:: 7/2008

Zur »Treffsicherheit« von Prognosen – oder: Was können Vorausrechnungen leisten?

Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg führt seit vielen Jahren Vorausrechnungen durch. Die Güte dieser Vorausrechnungen wird in der Öffentlichkeit überwiegend daran gemessen, inwieweit die prognostizierten Ergebnisse mit den tatsächlichen übereinstimmen. Im Folgenden soll deshalb anhand der regionalisierten Bevölkerungsvorausrechnung für Baden-Württemberg auf der Basis 31. Dezember 1991 gezeigt werden, welcher Bevölkerungsstand für ausgewählte Raumeinheiten des Landes für das Zieljahr 2005 vorausgerechnet wurde und wie im Vergleich hierzu die tatsächliche Entwicklung verlaufen ist. Vor allem soll deutlich gemacht werden, dass ein einfacher »Soll-Ist-Vergleich« nur wenig über die Qualität einer Vorausrechnung aussagt.

Im März 1993 wurden die Ergebnisse der kleinräumigen Bevölkerungsvorausrechnung auf der Basis Ende 1991 mit einem Prognosehorizont bis zum Jahr 2005 veröffentlicht.1 Diese wurde hinsichtlich der Annahmen zur Geburtenhäufigkeit, der Lebenserwartung und dem Wanderungsverhalten mit der oberen Variante der damaligen Landesvorausrechnung abgestimmt, welche einen Anstieg der Bevölkerungszahl um gut 700 000 Personen bzw. 7,4 % auf dann ca. 10,73 Mill. errechnet hatte.2 Tatsächlich lebten Ende 2005 in Baden-Württemberg etwa 10,74 Mill. Einwohner. Das Ergebnis der Landesvorausrechnung kann damit als »Punktlandung« bewertet werden.

Das Ziel kleinräumiger Vorausrechnungen war und ist die Bereitstellung von differenzierten Ergebnissen für beliebige Teilräume des Landes. Von besonderem Interesse sind beispielsweise Informationen zur erwarteten Entwicklung im Ländlichen Raum und in den übrigen Raumkategorien nach dem Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg.3 In der kleinräumigen Bevölkerungsvorausrechnung auf der Basis Ende 1991 wurde für die Randzonen um die Verdichtungsräume mit 9,7 % das höchste Plus errechnet; die Bevölkerungsentwicklung war hier mit + 10,5 % tatsächlich deutlich dynamischer als in den anderen Raumkategorien. Die Abweichung war jedoch mit 0,8 Prozentpunkten in einem Zeitraum von 15 Jahren vertretbar niedrig. Auch bei den Verdichtungsräumen war die Abweichung zwischen tatsächlicher und vorausgerechneter Entwicklung mit 0,6 Prozentpunkten ebenfalls sehr moderat. Lediglich die Dynamik im Ländlichen Raum insgesamt wurde in der Vorausrechnung mit + 7,2 % nicht unerheblich unterschätzt; hier hatte die Bevölkerungszahl tatsächlich um 8,8 % zugenommen.

Eine Antwort auf die Frage, ob diese Abweichungen als »viel« oder »wenig« zu bewerten sind, kann mit Hilfe einer fiktiven Rechnung versucht werden: In der regionalisierten Vorausrechnung wurden regionalspezifische Trends der letzten Jahre berücksichtigt. Alternativ hätte die künftige Entwicklung in den Raumkategorien auch einfach mit landeseinheitlichen Veränderungsraten fortgeschrieben werden können. Eine solche fiktive Berechnung hätte aber dazu geführt, dass sich die Summe der betragsmäßigen Abweichungen zwischen Ist- und Vorausrechnungsergebnis gegenüber dem gewählten Ansatz verdoppelt hätten.

Besondere Problematik kleinräumiger Vorausrechnungen

Bei den Raumkategorien handelt es sich um relativ große Teilräume. Regionalisierte Vorausrechnungsergebnisse wurden und werden aber auch für kleinere Räume zur Verfügung gestellt.4 Das bedeutet, dass mit besonderen Schwierigkeiten gerechnet werden muss – denn Prognosen werden mit zunehmendem Regionalisierungsgrad unsicherer, weil die zu berücksichtigenden potenziellen Wanderungsbeziehungen zunehmen. Außerdem werden sie dann auch »anfälliger« für regional wirkende politische oder wirtschaftliche Entscheidungen.5 Für die Vorausrechnung auf der Basis Ende 1991 kam noch erschwerend hinzu, dass Ende der 80er-Jahre bzw. zu Beginn der 90er-Jahre die regionalen Wanderungsstrukturen auch durch administrative Eingriffe bestimmt wurden, die zu einer Überlagerung der »Kern-Umland-Wanderungen« geführt haben.6 Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass die »Treffsicherheit« beispielsweise für die Teilräume der Raumkategorien geringer war als für die LEP-Raumkategorien insgesamt (vgl. Tabelle). Während die durchschnittliche Abweichung bei den vier Raumkategorien lediglich bei etwa 1 % lag, streute diese bei den 30 Teilräumen um gut 2 %.

Der »Schwierigkeitsgrad« einer Vorausrechnung hängt neben der Tiefe der Regionalisierung davon ab, ob die Bevölkerungsentwicklung im zu prognostizierenden Zeitraum eher dynamisch oder – wie beispielsweise in den 80er-Jahren der Fall – eher statisch verlaufen ist und ob es in den Teilräumen kleine oder aber große Entwicklungsunterschiede gegeben hat. So gesehen waren die Rahmenbedingungen für die hier betrachtete Vorausrechnung eher ungünstig, da die Umbrüche in Osteuropa Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre zu starken Zuwanderungen geführt haben; und von diesen starken Zuwanderungen haben die einzelnen Teilräume sehr unterschiedlich profitiert: Das Bevölkerungsplus zwischen 1991 und 2005 reichte beispielsweise für die Raumkategorien, differenziert nach Teilräumen, von 2 % bis 17 %! Vor diesem Hintergrund relativiert sich die durchschnittliche Abweichung zwischen »Ist« und »Soll« von 2 %.

Endogene und exogene Einflüsse

Die Entwicklung der Bevölkerungszahlen ist vordergründig von der natürlichen Bevölkerungsbewegung (Geburten und Sterbefälle) und der räumlichen (Zu- und Abwanderung) bestimmt. Diese demografischen Komponenten sind selbst wieder durch vielfältige äußere – exogene – und innere – endogene – Einflüsse und Entwicklungen7 bestimmt. Die Ursachen- und Wirkungsgefüge der exogenen und endogenen Komponenten in Status-quo-Prognosemodellen zu integrieren, ist nicht möglich, da ja gerade die erreichten Status konstant gehalten werden. Das heißt, bei Status-quo-Prognosen ist es letztlich gleichgültig, ob zum Beispiel die niedrigen Geburtenraten durch Änderungen eines Wertekanons und/oder durch konjunkturelle und/oder durch politische Einflüsse verursacht wurden. Konjunkturelle Einbrüche, weltpolitische Ereignisse oder klimatische Veränderungen wirken sich zwar großräumig aber nicht gleichartig aus. So kam es unmittelbar zu Beginn des Vorausrechnungszeitraumes durch den Zusammenbruch des Ostblocks zur erwähnten Ost-Westwanderung. Der Balkankrieg, der Mauerfall und die Öffnung des Eisernen Vorhangs sowie die EU-Erweiterung ließen hierzulande die Bevölkerungszahl um über 900 000 ansteigen.

Wie sich die demografischen Komponenten kleinräumig in Gemeinden oder Gemeindeteilen darstellen, hängt neben den exogenen auch von endogenen Einflüssen ab. Arbeitsplätze schaffende Unternehmen, ein funktionierender Wohnungsmarkt, reichhaltige kulturelle und schulische Angebote in der Nähe, hohe Freizeitwerte und eine gute Verkehrsanbindung werden Bevölkerung anlocken. Sind die endogenen Rahmen- und Vor-Ort-Bedingungen schlecht, stimmen viele Menschen mit den Füßen ab, das heißt sie gehen dorthin, wo sie größere Chancen sehen. Die endogenen Größen werden durch Entscheidungen vor Ort beeinflusst und gestaltet, sie können vorausschauend oder reaktiv sein. All diese landes- und kommunalpolitischen Maßnahmen, Erfolge und Misserfolge lassen sich in den strengen Status-quo-Prognosen ebenso wenig berücksichtigen wie die exogenen Einflüsse. Sehr wohl lassen sich Wirkungen der endogenen Faktoren aber rückblickend und summarisch nachweisen. Insofern hatte Churchill recht, als er sagte: »Ein Experte ist ein Mann, der hinterher genau sagen kann, warum seine Prognose nicht gestimmt hat.« Andererseits kann ein Prognostiker sich glücklich wähnen, wenn eine seiner negativen Prognosen nicht eintraf, weil Politik und Wirtschaft deren Eintreffen zu verhindern wussten. Schaubild 1 zeigt, dass Baden-Württemberg im Vergleich zu Deutschland insgesamt in den letzten Jahrzehnten fast durchweg überdurchschnittliche Entwicklungswerte hatte. Die dargestellte Bevölkerungsentwicklung musste prima vista ihre Ursachen in den Lebens- und Wirtschaftsbedingungen des Landes und seiner Kommunen selbst haben.

Nicht unerwähnt bleiben darf, dass exogene Einflüsse auch durch die statistische Arbeit selbst entstehen können. So haben die enormen Einbrüche der Bevölkerungsentwicklung in den Volkszählungsjahren 1956, 1961, 1970 und 1987 nichts mit der Wirklichkeit sondern mit den sich einschleichenden und kumulierenden Fehlern in der »Bevölkerungsfortschreibung« zu tun (Schaubild 2). Durch die – exogen – vom Gesetzgeber geforderten Volkszählungen werden diese weitgehend bereinigt. Für Prognosen sind diese – endogenen – Verwaltungsphänomene bei der Wahl der Stützzeiträume zu berücksichtigen.

Trendbrüche sind mit Status-quo-Ansätzen nicht prognostizierbar …

Entscheidender als die Frage nach der generellen »Treffsicherheit« ist jene nach den Gründen für starke Abweichungen der vorausgerechneten von den tatsächlichen Ergebnissen. Die allgemeinen Gründe hierfür wurden bereits genannt. Es soll nun anhand der konkreten Entwicklung relativ kleiner Raumeinheiten exemplarisch gezeigt werden, weshalb es zu verhältnismäßig großen Diskrepanzen kommen konnte. Hierzu wird ebenfalls auf eine – allerdings differenziertere – Raumabgrenzung nach dem LEP abgestellt und zwar auf zwei der insgesamt 101 Mittelbereiche:8

  • Der Mittelbereich Nagold in der Region Nordschwarzwald zählte in den 80er-Jahren zu den Mittelbereichen mit dem stärksten Bevölkerungswachstum: Von 1980 bis 1991 hatte sich die Einwohnerzahl um 14 % erhöht (Landeswert: 8 %). Aufgrund dieser günstigen Entwicklung wurde für den Prognosezeitraum ein weiterer starker Anstieg der Einwohnerzahl errechnet (+ 15 %). Tatsächlich hatte sich aber von 1991 bis 2005, also während des Vorausrechnungszeitraums, die Dynamik deutlich verringert: Mit einem Plus von knapp 6 % war der Mittelbereich sogar hinter den Landesdurchschnitt zurückgefallen (+ 7 %). Eine Erklärung hierfür könnte die ungünstige Arbeitsplatzentwicklung in der Region liefern: Im Nordschwarzwald war die Abnahme der Beschäftigungszahl im Vorausrechnungszeitraum mehr als doppelt so stark wie landesweit, in den 80er-Jahren lag die Entwicklung zumindest noch im Landesdurchschnitt. An der dynamischen Entwicklung in den 90er-Jahren hatte der Mittelbereich keinen Anteil. Letzteres wiederum muss nicht für jede Gemeinde oder jeden Gemeindeteil gelten.
  • Ganz anders die Bevölkerungsentwicklung im oberschwäbischen Mittelbereich Bad Saulgau, die hier im Zeitraum 1980 bis 1991 deutlich unter der des Landes lag (+ 5 % gegenüber + 8 %). Im Zeitraum 1991 bis 2005 war dagegen die Zunahme mehr als doppelt so hoch wie landesweit (+ 16 % gegenüber + 7 %) – sicherlich auch bedingt durch eine eher günstige Arbeitsplatzentwicklung in der Region Bodensee-Oberschwaben. Aufgrund des nur moderaten Bevölkerungsanstiegs in den 80er-Jahren wurde aber in der Vorausrechnung der Anstieg der Bevölkerungszahl im Mittelbereich Bad Saulgau während des Prognosezeitraums mit knapp + 8 % deutlich unterschätzt.

Schaubild 3 skizziert die Entwicklungen im Detail: Die prozentuale Veränderung der Bevölkerungszahl im Mittelbereich Nagold lag zwischen 1981 und 1991 in jedem Jahr über der entsprechenden Landesentwicklung; während des Prognosezeitraums ist sie aber deutlich hinter den Landesdurchschnitt zurückgefallen. Im Mittelbereich Bad Saulgau lässt sich eine umgekehrte Tendenz erkennen, die von einem eher wellenförmigen Verlauf überlagert wird. Es bleibt festzuhalten, dass regionalisierte Vorausrechnungsergebnisse aufgrund ihres Status-quo-Ansatzes dann von der tatsächlichen Entwicklung abweichen (müssen), wenn sich die örtliche Entwicklungsdynamik gegenüber dem Basiszeitraum deutlich ändert, wenn es also zu einem Trendwechsel gekommen ist.

… dagegen die Altersstruktur der Bevölkerung relativ gut

Mithilfe von Bevölkerungsvorausrechnungen soll aber nicht nur die zu erwartende Entwicklung der Bevölkerungszahl insgesamt aufgezeigt werden, sondern auch – was gerade für Planungszwecke von besonderer Relevanz ist – die Veränderung der Altersstruktur. In den Vorausrechnungen des Statistischen Landesamtes werden deshalb auch Ergebnisse für beliebige Altersgruppen zur Verfügung gestellt. So wurde beispielsweise mit der damaligen Vorausrechnung auf der Basis Ende 1991 der Anteil der Bevölkerung im Alter von 65 und mehr Jahren in den einzelnen Raumkategorien des LEP nach Teilräumen für das Jahr 2005 relativ gut getroffen – und dies, obwohl die regionale Entwicklung recht unterschiedlich verlief: Die Zunahme des Anteils reichte von + 2 bis + 5,4 Prozentpunkte. Die Abweichung des prognostizierten vom tatsächlichen Anteil lag im Jahr 2005 immerhin in 26 der 30 Raumkategorien nach dem LEP bei weniger als einem Prozentpunkt.

»Soll-Ist-Vergleich« greift zu kurz

Auch wenn die Güte von Vorausrechnungen oft daran gemessen wird, ob die prognostizierten Ergebnisse mit den tatsächlichen übereinstimmen, ist dies nicht der richtige Maßstab. Status-quo-Vorausrechnungen sollen »nur« zeigen, »was geschieht, wenn nichts geschieht«. Dabei sind die Parameter Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Wanderungsverhalten so zu wählen, wie sie im Zeitpunkt der Prognoseerstellung für die Zukunft wahrscheinlich sind. So liegt beispielsweise der aktuellen Bevölkerungsvorausrechnung eine Konstanz der derzeitigen Geburtenhäufigkeit zugrunde, weil diese seit rund 30 Jahren praktisch unverändert ist und derzeit nichts darauf hinweist, dass sich diese in den nächsten Jahren entscheidend ändern könnte.

Regionalisierte Vorausrechnungen sind dabei mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, weil es nicht möglich ist, die erwartete Entwicklung gemeindespezifisch – in Baden-Württemberg gibt es 1 109 Kommunen – zu berücksichtigen. Dies hieße nämlich, den geplanten Ausweis von Bauland oder die Schließung eines größeren Betriebs in einer Gemeinde vorauszusehen und in die Berechnungen einfließen zu lassen. Für solche kleinräumigen Vorausrechnungen sind deshalb nur Status-quo-Vorausrechnungen möglich; das heißt, die vergangene Entwicklung wird fortgeschrieben. Realistischerweise kann deshalb nicht erwartet werden, dass kleinräumige Entwicklungen exakt prognostiziert werden; diese verlaufen im Zeitablauf teilweise sehr unstetig, wie auch die Ausführungen zu den Mittelbereichen Nagold und Bad Saulgau gezeigt haben. Insbesondere die regionalen Wanderungsstrukturen unterliegen erheblichen Schwankungen.9

Gerade weil die Zu- und Wegzüge im Zeitablauf stark schwanken, wurde im Rahmen der aktuellen regionalisierten Bevölkerungsvorausrechnung auch eine Modellrechnung ohne Wanderungen durchgeführt. Damit wird aufgezeigt, wie sich die Bevölkerung in einem Gebiet »aus dem Bestand« heraus entwickeln wird, wenn lediglich deren Alterung sowie die zu erwartenden Geburten- und Gestorbenenzahlen berücksichtigt werden. Künftig soll dieser Ansatz stärker in den Vordergrund gerückt werden, weil damit aus Sicht des Statistischen Landesamtes noch deutlicher gemacht werden kann, dass Vorausrechnungsergebnisse die Basis für weitere planerische Überlegungen sein müssen und nicht das Ergebnis der Planungen darstellen können. Denn die Planungen selbst können (und sollten!) erhebliche Auswirkungen auf die weitere Entwicklung haben.

»Selbstzerstörerische Kraft« von Prognosen

Trotz dieser Einschränkungen haben Bevölkerungsvorausrechnungen für politische Entscheidungen einen nicht zu unterschätzenden Nutzen: Sie zeigen zwar nicht unbedingt, wie es sein wird, aber sie zeigen auf, was sein wird, wenn die Verhaltenweisen der jüngeren Vergangenheit auch während des Vorausrechnungszeitraums weiterhin Gültigkeit besitzen. Im Extremfall hat eine Vorausrechnung gerade dann ihren Zweck erfüllt, wenn das prognostizierte Ergebnis nicht eingetroffen ist. Beispiel: Für eine Stadt wird eine künftig stagnierende Bevölkerungsentwicklung »prognostiziert«; aufgrund dieses Ergebnisses wird dieser als unerwünscht angesehenen Entwicklung durch den Ausweis von Bauland entgegengesteuert, sodass die Bevölkerungszahl tatsächlich stärker als berechnet ansteigt. Damit hat die Vorausrechnung – obwohl das tatsächliche vom prognostizierten Bevölkerungswachstum deutlich abweicht – ihren Zweck erfüllt. Sie hat nämlich dazu beigetragen, dass das Vorausrechnungsergebnis durch entsprechendes politisches Handeln widerlegt wurde (sogenannte »selbstzerstörerische Kraft« von Prognosen).

Festzuhalten bleibt deshalb: es gilt, die Möglichkeiten von Vorausrechnungen zu nutzen, aber auch ihre Grenzen zu erkennen. Vorausrechnungen haben ihre Aufgabe dann erfüllt, wenn sie die Basis für Analysen und Planungen der Entscheidungsträger beisteuern, mögliche (Fehl-)Entwicklungen aufzeigen und so die Unsicherheit über die Zukunft verringern helfen. Lösungen können von Ihnen dagegen nicht erwartet werden.10

Was zeichnet eine »gute« Vorausrechnung aus?

Aus methodischer Sicht ist eine Vorausrechnung gut, wenn sie auf plausiblen, realitätsbezogenen Annahmen beruht und in sich schlüssig ist. Treffer »ins Schwarze« sind dabei aufgrund der zahlreichen Unwägbarkeiten eher Glückssache.11 Dagegen kann die Güte einer Vorausrechnung bereits aus logischen Gründen nicht anhand eines Ist-Soll-Vergleichs bewertet werden: »Wenn man die »Treffsicherheit« von Prognosen misst, indem man die (…) Prognosewerte für eine Variable mit den tatsächlich eintretenden Werten vergleicht, dann weiß man eigentlich gar nicht genau, was man misst: die Ausprägung gewisser Besonderheiten des Prognosegegenstandes, die Kumulation glücklicher Zufälle, einen selbsterfüllenden »Ödipus-Effekt«, die Raffinesse eines Propheten (oder auch eines Expertengremiums) oder eben den »Erfolg« von Vorhersagen.«12

1 Vgl. Brachat-Schwarz, Werner: LIS-Report – Kleinräumige Bevölkerungsvorausrechnungen für Baden-Württemberg, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, Heft 3/1993, S. 94 ff.

2 Vgl. Wolf, Rainer: Bevölkerungsvorausrechnungen für Baden-Württemberg, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, Heft 4/1992, S. 146 ff. Die Vorausrechnung berücksichtigte (neben unterschiedlicher Fruchtbarkeitsziffern) zwei Varianten der Wanderungsbewegung. Die untere Variante nahm einen Rückgang des Wanderungssaldos auf 30 000 bis 35 000 Personen bis 1993 an, in der oberen Variante wurde dieser Rückgang erst 1995 erreicht.

3 Vgl. zu den Abgrenzungskriterien der Raumkategorien: Landesentwicklungsplan 2002 Baden-Württemberg, hrsg. vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, September 2002, insbesondere S. B7 ff. (Zitierweise: Landesentwicklungsplan 2002).

4 In der aktuellen Vorausrechnung werden Ergebnisse für Gemeinden mit mindestens 5 000 Einwohnern veröffentlicht; vgl. Dominé, Attina/Schwarck, Cornelia: »Neue regionalisierte Bevölkerungsvorausrechnung bis 2025 für Baden-Württemberg«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 6/2007«

5 Ausführlich beschrieben ist die Problematik kleinräumiger Bevölkerungsvorausrechnungen in: Brachat-Schwarz, Werner/Walla, Wolfgang: Kleinräumige Bevölkerungsvorausrechnungen für Baden-Württemberg mit dem Prognosemodell »SIKURS«–, in: Jahrbücher für Statistik und Landeskunde von Baden-Württemberg, 37. Jahrgang, 1992, S. 49–88.

6 Vgl. Brachat-Schwarz, Werner/Deckarm, Manfred: Langfristige Bevölkerungsentwicklung in der Region Stuttgart 1871 – 1994, in: Struktur und Dynamik in der Region Stuttgart, hrsg. von Gaebe, Wolf, 1997, S. 34 f.

7 In der Regionalplanung und -beschreibung sind endogene Entwicklungen im Gegensatz zu exogenen solche, die maßgeblich nicht durch zum Beispiel finanzielle und personelle Hilfen oder politische Einwirkungen von außen bestimmt sind, sondern auf einer Mobilisierung der eigenen Kräfte und auf Eigeninitiativen beruhen.

8 Zur Funktion und Abgrenzung der Mittelbereiche vgl.: Landesentwicklungsbericht 2002, S. 21 f., A15 ff. und B19 ff.

9 Vgl. Brachat-Schwarz, Werner: Gibt es stabile räumliche Wanderungsstrukturen in Baden-Württemberg? – Zur Klassifizierung der Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs anhand ihrer Wanderungsgewinne bzw. -verluste seit 1971, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl Heft 3/2002, S. 111 ff.

10 Vgl. hierzu ausführlicher Walla, Wolfgang: »Wozu in die Zukunft schauen?«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 7/2004«

11 Sandte, Holger: Grenzen von Prognosen – oder: Warum Prognostiker irren (dürfen), in: WISU 2/04, S. 190.

12 Tietzel, Manfred: Prognoselogik oder: Warum Prognostiker irren dürfen, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 206, 1989, S. 558.