:: 7/2008

Fortschritte bei der kommunalen Abwasserentsorgung in Baden-Württemberg

Rund 1,45 Mrd. m3 Abwasser wurden 2004 in kommunalen Kläranlagen des Landes gereinigt und dann in die Gewässer eingeleitet. Kommunale Abwässer bestehen hauptsächlich aus häuslichem und gewerblichem Schmutzwasser sowie Regen- und Fremdwasser. Die Abwasserbeseitigung und -behandlung, die in Baden-Württemberg fast ausschließlich von den Gemeinden betrieben wird, hat zwischenzeitlich einen vergleichsweise hohen Standard erreicht. Bis 2001 hat eine kontinuierliche Verbesserung der Reinigungsleistung der Kläranlagen im Land – bezogen auf die herkömmlichen Messgrößen – stattgefunden. Seither wurde das Niveau in etwa konstant gehalten. Die Anschlussgrade an die öffentliche Kanalisation liegen in den meisten Gemeinden bei 99 % und mehr. Zuletzt wurden landesweit jährlich 392 Mill. Euro in den Ausbau und die Sanierung des Kanalnetzes sowie der Regenwasserbehandlungsanlagen investiert. Vor allem der Ausbau des im Land stark unterrepräsentierten Trennkanalisationssystems wurde vorangetrieben.

Täglich 148 Liter Schmutzwasser pro Einwohner aus Haushalten und Gewerbe

Insgesamt fielen 2004 in Baden-Württemberg in Haushalten, öffentlichen Einrichtungen, Gewerbe- sowie Industrie- und Energieversorgungsunternehmen 5,9 Mrd. Kubikmeter (m3) Abwasser an, die entweder direkt oder indirekt nach Behandlung in Flüsse, Seen oder den Untergrund abgeleitet wurden. Zum weitaus überwiegenden Teil (4,3 Mrd. m3) handelte es sich dabei allerdings um Kühlwasser, das hauptsächlich von den öffentlichen Wärmekraftwerken der Energiewirtschaft und zu einem geringeren Teil durch Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes direkt in Oberflächengewässer eingeleitet wurde.

Etwa ein Viertel des gesamten angefallenen Abwassers (rund 1,45 Mrd. m3)1 gelangte über die öffentliche Sammelkanalisation zur Behandlung in kommunale Kläranlagen. Das Abwasser, das in den kommunalen Kläranlagen ankommt, setzte sich zusammen aus 40 % häuslichem und gewerblichem Schmutzwasser, 4 % Abwasser, das – meist nach Vorklärung in betriebseigenen Abwasserbehandlungsanlagen – aus der Industrie übernommen wurde, sowie 56 % Fremd- und Niederschlagswasser. Die jährliche Menge des Schmutzwassers aus Haushalten, Industrie und Gewerbe unterlag seit Anfang der 90er-Jahre nur geringfügigen Schwankungen. Die Menge des Fremd- und Niederschlagswassers hingegen variiert in den einzelnen Jahren je nach Stärke und Häufigkeit der Niederschläge deutlich (zwischen 0,7 und 1,1 Mrd. m3 pro Jahr; Schaubild 1).

Der häusliche Schmutzwasserabfluss ist vom Wasserbedarf der Bevölkerung und der jeweiligen Siedlungsdichte abhängig. 2004 betrug das Aufkommen an häuslichem und gewerblichem Schmutzwasser 580 Mill. m3, das sind pro Einwohner täglich 148 Liter. Gegenüber 1998 wurde je Einwohner eine um 4 % höhere Abwassermenge in Kläranlagen eingeleitet. Die Wasserabgabe der Wasserversorger an Haushalte und Kleingewerbe je Einwohner ist im gleichen Zeitraum um knapp 3 % zurückgegangen. Diese gegenläufige Entwicklung deutet darauf hin, dass seit Mitte der 90er-Jahre für die Grundstücksbewässerung in zunehmendem Maße die Verwendung von Trinkwasser durch die Nutzung von Regenwasser ersetzt wurde. Dadurch wurde der Anteil des Trinkwassers, der nicht in die Sammelkanalisation gelangt, reduziert.

Anschlussgrade im Land überdurchschnittlich

99 % der Bürger des Landes waren 2004 an die öffentliche Sammelkanalisation angeschlossen. Im Bundesdurchschnitt waren es zuletzt 96 %. In 710 der 1 111 Gemeinden war ein Anschlussgrad von mehr als 99 % erreicht. Die rund 108 000 Einwohner, für die kein Anschluss an die öffentliche Kanalisation bestand, verteilten sich auf zumeist kleine verstreute Siedlungen und Einzelanwesen. Die Einwohner ohne Sammelkanalisation nutzen entweder Kleinkläranlagen oder geschlossene Gruben mit anschließender Unterbringung der Abwassermengen in öffentlichen Kläranlagen oder auf landwirtschaftlichen Flächen.

Nahezu die gesamte über die öffentliche Sammelkanalisation erfasste Menge an häuslichem, kleingewerblichem und industriell-gewerblichem Schmutzwasser wurde den öffentlichen Kläranlagen zugeleitet (knapp 642 von 644 Mill. m3). Rund 1,8 Mill. m3 kommunale Abwässer wurden industriellen oder ausländischen Kläranlagen zugeleitet, rund 0,5 Mill. m3 Schmutzwasser (das entspricht rund 200 Schwimmbecken) gelangten über das Kanalsystem ohne vorhergehende Reinigung direkt in den Vorfluter bzw. den Untergrund.

Die Abwassermenge, die in den nicht an die öffentliche Sammelkanalisation angeschlossenen Siedlungen zusätzlich entstand, dürfte sich auf jährlich rund 4,1 Mill. m3 belaufen. Für diese Abschätzung wurde der durchschnittliche tägliche Trinkwasserbedarf der baden-württembergischen Haushalte von 105 Litern pro Einwohner zugrunde gelegt.

Reinigungsleistung auf gleichbleibendem Niveau

Alle 1 118 öffentlichen Kläranlagen, die 2004 im Land in Betrieb waren, sind bereits seit längerer Zeit mit biologischen Abwasserbehandlungsstufen ausgestattet. Kläranlagen mit ausschließlich mechanischer Reinigung existieren, anders als in vielen anderen Bundesländern, in Baden-Württemberg nicht mehr. Die Ablaufkonzentrationen des behandelten Abwassers in Kläranlagen konnten bezogen auf die herkömmlichen Parameter seit Anfang der 90er-Jahre deutlich verbessert werden (zu Abwasserparametern vgl. i-Punkt). Außer beim AOX-Gehalt ist die Verbesserung der Ablaufkonzentrationen bei den betrachteten Parametern seit 2001 stagnierend. Offenbar ist die mit vertretbarem Aufwand erzielbare durchschnittliche Reinigungsleistung der Abwasserbehandlungsanlagen bezogen auf die betrachteten Parameter weitestgehend erreicht. Die Beobachtung der Werte in weiteren Erhebungsjahren bleibt abzuwarten.

Die deutliche Verbesserung der Ablaufparameter in den 90er-Jahren hängt zusammen mit dem verstärkten Ausbau weitergehender Abwasserreinigungsstufen in den Kläranlagen. Dabei handelt es sich vor allem um Verfahren zur Verminderung der Nährstoffgehalte (Phosphor- und Stickstoffverbindungen). Darüber hinaus bestehen Verfahren zur Reduktion von biologisch schwer abbaubaren organischen Stoffen, gelösten anorganischen Stoffen (wie Salzen) sowie von Schwermetallen. Vor allem die größeren Kläranlagen sind mittlerweile fast durchweg mit weitergehenden Reinigungsstufen ausgestattet.

Zur Verbesserung der Reinigungsleistung und zugleich aus ökonomischen Gründen werden auch immer mehr kleine Kläranlagen geschlossen oder zusammengelegt. Bereits 1991 war mit 1 251 Kläranlagen der Zenit der Anzahl der Kläranlagen in Baden-Württemberg erreicht. Seither wurden im Durchschnitt rund 10 Anlagen pro Jahr geschlossen und die betroffenen Einwohner an größere Kläranlagen, die oft mit weitergehenden Verfahrensstufen der Abwasserreinigung ausgestattet sind, angeschlossen.

Die Konzentrationen von Nähr- und Schadstoffen im Ablauf der Kläranlagen sind vor allem aus Sicht des Gewässerschutzes interessante Größen. Die Belastung der Gewässer und Gewässerabschnitte Baden-Württembergs durch die Einleitung der genannten Stoffe bzw. Stoffgruppen ist unterschiedlich. Entsprechend den Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) wurden die baden-württembergischen Abschnitte der beiden Flussgebietseinheiten Rhein und Donau in 6 Bearbeitungsgebiete aufgeteilt. Schaubild 2 zeigt für diese Bearbeitungsgebiete die unterschiedlichen Konzentrationen an Schadstoffen, die durch die ansässigen Kläranlagen in die Flussgebietsabschnitte eingeleitet wurden. Vor allem bei den Nährstoffgehalten sind hohe Konzentrationen je Liter Abwasser in Kläranlagen des Bearbeitungsgebiets Main zu finden, bei CSB- und AOX-Konzentration verzeichnen jeweils die Anlagen im Gebiet des Hochrheins die höchsten Ablaufkonzentrationen.

Fremdwasseranteil in Kläranlagen im Durchschnitt bei 23 %

Während die Miterfassung und Mitbehandlung der verschmutzten Regenwassermengen im Rahmen des Gewässerschutzes erfolgt, ist das Eindringen von Fremdwasser über Undichtigkeiten der Kanäle oder durch Anschluss von Dränagen oder Quellen in das Kanalnetz unerwünscht. Der Fremdwasseranteil belief sich landesweit in 2004 im Durchschnitt auf 23 %. Die Bestimmung dieser Größe ist meist recht problematisch und wird von den Kläranlagen teilweise geschätzt. Von den Kläranlagenbetreibern wurden für 2004 insgesamt 0,33 Mrd. m3 behandeltes Fremdwasser angegeben. Das ist im Vergleich mit den Angaben seit Mitte der 90er-Jahre, in denen die jährlichen Fremdwassermengen zwischen 0,35 und 0,43 Mrd. m3 lagen, der niedrigste Wert. Der Fremdwasseranteil des Abwassers beeinflusst die Reinigungsleistung der Kläranlagen und kann außerdem ein Problem im Hinblick auf die Bemessung des Ausbaus der Kläranlagen darstellen. Der verhältnismäßig niedrige Fremdwasseranteil im Jahr 2004 deutet darauf hin, dass vor allem bei der Sanierung des Kanalnetzes Anstrengungen unternommen worden sind.

Die Sanierung von Kanalabschnitten ist nicht nur im Hinblick auf den Fremdwasserzufluss in Kläranlagen, sondern auch aus Gründen des Grundwasserschutzes ein wichtiges Aufgabenfeld für die Kommunen. Für gut zwei Drittel des Kanalnetzes liegen Angaben der Kanalnetzbetreiber zum Baujahr der einzelnen Kanalabschnitte vor. Von diesen Kanalabschnitten wurden rund 20 % noch in den Jahren vor 1960 gebaut und seither nicht saniert. Im Zeitraum 2002 bis 2004 wurden von den Gemeinden rund 392 Mill. Euro pro Jahr in die Sanierung sowie den Neubau des Kanalnetzes, aber auch in den Bau und Ausbau von Bauwerken zur Regenwasserbehandlung investiert. Bezogen auf das Ende 2004 bestehende Kanalnetz waren das Investitionen von fast 5,80 Euro je Meter Kanal. Die Investitionen der Stadt- und Landkreise reichten dabei von 3 bis knapp 20 Euro je Meter Kanalnetzlänge.

Ausbau des Kanalnetzes und der Regenwasserbehandlung weiter fortgeschritten

Das Kanalnetz wurde seit Anfang der 90er-Jahre von rund 5 auf 6,40 Meter je Einwohner weiter deutlich ausgebaut. Von den rund 68 000 Kilometern (km) öffentlicher Sammelkanalisation waren 2004 fast drei Viertel (72 %) Kanäle des Mischwassersystems.2 Insbesondere seit Anfang der 90er-Jahre wurden in zahlreichen Städten und Gemeinden, die traditionell über Mischkanalisation entwässert werden, auch Trennkanäle verlegt.3 Seit Anfang der 90er-Jahre wurden insgesamt ungefähr genauso viele Kanalmeter im Trenn- wie im Mischsystem neu gebaut. Vor allem in der südlichen Rheinebene und in der Region Hochrhein-Bodensee ist das Trennsystem zur Abwasserableitung verbreitet (Schaubild 3).

Eine wichtige Voraussetzung sowohl für den wirksamen Gewässerschutz als auch für den ordnungsgemäßen Betrieb der Kläranlagen ist der Ausbau von Einrichtungen zur Regenwasserbehandlung. Um Stoßbelastungen der Kläranlagen bei Niederschlagsereignissen zu vermeiden, werden im Mischwasserkanalnetz Regenüberläufe installiert. Niederschlagswasser enthält neben den Abschwemmungen von befestigten und unbefestigten Flächen oft auch die Abspülungen von Ablagerungen, die sich nach einer längeren Trockenperiode in der Kanalisation gebildet haben. Daher werden die Regenüberläufe mit Becken zur Schmutzrückhaltung kombiniert. Diese speichern die Abflussspitzen und geben das gesammelte Wasser nach und nach an die Kläranlage ab. Auch im Trennsystem werden Regenwasserbehandlungsanlagen zum Absetzen der Verschmutzungen aus dem Niederschlagswasser eingesetzt.

Ende 2004 existierten 7 263 Regenwasserbehandlungsanlagen in Misch- und Trennsystem mit einem Fassungsvermögen von insgesamt knapp 5 Mill. m3. Dies entspricht in etwa dem Doppelten des Volumens von 1991. Zum weitaus überwiegenden Teil (zu 86 %) handelt es sich bei diesen Regenwasserbehandlungsanlagen um Regenüberlaufbecken (Speicher- und/oder Absetzbecken), die hauptsächlich bei der im Land dominierenden Mischkanalisation angewendet werden. In den letzten Jahren wurden, vor allem was das Volumen betrifft, die Regenrückhaltebecken, die in der Regel die Niederschlagsmengen vollständig aufnehmen können, stark ausgebaut. Sie machen mittlerweile einen Anteil am Volumen von immerhin gut einem Viertel aller Regenentlastungsanlagen aus.

Fazit

Um den hohen Standard, der in der Abwasserbeseitigung und bei der Abwasserbehandlung in Baden-Württemberg erreicht wurde, zu halten, besteht weitergehender Investitionsbedarf. Dabei ist nicht nur die Sanierung älterer Kanalabschnitte ein wichtiger Punkt, darüber hinaus stellt die Veränderung der Siedlungsstruktur, vor allem im ländlichen Raum, Anforderungen an die Abwasserbeseitiger. Neue Herausforderungen an die Abwasserbehandlung bestehen unter anderem auch durch den zunehmenden Gehalt noch weitgehend unerforschter human- und ökotoxischer Stoffe im Abwasser, zum Beispiel aus Arzneimitteln.

Ein weiteres wichtiges Thema für die Abwasserbehandlung ist der Klimaschutz. Kläranlagen können sowohl durch den Einsatz energieeffizienterer Techniken bei der Abwasserreinigung als auch durch regenerative Energiegewinnung aus Klärgas sowie aus Klärschlamm einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

1 Bei den Zahlen zur kommunalen Abwasserbeseitigung handelt es sich um Ergebnisse der Erhebung der öffentlichen Abwasserbehandlung bei allen öffentlichen Kläranlagen mit einem Zufluss ab 8 m3 pro Tag und

2 der Erhebung der öffentlichen Abwasserbeseitigung bei allen Betreibern der öffentlichen Sammelkanalisation.

3 Gemeinsame Ableitung von Schmutz- und Niederschlagswasser.

4 Bei der Trennkanalisation werden Schmutz- und Niederschlagswasser in separaten Kanalleitungen abgeführt.