:: 12/2008

Bildungsmonitoring auf Kreisebene

Für die 313 Kreise und 118 kreisfreien Städte in Deutschland1 erweist sich das kommunale Bildungssystem in zunehmendem Maße als Standortfaktor. Das Vorhandensein qualitativ hochwertiger und innovativer Bildungseinrichtungen macht Stadt- und Landkreise gerade für Familien attraktiv, die für ihre Kinder gute Bildungschancen erwarten, und ein gut ausgebautes Berufs- und Weiterbildungssystem versorgt die örtliche Wirtschaft mit kompetentem Personal. Einrichtungen des non-formalen Bildungssektors wie Bibliotheken, Museen und Musikschulen steigern die Lebensqualität der Menschen und heben das allgemeine Bildungsniveau.

Dieser Beitrag berichtet über den Aufbau und die Elemente eines datengestützten Berichtssystems für ein kommunales Bildungsmonitoring. Vorgestellt wird ein Anwendungsleitfaden zur Erleichterung des Aufbaus einer kontinuierlichen und systematischen Berichterstattung über die kommunale Bildungsinfrastruktur.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wurde am Statistischen Landesamt Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt und dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung ein modular aufgebautes Instrument entwickelt, das den Kreisen und kreisfreien Städten den Aufbau eines datengestützten Bildungsmonitorings erlaubt.

Zum Abschluss der ersten Projektphase haben die Projektpartner einen Anwendungsleitfaden vorgelegt, der eine Handreichung für Landkreise und kreisfreie Städte bildet, mit deren Hilfe sie ihr kommunales Bildungssystem in seinen wichtigsten Elementen beschreiben, beobachten und lenken können. Dieser in kontinuierlicher Fortentwicklung befindliche Leitfaden, dessen jeweilig aktuelle Version seit September im Internet als PDF-Dokument abrufbar ist, wurde in Kernindikatoren, Überblicks- und Ergänzungsindikatoren untergliedert. Indikatoren, das heißt einzelne datengestützt beobachtbare Merkmale im Bildungssystem in dieser Weise zu priorisieren, ermöglicht eine gewisse Vergleichbarkeit so entwickelter Monitoringberichte in unterschiedlichen Kreisen und kreisfreien Städten. Gleichzeitig gewährleistet so ein Vorgehen hinreichend viel Flexibilität, um die Berichterstattung den kommunalen Besonderheiten und Kernthemen der aktuellen örtlichen Bildungsdiskussion anzupassen.

9 Themenfelder eines Kommunalen Bildungsmonitorings

Den Kreisen und kreisfreien Städten wird im Anwendungsleitfaden vorgeschlagen, zunächst überblickartig kommunale Rahmendaten (1.) wie Einwohnerzahl, Ausländerinnen- und Ausländeranteil, Bruttoinlandsprodukt je Einwohner/-in und Arbeitslosenquote aufzuführen. Diese Daten dienen vielfach als Grundlagendaten für weitere Indikatoren der Bildungsanalyse (zum Beispiel Schulabgangsquoten an allgemeinbildenden Schulen) und ermöglichen es den Stadt- und Landkreisen zusätzlich, sich im interkommunalen Vergleich in eine Gruppe ähnlich strukturierter Kreise und kreisfreier Städte einzuordnen – wenn ein Vergleich mit diesen angestrebt wird.

Die Grundinformationen (2.) zur Bildung geben einen ersten Überblick über die Anzahl der Bildungseinrichtungen, die allgemeinen Bildungsausgaben in der Region und das generelle Bildungsverhalten der Bevölkerung.

Der umfassende Gestaltungsspielraum der Kommunen und Kreise im Bereich der Kindertagesstätten (3.) kennzeichnet die unmittelbare Steuerungsrelevanz der Daten aus dem Bereich der frühkindlichen Erziehung. Deshalb bilden die Anzahl der Einrichtungen und die Versorgung mit Plätzen Kernindikatoren. Aber auch die Übergänge an die Grundschulen, und damit das Einschulungsalter ist im Rahmen der Anstrengungen zur Verkürzung von Bildungskarrieren von zentraler Bedeutung.

Die allgemeinbildenden Schulen (4.) befinden sich in der Regel in kommunaler Trägerschaft, während das Land die Verantwortung für das Bildungspersonal und die Bildungsinhalte hat. Diese Verantwortungsteilung in innere und äußere Schulangelegenheiten macht die allgemeinbildenden Schulen zu einem höchst bedeutsamen Beobachtungsfeld. Kommunen haben großen Einfluss auf die bauliche und sachliche Ausstattung sowie das personelle Umfeld der Schule (Administration, schulpsychiatrischer Dienst, Betreuungskräfte im Ganztagsschulbetrieb, Schulsozialarbeit ...). Die Sicherung eines wohnortnahen Schulangebots – insbesondere für Grundschüler/-innen ist vordringliche Aufgabe der Kommunen. Auch der Ausbau und die Ausstattung der Ganztagsschulen liegen zu großen Teilen in der Hand der Kommunen.

Die beruflichen Schulen (5.) sind häufig Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft, die das Bindeglied zwischen allgemeinbildenden Schulen und regionaler Wirtschaft bilden. Ein kommunaler Bildungsbericht muss sich deshalb in starkem Maße auf die Ausgestaltung dieses Bildungsauftrags konzentrieren. Gleichzeitig sind die auf hohe Flexibilität angelegten Strukturen beruflicher Bildung sehr komplex. Dieser Bildungssektor ist von konjunkturellen Schwankungen und konkurrierenden bzw. ergänzenden Bildungsangeboten aus anderen Kreisen beeinflusst. Aufgabe des kommunalen Bildungsmonitorings ist es, für die örtliche Ebene mehr Klarheit in die unübersichtlichen Strukturen des Berufsbildungssektors zu bringen, Defizite und Möglichkeiten aufzuzeigen und Anregungen zur Fortentwicklung zu geben.

Auf die Universitäten und Fachhochschulen haben Kreise und Städte den geringsten Einfluss. Gleichwohl bilden diese Bildungseinrichtungen wichtige Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung der Kreise und kreisfreien Städte. Deshalb dürfen die Hochschulen (6.) nicht aus dem Blick verloren werden. Die Beobachtung ihrer Entwicklung ist eine wichtige Teilaufgabe des Kommunalen Bildungsmonitorings.

Der Weiterbildungssektor (7.), das heißt Erwachsenbildungsinstitutionen wie die Volkshochschulen aber auch Akademien und die betrieblichen und außerbetrieblichen Fortbildungseinrichtungen bestimmen für große Teile der erwachsenen Bevölkerung die Bildungslandschaft der Kommunen. Ein qualitativ hochwertiges Angebot der Erwachsenenbildungseinrichtungen gewährleistet eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung der Bevölkerung, die sich gleichermaßen an den Bedürfnissen der Menschen und den Anforderungen der örtlichen Wirtschaft orientiert.

Die non-formalen und informellen Lernwelten (8.) in Form von Bibliotheken, Museen, Ausstellungen und Musikschulen, aber auch in Form einer gut ausgebauten Infrastruktur (zum Beispiel Internet-Breitbandanschlüsse) erleichtern und ermöglichen den Menschen bis ins hohe Alter die Teilnahme an Bildungsprozessen. Auch junge Menschen im Schulalter profitieren von einer gut ausgebauten Infrastruktur non-formaler Bildungsmaßnahmen zum Beispiel bei der Nutzung von Bildungsangeboten der Jugendhilfe. Diese Lernwelten vereinen auf sich Attribute, die Lernen zu einem beiläufigen und automatischen Effekt machen. Sie bilden Standortfaktoren, die geeignet sind, Menschen von außerhalb der Region anzuziehen, und sie werden von großen Teilen der Bevölkerung als selbstverständliche Bildungsressourcen wahrgenommen. Kreise und Gemeinden sollten bestrebt sein, diese Bildungsinfrastruktur auszubauen und zu pflegen.

Bildungsnetzwerke/Bildungsberatung (9.) als quantitativ nur sehr unzureichend erfassbare Elemente non-formaler Lernwelten wurden in den Anwendungsleitfaden als narrativ in einem gesonderten Kapitel zu beschreibende Institutionen mit ihren bestehenden und angestrebten Verflechtungsstrukturen einbezogen.

Struktur des Anwendungsleitfadens

Im Anwendungsleitfaden wird beispielhaft die Struktur eines Bildungsberichts skizziert, der in die oben aufgeführten 9 Teilbereiche untergliedert ist. Jeweils einleitend wird erläutert, wie die statistischen Werte zu 35 Kernindikatoren in allen Bildungsberichten analysiert werden können, damit die Fortschreibung der Bildungsberichterstattung sich auf übereinstimmende Indikatoren bezieht. Zusätzlich bilden 62 frei auswählbare Ergänzungsindikatoren sowie 24 Überblicksindikatoren erweiterte Analyseebenen, die einbezogen werden können, wenn damit besonders vorbildliche Elemente kommunaler Bildung beschrieben oder identifizierte Problembereiche in erweiterter Analysetiefe betrachtet werden sollen.

Die Datendarstellung sollte (zum jetzigen Zeitpunkt) die aktuellen Daten, die Daten des Vorjahrs und die Daten aus dem Jahr 2000 beinhalten, um – gewissermaßen in Zeitreihe – Entwicklungen im jeweiligen Bildungsbereich nachzeichnen zu können. Darüber hinaus ist es ratsam, Vergleichsdaten zum jeweiligen Kernindikator auf Landes- oder Bundesebene mit den kommunalen Daten zu kontrastieren.

Für die Übergangszahlen von Grundschulen auf Gymnasien kann eine solche Datendarstellung wie Beispiel 1 und 2 aussehen.

Interpretation: Im Landkreis Ludwigsburg wechseln überdurchschnittlich viele Schüler/-innen von der Grundschule an das Gymnasium. Betrug der Abstand zum prozentualen Anteil der Kinder, die im ganzen Land von Grundschulen an Gymnasien wechselten, im Schuljahr 2000/01 noch 4,2 Prozentpunkte, verringerte sich im Schuljahr 2006/07 dieser Abstand auf 2,0 Prozentpunkte. Im vergangenen Schuljahr lag er bei 3,2 Prozentpunkten. Insofern ist erkennbar, dass fortwährend mehr Schüler/-innen im Landkreis Ludwigsburg an Gymnasien wechseln als im Landesdurchschnitt und dass die Anzahl derer, die ans Gymnasium wechseln, kontinuierlich steigt.

Diese Auseinandersetzung mit kommunalen Bildungsdaten ist nicht ohne Mühe und personellen Aufwand zu leisten. Aber die Überblicksdarstellung im Anwendungsleitfaden, die Angabe der Datenquellen und Berechnungswege erspart den Fachkräften umfangreiche Recherchearbeiten und erleichtert durch die vorgegebene Gliederungsstruktur die Grundkonzeption eines kommunalen Bildungsberichts. Gleichwohl bietet der Anwendungsleitfaden zunächst nur ein grobes Gerüst, das flexibel ausgebaut und ausgestaltet werden kann. Oftmals entwickeln sich aus der ersten Datenanalyse tiefer gehende Fragen, denen in einem weiteren Schritt nachgegangen werden sollte.

Eine unkommentierte Aneinanderreihung von Datentabellen und Schaubildern bildet keinen Bericht. Es ist darüber hinaus unbedingt erforderlich, dass die dokumentierten Daten analysiert und bewertet werden. So wird im Rahmen der Bildungsberichterstattung auf Schwächen und Stärken der kommunalen Bildungsstruktur hingewiesen. Auf der Grundlage dieser Interpretation können anschließend seitens der kommunalen Entscheidungsgremien politische Entscheidungen getroffen werden.

Eigene Erhebungen der Kreise und kreisfreien Städte

Für den Großteil aller zu erhebenden Indikatoren kann die amtliche Statistik auf Kreis- und Gemeindeebene Daten zur Verfügung stellen. Wenn aber einzelne Kreise und kreisfreie Städte sich zum Beispiel der betrieblichen Weiterbildung zuwenden wollen, sind sie – ähnlich wie in einzelnen anderen Bereichen – auf eigene Erhebungen angewiesen, da zu diesem Sektor keine systematisch erhobenen Querschnittsdaten auf der kommunalen Ebene vorliegen. Dennoch können für viele Kreise und kreisfreie Städte auch diese Indikatoren von großer Bedeutung sein. Im Anwendungsleitfaden werden in solchen Fällen Querverweise auf die Notwendigkeit und Möglichkeiten eigener Erhebungen eingefügt. Diese sind in unterschiedlicher Analyseschärfe durchführbar und können schon mit geringem Aufwand (Telefonbefragungen, Expertinnen- und Expertenrunden) wichtige Ergebnisse für die Förderung und Gestaltung des Weiterbildungswesens bzw. Bildungswesen der jeweiligen Kommune liefern.

Praxisbeispiele

Ergänzend zum datengestützten Berichtsteil des Bildungsmonitorings wird vorgeschlagen, kommunalen Bildungseinrichtungen Raum für Selbstdarstellungen einzuräumen. Diese Selbstdarstellungen sollen einen Überblick über den Entwicklungsstand und das Innovationspotenzial der kommunalen Bildungseinrichtungen geben und dienen den Einrichtungen selbst als Vergleichsdarstellungen. Sie geben möglichen Nutzern von Bildungseinrichtungen einen Überblick. Damit diese Selbstdarstellungen vergleichbar bleiben, sollten sie ähnlich strukturiert sein. Deshalb werden im Abschlussbericht der ersten Projektphase Beschreibungsraster für unterschiedliche Bildungseinrichtungen (Kindertagesstätten, Schulen, Volkshochschulen) vorgeschlagen, an denen sich die Selbstdarstellungen orientieren können.

Periodizität des Bildungsmonitorings

Es ist nicht vorgesehen, dass die Kommunen jährlich ihr Bildungswesen in voller Breite beschreiben. Auch die Selbstdarstellungen der Bildungseinrichtungen sollten nicht in kurzen Intervallen wiederholt werden. Vielmehr wird den Kreisen und kreisfreien Städten empfohlen, ihre Bildungsberichterstattung zwar kontinuierlich (zum Beispiel in 2-jährigem Rhythmus) und vom Aufbau weitestgehend übereinstimmend zu betreiben, jedoch in wechselnder Folge Schwerpunktthemen zu behandeln. Auf diese Weise können besonders innovative Bildungsstrukturen hervorgehoben oder kontrovers diskutierte Probleme im kommunalen Bildungssektor einer tiefer gehenden Analyse unterzogen werden, damit die Diskussion sich an verlässlichen Daten orientieren kann.

Viel zu häufig sind Diskussionen im Bildungssektor von punktuellen Eindrücken und Überblickseinschätzungen geprägt, die durch nachträglich erhobene Daten korrigiert werden müssen oder auch bestätigt werden können. Ein methodisch abgesicherter Datenbericht – quasi als etablierte »Berichtsroutine« – kann die vielfach emotional geführten Diskussionen versachlichen und auf eine konstruktive Ebene überleiten.

Die Pilotphase des Projektes: Erste Umsetzung in Monitoringberichte

Seit Fertigstellung des Anwendungsleitfadens Mitte 2008 befindet sich das Projekt in einer Pilotphase, in der die Projektgruppe in einzelnen Kreisen die Erstellung von Bildungsberichten begleitet und unterstützt. Parallel hierzu steht jetzt aber auch der Anwendungsleitfaden für die selbstständige Erstellung von Monitoring-Berichten in weiteren Kreisen und kreisfreien Städten zur Verfügung. Längerfristig ist zu erwarten, dass in immer mehr Kreisen Deutschlands Bildungsmonitoring betrieben wird, damit die Bildungslandschaft auch auf kommunaler Ebene an Transparenz gewinnt und – in Ausschöpfung der Entscheidungsspielräume der kommunalen Ebene – fortentwickelt wird.

1 Stand: Juli 2008.