:: 7/2007

Was kostet Arbeit in Baden-Württemberg?

Eine Arbeitstunde kostete in Baden-Württemberg im Jahre 2004 im Produzierenden Gewerbe rund 34 Euro, während dieser Durchschnittswert im Dienstleistungssektor annähernd 28 Euro betrug. Europaweit liegen die baden-württembergischen Arbeitskosten im industriellen Sektor an der Spitze. Die höchsten Arbeitskosten je Stunde wurden sowohl für das Produzierende Gewerbe als auch für die Dienstleistungen für den IT-Sektor ermittelt.

Alle 4 Jahre findet eine von der Europäischen Union gesetzlich vorgeschriebene Arbeitskostenerhebung in den 25 Mitgliedstaaten der EU statt. Die letzte Erhebung zu den Arbeitskosten wurde für das Berichtsjahr 2004 durchgeführt. Mit der Arbeitskostenerhebung verfolgt die EU das Ziel, das Niveau und die Struktur der Arbeitskosten (vgl. i-Punkt) abzubilden. In Baden-Württemberg wurden 3 310 Unternehmen in die Arbeitskostenerhebung einbezogen. Erstmals wurde nicht nur die Industrie und ausgewählte Dienstleistungsbereiche berücksichtigt, sondern der gesamte Dienstleistungsbereich einbezogen. Die Ergebnisse der Arbeitskostenerhebung sind deshalb zum ersten Mal – wenn man von der Landwirtschaft absieht – repräsentativ für die Gesamtwirtschaft des Südwestens.

Baden-Württemberg mit 31 Euro je Stunde bundesweit an dritter Stelle

Im Jahr 2004 lagen die Arbeitskosten je geleisteter Stunde im Land um rund 8 % über den durchschnittlichen Arbeitskosten Deutschlands, die etwas mehr als 28 Euro betrugen. In den neuen Bundesländern waren die Arbeitskosten je Stunde mit gut 21 Euro immer noch deutlich geringer. Aber auch im früheren Bundesgebiet lagen die Arbeitskosten je geleisteter Stunde um etwa 1,50 Euro unter dem baden-württembergischen Niveau.

Unter den Flächenländern übertrafen die Arbeitskosten lediglich in Hessen um rund 2 % den Wert von Baden-Württemberg. Den Spitzenplatz unter den Bundesländern erreichte Hamburg. Dort wurden im Durchschnitt um gut 3 % höhere Kosten für die Arbeitsstunde ermittelt als in Baden-Württemberg. Alle übrigen Bundesländer weisen geringere Arbeitskosten auf. In den neuen Bundesländern lagen die Stundenkosten für den Faktor Arbeit im Durchschnitt immer noch um etwa ein Drittel unter dem baden-württembergischen Niveau.

Die Höhe der Arbeitskosten wird durch die jeweilige Wirtschaftsstruktur und die unterschiedlichen Arbeitskosten in den einzelnen Branchen bestimmt. So sind die Arbeitskosten im Produzierenden Gewerbe im Durchschnitt höher als im Dienstleistungsbereich. Die hiesigen höheren Arbeitskosten erklären sich daher vor allem durch den höheren Anteil von Industriebeschäftigten. Aus der Arbeitskostenerhebung 2004 geht ebenfalls hervor, dass umso mehr für die Mitarbeiter ausgegeben wurde, je größer die Unternehmen waren. Das gilt sowohl für den Dienstleistungssektor als auch für das Produzierende Gewerbe. Allerdings war dieser Effekt in der Industrie weit stärker ausgeprägt als im Bereich der Dienstleistungen.

Zwischen den einzelnen Branchen sind die Arbeitskosten sehr unterschiedlich

Ein Industriearbeitsplatz war mit gut 55 000 Euro im Schnitt über 7 000 Euro teurer als ein Dienstleistungsarbeitsplatz. Die Arbeitsstunde kostete Industriefirmen in Baden-Württemberg gut 34 Euro, während der Durchschnittswert für den Dienstleistungssektor gut 28 Euro betrug. Die Kosten pro Arbeitsstunde lagen also in der Industrie um ein Fünftel über denen in der Dienstleistung.

Die Herstellung von Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen nahm mit knapp 75 000 Euro bei den Arbeitskosten pro Jahr im Südwesten den Spitzenplatz ein. Hier war ein Arbeitsplatz nahezu doppelt so teuer wie im Ernährungsgewerbe mit rund 37 900 Euro. Entsprechend war für eine Stunde geleisteter Arbeit im Ernährungsgewerbe mit gut 22 Euro nicht einmal halb so viel zu kalkulieren, wie bei der Hardwareproduktion im IT-Sektor mit fast 46 Euro je Stunde (Schaubild 2).

Ebenfalls zur Spitzengruppe bei den Arbeitskosten gehören Wirtschaftszweige wie der beschäftigungsstarke Automobilbau und die Automobilzulieferer sowie Energieversorgung, Rundfunk und Nachrichtentechnik und Hersteller von chemischen Erzeugnissen. Am unteren Ende der Arbeitskostenskala rangieren Textil- und Bekleidungsgewerbe, Ledergewerbe, Recycling und das Baugewerbe. Im Baugewerbe kostete eine vollzeitbeschäftigte Person pro Jahr knapp 43 000 Euro.

Im Dienstleistungssektor nahmen die Arbeitsplätze in der Datenverarbeitung und Datenbanken mit nicht ganz 72 000 Euro den Spitzenplatz ein. Das war das 2,5-fache dessen, was im Gastgewerbe für eine vollzeitbeschäftigte Person anfiel. Ebenfalls zu den Wirtschaftszweigen mit den höchsten Arbeitskosten im Dienstleistungssektor zählen Versicherungsgewerbe, die Luftfahrt und das Kreditgewerbe (Schaubild 3). Die Bereiche mit den niedrigsten Kosten für einen Arbeitsplatz bildeten die Hilfs- und Nebentätigkeiten für den Verkehr (zum Beispiel Speditionen, Reisebüros), der Einzelhandel sowie die Vermietung beweglicher Sachen (zum Beispiel Kraftfahrzeuge, Maschinen). Den zweitniedrigsten Wert wiesen sonstige Dienstleistungen (zum Beispiel Friseure, Wäschereien) mit rund 32 000 Euro auf.

Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe im Südwesten europaweit Spitze

Die Arbeitskosten beeinflussen die internationale Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft und damit auch der in Baden-Württemberg ansässigen Unternehmen. Der ganz überwiegende Teil des baden-württembergischen Exports betrifft Waren, während Dienstleistungen bisher eine untergeordnete Rolle spielen. Insofern ist die Gegenüberstellung der Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe in Baden-Württemberg und dem europäischen Ausland im Hinblick auf den internationalen Wettbewerb von besonderem Interesse. Für die baden-württembergischen Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes errechneten sich die durchschnittlichen Arbeitskosten auf über 55 000 Euro je Arbeitnehmer. Umgerechnet auf die geleisteten Stunden entspricht das mehr als 34 Euro.

Der Vergleich mit anderen EU-Ländern zeigt, dass die Arbeitskosten für Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg am höchsten sind. Innerhalb Deutschlands liegen die Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe nur im Stadtstaat Hamburg über dem baden-württembergischen Niveau. Im Vergleich etwa zu Polen sind die Arbeitskosten pro Stunde in Baden-Württemberg etwa acht Mal so hoch. In Spanien zum Beispiel kostete die geleistete Stunde nur rund die Hälfte. Aber auch in Österreich lagen die Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe pro Stunde um etwa ein Viertel unter dem baden-württembergischen Niveau. Nur Belgien weist nach den derzeit verfügbaren Daten ähnlich hohe Arbeitskosten wie Baden-Württemberg auf. Betrachtet man allerdings die durchschnittlichen Arbeitskosten in der gesamten Wirtschaft, befindet sich Baden-Württemberg zwar immer noch im Spitzenbereich – Belgien und Dänemark weisen jedoch bei dieser Betrachtung höhere Kosten je Arbeitsstunde aus.

Personalnebenkosten im Südwesten bei 43 %

In der Diskussion über die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland stehen regelmäßig die Personalnebenkosten im Fokus des öffentlichen Interesses. Wie hoch diese in Baden-Württemberg tatsächlich ausfallen, wurde in der letzten Arbeitskostenerhebung 2004 festgestellt. Die Arbeitskosten bestehen aus den Kategorien Entgelt für geleistete Arbeit und Personalnebenkosten, wobei sich letztere in gesetzliche und freiwillige Bestandteile zerlegen lassen. Der Anteil der gesamten Personalnebenkosten lag über alle Wirtschaftszweige hinweg bei rund 43 %, wobei die Unterschiede zwischen Dienstleistungsbereich und Produzierendem Gewerbe gering waren.

Etwa ein Fünftel der Arbeitskosten sind Personalnebenkosten, die auf gesetzlichen Verpflichtungen beruhen. Dies sind vor allem die gesetzlichen Beiträge zur Sozialversicherung, deren Anteil an den Arbeitskosten bei gut 13 % lag. Stärker noch als die gesetzlichen Personalnebenkosten schlagen die auf freiwilliger oder tariflicher Basis beruhenden Personalnebenkosten mit rund 23 % an den gesamten Arbeitskosten zu Buche. Große Positionen stellten hier die Anteile zur betrieblichen Altersversorgung (4 %), die Sonderzahlungen (7 %) und die Vergütung arbeitsfreier Tage (10 %) dar. Aber auch Entlassungsentschädigungen sowie Kosten der beruflichen Aus- und Weiterbildung gehören zu dieser Kostenkategorie.

Die gesetzlichen Personalnebenkosten sind durch die Beitragssätze eng an die Bruttolöhne und -gehälter gekoppelt, weshalb strukturell bedingte Schwankungen hauptsächlich durch die nicht gesetzlich festgelegten Nebenkosten verursacht wurden. Besonders die Sonderzahlungen und die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung zeigten große Unterschiede zwischen den Wirtschaftszweigen (Schaubild 5).

Die Sonderzahlungen fielen im Produzierenden Gewerbes mit über 8 % um fast 3 Prozentpunkte höher als im Dienstleistungsbereich aus. Den höchsten Anteil an den Arbeitskosten erreichten die Sonderzahlungen mit ungefähr 11 % im Kreditgewerbe sowie bei den Automobilherstellern und Zulieferern. In dem vorwiegend kleinstrukturierten Gast- und Baugewerbe machten die Sonderzahlungen dagegen nur noch ca. 3 bis 4 % der gesamten Arbeitskosten aus. Der Anteil der Arbeitskosten für betriebliche Altersversorgung lag sowohl im Produzierenden Gewerbe als auch im Dienstleistungsbereich bei ungefähr 4 %. Die Spanne zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen war jedoch erheblich. In der Abwasser- und Abfallentsorgung entfielen weniger als 1 % der Arbeitskosten auf die Altersversorgung. Im Gegensatz dazu erreichte der Anteil im Bereich der Nachrichtenübermittlung weit über 18 %. Ferner profitierten Arbeitnehmer, die bei Unternehmen im Bereich der Energieversorgung (knapp 12 %) oder Luftfahrt (rund 10 %) tätig waren, von hohen Leistungen zur Alterssicherung. Für die Mitarbeiter, die im Gastgewerbe oder Einzelhandel arbeiteten, wurden nicht einmal 2 % der Arbeitskosten für die betriebliche Altersvorsorge aufgewendet.

Fazit

Die Höhe der Arbeitskosten im Südwesten wird nicht unwesentlich durch die Wirtschaftsstruktur sowie die Größe der Unternehmen beeinflusst. Große Unternehmen bzw. Unternehmen, die in wirtschaftlich dynamischen Märkten tätig sind, können aufgrund ihrer ökonomischen Potenz auch ihren Mitarbeitern großzügigere Sonderzahlungen zukommen lassen. Daneben ist in diesen Firmen die betriebliche Altersversorgung wesentlich großzügiger ausgebaut als dies in Unternehmen möglich ist, die in weniger gewinnträchtigen Märkten agieren. Die Arbeitskosten sind zwar im Südwesten europaweit Spitze; dies ist aber letztlich eine Folge des wirtschaftlichen Erfolgs vieler Unternehmen in Baden-Württemberg.