:: 7/2007

Abschlussquoten an den baden-württem-bergischen Hochschulen im internationalen Vergleich1

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) hat – gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, Eurostat und UNESCO – sukzessive ein System von internationalen Bildungsstatistiken mit exakt definierten Bildungsindikatoren aufgebaut. Damit soll die Möglichkeit gegeben werden, die verschiedenen nationalen Bildungssysteme miteinander zu vergleichen und die Position einzelner Staaten im internationalen Vergleich einzuschätzen (vgl. i-Punkt). Ausgewählte OECD-Bildungsindikatoren konnten für die einzelnen Bundesländer berechnet werden und wurden im vergangenen Jahr erstmals in der Gemeinschaftsveröffentlichung »Internationale Bildungsindikatoren im Ländervergleich« herausgegeben (vgl. i-Punkt). Bei den Indikatoren aus dem tertiären Bildungsbereich stellt man fest, dass die Abschlussquoten an den Hochschulen in Baden-Württemberg international betrachtet – wie im Bundesdurchschnitt auch – niedrig ausfallen. Dagegen liegt der Anteil der Hochschulabsolventen in den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern in Baden-Württemberg mit 36 % sowohl im Vergleich mit den anderen Bundesländern als auch international betrachtet deutlich über dem OECD-Durchschnitt.

Niedrige Abschlussquoten im tertiären Bereich in Deutschland

In den OECD-Mitgliedstaaten insgesamt erreichte im Jahr 2004 mehr als ein Drittel der jungen Erwachsenen einen Abschluss im Tertiärbereich A. Dabei gab es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten: Während in Island, Neuseeland und Finnland die Abschlussquoten bei 50 % oder knapp darunter lagen, erreichte in Deutschland, Österreich und der Tschechischen Republik nur etwa jeder Fünfte des alterstypischen Jahrgangs einen Abschluss im Tertiärbereich A. Am unteren Ende der Rangfolge lag die Türkei: Hier betrug die Abschlussquote gut 10 %. Tendenziell können die Länder höhere Abschlussquoten aufweisen, in denen die Mehrzahl der Erstabschlüsse in den Studiengängen mit einer mittellangen Dauer erworben wird. Im OECD-Durchschnitt waren die Absolventenquoten dieser Studiengänge höher als die der Studiengänge mit einer Regelstudienzeit von mindestens 5 Jahren. In Deutschland war die Rangfolge der Abschlussquoten umgekehrt: Bei den Studiengängen mit einer Regelstudienzeit von 5 Jahren und mehr erreichte Deutschland mit annähernd 13 % fast den OECD-Durchschnitt. Dagegen war der Anteil bei den Absolventen von Studiengängen mit einer mittleren Dauer im internationalen Vergleich gering. Hier ist in den nächsten Jahren mit einer Steigerung zu rechnen, da mit dem Ausbau der Bachelorstudiengänge die Anzahl der Studierenden und Absolventen in diesen Studiengängen zunehmen wird.

Eine Abschlussquote im tertiären Bereich gewinnt an Aussagekraft, wenn man das gesamte Bildungssystem der einzelnen Länder betrachtet. Eine Ursache für im internationalen Vergleich niedrige Abschlussquoten im Tertiärbereich sind die Unterschiede in den Strukturen der Bildungssysteme. Die berufliche Ausbildung erfolgt in Deutschland weitgehend an und in Kooperation mit den Schulen und erfordert als Zugangsvoraussetzung lediglich einen Abschluss im Sekundarbereich I. Die Absolventen, die ihre erste berufliche Ausbildung (ohne Hochschulzugangsberechtigung) erfolgreich abgeschlossen haben, werden der entsprechenden Quote für ISCED 3B zugerechnet. Hier gehen unter anderem die Absolventen der dualen Berufsausbildung ein. In einer Reihe von anderen OECD-Staaten wird die Berufsausbildung zum Teil an den Hochschulen vermittelt, sodass hier die Absolventen in den Quoten für den Tertiärbereich enthalten sind. Die Abschlussquoten für ISCED 3B spiegeln die Situation ebenfalls wider: Diese Abschlussquote lag 2004 in Deutschland bei 61 %. Eine solche Quote erreichte neben Deutschland nur die Schweiz. Sie war um ein Vielfaches höher als im OECD-Durchschnitt, der bei nur 6 % lag. In den meisten OECD-Ländern haben Bildungsgänge, die ISCED 3B zuzuordnen sind, keine oder nur eine sehr geringe Bedeutung.

Abschlussquoten der Flächenländer lagen unter denen der Stadtstaaten

Die Abschlussquoten der Bundesländer für den Tertiärbereich A wichen im Jahr 2004 erheblich voneinander ab: Die höchste Quote war in Berlin mit 30 % zu verzeichnen; die niedrigste in Brandenburg mit knapp 14 %. In allen Stadtstaaten war diese Abschlussquote höher als in den Flächenländern, da sie von der Zuwanderung der Studienanfänger und Studierenden aus den umliegenden Flächenländern profitieren. In den Stadtstaaten wurde die durchschnittliche Abschlussquote der OECD-Länder allerdings ebenfalls nicht erreicht. In den neuen Ländern waren die Quoten – abgesehen von Sachsen – relativ niedrig. Bis auf Sachsen-Anhalt wiesen alle Bundesländer bei den Absolventenquoten der Studiengänge mit langer Dauer höhere Werte auf als bei den Studiengängen mit mittlerer Dauer.

Baden-Württemberg lag mit einer Absolventenquote von gut 22 % geringfügig über der der Flächenländer in Deutschland insgesamt. Dabei war die Abschlussquote für die Studiengänge mit einer Regelstudienzeit von 5 bis 6 Jahren geringfügig höher, für die Studiengänge mit einer Dauer von 3 bis unter 5 Jahren deutlich höher als in Deutschland.

Im Gegensatz zu den Absolventen für den Tertiärbereich A lag Deutschland bei den Quoten für die weiterführenden, forschungsorientierten Studiengänge (Promotionen) im internationalen Vergleich relativ weit vorne. Sie betrug – wie in Österreich – 2,1 %. Nur in Schweden, der Schweiz und Portugal war die Promotionsquote höher. In Deutschland hatten Hamburg und Berlin die höchsten Promotionsquoten; am unteren Ende der Skala lag Brandenburg. In Baden-Württemberg schlossen 2,7 % des alterstypischen Jahrgangs ihre Promotion erfolgreich ab. Dieser Wert lag sowohl deutschlandweit als auch international deutlich über dem Durchschnitt. Einer der Einflussfaktoren auf die Promotionsquote ist die Fächerstruktur an den Universitäten eines Landes. Da in Deutschland rund ein Drittel aller Promotionen auf die »Humanmedizin« entfällt, spiegelt sich die Bedeutung dieses Fachs in Promotionsquoten der einzelnen Bundesländer wider. In Brandenburg und Bremen wird das Studium der Humanmedizin nicht angeboten, entsprechend gering fallen hier die Promotionsquoten (Bremen im Vergleich mit den anderen Stadtstaaten, Brandenburg im Vergleich mit den anderen Flächenländern) aus.

Natur- und Ingenieurwissenschaften in Deutschland relativ beliebt

In der internationalen Bildungsberichterstattung haben Kennzahlen zu den Absolventenanteilen von naturwissenschaftlich und technisch orientierten Fächern eine besondere Bedeutung. Auch in Deutschland wird immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig hoch qualifizierte Nachwuchskräfte in den Bereichen Natur- und Ingenieurwissenschaften sind. Auskunft über die relative Bedeutung der einzelnen Fächergruppen gibt der Indikator »Absolventen nach Fächergruppen«. Er beschreibt die prozentuale Verteilung der Absolventen im Tertiärbereich (hier: Tertiärbereich A einschließlich weiterführende Forschungsprogramme) auf die einzelnen Fächergruppen, gibt aber – für sich betrachtet – keine Auskunft über absolute Zahlen an hoch qualifiziertem Nachwuchs in den einzelnen Gruppen.

Die höchsten Anteile der Absolventen in den ingenieurwissenschaftlichen Fächern an allen Absolventen wurden 2004 in Südkorea mit 27 % und in Finnland (im Jahr 2003), Japan und Schweden mit rund 20 % erreicht. Im Durchschnitt aller OECD-Länder erhielten knapp 13 % aller Absolventen ihr Abschlusszeugnis im Bereich Ingenieurwissenschaften. In Deutschland lag der Anteil der Hochschulabsolventen mit einem ingenieurwissenschaftlichen Abschluss mit 16,5 % über dem OECD-Durchschnitt. Die höchsten Werte im innerdeutschen Vergleich erreichten Sachsen mit 22 und Thüringen mit 20 %. International betrachtet wurden hier die Werte der Spitzenländer erreicht. In Baden-Württemberg schlossen knapp 18 % aller Hochschulabsolventen einen ingenieurwissenschaftlichen Studiengang ab: Damit lag Baden-Württemberg an 4. Stelle unter den Bundesländern.

Bei den Absolventenanteilen für die Naturwissenschaften wurde im Durchschnitt der OECD-Länder ein Wert von 12 % im Tertiärbereich A erreicht. Spitzenwerte erreichten hier Griechenland mit 22 und Frankreich sowie Großbritannien mit 16 %. Deutschland nahm mit einem Wert von 14 % ebenfalls eine Stellung im oberen Drittel ein. Zwischen den einzelnen Bundesländern schwankte der Wert zwischen 11,2 (Sachsen-Anhalt und Thüringen) und 19,5 % (Bremen). Baden-Württemberg nahm hier mit einer Quote von gut 18 % nach Bremen den 2. Platz ein.

Werden die Anteile der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächergruppen im Tertiärbereich A zusammen gezählt, macht sich bemerkbar, dass Deutschland – gemessen am OECD-Durchschnitt – in beiden Fächergruppen überdurchschnittliche Anteile aufweist. Südkorea liegt mit einem Anteilswert von 39 % an der Spitze, gefolgt von Deutschland (31%) und Finnland (30 %). In allen Bundesländern mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz liegen die Abschlussquoten in den naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen deutlich über dem OECD-Durchschnitt von knapp 25 %. In Baden-Württemberg und Sachsen erwirbt sogar mehr als jeder dritte Absolvent (36 %) einen Abschluss in einem naturwissenschaftlichen oder technischen Studiengang.

1 Der Originalbeitrag ist unter dem Titel »Abschlussquoten an den hessischen Hochschulen im internationalen Vergleich« erschienen in: Staat und Wirtschaft in Hessen, Heft 3/2007. Der Beitrag basiert auf der Gemeinschaftsveröffentlichung »Internationale Bildungsindikatoren im Ländervergleich« (vgl. i-Punkt).