:: 7/2007

Qualität vor Quantität – Charakteristika des Gründungsgeschehens in Baden-Württemberg

Baden-Württemberg gilt als das Land der Tüftler und Denker. Dass dies nicht nur eine Phrase ist, zeigt sich zum Beispiel bei der Zahl der Patentanmeldungen pro Einwohner. Hier belegt das Land im Bundesvergleich ebenso Platz 1 wie bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Hinzu kommt der hervorragende Ruf der baden-württembergischen Hochschulen. Nach den Ergebnissen des unlängst vom Statistischen Landesamt vorgelegten Innovationsindex steht Baden-Württemberg nicht nur bundesweit an der Spitze, sondern ist aktuell die Region mit der höchsten Innovationskraft in der Europäischen Union. Da Innovationen und Unternehmertum die Triebkräfte von Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlicher Dynamik eines Landes sind, setzt die Förderpolitik des Landes genau hier an. Die L-Bank bietet speziell in der Technologie- und Gründungsförderung attraktive Finanzierungslösungen für Gründer, Übernehmer und den Mittelstand.

Analyse des Gründungsgeschehens

Betrachtet man das Gründungsgeschehen in Deutschland, ergeben sich einige Überraschungen: Bei der Quote der Gewerbeanmeldungen ist festzustellen, dass Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin überdurchschnittlich gut abschneiden, während Baden-Württemberg unter dem Bundesdurchschnitt rangiert. Diese Betrachtungsweise ist jedoch nur eine Seite der Medaille, denn die höchste Gründungsintensität hilft nur wenig, wenn sie nicht nachhaltig ist und die neu gegründeten Unternehmen schon nach kurzer Zeit den Markt verlassen müssen. Aus diesem Grund wird in der Praxis auf den Gründungssaldo abgestellt, also auf die Differenz aus Neugründungen und Betriebsaufgaben eines Jahres – eine erste, wenn auch nur grobe qualitative Komponente. Hier kehrt sich das zuvor gezeichnete Bild beinahe um. In absoluten Zahlen betrachtet stehen die großen Flächenländer wie Bayern und Nordrhein-Westfalen an der Spitze. Der Gründungssaldo Baden-Württembergs beträgt nahezu das Doppelte des Bundesdurchschnitts. Die Aussagekraft dieser Betrachtung relativiert sich jedoch, da die Mehrzahl der Gründungen nicht im ersten Jahr scheitert, sondern in späteren Jahren.

Ursachen des Scheiterns

Finanzierungsmängel und Informationsdefizite sind die größten Stolpersteine für Existenzgründer. Kleine und mittlere Unternehmen sind generell größenbedingten Finanzierungsnachteilen ausgesetzt. Ihnen stehen die Kapitalmärkte als Finanzierungsquelle nicht zur Verfügung. Auch Instrumente wie Factoring oder Beteiligungskapital werden wenig genutzt. Im Gegenzug ist ihre Abhängigkeit von Kreditgebern besonders groß. Hinzu kommt, dass die im internationalen Vergleich schwache Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen insgesamt, bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) besonders ausgeprägt ist. Dies bestätigen unter anderem die Zahlen der Deutschen Bundesbank. Den Existenzgründern in Baden-Württemberg geht es da nicht anders. Da zwischen Eigenkapitalausstattung und Insolvenzfestigkeit von Unternehmen eine enge Wechselbeziehung besteht, sind die bestehenden Finanzierungsnachteile sicher ein wesentlicher Risikofaktor des Scheiterns von Gründern bzw. jungen Unternehmen.

Förderauftrag und -angebot der L-Bank

Die Gründungs- und Mittelstandsförderung hat in Baden-Württemberg seit vielen Jahren Tradition. L-Bank, Bürgschaftsbank und Mittelständische Beteiligungsgesellschaft (MBG) bieten ihren Kunden ein breit gefächertes Angebot an Finanzierungsinstrumenten – auch für Existenzgründungen. Neben zinsverbilligten Darlehen stehen Bürgschaften und stille Beteiligungen zur Verfügung. Im Dezember 2000 wurden Bundes- und Landesförderung zu einem einheitlichen Instrument zusammengefasst: zur Gründungs- und Wachstumsfinanzierung Baden-Württemberg (GuW). 5 Jahre später war es an der Zeit, eine erste Zwischenbewertung vorzunehmen.

Ergebnisse der Evaluierung

Um als Existenzgründer von Anfang an auf Erfolgskurs zu sein, ist ein guter Start besonders wichtig. Welche Rolle spielt hierbei die L-Bank? Dieser Frage sind wir im letzten Jahr nachgegangen. Das RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e. V. kam zu folgendem Resultat: der Gründungsjahrgang 2001, der sich als erster allein auf das GuW-Programm stützte, zeigte eine erstaunliche Standfestigkeit und Dynamik – trotz der damals schwierigen Wirtschaftslage.

Mehr als 4 von 5 Unternehmen überlebten die ersten 5 Jahre. Dies übertraf selbst die unter günstigeren Rahmenbedingungen gestartete Vergleichsstichprobe aus dem Jahr 1992. Ähnlich erfreulich war die Wirkung des Förderprogramms auf die Beschäftigung. Im Jahr 2005 standen in den geförderten Betrieben etwa 15 000 Arbeitsplätze zur Verfügung. Mehr als die Hälfte der Unternehmen bildeten aus, mit dem Trend sogar mehrere Auszubildende zu beschäftigen. Damit übernahmen sie gesellschaftliche Verantwortung. Gerade junge Unternehmen geben dem baden-württembergischen Arbeitsmarkt dringend benötigte Beschäftigungsimpulse. Und sie tun das in einem gesunden betriebswirtschaftlichen Rahmen. Nahezu parallel zur Beschäftigung verlief auch ihre Umsatzentwicklung. Mehr als die Hälfte hatte nach 5 Jahren Umsatzzuwächse von über 25 % erzielt. Mit durchschnittlich 8,8 Arbeitnehmern wurde ein Jahresumsatz von 880 000 Euro erreicht. Und noch wichtiger: nur 7,5 % der Firmen schrieben rote Zahlen. Eine solide Ertragslage ist die beste Grundlage für den Aufbau eines gesunden Kapitalstocks. Das beweist die überdurchschnittlich hohe Eigenkapitalquote von um die 40 % (2002 lag sie noch bei knapp 30 %).

Aktuelle Tendenzen

In Baden-Württemberg stehen jedes Jahr rund 11 000 Betriebe vor einem Generationenwechsel. Aus diesem Grund hat sich die L-Bank auch die Frage gestellt: Wird die GuW-Förderung den besonderen Finanzierungsbedürfnissen von Übernehmern gerecht? Die Studie zeigte uns, dass der Anteil von Übernahmen am Gründungsgeschehen wächst. 2001 wurden fast genau so viele Übernahmen wie Neugründungen gefördert, gegenüber einem Verhältnis von 2 zu 3 im Jahr 1992. Ein Indiz dafür, dass die Förderangebote zielgenau sind und das 12-Punkte-Programm der Landesregierung genau zur richtigen Zeit gestartet wurde. Mit ihm wurde 2002 ein integriertes Gesamtkonzept zur Ergänzung des mittelstandspolitischen Instrumentariums geschaffen, das sich neben der Sensibilisierung für die anstehenden Herausforderungen, auch mit konkreten Hilfen bei der Qualifizierung, Beratung und Finanzierung befasst.

Immer mehr Existenzgründungen erfolgen im Team. Inzwischen erfolgt beinahe jede dritte Existenzgründung zusammen mit Partnern. Interessant dabei ist, dass bei solchen Partnergründungen Synergieeffekte tatsächlich nachweisbar sind. Ihr Umsatz- und Beschäftigungswachstum liegt mit 50 bzw. 78 % erheblich über den Vergleichszahlen bei Einzelgründungen.

Die Hälfte aller geförderten Gründungen und Übernahmen findet in den freien Berufen und dem Dienstleistungssektor statt. Diese Gründungen konzentrieren sich auf Zukunftsbranchen; damit tragen sie den Strukturwandel mit und gestalten maßgeblich den Wandel unserer Volkswirtschaft zu einer wissensorientierten Dienstleistungsgesellschaft. Darüber hinaus sind Gründer und Übernehmer zunehmend höher qualifiziert. Stark zugenommen hat insbesondere die Zahl der Universitätsabsolventen unter den Gründern. In den freien Berufen beträgt ihr Anteil 67,5 %, insgesamt hat sich ihre Zahl vervierfacht. Darüber hinaus sind sie bei den wachsenden Unternehmen am stärksten und den schrumpfenden Unternehmen am wenigsten vertreten. Der idealtypische Gründer in Baden-Württemberg kann also auf eine solide Ausbildung zurückgreifen, besitzt einschlägige Branchenerfahrungen und startet meist aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis.

Erfolgsfaktor Gründungsförderung

Angesichts dieser günstigen Umstände stellt sich die Frage, welchen Beitrag die Gründungsförderung der L-Bank für das häufigere Überleben der Betriebe leistet.

Die geförderten Unternehmen sehen in der Förderung eine wesentliche Erfolgskomponente. Knapp die Hälfte der Gründungen wäre ohne Fördermittel weniger erfolgreich gestartet oder wäre erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich gewesen. Ein Viertel der Unternehmen wäre ohne Förderung überhaupt nicht gegründet worden. Bei den Investitionen hätte über die Hälfte der Gründer und Übernehmer mehr Zurückhaltung üben müssen (Schaubild 4). Die Gründer des Jahrgangs 2001 bewerteten vor allem die entlastenden Aspekte der Förderung positiv. Die meisten von ihnen blicken mit Optimismus in die Zukunft und sehen sich im Vergleich zu Konkurrenz bestens positioniert.

Die Gründungs- und Wachstumsfinanzierung der L-Bank ist, so die Einschätzung des RKW, bedürfnisgerecht ausgestaltet. Verbilligte Zinsen und ihre lange Festschreibung geben den Gründern hohe Planungssicherheit. Hinzu kommen die Vorteile flexibler und liquiditätsschonender Tilgungsmöglichkeiten. Die L-Bank hilft dabei, das Erfolgspotenzial der Gründer in der ganzen Breite zu nutzen.

Beratung + Finanzierung = Erfolg

Gründungsförderung beschränkt sich in Baden-Württemberg aber nicht nur auf die Finanzierung. Bevor Gründer in konkrete Finanzierungsgespräche eintreten, bedarf es einer gründlichen Vorbereitung. Hierfür stellt das Land ebenfalls Hilfen in Form von Zuschüssen bereit. Nach den Ergebnissen der Studie holen sich dann auch mehr als drei Viertel der Unternehmer externen Rat ein – zumeist bei Steuer- und Bankberatern. Auch die Beratungsangebote von Kammern und Verbänden werden in hohem Maß geschätzt. Hauptschwierigkeit für die Gründer ist, aus der Vielzahl an Beratungsangeboten die richtigen Partner auszuwählen. Deshalb unterstützt die L-Bank seit mehreren Jahren interdisziplinäre Beratungsnetzwerke. Diese sind bei den Wirtschaftskammern angesiedelt und fungierten zum Teil als »Starter-Center« mit einem kompletten Dienstleistungsangebot. Heute stehen unsere Berater potenziellen Gründern regelmäßig an 25 Standorten im Land mit Rat und Tat zur Verfügung – eine bundesweit einmalige Beratungsdichte.

Standort Baden-Württemberg

Unternehmer können ihre Stärken nur unter günstigen Rahmenbedingungen optimal entfalten. Dazu gehört ein modernes Beratungs- und Förderangebot ebenso wie eine leistungsfähige Infrastruktur. Die Menschen im Land brauchen ein attraktives und arbeitsplatznahes Wohnumfeld. Ein funktionierender Waren- und Güteraustausch braucht gut ausgebaute Verkehrswege. Information und Kommunikation sind inzwischen auch für den Mittelstand eine globale Angelegenheit. Dazu bedarf es reibungslos funktionierender Telekommunikationssysteme. Unabdingbar sind ferner eine zuverlässige Energieversorgung und ein leistungsfähiger Finanzplatz.

Defizite werden am ehesten in Arbeitsmarktregulierungen und den steuerlichen Rahmenbedingungen gesehen. Die nur schwach ausgeprägte »Kultur der Selbstständigkeit« ist in der öffentlichen Diskussion hingegen kein Thema. Dies verwundert umso mehr, als internationale Vergleichsstudien wie der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) Deutschland seit Jahren auf die hinteren Ränge verbannt. Positive Impulse kamen in diesem Punkt zuletzt von der EU-Kommission, die in ihren Strategie-papieren zur Sicherung von Wachstum und Beschäftigung explizit die Förderung von unternehmerischer Initiative vorsieht.

Fernziel: Kultur der Selbstständigkeit

Von einer Start-up-Kultur sind wir in Deutschland weit entfernt. Insbesondere Vergleiche mit den USA müssen uns nachdenklich stimmen. Die Frage, ob sie die Selbstständigkeit einem Arbeitnehmerverhältnis vorziehen würden, bejahten bei einer Umfrage immerhin zwei Drittel der befragten US-Amerikaner. In Deutschland liegt die Quote nur bei 35 %. Das hat mit einer historisch gewachsenen Arbeitnehmerkultur, mit der Delegation von Verantwortung und der Risikobereitschaft der Menschen zu tun. Eine Gesellschaft, die erkennt, dass zur Bewältigung unserer Zukunftsaufgaben Mut, Eigeninitiative und Risikobereitschaft notwendig sind, muss diese Fähigkeiten möglichst frühzeitig vermitteln.