertreten ist wie die ältere Generation. Hier fehlen historische Erfahrungen. Hinzu kommt, dass sich die »Alten von morgen« zum Beispiel im Bildungsstand deutlich von den »heutigen Alten« unterscheiden werden.

Auch wenn manche Auswirkungen des demografischen Wandels im Einzelnen noch nicht immer voll erkennbar sind, so lassen sich doch in verschiedenen Themenfeldern einige zu ziehende Konsequenzen identifizieren. Eine davon betrifft verstärkte Bildungs- und Ausbildungsbemühungen für die nachwachsende Generation. Vor dem Hintergrund, dass die zahlenmäßig abnehmende und gleichzeitig alternde Erwerbsbevölkerung im europäischen und globalen Wettbewerb mit anderen Erwerbsbevölkerungen steht, wird es umso wichtiger, dafür zu sorgen, dass die nachwachsenden Jahrgänge mit einer leistungsfähigen und zukunftsorientierten Ausbildung ins Erwerbsleben eintreten können.

Damit auch in Zukunft der soziale, ökonomische und technologische Strukturwandel nicht als plötzliches und überraschendes Ereignis erscheint, ist es wichtig, sich angesichts der Langfristwirkungen demografischer Vorgänge rechtzeitig auf derartig verursachte Veränderungen einzustellen.

Warum eine neue Bevölkerungsvorausrechnung?

Um die Treffsicherheit von Bevölkerungsvorausrechnungen in dem überhaupt möglichen Rahmen zu gewährleisten, werden die ihnen zugrunde gelegten Annahmen in regelmäßigen Abständen überprüft und für eine Aktualisierung der Vorausrechnung anhand der jeweils neuen Erkenntnisse angepasst. Die Ergebnisse der vorigen, Anfang 2003 durchgeführten Bevölkerungsvorausrechnung – mit der Basisbevölkerung zum 31.Dezember 2001 – entstanden in einer Zeit relativ starker Nettozuwanderungen nach Baden-Württemberg. Im Durchschnitt der Jahre von 1999 bis 2002 lag der jährliche Wanderungsgewinn bei rund 50 0000 Personen. In der Erwartung, dass die Nettozuwanderungen in Zukunft diese Größenordnung nicht mehr durchgängig erreichen werden, wurden seinerzeit die Annahmen mit einem Wanderungsplus von durchschnittlich 38 000 Personen pro Jahr angesetzt.

Die Nettozuwanderungen haben sich nach 2001 deutlich nach unten entwickelt. Seinerzeit lag der landesweite Wanderungsgewinn bei rund 69 000 Personen, im Jahr 2005 waren es noch etwa 18 000. Für 2006 kündigt sich ein weiterer Rückgang an. Da es in allererster Linie die Höhe der Wanderungssalden ist, die die Entwicklung der Bevölkerungszahl bestimmt, galt es die jüngsten Migrationstendenzen ebenso für eine aktualisierte Vorausrechnung zu berücksichtigen wie das erneut leicht gesunkene Geburtenniveau und die jüngst eingetretenen Zuwächse in der Lebenserwartung.

Auch künftig Wanderungsgewinne erwartet

Die Schwankungen in den Wanderungsströmen von und nach Baden-Württemberg während der 90er-Jahre und zum Übergang in das neue Jahrhundert haben die Schwierigkeiten, Annahmen mit einer angestrebten Realitätsnähe zu finden, nicht verringert. Um die grundsätzliche Unsicherheit in der Einschätzung künftiger Wanderungsströme zu verdeutlichen und gleichzeitig möglichst einzugrenzen, wurden zwei Varianten mit unterschiedlich hohen Ansätzen für die Wanderungssalden festgelegt.

Variante 1: Es wird für die Zukunft angenommen, dass Baden-Württemberg nach wie vor ein Zuwanderungsland bleiben wird. Gleichwohl gibt es Gründe für die Annahme, dass der künftige Wanderungsgewinn geringer ausfallen könnte als bislang. So dürften etwa nach 2010 die innerdeutschen Ost-West-Wanderungen, von denen seit der Wiedervereinigung überdurchschnittlich viele nach Baden-Württemberg führten, durch die dann relativ schwach besetzten Geburtsjahrgänge der 20- bis unter 30-Jährigen merklich an Volumen verlieren. Hinzu kommen die allmählich auslaufenden Zuströme von Spätaussiedlern. Vor diesem Hintergrund geht die Rechenvariante 1 von einem jährlichen Wanderungsgewinn des Landes Baden-Württemberg von 17 000 Personen bis 2050 aus. Insgesamt würden damit in den nächsten viereinhalb Jahrzehnten rund 765 000 Menschen per saldo ins Land zuwandern.

Variante 2: Ein zweiter Rechenansatz orientiert sich stärker an der längerfristig vergangenen Entwicklung und berücksichtigt auch Schwankungen in der Höhe der Wanderungsströme. Im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2050 werden hier Nettozuwanderungen von rund 24 000 Personen pro Jahr zugrunde gelegt. Hinter diesem Durchschnittswert verbergen sich abgestufte Wanderungsannahmen, die in den nächsten Jahren zunehmende Wanderungsgewinne als Folge eines sich aufwärts entwickelnden Arbeitsmarktes unterstellen wie auch Effekte der ab 2012 geltenden Freizügigkeit für die neuen EU-Länder berücksichtigen.

Daher wird in Variante 2 mit folgenden Wanderungsgewinnen gerechnet:

JahrWanderungsgewinn
200615 000
200720 000
200825 000
200930 000
201035 000
201135 000
201240 000
201340 000
2014 bis 202135 000
202230 000
202325 000
202425 000
202525 000
2026 bis 205020 000

Insgesamt ergibt sich aus diesen Annahmen eine Nettozuwanderung bis zum Jahr 2050 von rund 1,1 Mill. Menschen.

Kein nachhaltiger Anstieg der Geburtenhäufigkeiten in Sicht

Die Geburtenhäufigkeiten – gemessen an den zusammengefassten Geburtenziffern – haben sich in den vergangenen 30 Jahren über nahezu eine Generation hinweg in Baden-Württemberg wie im gesamten Bundesgebiet auch auf einem anhaltend niedrigen Stand eingependelt. Zugleich verschob sich die Altersphase mit den größten Geburtenhäufigkeiten kontinuierlich in höhere Altersstufen.

Gegenwärtig ergeben sich aus der vergangenen wie auch der aktuellen Geburtenentwicklung in Baden-Württemberg keine Hinweise auf einen grundlegenden Wandel des generativen Verhaltens. Diese Erfahrungen führen zu der Annahme, dass auch künftig ein niedriges Geburtenniveau bestehen bleibt, wie es im Durchschnitt der Jahre 2003 bis 2005 zu beobachten war. Somit wird für den gesamten Zeitraum der Bevölkerungsvorausrechnung eine Geburtenhäufigkeit von 1 360 Geborenen je 1 000 Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren zugrunde gelegt. Dabei bleibt die bis zum Jahr 2005 erreichte Verteilung der altersspezifischen Geburtenhäufigkeiten konstant.

Weitere Zunahme der durchschnittlichen Lebenserwartung

In den vergangenen rund 30 Jahren hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt für Frauen und Männer um etwa 17 Jahre erhöht. Es wird davon ausgegangen, dass sich der Sterblichkeitsrückgang auch künftig fortsetzt. Für die Zwecke der Bevölkerungsvorausrechnung werden die Sterbewahrscheinlichkeiten aus dem Durchschnitt der Jahre 2003/2005 über den gesamten Vorausrechnungszeitraum mit altersspezifischen Abstufungen abgesenkt. Bis zum Jahr 2050 wäre damit eine durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt von rund 84 Jahren für Männer und etwas über 88 Jahren für Frauen erreicht.

Vorausrechnungen der Gesamtbevölkerung bis 2050

Wie bereits die vorangegangenen Bevölkerungsvorausrechnungen auf Landesebene ist auch die jüngste Vorausrechnung als langfristige Modellrechnung angelegt. Sie erfolgt auf der Basis des Gesamtbevölkerungsstandes zum 31.Dezember 2005, gegliedert nach Altersjahren und Geschlecht. Der Vorausrechnungshorizont erstreckt sich bis zum Jahr 2050. Damit wird besonders der Langfristcharakter demografischer Vorgänge verdeutlicht.

Die gesetzten Annahmen zur künftigen Entwicklung der Wanderungsbewegungen, des generativen Verhaltens und der Sterblichkeit beziehen sich auf die Gesamtbevölkerung.

1 Geburtsjahrgänge aus der Zeit vor 1920.

2 Der Erneuerungsindex misst das Zahlenverhältnis von »jüngeren« (20-bis unter 40-jährigen) und »älteren« (40-bis unter 60-jährigen) Erwerbspersonen.

3 Erwerbsfähig ist hier einrein statistischer Begriff, der nichts mit der physischen und psychischen Erwerbsfähigkeit eines Menschen zu tun hat.