:: 9/2007

Wie viele Unternehmen und Betriebe sind im Land aktiv?

Zwei voneinander abweichende Antworten

Mit dem seit Ende der 90er-Jahre aufgebauten Unternehmensregister steht der amtlichen Statistik ein vergleichsweise neues Instrument zur Verfügung, dem innerhalb der Wirtschaftsstatistik verschiedene Funktionen zukommen. So wird es zur Abgrenzung von Berichtskreisen sowie als Auswahlgrundlage und Hochrechnungsrahmen von Stichproben verwendet. Seit 2004 dient das Unternehmensregister zudem als eigenständige Auswertungsquelle, insbesondere für bereichsübergreifende Strukturanalysen. Aufgrund bundesweiter Vereinbarungen basierten die bisherigen Darstellungen auf einem stichtagsbezogenen Konzept. Nachdem von verschiedenen Datennutzern kritisiert wurde, dieses Konzept liefere für bestimmte Fragestellungen – insbesondere in Anlehnung an bisherige Zählungen – nur unvollständige Informationen, werden nunmehr erstmals zusätzliche Auswertungen nach einem erweiterten, berichtsjahrbezogenen Konzept angeboten. Der nachfolgende Beitrag erläutert die konzeptionellen Unterschiede zwischen diesen beiden Darstellungen und zeigt die quantitativen Abweichungen bei den zentralen Nachweismerkmalen in verschiedenen Gliederungsebenen auf.

Was steckt hinter den beiden Konzepten?

Die unterschiedlichen Nachweismöglichkeiten des Unternehmensregisters resultieren insbesondere aus der Dauer des Verarbeitungsprozesses bzw. daraus, dass bei der Nutzung verschiedener Quellen häufig Informationen mit abweichenden Zeitständen verarbeitet werden müssen (siehe i-Punkt). Das bisherige, stichtagsbezogene Konzept basiert auf dem Prinzip, möglichst aktuelle Informationen zu verarbeiten. Deshalb werden die Einheiten mit Angaben aus dem Berichtsjahr 2004 so nachgewiesen, wie sie zum Auswertungsstichtag 31. Dezember 2006 im Register abgebildet sind. Insbesondere werden nur noch die Unternehmen und Betriebe berücksichtigt, die zu diesem Zeitpunkt noch als aktiv gekennzeichnet sind. Einheiten, die zwischen 2004 und Ende 2006 ihre Tätigkeit eingestellt haben, werden also ebenso wenig mitgezählt wie ihre Angaben zu den Umsätzen1 und den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (SV-Beschäftigten). Diese Art der Auswahl ist beispielsweise für Stichprobenziehungen zwingend, denn naturgemäß können nur aktive Einheiten zu einer Meldung herangezogen werden. Allerdings werden bei dieser Darstellung die Unternehmens- und Betriebsbestände systematisch zu niedrig nachgewiesen, denn den Abgängen durch Stilllegungen stehen keine Zugänge durch Neugründungen gegenüber. Entsprechend werden auch die tatsächlichen Umsätze und SV-Beschäftigten im Berichtsjahr nicht vollständig ausgewiesen.

Nachdem sich an diesem Umstand von verschiedenen Seiten Kritik entzündet hatte, wurden wichtige Datennutzer des Unternehmensregisters nach ihren Präferenzen befragt. Dabei sprach sich eine Mehrheit für eine andere, nämlich die berichtsjahrbezogene Darstellung aus, die nunmehr erstmals zusätzlich angeboten wird. Damit bleibt es letztlich dem Konsumenten überlassen, welche Auswertung der eigenen Fragestellung mehr entspricht.2 Im Unterschied zum bisherigen Ansatz werden bei diesem berichtsjahrbezogenen Konzept auch die Ende 2006 bereits inaktiven Einheiten einschließlich ihrer Umsätze und SV-Beschäftigten 2004 mitberücksichtigt. Ziel dieses Ansatzes ist also eine möglichst vollständige Darstellung für das Berichtsjahr, hier also 2004, auch um den Preis einer verminderten Aktualität. Diese Auswertung ist mit dem derzeitigen Registersystem zwar hinsichtlich des Aktivitätsstatus sowie der Umsatz- und Beschäftigtenangaben möglich. Hinsichtlich anderer Merkmale wie des Wirtschaftszweigs oder des Sitzes muss aus technischen Gründen aber weiterhin auf den Ende 2006 bekannten Stand zurückgegriffen werden.

Unternehmens- und Betriebszahlen weichen am stärksten ab

Wie groß sind nun die Unterschiede zwischen beiden Konzepten? In Baden-Württemberg standen Ende 2006 noch aktiven 432 000 Unternehmen bzw. 462 000 Betrieben im Jahr 2004 nach dem berichtsjahrbezogenen Ansatz 456 000 Unternehmen bzw. 487 000 Betriebe gegenüber. Jeweils etwa 25 000 Einheiten bzw. 5,7 % der Unternehmen und 5,5 % der Betriebe wurden also in der Zwischenzeit als inaktiv gekennzeichnet. Bei den SV-Beschäftigten fallen die Abweichungen mit 1,7 % auf Unternehmens- bzw. 1,9 % auf Betriebsebene dagegen deutlich geringer aus. Dies gilt auch für die ausschließlich bei den Unternehmen nachgewiesenen Umsätze, bei denen die Differenz insgesamt sogar nur 1,4 % beträgt. Bereits aus diesen Relationen wird deutlich, dass Stilllegungen schwerpunktmäßig die Vielzahl der kleineren Einheiten betreffen. Dies belegt auch die Aufgliederung nach Beschäftigtengrößenklassen nachdrücklich. So liegen die Differenzen bei den größeren Einheiten ab 250 SV-Beschäftigten bei allen Merkmalen unter 1 %. Bemerkenswert ist zudem, dass auch in nahezu allen Beschäftigtengrößenklassen, vor allem aber in der untersten und der obersten Kategorie die Unterschiede bei den Umsätzen und SV-Beschäftigten relativ geringer ausfallen als bei der Zahl der Einheiten. Damit sind also auch innerhalb der Klassen die jeweils kleineren Einheiten überproportional von Stilllegungen betroffen.

Stärkste Abweichungen im Baugewerbe

Auch innerhalb der nachgewiesenen Wirtschaftsabschnitte3 schlagen die Abweichungen bei den quantitativen Merkmalen Umsatz und SV-Beschäftigte – mit Ausnahme der SV-Beschäftigten in der Energie- und Wasserversorgung – deutlich geringer zu Buche als bei der Anzahl der Einheiten. Daneben zeigen sich aber auch zwischen den verschiedenen Wirtschaftsbereichen deutliche Unterschiede im Grad der Abweichungen. Neben der Energie- und Wasserversorgung sind mit den persönlichen Dienstleistungsbereichen Erziehung und Unterricht, Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen sowie den sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen Wirtschaftsabschnitte am schwächsten von Stilllegungen betroffen, die bisher nicht oder nur unterdurchschnittlich primärstatistischen Berichtspflichten unterliegen. Die relativ geringen Differenzen sind hier also nicht zwingend als Indiz für eine unterdurchschnittliche Fluktuation von Einheiten zu interpretieren, sondern könnten auch darauf beruhen, dass die Einstellung von Firmenaktivitäten nicht bekannt wurde. Auf der anderen Seite liegt mit dem Kredit- und Versicherungsgewerbe auch ein Wirtschaftsabschnitt zumindest bei der Zahl der Einheiten durchaus in der Größenordnung des Gesamtdurchschnitts, der ebenfalls relativ schwach von Berichtspflichten seitens der Statistischen Ämter tangiert ist. Während sich die Abweichungen in den »statistikintensiveren« Bereichen des Bergbaus und des Verarbeitenden Gewerbes sowie des Handels auf einem ähnlichen Niveau wie bei den Gesamtdurchschnitten bewegen, stechen das Gastgewerbe und vor allem der Bau durch überdurchschnittliche Differenzen heraus. Hier handelt es sich also um Branchen mit einer besonders starken Firmenfluktuation, wobei im Baugewerbe den definitionsgemäß nur projektbezogenen und deshalb nur temporären Arbeitsgemeinschaften im Baugewerbe (Argen) eine besondere Rolle zukommt.

Branchenspiegel auf Kreisebene teilweise tangiert

Für Baden-Württemberg wird aus den Angaben des Unternehmensregisters seit dem Berichtsjahr 2002 in der Reihe »Statistik Aktuell« ein Branchenspiegel veröffentlicht, in dem insbesondere für die einzelnen Stadt- und Landkreise die – gemessen an den SV-Beschäftigten in Betrieben – 10 beschäftigungsstärksten Branchen4 analysiert werden. Da diese Darstellung für die bevorstehende Ausgabe auf den berichtsjahrbezogenen Ansatz umgestellt wird, stellt sich auch die Frage, inwiefern dadurch die Zusammensetzung und Reihenfolge der wichtigsten Branchen beeinflusst wird.

Betrachtet man zunächst die 10 TOP-Branchen für das gesamte Land, so zeigen sich zwar unterschiedliche Abweichungen in den Wirtschaftsabteilungen. Der Kreis der Branchen bleibt aber ebenso wie ihre Rangfolge unverändert. Die erste Rangänderung betrifft Platz 26, auf den bei knapp 32 000 SV-Beschäftigten die Abteilung Kultur, Sport und Unterhaltung anstellte der Nachrichtenübermittlung vorrückt. Daneben ergeben sich lediglich zwei weitere Platztausche auf den Rängen 32 bzw. 49. Abgesehen von den abweichenden Absolutwerten hat die neue Darstellungsmethode zumindest auf Landesebene also nur marginalen Einfluss auf den Branchenspiegel.

Für die regionale Aufgliederung ist in diesem Zusammenhang zunächst die Frage von Interesse, inwieweit sich die Gesamtergebnisse für die SV-Beschäftigten in Betrieben nach den beiden Auswertungskonzepten unterscheiden. Wie die Tabelle zeigt, bewegen sich die Abweichungen in einer durchaus nennenswerten Spannweite um den Landeswert von 1,9 %. Auf Kreisebene reichen sie von 1 % im Hohenlohekreis, im Landkreis Biberach und im Stadtkreis Baden-Baden bis zu 3 % im Landkreis Emmendingen. Diese doch sehr deutlichen Unterschiede können sich einerseits durch die spezielle Wirtschaftsstruktur der einzelnen Kreise erklären. Sie können aber auch auf temporären Sondereinflüssen wie insbesondere der Stilllegung einzelner größerer Betriebe beruhen. Deutlich abgeschwächt ist die Spanne bereits auf der Ebene der Regionen, wo sich die Differenzen zwischen 1,4 % (Region Schwarzwald-Baar-Heuberg) und 2,2 % (Regionen Stuttgart und Rhein-Neckar5) bewegen. In der Aggregation zu den Regierungsbezirken nivellieren sich die Unterschiede weitgehend, denn hier hebt sich lediglich der Regierungsbezirk Stuttgart mit einer Differenz von 2,1 % von den 1,8 % in den drei anderen Regierungsbezirken etwas ab.

In der Kerndarstellung des Branchenspiegels, nämlich der Kombination aus Stadt- und Landkreisen und den Wirtschaftsabteilungen, ergeben sich für das Berichtsjahr 2004 folgende Auswirkungen: Die Zusammensetzung der 10 wichtigsten Branchen wird durch die Anwendung des berichtsjahrbezogenen Ansatzes in 6 Kreisen verändert. In der großen Mehrzahl von 38 Stadt- und Landkreisen haben also nach beiden Darstellungen die gleichen Wirtschaftsabteilungen die größte Bedeutung. In 16 weiteren Kreisen ändert sich innerhalb der konstanten 10 TOP-Branchen die Reihenfolge. Insgesamt ergeben sich in 12 Kreisen Veränderungen unter den 5 wichtigsten Branchen. In 2 Kreisen ist sogar der Spitzenreiter tangiert, denn jeweils zu Lasten des Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesens rücken im Landkreis Göppingen die Herstellung von Metallerzeugnissen und im Stadtkreis Karlsruhe die unternehmensnahen Dienstleistungen an die erste Position. Trotz dieser durchaus nennenswerten Änderungen bleibt der Einfluss des Darstellungskonzepts auf den Branchenspiegel insgesamt doch begrenzt, denn in immerhin 22 Fällen bzw. der Hälfte aller Kreise ändern sich die 10 TOP-Branchen weder in ihrer Zusammensetzung noch in ihrer Rangfolge.

1 Bei Mitgliedern umsatzsteuerlicher Organschaften werden statt der beim Organträger erfassten Lieferungen und Leistungen des gesamten Organkreises Schätzwerte für jedes einzelne Unternehmen nachgewiesen.

2 Ob die für das Berichtsjahr 2004 bzw. den Auswertungsstichtag 31. Dezember 2006 angebotene parallele Darstellung nach beiden Konzepten längerfristig aufrechterhalten oder künftig wieder auf Veröffentlichungen nur nach einem Konzept (nach derzeitigem Sachstand eher das berichtsjahrbezogene) übergegangen wird, hängt maßgeblich von der Reaktion der Nutzer ab.

3 Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 2003).

4 Insgesamt 54 nachgewiesene Abteilungen (2-Steller) der WZ 2003.

5 Soweit Land Baden-Württemberg.