:: 7/2008

Lebenssituation von Migranten in Baden-Württemberg

Im Rahmen des Mikrozensus, der größten amtlichen Haushaltsbefragung in Deutschland, wird seit 2005 auch ein etwaiger Migrationshintergrund der Bevölkerung erhoben. Damit wurde eine wesentliche Datenlücke geschlossen, denn zuvor konnte die amtliche Statistik im Hinblick auf die Lebenssituation von Migranten lediglich Daten über Ausländer bereitstellen. Zu den Personen mit Migrationshintergrund zählen jedoch neben den zugewanderten und in Deutschland geborenen Ausländern auch Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, wie zum Beispiel Spätaussiedler, eingebürgerte Personen sowie die Kinder von Spätaussiedlern und die Kinder von Eingebürgerten (i-Punkt). Wie die Ergebnisse des Mikrozensus zeigen, ist in Baden-Württemberg die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund doppelt so groß wie die der Ausländer.

Der vorliegende Beitrag stellt – anhand von Ergebnissen des Mikrozensus 2006 – ausgewählte Informationen über die Lebenssituation von Menschen mit Migrationshintergrund dar: Dabei zeigt sich, dass sich die Lebenssituation der Baden-Württemberger mit Migrationshintergrund von der ohne Migrationshintergrund deutlich unterscheidet: Sowohl im Hinblick auf die Bildungs- und Arbeitsmarktbeteiligung als auch hinsichtlich der Einkommenssituation offenbart sich ein starkes Gefälle zwischen Baden-Württembergern mit und ohne Migrationshintergrund. Als besonders problematisch dürfte die Tatsache zu werten sein, dass auch die junge Generation der Migranten erhebliche Bildungsdefizite aufweist. Im Hinblick auf die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in unsere Gesellschaft zeigt sich also erheblicher Handlungsbedarf.

Baden-Württemberg hat unter den Flächenländern den höchsten Migrantenanteil

Nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2006 leben in Deutschland gut 15 Mill. Menschen mit Migrationshintergrund. Der Migrantenanteil an der Gesamtbevölkerung in Deutschland liegt somit bei rund 18 %.

In Baden-Württemberg liegt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung bei knapp 25 % und damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von rund 18 %. Im Vergleich aller Bundesländer weist zwar Hamburg mit annähernd 26 % den höchsten Anteil an Personen mit Migrationshintergrund auf. Baden-Württemberg und Bremen liegen mit jeweils knapp 25 % auf den Plätzen 2 und 3. Unter den Flächenländern verfügt allerdings Baden-Württemberg über den höchsten Bevölkerungsanteil an Menschen mit Migrationshintergrund und liegt noch vor Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bayern (Schaubild 1).

Hinsichtlich des Migrantenanteils an der Bevölkerung zeigt sich ein ausgeprägtes Ost-West-Gefälle: So finden sich in den neuen Bundesländern (ohne Berlin) mit insgesamt etwa 5 % die geringsten Anteile dieser Bevölkerungsgruppe. Zudem lässt sich feststellen, dass auch unter den alten Bundesländern der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung sehr stark streut: So weist Schleswig-Holstein mit 12 % nur einen halb so hohen Migrantenanteil wie Baden-Württemberg auf.

Berufliche Qualifikation und Arbeitsmarktbeteiligung von Migranten

Wesentlich für die Lebenssituation, die Chancengleichheit und die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen ist ihre schulische und berufliche Qualifikation. Hierbei zeigen sich große Unterschiede zwischen Baden-Württembergern mit und ohne Migrationshintergrund. Unter den Migranten im Alter von 25 bis unter 65 Jahren hat ein sehr hoher Anteil, nämlich knapp 41 %, keine Berufsausbildung. Von den Baden-Württembergern dieser Altersgruppe ohne Migrationshintergrund trifft dies nur auf rund 12 % zu (Schaubild 2). Entsprechend sind Migranten bei allen Ausbildungsabschlüssen stark unterrepräsentiert.

Die im Durchschnitt geringere berufliche Qualifikation von Migranten hat offensichtlich unmittelbaren Einfluss auf deren Erwerbsbeteiligung und Arbeitsmarktchancen. So sind die Baden-Württemberger mit Migrationshintergrund wesentlich seltener berufstätig als Baden-Württemberger ohne Migrationshintergrund: Von Letzteren gehen im erwerbsfähigen Alter knapp 74 % einer Erwerbstätigkeit nach, von den Migranten jedoch nur gut 63 %. Dabei sind die Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen bei Baden-Württembergern ohne Migrationshintergrund mit rund 12 Prozentpunkten etwas geringer als bei den Personen mit Migrationshintergrund (16 Prozentpunkte).

Auch die Erwerbslosenquoten (das heißt der Anteil der Erwerbslosen an den Erwerbspersonen) von Personen mit und ohne Migrationshintergrund in Baden-Württemberg zeigen, dass diese beiden Bevölkerungsgruppen offensichtlich nicht die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. So waren 2006 von den Erwerbspersonen ohne Migrationshintergrund rund 5 % ohne Arbeit, bei den Migranten lag die Erwerbslosenquote mit gut 11 % hingegen mehr als doppelt so hoch. Als eine Ursache für die höhere Erwerbslosigkeit der knapp 2,7 Mill. Menschen mit Migrationshintergrund kann sicherlich die im Durchschnitt schlechtere formale berufliche Qualifikation angesehen werden.

Quellen des Lebensunterhalts

Das im Durchschnitt geringere berufliche Ausbildungsniveau der Migranten führt nicht nur zu geringeren Arbeitsmarktchancen, es hat auch eine durchschnittlich schlechtere finanzielle Situation bzw. eine höhere Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen zur Folge: Im Rahmen des Mikrozensus 2006 gaben 8 % der Personen mit Migrationshintergrund an, ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und ähnlichen Transferleistungen zu bestreiten. Der entsprechende Anteil bei den Personen ohne Migrationshintergrund lag bei lediglich gut 3 %. Nur knapp 40 % der Migranten leben überwiegend von ihrem Erwerbseinkommen, das waren gut 4 Prozentpunkte weniger als bei den Personen ohne Migrationshintergrund. Ein vergleichsweise hoher Anteil der Migranten (knapp 41 %) ist auf Unterhalt durch Angehörige angewiesen, bei den Baden-Württembergern ohne Migrationshintergrund ist dies nur bei rund 29 % der Fall. Hier dürfte der größere Kinderanteil aber auch die geringere Erwerbsbeteiligung von Migranten eine Rolle spielen. Da der Anteil der Senioren unter den Migranten relativ klein ist, ist in dieser Gruppe der Anteil der Rentenbezieher mit rund 12 % wesentlich kleiner als unter den Baden-Württembergern ohne Migrationshintergrund (knapp 23 %).

Migrantenhaushalte haben geringere Einkommen von denen im Durchschnitt mehr Personen leben müssen

Aufgrund der geringeren Erwerbsbeteiligung und der deutlich höheren Erwerbslosigkeit verfügen Migrantenhaushalte im Durchschnitt über geringere Haushaltseinkommen: So muss nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2006 nahezu ein Drittel der Haushalte, deren Haupteinkommensbezieher einen Migrationshintergrund hat, mit einem monatlichen Nettoeinkommen von weniger als 1 300 Euro auskommen. Bei Haushalten, deren Haupteinkommensbezieher keinen Migrationshintergrund hatten, lag der vergleichbare Anteil lediglich bei rund 24 % (Schaubild 3). Unter den Beziehern höherer Haushaltsnettoeinkommen sind hingegen die Migrantenhaushalte deutlich seltener vertreten: So lag der Anteil der Haushalte mit Migrationshintergrund des Haupteinkommensbeziehers, die über ein Nettoeinkommen von mindestens 3 200 Euro verfügen konnten, bei lediglich gut 13 %. Von den Haushalten, deren Haupteinkommensbezieher keinen Migrationshintergrund aufweist, befanden sich hingegen deutlich mehr, nämlich über 23 % in dieser Einkommensgruppe.

Dieses Einkommensgefälle wird zusätzlich noch dadurch verschärft, dass die Haushalte von Migranten im Durchschnitt deutlich größer sind als die von Personen ohne Migrationshintergrund: Betrug die durchschnittliche Haushaltsgröße bei den Baden-Württembergern ohne Migrationshintergrund im Jahr 2006 2,1 Personen pro Haushalt, so waren es in den Haushalten von Baden-Württembergern mit Migrationshintergrund 2,5 Personen. Menschen mit Migrationshintergrund leben sehr viel öfter als ihre Nachbarn ohne Migrationshintergrund in größeren Haushalten: Rund 43 % der baden-württembergischen Migrantenhaushalte sind Haushalte mit 3 und mehr Personen, von den Haushalten der Personen ohne Migrationshintergrund lediglich 28 % (Schaubild 4). Demgegenüber sind nur rund 29 % der Migrantenhaushalte Single-Haushalte, von den Haushalten der Baden-Württemberger ohne Migrationshintergrund sind es hingegen 38 %. Die im Durchschnitt geringeren Einkommen der Migranten, von denen jedoch gleichzeitig mehr Personen leben müssen, dürfte dazu führen, dass das Armutsrisiko von Migranten deutlich höher ist als das der Menschen ohne Migrationshintergrund.

Bildungsabschlüsse junger Migranten – Ausblick

Bildung und Arbeitsmarktbeteiligung sind in unserer Gesellschaft maßgebliche Faktoren für die soziale Lage der Menschen. Personen mit Migrationshintergrund haben häufig keine Berufsausbildung, sie sind seltener berufstätig und sie sind in weitaus höherem Maße als Personen ohne Migrationshintergrund mit Erwerbslosigkeit konfrontiert. In der Folge haben Migranten im Durchschnitt eine schlechtere Einkommenslage und sind häufiger von staatlichen Transferleistungen abhängig. In dieser Situation dürfte vielfach die nachfolgende Generation als Hoffnungsträger gelten. Allerdings zeigen sich auch in der jungen Migrantengeneration deutliche Bildungsdefizite:

So verfügten in Baden-Württemberg im Jahr 2006 gut 42 % der Personen ohne Migrationshintergrund, jedoch nur etwa 28 % der Menschen mit Migrationshintergrund im Alter von 25 bis unter 35 Jahren über das Abitur. Besonders eklatant sind die Unterschiede bei der Gruppe derjenigen, die über keinen Schulabschluss verfügt. Dies trifft nur noch auf rund 1 % der jungen Menschen ohne Migrationshintergrund zu, ist jedoch noch bei knapp 7 % der gleichaltrigen Migranten der Fall.

Da die jungen Migranten in Baden-Württemberg im Durchschnitt ein geringeres Niveau bei den formalen allgemeinen Schulabschlüssen haben, bleibt zwangsläufig auch das Niveau der beruflichen Bildung junger Menschen mit Migrationshintergrund beträchtlich hinter dem ihrer deutschen Altersgenossen ohne Migrationshintergrund zurück. Wie die Ergebnisse des Mikrozensus zeigen, hat ein sehr hoher Anteil der jungen, 25- bis unter 35-jährigen Migranten, nämlich beachtliche 34 %, keinen beruflichen Ausbildungsabschluss. Bei den gleichaltrigen Baden-Württembergern ohne Migrationshintergrund traf dies auf lediglich 8 % zu. Auch bei allen Ausbildungsabschlüssen sind die 25- bis unter 35-Jährigen mit Migrationshintergrund gegenüber den Personen ohne Migrationshintergrund unterrepräsentiert.

Die Ursachen für die schlechtere schulische und berufliche Qualifikation von jungen Migranten dürften unter anderem in den häufig bestehenden Sprachproblemen der Menschen mit Migrationshintergrund zu sehen sein, aber auch in der Tatsache, dass in Deutschland der Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Bildung in hohem Maße vom Bildungsniveau der Eltern abhängt. Die schlechtere schulische und berufliche Qualifikation stellt jedoch nicht nur häufig die Vorstufe für eine soziale Schieflage, sondern auch eine Erschwernis für die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund in die Gesellschaft dar. Studien über die Folgen des demografischen Wandels für den Arbeitsmarkt zeigen, dass zukünftig relativ wenige junge Menschen den Nachwuchs auf dem Arbeitsmarkt bilden werden und dass unter den jungen Menschen sehr viele einen Migrationshintergrund haben. So hat in Baden-Württemberg heute mehr als jeder dritte Jugendliche unter 15 Jahren einen Migrationshintergrund. Für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland und Baden-Württemberg ist deshalb die bestmögliche schulische und berufliche Ausbildung dieser Generation von hoher Bedeutung. Denn die jungen Migranten stellen ein wichtiges Potenzial dar, auf das Wirtschaft und Gesellschaft angewiesen sein werden.