:: 6/2007

Mutter werden ist nicht schwer … Mutter sein dagegen sehr?

Kinder zu haben bedeutet für viele Frauen großes Glück, Kinder bereichern das Leben und geben dem Dasein einen Sinn. Häufig ist das Muttersein jedoch auch mit Belastungen und Ambivalenzen verbunden: Immer mehr Mütter wollen sich beruflich engagieren, gleichzeitig scheint der Mythos der perfekten Mutter und Hausfrau auch im dritten Jahrtausend lebendig zu sein. Wie lebt es sich in diesem Spannungsfeld? Welche Wünsche, Sorgen und welche Vorbilder haben Mütter heute? Eine aktuelle Mütterbefragung versucht, dem Lebensgefühl von Müttern in Deutschland auf die Spur zu kommen.

Mutterglück bedeutet vor allem Staunen und Teilhaben

Wenn es in Deutschland wieder attraktiv sein soll Kinder zu bekommen, muss der Wert von Kindern wieder stärker in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion rücken. Daher widmet sich die von wellcome finanzierte Studie (i-Punkt) dem Muttersein und zeigt mit ihren Ergebnissen, welche Bereicherung Kinder für das Leben von Müttern sind. Fast alle Mütter (98 %), egal ob jung oder alt, auf dem Dorf oder in der Stadt lebend, arm oder reich, Akademikerin oder Verkäuferin, sagen laut dieser Studie rückblickend, dass für sie Kinder ganz selbstverständlich zu ihrem Leben dazugehören. Zu den schönsten Seiten des Mutterseins gehört es, die Entwicklung der Kinder zu beobachten und zu begleiten und Lebenssinn durch Kinder zu erfahren (i-Punkt Seite 16). Für nahezu die Hälfte der Mütter stehen diese Aspekte im Vordergrund (48 %). Auch Liebe, Vertrauen und Glück durch eigene Kinder zu empfangen und das Zusammensein mit einem Kind zu erleben und zu genießen, werden als wichtige Erfahrungen beschrieben, die das Muttersein ausmachen. Auf die Frage, welche Vorbilder und Orientierungshilfen Mütter haben, sagen fast 90 % der Mütter, dass sie vieles ganz intuitiv machen und nahezu 70 % profitieren vom Erfahrungsaustausch mit anderen Müttern. Die eigene Mutter als Vorbild spielt nur bei 50 % der Befragten eine Rolle, wobei die Vorbildrolle der eigenen Mutter im Osten und in ländlichen Regionen mit knapp 70 % deutlich höher ist. Freundinnen, Eltern, Großmütter, Lehrerinnen oder sonstige Vorbilder werden von weniger als 10 % der Mütter genannt. Ebenfalls etwa 10 % der Mütter geben an, Kurse in Elternschulen oder Familienbildungsstätten zu besuchen.

Die größten Schwierigkeiten für Mütter: Vereinbarkeit von Familie und Beruf und richtige Erziehung der Kinder

Vor allem jüngere Mütter fühlen sich in Erziehungsfragen häufig unsicher: Jede vierte junge Mutter im Alter von 18 bis 29 Jahren sieht in der richtigen Erziehung der Kinder die größte Schwierigkeit für Mütter. Dies weist darauf hin, dass sich Ansprüche an die Erziehung gewandelt haben. Mütter, die sich um die optimale Versorgung und Förderung ihrer Kinder kümmern, tun dies häufig auf hohem Niveau vor dem Hintergrund einer »Semiprofessionalisierung der Mutterarbeit«.1 Im Umgang mit Kindern wird heute weniger dem Zufall überlassen als früher. Das Wissen und zugleich auch die Verunsicherung der Mütter in Fragen der kindlichen Entwicklung und Förderung sind gestiegen.

Die erhöhten Anforderungen an die Erziehungs- und Betreuungstätigkeit der Mütter kollidieren jedoch häufig mit einer ebenfalls gestiegenen Berufsorientierung. Lag die Erwerbstätigenquote2 von Frauen mit minderjährigen Kindern 1985 noch bei 49 %, so waren 2005 bereits 65 % der Mütter erwerbstätig.3 Eine erfüllte Mutterschaft in der Balance von Familie und Beruf ist heute jedoch noch keine Selbstverständlichkeit: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist die größte Schwierigkeit für Mütter (25 %). Diese Einschätzung hängt allerdings mit der tatsächlichen Berufstätigkeit, der Anzahl der Kinder und dem Bildungsgrad zusammen. Fast 40 % der Frauen mit Abitur oder Hochschulabschluss sehen in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf die größte Schwierigkeit, wohingegen es bei Frauen mit Hauptschulabschluss lediglich gut 10 % sind.

Der Einfluss des Bildungsgrades zeigt sich auch im Hinblick auf die Haltung zur Berufsunterbrechung nach der Geburt eines Kindes: Je höher der Bildungsgrad ist, desto stärker befürworten die Frauen eine rasche Rückkehr in den Beruf.4 Während 68 % der befragten Frauen mit Hauptschulabschluss der Meinung sind, Mütter sollten bis zum Kindergartenalter zu Hause bleiben, befürworten dies nur 43 % der Mutter mit Abitur oder einem abgeschlossenen Studium.

Sind die Jüngeren »überraschend konservativ«?

Nach wie vor stehen viele Eltern einer Erwerbsbeteiligung von Müttern mit Kindern unter 3 Jahren skeptisch gegenüber: Gut die Hälfte der befragten Mütter (55 %) votiert dafür, dass Mütter keiner Berufstätigkeit nachgehen sollen bis die Kinder den Kindergarten besuchen, bei Müttern unter 30 Jahren sind es sogar 63 %. Diese Einstellung ist im Westen Deutschlands weiter verbreitet als im Osten: Während im Westen insgesamt 57 % der Mütter der Meinung sind, eine Mutter sollte bis zum Kindergartenalter zu Hause bleiben, stimmen dem im Osten 48 % der befragten Mütter zu. Für eine geteilte Elternzeit plädiert insgesamt nur etwa ein Viertel der befragten Frauen (27 %), bei den unter 30-Jährigen sind es lediglich 12 %.

Interpretationen, die aufgrund dieser Ergebnisse zu dem Schluss kommen, die Jüngeren zeigten sich angesichts der Diskussion um Elterngeld und Vätermonate »überraschend konservativ«5 greifen jedoch zu kurz, da im Rahmen der hier vorgestellten Studie nur Frauen befragt wurden, die sich bereits für Kinder entschieden haben. Doch hatte 2005 lediglich jede fünfte Frau dieser Altersklasse Kinder. Die anderen vier Fünftel hatten sich – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht für eine Elternschaft entschieden.6 Eine aktuelle Studie, die im Auftrag des Bundesfamilienministeriums Lebensentwürfe und Rollenbilder von 20-jährigen Frauen und Männern untersucht, zeigt, dass junge Frauen mit Abitur heute ein breites Spektrum an Möglichkeiten sehen, ein Leben mit Kindern zu gestalten.7 Bei ihrem zukünftigen Lebenspartner setzen sie jedoch die Bereitschaft voraus, Aufgaben in Familie und Beruf gleichberechtigt zu teilen. Bei jungen Frauen mit mittlerer oder geringer Schulbildung findet sich eine Mischung aus traditionellen und modernen Rollenbildern. Sie streben mehrheitlich ein traditionelles Lebensmodell an, bei dem der Vater nach wie vor der Haupternährer der Familie ist und die Mutter einer Teilzeiterwerbstätigkeit nachgeht. Sie erwarten von ihrem Partner keine echte Aufgabenteilung im Haushalt mit dem Ziel gleicher Berufschancen, dennoch wünschen sie sich einen Partner, der sie im Rahmen seiner Möglichkeiten im Haushalt und bei der Kindererziehung unterstützt. Die vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass Lebenskonzepte und Rollenvorstellungen junger Frauen sowohl von ihren Bildungsabschlüssen und damit verbundenen beruflichen Perspektiven abhängig sind als auch von milieu-spezifischen Prägungen.

Die größten Belastungen für Mütter: Finanzielle Sorgen und der Haushalt

Durch die von wellcome in Auftrag gegebene Mütterbefragung wird deutlich, dass Tätigkeiten, die der traditionellen Rolle als Mutter und Hausfrau zuzuordnen sind, von vielen Frauen als belastend empfunden werden. Der Haushalt belegt nach finanziellen Sorgen den 2. Platz im Ranking der größten Belastungen für Mütter. Insgesamt gibt jede vierte befragte Mutter an, sich ziemlich ausgebrannt zu fühlen und eine längere Auszeit wie eine Mütterkur gut gebrauchen zu können.

Nur 30 % der Mütter sind der Meinung, dass sie genug Anerkennung für ihre tägliche Arbeit als Mutter bekommen. Unter einem Mangel an Anerkennung leiden nichtberufstätige Mütter noch stärker (75 %) als Mütter, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen (65%). Ein Drittel der befragten Mütter äußert darüber hinaus den Wunsch, mehr Zeit für berufliches Engagement zu haben. Insbesondere junge Mütter unter 30 Jahren würden sich gerne stärker beruflich engagieren (42 %).

Diese Ergebnisse zeigen die ambivalenten Orientierungen und Wünsche, die das Lebensgefühl und den Alltag der befragten Mütter prägen. Viele Frauen wollen sowohl beruflich als auch als Mutter erfolgreich sein. Lebensentwürfen, die eine klare Priorität entweder im beruflichen oder im familiären Bereich setzen, wird durch die befragten Mütter mehrheitlich eine Absage erteilt: Nur 7 % sagen, dass Mütter ihre Berufstätigkeit nach der Geburt eines Kindes nicht unterbrechen sollten, 6 % sind der Meinung, dass Mütter nicht berufstätig sein sollen. So könnte man als Ergebnis der vorgestellten Studie zusammenfassen: Entweder-oder-Lösungen sind nicht gefragt, ein Sowohl-als-auch von Familie und Beruf ist aber für viele Mütter nach wie vor schwierig zu realisieren.

Die Lage und die Bedürfnisse von Müttern hängen von vielen Faktoren ab: Ausbildung, Wohnort, Anzahl und Alter der Kinder, Partnerschaft sowie das Einkommen sind die wichtigsten davon. Die im Auftrag von wellcome durchgeführte Mütterbefragung zeigt, dass ideologisch überfrachtete Debatten über geeignete Maßnahmen der Familienförderung nicht weiterführen. Eine mütterfreundliche Familienpolitik muss an den vielfältigen Lebens- und Bedürfnislagen von Familien ansetzen und hierauf abgestimmte differenzierte Fördermaßnahmen entwickeln: Es gibt Familien, die eher finanzielle Unterstützung benötigen, wohingegen andere eher von einem besseren Angebot der Kinderbetreuung profitieren.8

1 Pasquale, Judith: Mutterschaft heute: Von der Erziehungsarbeit zum Kindheitsmanagement? (31. Mai 2007)

2 Erwerbstätigenquote = Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung.

3 Siehe auch Leschhorn, Harald: Teilzeiterwerbstätigkeit zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2006, S. 10 ff.

4 Zu diesem Ergebnis kommt auch eine aktuelle Untersuchung auf der Basis des Bamberger Ehe-paar-Panels: Mühling, Tanja/Rost, Harald/Rupp, Martina/Schulz, Florian: Kontinuität trotz Wandel – Die Bedeutung traditioneller Familienleitbilder für die Berufsverläufe von Müttern und Vätern, Weinheim und München 2006, S. 141.

5 Pressemitteilung der FAZ (31. Mai 2007)

6 Für das Jahr 2006, in dem die Befragung stattfand, liegen noch keine Daten vor.

7 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): 20-jährige Frauen und Männer heute – Lebensentwürfe, Rollenbilder, Einstellungen zur Gleichstellung, Heidelberg 2007.

8 Auch die Kinderwunsch-Studie der Robert Bosch Stiftung zeigt, dass die Bedürfnisse von Familien mit Faktoren wie der Anzahl der Kinder und dem Ausbildungsniveau der Mütter zusammenhängen. Ein-Kind-Familien sowie höher qualifizierte Mütter wünschen sich bessere Betreuungsangebote, wohingegen kinderreiche Familien und Mütter mit einer geringeren beruflichen Qualifikation eher von mehr finanzieller Unterstützung profitieren. Robert Bosch Stiftung (Hrsg.): Kinderwünsche in Deutschland, Stuttgart 2006.