:: 10/2007

»Über den Wolken …« – Grenzenlose Freiheit?

Luftverkehr in Deutschland auch 2006 auf Wachstumskurs

Niemals zuvor verzeichnete der deutsche Luftraum so viele Flüge wie im Jahr 2006. Auch das aktuelle Jahr weist schon enorme Zuwächse im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf.

»Flieger grüß mir die Sterne und grüß mir den Mond« singt Hans Albers, »Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein« Reinhard Mey Jahrzehnte später. Das Fliegen – einstmals ein Menschheitstraum, dann ein Luxus für wenige Wohlhabende – ist heute Alltäglichkeit für viele Millionen Reisende und dank neuer Angebotsformen günstiger denn je. Weltweit ist der Luftverkehr ein durch große Dynamik gekennzeichneter Wirtschaftszweig. Die Prognostiker gehen von einem anhaltenden Wachstum aus.

Fußball-WM bescherte neuen Rekord

Im Jahr 2006 wurden in Deutschland knapp 3,0 Mill. Ein-, Aus- und Überflüge von den Fluglotsen der Deutschen Flugsicherung kontrolliert (Schaubild 1). 4,1 % mehr als im Jahr davor, und eine Verdreifachung gegenüber 1985. Im 1. Halbjahr 2007 zählten die deutschen Flughäfen bei den Passagierzahlen 5 % mehr Flugreisende als im Vorjahr, sodass mit 86,2 Mill. Passagieren bereits nach 6 Monaten die Jahreszahl von 1992 nahezu erreicht wurde. Insgesamt werden für 2007 vom Flughafenverband ADV rund 185 Mill. Passagiere an deutschen Airports erwartet. Am 10. Juli 2006, dem Tag nach dem Endspiel der Fußballweltmeisterschaft, wurden in Deutschland erstmals an einem einzigen Tag mehr als 10 000 Flüge kontrolliert (vgl. Abbildung). In den verkehrsreichsten Monaten liegt die Anzahl der Flüge inzwischen um ein Fünftel höher als noch im Jahr 2003.

Verkehrsflughäfen – Stuttgart im Trend

Im Jahr 2006 betrug das Verkehrswachstum an den internationalen Verkehrsflughäfen in Deutschland 2,6 %, wobei am Frankfurter Flughafen die Verkehrszahlen leicht gesunken sind (1,3 % weniger als im Jahr davor). Ein Grund hierfür ist der beinahe gesamte Wegfall (−90 %) der DoD-Flüge (vgl. i-Punkt). München konnte etwas zulegen, sodass sich der Abstand zwischen den beiden großen Hub-Flughäfen weiter verringert hat. Höchst unterschiedlich entwickelten sich die drei Hauptstadt-Airports. Während der Flughafen Tempelhof 2006 erstmals wieder einen Zuwachs von 15 % in den Verkehrszahlen verbuchen konnte und auch Berlin-Schönefeld mit einem Wachstum von 14 % im Vorjahresvergleich die Zahlen gegenüber 2003 mehr als verdoppelt hat, stagnieren die Zahlen am Flughafen Berlin-Tegel. Erstmals 200 000 Starts und Landungen und damit einen Zuwachs von 7,8 % verzeichnete der Flughafen Düsseldorf. Hamburg wartete mit einem Plus von 8,9 % auf und am Stuttgarter Flughafen stieg die Zahl der unter der Kontrolle der Flugsicherung durchgeführten Starts und Landungen um 2,7 % auf rund 151 000.1

Regionalflughäfen – Baden-Airport und Friedrichshafen auffallend dynamisch

Mit 7,0 % fiel das Wachstum bei den Regionalflughäfen kräftiger aus, wobei nur fünf Regionalflughäfen mehr als 10 000 Flugbewegungen im Jahr erreichten, der Rest liegt sogar deutlich darunter. So bewegt sich zum Beispiel der Flughafen Zweibrücken trotz eines Zuwachses von immerhin 23 % mit rund 3 500 Starts und Landungen immer noch auf niedrigem Niveau. Der Flughafen Frankfurt-Hahn hingegen konnte mit über 34 000 Starts und Landungen – das sind 24 % mehr als im Vorjahr – seinen Vorsprung vor den übrigen Regionalflughäfen weiter ausbauen. Einen deutlichen Zuwachs verzeichnen auch die Flughäfen Karlsruhe/Baden-Baden mit 16 % sowie der Flughafen Friedrichshafen, dessen Zahl der Verkehrsbewegungen um 14 % auf mehr als 13 000 stieg.2

Erstmalig über eine Million Überflüge, aber Rückgang innerdeutscher Flüge

Eine schon seit Jahren anhaltende Entwicklung zum »Überfluggebiet Deutschland« hat sich auch im Jahr 2006 bestätigt. So machten Überflüge 2006 schon mehr als ein Drittel des Flugverkehrs aus. Den 1,54 Mill. Ein- und Ausflügen standen 2006 bereits 1,02 Mill. Überflüge gegenüber.

Der kontinuierliche Rückgang der innerdeutschen Flüge setzte sich auch 2006 fort. Nur noch jeder siebte Flug startet und landet innerhalb Deutschlands. Die Anzahl der Flüge sank auf rund 420 000. Dies jedoch bei gleichzeitiger Steigerung der Zahl der Flugpassagiere. Grund hierfür ist das Bemühen der Fluggesellschaften aufgrund steigender Kosten, die Auslastung ihrer Maschinen zu erhöhen.

Verkehrsströme schwenken in Richtung Osten

Betrachtet man wohin geflogen wird, so zeigten sich im Jahr 2006 zwei wesentliche Trends. Die Fortsetzung des Booms der Flüge in Richtung Osteuropa zum einen und in Richtung Asien zum anderen. Mehr als 100 000 Flüge, also etwa jeder siebte Flug, der 2006 von Deutschland ins Ausland startete, war ein Flug nach Osteuropa. So konnten zwischen 2001 und 2006 fast alle osteuropäischen Länder mindestens zweistellige Zuwächse verzeichnen. Beispielsweise haben sich in diesem Zeitraum die Zahlen der Flüge nach Estland verdoppelt, in die Slowakei mehr als verdreifacht und nach Lettland mehr als vervierfacht. Auch nach Polen nahm der Flugverkehr um mehr als 60 % zu.

Die Steigerung in den asiatischen Raum weist ein besonders großes Plus bei Verbindungen Richtung China auf. Gegenüber 2005 führten im Jahr 2006 annähernd 20 % mehr Flüge in das Reich der Mitte. Zwischen 2001 und 2006 hat sich der Flugverkehr Richtung China sogar mehr als verdoppelt.

Kaum Veränderungen sind bei den 10 am häufigsten angeflogenen Zielen zu erkennen. Die meisten 2006 ins Ausland startenden Flüge hatten einen Flughafen auf dem spanischen Festland, auf den Balearen oder auf den Kanarischen Inseln zum Ziel (79 930), knapp gefolgt von Italien (78 782), Großbritannien (78 680) sowie Frankreich (76 296). Mit Abstand folgen Österreich (44 660) und die Schweiz (40 700). Die Türkei (35 625) hält, vor den Niederlanden (27 989), den USA (27 372) und Polen (23 064), unter den Auslandsreisezielen nach wie vor den siebten Platz, wobei, verglichen mit dem Vorjahr, ein leichter Rückgang bei den Verkehrszahlen und ein deutlicher Rückgang (12 %) bei den Passagierzahlen zu verzeichnen ist.

Nase vorn für Boeing

Der Himmel über Deutschland ist weiter in der Hand von Boeing. Boeing-Flugzeuge und die seit 1997 zum Konzern gehörenden McDonnell-Douglas-Flugzeuge machen gemeinsam zwei Fünftel aller Flugbewegungen aus. Mit einem 2006 auf ein gutes Viertel gestiegenen Anteil am Flugaufkommen liegen die europäischen Airbus-Flugzeuge an zweiter Stelle. Eine nicht unbedeutende Rolle spielen auch die Regionaljets. Jeder vierte im Jahr 2006 von der DFS kontrollierte Flug war ein Flug mit einem Regionaljet.3

Ein Fünftel der Starts durch Billigflieger

Wie in den Vorjahren gewinnt auch 2006 der Low Cost Carrier (LCC) Sektor weiter an Bedeutung. Mit einer Zuwachsrate im Jahr von 29 % ist der Anteil am Gesamtflugverkehr auf 19 % gestiegen und hat sich seit 2001 mehr als vervierfacht. Dieser rasante Anstieg wird sich, wenn auch in leicht abgeschwächter Form, im Jahr 2007 fortsetzen.

Gemessen an der Zahl der Starts in einer Woche im Januar 2007 führten folgende Gesellschaften mit … Flügen:

DBA950
Germanwings744
Air Berlin444
HLX437
Ryanair431

Köln/Bonn wies im Januar 2007 mit 513 Starts (entspricht 61 % des dortigen Flugaufkommens) mit weitem Abstand die größte Anzahl an LCC-Flügen in Deutschland aus. Im Jahr 2006 belief sich der dortige Anteil der LCC-Passagiere am Gesamtpassagieraufkommen auf 68,2 %. Spitzenreiter war der Flughafen Hahn mit einem LCC-Passagieranteil von 100 %. Stuttgart nahm mit seinen immerhin 36 % Rang fünf unter den internationalen Verkehrsflughäfen in Deutschland ein.4

Gute Ergebnisse im Luftfrachtverkehr

Mit einer Transporttonnage von 3,3 Mill. wurde 2006 im Luftfrachtgeschäft das Vorjahresniveau um 9,3 % überschritten. Erneut erhöhte sich der Anteil der interkontinental beförderten Luftfracht, hierbei besonders die Fracht von und zu Zielen in Asien.

Spitzenreiter aller europäische Großflughäfen war 2006 mit mehr als 2 Mill. Tonnen abgefertigter Luftfracht der Flughafen Frankfurt; das waren 165 000 Tonnen mehr als im Vorjahr. Um diese Dimension deutlich zu machen: Allein dieses Tonnageplus gegenüber dem Vorjahr entsprach in etwa dem Eigengewicht einer Pkw-Kolonne – Stoßstange an Stoßstange – von Frankfurt bis nach Kiel (580 km)! Würde man gar die Gesamtfracht in Frankfurt analog »umrechnen«, so ergäbe sich eine fiktive Autokolonne bis nach Chicago (6 800 km)!5

Ausblick

Der Luftverkehr bleibt in Deutschland eine Wachstumsbranche, ist allerdings neben Wachs- tum generierenden Effekten auch Wachstums-hemmnissen wie zum Beispiel der Kapazitätsproblematik an den Flughäfen ausgesetzt. Ohne Beseitigung der bereits vorhandenen oder absehbaren Kapazitätsengpässe drohen in Deutschland erhebliche Verkehrseinbußen mit den entsprechenden negativen Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort insgesamt.

1 DFS Deutsche Flugsicherung GmbH: »Luftverkehr in Deutschland« – Mobilitätsbericht 2006 (Zitierweise: DFS: Mobilitätsbericht 2006).

2 DFS: Mobilitätsbericht 2006.

3 DFS: Mobilitätsbericht 2006.

4 Vgl. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV): Low Cost Monitor 1/2007.

5 Vgl. Frankfurt Airport: Luftverkehrsstatistik 2006.