:: 7/2008

Bildungsberichterstattung aus regionaler und kommunaler Perspektive

Die verschiedenen räumlichen Bezüge der Bildungsberichterstattung reichen von internationalen Vergleichsstudien über nationale Bildungsberichte zu Landesbildungsberichten und regionalen sowie kommunalen Schul- und Bildungsberichten. Im Rahmen der Bildungsberichterstattung wird häufig auf Daten der amtlichen Statistik zurückgegriffen. Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg beschäftigt sich gegenwärtig mit einer Machbarkeitsstudie zum regionalen Bildungsmonitoring unterhalb der Landesebene. In diesem Zusammenhang werden Datenbestände und die Zugänglichkeit zu Daten für regionale Einheiten wie zum Beispiel die Stadt- und Landkreise erschlossen.

Bildungsberichterstattung – in einem erweiterten Sinn auch »Bildungsmonitoring« – beschäftigt sich mit unterschiedlichsten Institutionen, die am Bildungsgeschehen beteiligt sind. Dem Konzept des lebenslangen Lernens verpflichtet, reichen die Systemkomponenten von der Kinder- und Jugendhilfe (frühkindliche Bildung und Betreuung) über Aspekte der Bildungsinfrastruktur in einer Region (Bibliotheken, Zugang zum Internet und dessen Nutzung, Museen/Ausstellungen, Musikschulen, usw.) bis hin zu den Hochschulen und zur betrieblichen oder auch privaten Weiterbildung und Bildungsangeboten für Senioren. Der traditionelle Kernsektor »allgemeinbildende und berufliche Schulen« wurde in dieser Aufzählung bewusst übersprungen, um die Bedeutung der angrenzenden Teilsegmente hervorzuheben – er dominiert die Bildungsberichterstattung jedoch fortwährend.

Internationale und nationale Bildungsberichte

Auf internationaler Ebene haben die bekannten PISA- und IGLU1-Studien Bildungsaspekte im Nationenvergleich betrachtet. Die zum Teil niedrige Einstufung zum Beispiel der Lesekompetenz deutscher Schülerinnen und Schüler hat die nationale Bildungsdiskussion in den vergangenen Jahren maßgeblich bestimmt. Seit 2006 gibt es nun den in 2-jährigem Abstand erscheinenden nationalen Bildungsbericht2 und es werden zunehmend auch Landesbildungsberichte veröffentlicht. Im November 2007 wurde der erste Bildungsbericht Baden-Württemberg der Öffentlichkeit präsentiert.3 Die thematische Gliederung dieser Bildungsberichte und die Auswahl der infrage kommenden Analyseebenen ist in ihrer Grundstruktur übereinstimmend. Sie orientiert sich an folgendem Muster:

  • Rahmendaten (demografische Entwicklung, wirtschaftliche und soziale Lage)
  • Grundinformationen (Bildungsausgaben und -infrastruktur)
  • Frühkindliche Bildung (Kindertageseinrichtungen)
  • Allgemeinbildende Schulen (Haupt-, Real- und Gymnasialschulen sowie Förderschulen)
  • Berufliche Ausbildung (Berufsbildende Schulen und Duales Ausbildungssystem)
  • Hochschulen (Fachhochschulen und Universitäten)
  • Weiterbildung (Volkshochschulen, betriebliche Weiterbildung)

Dieses Grobschema untergliedert sich dann in der Berichterstattung in eine Vielzahl von Einzelaspekten, die Bereiche »verästeln« sich gewissermaßen. Auf den so vorstellbaren unterschiedlichen Ebenen werden Daten aggregiert und bereitgestellt. Wenn sich also feingliedrigere Bildungsberichterstattung auf kommunaler oder regionaler Ebene mit dem lokalen Bildungswesen auseinandersetzen will, gilt es zunächst zu ermitteln, zu welchen dieser Teilbereiche in welchem Zuschnitt Daten zur Verfügung stehen.

Bildungsfragen auf Kreis- und Gemeindeebene

Die meisten bildungsrelevanten Daten der amtlichen Statistik werden auf kommunaler Ebene bis hinunter auf Gemeinde- oder Stadtteilebene erhoben – Städte können sich also recht leicht einen Überblick verschaffen. Landkreise haben es da schon etwas schwerer. Häufig müssen sie mit einigem Aufwand Gemeindedaten zusammenfassen und sind aufgrund der Beteiligung von mehr Akteuren und einer größeren Zahl von Zwischenschritten mit einem erhöhten Koordinationsaufwand konfrontiert. Kreisangehörige Städte wiederum müssen – wenn sie sich mit den Stadtkreisen vergleichen wollen – diejenigen Daten, die auf Kreisebene aggregiert veröffentlicht werden, auf die Stadtebene herunterbrechen. Als Beispiel hierfür kann die Übergangsquote von Grund- auf weiterführende Schulen angeführt werden – dies am Beispiel der Universitätsstädte im Land, die besonders auffällige Werte bei den Übergängen an Gymnasien aufweisen.

Der Landkreis Tübingen bewegt sich – was die Übergangsrate an die Gymnasien angeht – am unteren Rand der Werte, die die ebenfalls durch ihre Universität geprägten Stadtkreise Heidelberg und Freiburg im Breisgau aufweisen. Die Stadt Tübingen befindet sich im Vergleich zu den anderen beiden Universitätsstädten jedoch an der Spitze der Übergangsquoten von der Grundschule auf die Gymnasien (Tabelle). Ähnliches gilt – mit umgekehrten Vorzeichen – für die Übergänge an die Hauptschulen. In Tübingen wechseln besonders wenige Kinder an Hauptschulen. Im umliegenden Kreis sind es so viele, dass sie – zusammen mit den wenigen Tübinger Kindern – eine erheblich höhere Quote bilden als in Freiburg im Breisgau oder Heidelberg. Der Vergleich mit den Landeszahlen macht deutlich, dass alle drei Universitätsstädte stark abweichende Übergangsquoten aufweisen.

In den unterschiedlichen Übergangsdaten der Stadt Tübingen und des umliegenden Landkreises spiegelt sich auch die im Bildungsbericht Baden-Württemberg konstatierte Erkenntnis wieder, dass Kinder in ländlich strukturierten Regionen eher nah gelegene Realschulen besuchen statt – lange Wege auf sich nehmend – an die in zentral gelegenen Städten angesiedelten Gymnasien zu gehen. Nicht wenige von ihnen wechseln dann nach der mittleren Reife auf berufliche Gymnasien, um dort die allgemeine Hochschulreife zu erwerben.4

Je kleinräumiger die Bildungsberichterstattung wird, desto flexibler kann sie gehandhabt werden. So hat der hier beschriebene Umstand, dass industrielle Ballungszentren über ein anders strukturiertes Bildungswesen verfügen als der ländliche Raum, auf die Bildungsberichterstattung insofern einen Einfluss, als beispielsweise Fragen des Schülerinnen- und Schülertransports in Landkreisen eine größere Bedeutung bekommen als in Stadtkreisen. Diese verfügen in der Regel über einen gut ausgebauten innerstädtischen Personennahverkehr der von Schülerinnen und Schülern mitbenutzt wird. Es liegt also schon aufgrund der hierfür anfallenden Kosten für die Bildungsberichterstattung auf Kreisebene nahe, diesbezügliche Planungsaspekte mit einzubeziehen.

Sondererhebungen für kommunale Fragestellungen

Für die kommunale Bildungsberichterstattung ist es erforderlich, sich bildungspolitischen Fragen zuzuwenden, die in der örtlichen Bildungsdiskussion kontrovers behandelt werden. Dabei können erstaunliche Zwischenergebnisse zutage treten: Die Stadt Tübingen hat in einer eigenen Befragung zur Einschulung die Situation der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund an den städtischen Grundschulen beleuchtet und festgestellt, dass etwa die Hälfte der Kinder mit Zuwanderungsgeschichte vor der Einschulung gar nicht oder kürzer als ein Jahr Kindertagesstätten besucht hatten (Schaubild 1). Eine weitere, dieser Fragestellung nachgehende Analyse ergab, dass der größte Teil dieser Kinder aus Familien stammte, die schon in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben. Als mögliche Erklärung wurde zunächst festgehalten, dass in diesen Familien offenbar eine Großelterngeneration lebt, die sich um die kleinen Kinder kümmert, sodass diese nicht auf den Besuch einer Kindertagesbetreuungseinrichtung angewiesen sind.

So wenig repräsentativ diese Erhebung sein mag, bietet sie doch ein Erklärungsmuster dafür an, warum Kinder der zweiten und dritten Migrantinnen- und Migrantengeneration zum Teil größere Integrationsschwierigkeiten haben als die der ersten Generation, die noch nicht in ein mehrere Generationen umfassendes Familiensystem eingebettet sind.

Notwendig war eine eigene städtische Erhebung zu eingeschulten Kindern mit Migrationshintergrund, weil die Schulstatistik, aus deren Daten sich die städtische Bildungsberichterstattung hauptsächlich speist5, derzeit lediglich den Ausländerstatus berücksichtigt. Erst wenn die Schulstatistik in eine Individualstatistik umgewandelt sein wird, kann aus ihr abgelesen werden, wie viele Kinder einen Migrationshintergrund haben.

»Gemischte« Gebietsebenen

Die Daten zum allgemeinbildenden Schulwesen werden nicht bundeseinheitlich, sondern – aufgrund der Kulturhoheit der Länder – in »föderaler Uneinheitlichkeit« zusammengetragen. Das bundesweit zwischen den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder vereinbarte Lieferprogramm sieht vor, dass die Länder verbindliche Basisdaten an den Bund weiterleiten. Diese Daten werden also auf alle Fälle in allen Ländern erhoben. Aber in welcher regionalen Gliederungstiefe diese aufbereitet werden, bleibt den Ländern je nach ihren Informationsbedürfnissen überlassen.

Ein ähnliches Problem bilden die Daten der Arbeitsverwaltung, die aus Sicht der Bildungsberichterstattung von eminenter Bedeutung sind. Sie verweisen auf Entwicklungen des regionalen Ausbildungsmarkts, den allgemeinen Arbeitskräfteüberschuss oder Fachkräftemangel und können auf diese Weise zur Lenkung der beruflichen Bildung beitragen. Bedauerlicherweise liegen sie in der Regel lediglich auf Ebene der Arbeitsagenturbezirke vor. Diese Bezirke fassen meist mehrere Kreise zusammen. Manchmal durchschneiden ihre Grenzen aber auch einzelne Kreise (in Baden-Württemberg den Bodenseekreis und den Rhein-Neckar-Kreis), die dann teils dem einen, teils dem anderen Arbeitsagenturbezirk zugehören (Schaubild 2).

Einzelne Arbeitsagenturen veröffentlichen ihre Daten zum Ausbildungsmarkt im Rahmen von Pressemitteilungen oder »Newslettern«, andere berichten ausschließlich der Zentrale in Nürnberg, die ihre Daten seit einiger Zeit in Frankfurt aufbereiten lässt. Der Informationsfluss ist uneinheitlich und regionale oder kommunale Bildungsplaner sind darauf angewiesen, mit der örtlichen Arbeitsagentur individuelle Absprachen zu treffen, damit diese Daten für sie zeitnah verfügbar sind.

Unterschiedliche Informationslage in den einzelnen Bildungsbereichen

Noch unübersichtlicher wird die Datenlage, wenn Bildungselemente einbezogen werden, die aus dem institutionellen Rahmen frühkindlicher, schulischer und beruflicher Bildung ausscheren. Die Daten zu öffentlichen Bibliotheken sind noch erfreulich gut und feingliedrig über die deutsche Bibliotheksstatistik verfügbar. Aber Museumsbesuche oder die Anzahl von Ausstellungen, die Kurse kommunaler und privater Musikschulen, Maßnahmen der öffentlichen und freien Jugendhilfe, Bildungsmaßnahmen der Vereine sowie Veranstaltungen in zoologischen und botanischen Gärten lassen sich allenfalls über kleinräumige Sondererhebungen oder über die Verteilung von öffentlichen Fördermitteln beziffern. Ähnliches gilt für öffentliche Angebote der Erwachsenenbildung. Gänzlich unübersichtlich ist der Bereich der betrieblichen Weiterbildung. Fortbildungsveranstaltungen auf betrieblicher Ebene bilden das Rückgrat der beruflichen Fortbildung. Daten hierzu entstammen überregionalen Stichproben.6 Kleinräumige Daten auf Stadt- oder Landkreisebene sind nicht verfügbar.

Nicht verfügbar sind ebenfalls Daten über die Anzahl von privaten Internetanschlüssen. Zwar wissen wir aus einer Stichprobenerhebung zur Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in privaten Haushalten7, dass 51% der Nutzer das Internet auch zu Aus- und Weiterbildungszwecken nutzen,8 aber weder die anbietenden Unternehmen noch die Bundesnetzagentur können Angaben über die Gesamtanzahl der Anschlüsse in einer Region machen.

Eine anspruchsvolle, möglichst viele Aspekte des Bildungsgeschehens berücksichtigende, kommunale oder regionale Bildungsberichterstattung ist also über die Aufbereitung des zur Verfügung stehenden Datenmaterials hinaus stets auch auf die Auswertung lokal vorliegender Daten und gegebenenfalls auf eigene Datenerhebungen angewiesen. Sie kann demzufolge stets nur eine gezielte Auswahl des möglichen weiteren Themenspektrums abdecken.

Dadurch wird zwar die Vergleichbarkeit kleinräumiger Bildungsberichterstattung eingeschränkt, aber darin liegt auch eine Chance für die Realisierung regionaler und kommunaler Bildungsberichterstattung: Auch wenn sich konventionelle Eckdaten des Bildungssystems leichter vergleichen lassen, sollten Kommunen und Regionen die Möglichkeit wahrnehmen, Sonderauswertungen zu solchen Bildungssektoren zu ergänzen, mit denen sie besondere Akzente setzen können. Dies entweder, weil sich darin »Best-Practice«-Beispiele abbilden lassen, oder weil der gewählte Aspekt ein besonderes Problem bildet, dem sich die Kommune/Region zuwenden will.

Beide Perspektiven beinhalten Chancen zur Fortentwicklung des Bildungswesens. Die Beschreibung von »Best-Practice«-Beispielen richtet sich als Leistungsstandbeschreibung über die regionale Grenze hinaus, während die Zuwendung zu lokalen Problemen zunächst als Problem- und Lösungswegerarbeitung nach innen gerichtet ist. Sie wirkt aber – da andere Regionen sich in ähnlichen Problemlagen befinden – auch nach außen. Eine Beschränkung auf ausschließlich leicht darstellbare und leicht verfügbare Daten brächte die regionale Bildungslandschaft – trotz der dadurch gewährleisteten besseren Vergleichbarkeit – kaum voran, sondern verleitet aus dem Blickwinkel des Vergleichs tendenziell zu einer Nivellierung im Mittelmaß.

Mit regionaler Bildungsberichterstattung haben sich in der jüngsten Vergangenheit vor allem Städte befasst.9 Dabei sind Überblicksberichte entstanden, die die kommunale Bildungssituation – teils umfassend, teils in Ausschnitten –beschreiben und Handlungsstrategien zur Verbesserung der kommunalen Bildungssituation ableiten. Auf Landkreisebene findet Bildungsberichterstattung vorläufig kaum statt. Neuerdings sind die »lernenden Regionen«10 im Begriff sich ihrer Bildungslandschaft aus übergeordneter Perspektive zuzuwenden. Dies resultiert daraus, dass Bildung als zentraler Motor der Regionalentwicklung erkannt wurde.

Deshalb entwickelt das Statistische Landesamt Baden-Württemberg gegenwärtig zusammen mit Kooperationspartnern im Statistischen Bundesamt und im Deutschen Institut für Erwachsenenbildung ein Verfahren für das kommunale Bildungsmonitoring, das es Regionen wie zum Beispiel Landkreisen und kreisfreien Städten erleichtern soll, regionale Bildungsdaten zusammenzutragen und zu interpretieren.

1 Programme for International Student Assessment/Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung.

2 Konsortium Bildungsberichterstattung: »Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration«, Bielefeld 2006.

3 Landesinstitut für Schulentwicklung; Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Bildungsbericht für Baden-Württemberg, Stuttgart 2007.

4 Bildungsbericht für Baden-Württemberg, S. 155.

5 Auf Grundlage des §115 Schulgesetz Baden-Württemberg aus dem Jahr 1983 zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2006.

6 Wie zum Beispiel der Dritten Europäischen Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS3) und der Repräsentativumfrage »Berichtssystem Weiterbildung« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

7 Auf Grundlage des Gesetzes über die Statistik zur Informationsgesellschaft vom 22. Dezember 2005.

8 Vgl. Pflugmann-Hohlstein, Barbara: »Die Nutzung von Computern gehört für viele Baden-Württemberger zum Alltag«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2008«

9 Berichte liegen zum Beispiel aus München, Tübingen, Offenburg und Dortmund vor.

10 Das Projekt »Lernende Regionen« wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Europäischen Union gefördert.