:: 5/2009

Ein starkes Bundesland in der 60-jährigen Bundesrepublik

In diesen Tagen begeht die Bundesrepublik Deutschland ihren 60. Geburtstag. Nach Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 entstand auf deutschem Boden nach der Weimarer Republik der zweite demokratisch legitimierte Staat. Die Bundesrepublik ist ein politisch gewolltes, föderalistisch strukturiertes Staatswesen. Die Grundlage des deutschen Staates bilden die Bundesländer, die einen hohen politischen Stellenwert besitzen und in der gesamtpolitischen Machtbalance mit einem starken Selbstbewusstsein ausgestattet sind. Gerade die regionale Vielfalt, die durch die Bundesländer repräsentiert wird, stärkt das Ansehen des politischen Systems bei der Bevölkerung. Ein gutes Beispiel hierfür ist Baden-Württemberg.

Aus 3 mach 1

Die Tatsache, dass Baden-Württemberg zum Zeitpunkt der Gründung der Bundesrepublik Deutschland als eigenständiges Bundesland noch gar nicht existierte, ist heute manches Mal bereits in Vergessenheit geraten. Der Südwesten Deutschlands war in der Nachkriegszeit durch die Politik der westlichen alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkrieges in unterschiedliche Besatzungszonen aufgeteilt, aus denen drei selbstständige Bundesländer entstanden. Zur amerikanischen Zone gehörte das neue Land Württemberg-Baden mit der Hauptstadt Stuttgart, zur französischen Zone Württemberg-Hohenzollern mit der Hauptstadt Tübingen und Baden mit der Hauptstadt Freiburg im Breisgau. Ausschlaggebend für diese Aufteilung waren die Interessen der Besatzungsmächte. Den Amerikanern lag daran, die Autobahn zwischen Frankfurt, Mannheim, Karlsruhe, Ulm und weiter nach München in der Hand zu behalten, um den Nachschubweg vom Hafen Bremen her zu sichern. Aus ähnlichen Erwägungen wurde der bayerische Kreis Lindau dem zur französischen Zone gehörenden Land Württemberg-Hohenzollern zugeordnet1.

Erst durch den im Artikel 118 Grundgesetz festgelegten Auftrag: »Die Neugliederung in dem die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg Hohenzollern umfassenden Gebiet kann abweichend von den Vorschriften des Artikels 29 durch eine Vereinbarung der beteiligten Länder erfolgen …« wurde die verfassungsmäßige Grundlage für eine neue politische Struktur geschaffen. Besonders im damaligen Bundesland Baden gab es große Vorbehalte gegen die Fusion der drei Südwestländer, befürchteten doch gerade hier große Bevölkerungsteile in einem neuen großen Bundesland zu stark von den württembergischen Landesteilen dominiert zu werden.

Nach einem heftigen Wahlkampf in allen drei Bundesländern erbrachte die Volksabstimmung vom 9. Dezember 1951 insgesamt eine Mehrheit von 69,7 % für das neue Bundesland Baden-Württemberg. Die nur kurz existierenden Vorgängerbundesländer Baden-Württembergs blieben mit kleinen Gebietsveränderungen weitgehend als neue Regierungsbezirke bestehen und bildeten einerseits die politisch-administrative Grundlage dafür, dass sich die Menschen mit dem neuen Bundesland identifizieren konnten. Andererseits wurden durch dieses neue weitaus größere Land auch die Grundlagen für eine beachtliche Stellung innerhalb des Gesamtgefüges Bundesrepublik Deutschland gelegt, trug doch die positive Entwicklung Baden-Württembergs auf vielen Gebieten maßgeblich zur inneren und äußeren Stabilität des politischen Systems Deutschlands bei.

Die Menschen im »Ländle«

Baden-Württemberg wird von vielen seiner Einwohner liebevoll im »schwäbischen Diminutiv« als das »Ländle« bezeichnet. Dabei ist das »Ländle« alles andere als klein, denn Baden-Württemberg ist sowohl nach der Fläche als auch nach der Einwohnerzahl mit 10,7 Mill. Einwohnern am Jahresende 2008 das drittgrößte Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. Es ist auch eines der am dicht besiedelsten Bundesländer. Im europäischen Vergleich wird Baden-Württemberg bei der Bevölkerungsdichte in der Europäischen Union nur von Malta, den Niederlanden und Belgien übertroffen. Auf einem Quadratkilometer wohnen im Land durchschnittlich 301 Menschen. Die Einwohnerzahl Baden-Württembergs nimmt seit seiner Gründung kontinuierlich zu. Im Vergleich zu der Bevölkerungszahl der drei Vorgängerbundesländer bedeutet das einen Zuwachs von mehr als 4,3 Mill. Menschen, betrug doch die Bevölkerungszahl von Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern im Jahr 1949 rund 6,4 Mill. Allein seit Ende 1991, als erstmals die 10-Millionen-Grenze überschritten wurde, wuchs die Bevölkerungszahl um über 700 000 Menschen. Ursächlich für diese Zunahme ist vor allem der positive Wanderungssaldo.

Ende 2007 lebten in Baden-Württemberg knapp 1,3 Mill. Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung betrug 11,8 %, damit lag der Anteil der ausländischen Bevölkerung in Baden-Württemberg im Bundesländervergleich zu allen anderen Flächenländern am höchsten.

Viele der heute in Baden-Württemberg lebenden ausländischen Bürgerinnen und Bürger sind Nachkommen der ersten sogenannten Gastarbeitergeneration, die in den späten 50er- und frühen 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts mit der Intention kam, einige Jahre fleißig am Fließband oder auf dem Bau zu arbeiten, ihr hart verdientes Geld nach Hause zu schicken, womit man sich dort dann später eine kleine Existenz aufbauen oder den Bau eines Hauses verwirklichen wollte. Diese Träume wurden zwar oft auch verwirklicht, in vielen Fällen blieben die Männer aber auch hier, heirateten eine Landsfrau, die schon hier arbeitete oder nach der Vermählung nach Deutschland zog, und gründeten eine Familie in Baden-Württemberg, mit dem Wunsch sich dauerhaft im Ländle zu etablieren. So hat Baden-Württemberg aufgrund dieser geschichtlichen Ereignisse verhältnismäßig große ausländische Bevölkerungsanteile.

Die mit einem ausländischen Pass im Lande lebenden Menschen stellen jedoch nur einen Teil der Personen, die insgesamt gesehen einen Migrationshintergrund besitzen. Zu diesen zählen neben den zugewanderten und in Deutschland geborenen Ausländern auch Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, wie zum Beispiel Spätaussiedler, eingebürgerte Personen sowie die Kinder von Spätaussiedlern und die Kinder von Eingebürgerten. Nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2007 gehört mit fast 2,7 Mill. Personen knapp ein Viertel aller in Baden-Württemberg lebender Menschen zum Personenkreis mit Migrationshintergrund. Das Land lag damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt, der bei knapp 19 % lag. Unter den Migranten im Alter von 25 bis 65 Jahren hatte ein sehr hoher Anteil von rund 39 % keine Berufsausbildung. Durch die geringere berufliche Qualifikation der Migranten wird offensichtlich auch deren Chance auf dem Arbeitsmarkt negativ beeinflusst. So waren weniger Baden-Württemberger mit Migrationshintergrund berufstätig als die Menschen ohne Migrationshintergrund. Aufgrund der geringeren Erwerbsbeteilungen verfügten die Migrantenhaushalte im Durchschnitt auch über ein geringeres Haushaltseinkommen.

Geburtenrückgang und Alterung der Gesellschaft haben – wie in allen anderen Bundesländern – auch vor Baden-Württemberg nicht Halt gemacht. Ein heute in Baden-Württemberg geborenes Kind hat eine über 30 Jahre höhere Lebenserwartung als jemand, der vor 100 Jahren geboren wurde. Die Baden-Württemberger haben damit den Spitzenplatz der Lebenserwartung im bundesweiten Vergleich. Die gestiegene Lebenserwartung ist vor allem auf verbesserte Lebensbedingungen, höheres Einkommen, einen verbesserten Bildungsstand und einen eminenten Fortschritt in der medizinischen Behandlung und Versorgung zurückzuführen. Die Hauptursache aber für die zunehmende Alterung der Bevölkerung liegt in dem seit rund drei Jahrzehnten anhaltend niedrigen Geburtenniveau. Die Zahl der Kinder, die eine Frau in ihrem Leben im Durchschnitt zur Welt bringt, lag im Jahr 2007 bei 1,37 Kindern. Baden-Württemberg belegte damit im Bundesländervergleich einen Platz im vorderen Mittelfeld. Aber wie in ganz Deutschland fehlte auch im »Ländle« rund ein Drittel der Kinder, die nötig gewesen wären, um die Vorgängergeneration vollständig zu ersetzen.

Die Besetzungsstärke der älteren Altersgruppen wird zukünftig noch zunehmen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 60er-Jahre entsprechend alt sind. Verstärkt wird diese Entwicklung noch durch die oben beschriebene weiter steigende Lebenserwartung. Erstmals war im Jahr 2000 der Anteil der Menschen über 60 Jahre größer als der der unter 20-jährigen. Aber die älteren Menschen sind in ihrem Verhalten nicht mit dieser Altersgruppe vor 60 Jahren vergleichbar, als die Lebensbedingungen durch verschiedene äußere Faktoren für ältere wie jüngere Menschen noch wesentlich ungünstiger waren.

… wie sie arbeiten und wirtschaften

Mit rund 5,3 Mill. Menschen im Alter von 15 und mehr Jahren gab es 2007 nach Ergebnissen des Mikrozensus die bislang höchste Zahl an Erwerbstätigen im Lande. Darunter befanden sich fast 2,4 Mill. erwerbstätige Frauen. Ihre Zahl ist seit 1980 um mehr als 700 000 oder knapp 43 % gestiegen. Auf die Gesamtzahl der baden-württembergischen Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren bezogen waren fast 74 % erwerbstätig. Somit gingen rund 80 % der Männer und gut zwei Drittel der Frauen in Baden-Württemberg einer Erwerbstätigkeit nach. Eine besondere Problematik entsteht, wenn junge Menschen keine Arbeit finden. Es fehlt die Teilhabe an einem grundlegend wichtigen Gesellschaftsbereich, was bis zur sozialen Ausgrenzung führen kann. Umso gravierender ist es dann, dass der Anteil der erwerbslosen jungen Menschen im Alter von 15 bis unter 25 Jahren im Jahr 2007 bei 6,7 % lag und damit deutlich höher war als die Erwerbslosenquote insgesamt.

Im sogenannten postindustriellen Zeitalter belief sich 2007 der Anteil der Dienstleistungen an der Bruttowertschöpfung in Baden-Württemberg auf 60 %. Dies wurde vor allem bedingt durch das Vordringen neuer Informations- und Kommunikationstechnologien und dem Trend zur Wissenswirtschaft. Eine weitere Ursache hierfür ist der wachsende Bedarf an Humandienstleistungen. Seit geraumer Zeit findet im Land ein starker Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft statt. Die Industrie hat in Baden-Württemberg im Vergleich zu allen anderen Bundesländern aber noch eine herausragende Bedeutung, betrug doch der Industrialisierungsgrad an der Gesamtwirtschaft gut 39 %. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass gerade in Baden-Württemberg von der Industrie viele Dienstleistungen wie Forschung und Entwicklung selbst erbracht werden. Ausdruck des Erfolgs im Bereich Forschung und Entwicklung sind vor allem Patente. Im Jahr 2007 nahm Baden-Württemberg mit gut 13 600 Patentanmeldungen den Spitzenplatz unter allen Bundesländern ein.

Die von den Menschen in Baden-Württemberg erbrachten wirtschaftlichen Leistungen lassen sich am treffendsten durch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) messen. Das betrug im Jahr 2007 rund 353 Mrd. Euro. Baden-Württemberg war so gesehen damit das drittstärkste Bundesland. Auch das Wirtschaftswachstum des Landes im Jahres 2007 war beachtlich, stieg doch das BIP gegenüber dem Vorjahr um preisbereinigte 2,8 % und erreichte damit wieder eine der höchsten Wachstumsraten unter den Bundesländern. Allerdings signalisieren die bislang für 2008 vorliegenden Informationen – wie auch bundesweit – eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums im Lande.

Auch im Bereich der exportierten Waren erreichte das Land 2007 einen neuen Rekordwert, wurden doch für über 150 Mrd. Euro Güter ausgeführt. Die Exportschlager der Wirtschaft Baden-Württembergs waren vor allem Kraftwagen und Maschinen. Diese beiden Warengruppen zusammen machten mit einem Ausfuhrwert von über 70 Mrd. Euro fast die Hälfte der Gesamtexporte aus.

Auch der Tourismus in Baden-Württemberg – eine Stärke des Landes – beeindruckte im Jahr 2007 mit imposanten Zahlen. Die über 35 Mill. Übernachtungen in diesem Zeitraum waren ein Indiz für die Bedeutung dieses Wirtschaftssektors, von dem auch der Einzelhandel, die regionale Gastronomie sowie die ortsansässig tätigen Verkehrsbetriebe profitieren. In Baden-Württemberg spielen die inländischen Touristen nach wie vor die wichtigste Rolle2.

Alle hier aufgeführten Fakten zeugen von der wirtschaftlichen Kraft des Landes und seiner Bewohner, trotzdem bleibt auch ein derartig robustes Bundesland von schwierigen Situationen wie aktuell der globalen Finanzkrise nicht unberührt.

… und einige ihrer Lebensumstände

Das Gesundheitswesen geriet in den letzten Jahren durch ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein breiter Bevölkerungsschichten und durch Fragen zur Finanzierbarkeit von Gesundheitsleistungen verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit. Für die Behandlung von Kranken in einer immer älter werdenden Gesellschaft ist eine hochwertige ärztliche Versorgung von immenser Bedeutung. Im Land waren 2007 rund 41 000 Ärzte und 8 000 Zahnärzte berufstätig, um die Bevölkerung medizinisch zu versorgen. Rechnerisch kamen 2007 auf jeden berufstätigen Mediziner 264 Einwohner.

Tabakkonsum birgt erhebliche Gesundheitsrisiken. So leiden Raucher im Durchschnitt weit häufiger an den Folgen von Krebs-, Herz- und Gefäßerkrankungen. Nahezu jeder 4. Baden-Württemberger zählte im Jahr 2005 zur Kategorie der Raucher. Im Vergleich mit dem Bundesdurchschnitt von 27,2 % ist die Raucherquote in Baden-Württemberg nennenswert niedriger.

Die Lebenssituation der Menschen im Lande wird maßgeblich auch durch die Einkommenslage beeinflusst. In Baden-Württemberg betrug das verfügbare Einkommen aller privaten Haushalte 2006 über 213 Mrd. Euro. Damit haben die Einkommen der Baden-Württemberger einen historischen Höchststand erreicht. Auf jeden Einwohner des Landes umgerechnet belief sich das verfügbare Einkommen pro Kopf auf durchschnittlich knapp 20 000 Euro. Das Südwestland lag damit im Bundesländervergleich auf einem beachtlichen 3. Rang. Der Anteil der Ersparnis am verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte, die sogenannte Sparquote, betrug 11,8 %. Damit belief sich der Gesamtbetrag der Ersparnis der baden-württembergischen Bevölkerung im Jahr 2006 auf fast 26 Mrd. Euro. Zur Ersparnis werden neben dem Geld, das auf die »hohe Kante« gelegt wird, auch die betrieblichen Versorgungsansprüche gerechnet. Die Baden-Württemberger sparten damit so viel wie nie zuvor und wurden ihrem Ruf als sparsame Menschen deutlich gerecht.

Das Internet – als moderne Kommunikationsplattform – wurde im Jahr 2008 von 7,5 Mill. Baden-Württembergern genutzt. Rund eine Dreiviertelmillion der baden-württembergischen Haushalte waren laut der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 mit einem Flachbildfernsehgerät ausgestatten. Aus der gleichen Erhebung geht hervor, dass 70 % der Privathaushalte mit einer Geschirrspülmaschine und zwei Drittel mit einer Mikrowelle ausgestattet sind. Moderne elektrische Geräte gehören damit in vielen Haushalten zur Grundausstattung und verschönern oder erleichtern das Leben der Menschen im Südwesten.

Ausblick

Aus heutiger Sicht könnte die Gesamteinwohnerzahl des Landes im kommenden Jahrzehnt allmählich abnehmen, wenn auf Dauer weniger Kinder geboren werden als Menschen sterben und dieser »Sterbefallüberschuss« nicht durch Wanderungsgewinne ausgeglichen wird.

Die aktuelle Finanzkrise ist auch an dem robusten und wirtschaftsstarken Bundesland Baden-Württemberg nicht spurlos vorübergegangen. So traf die globale Nachfrageschwäche die baden-württembergische Wirtschaft im letzten Quartal 2008 mit voller Wucht. Diese konjunkturelle Lage zeigte sich auch im 1. Quartal 2009. Es bleibt aber die Hoffnung, dass trotz dieser schwierigen Lage, Baden-Württemberg und seine Bevölkerung gestärkt aus dieser globalen Krise hervorgehen könnten, oder um es mit den Worten des amerikanischen Präsidenten auszudrücken »Yes we can«.

1 Vgl. Wehling, Hans-Georg: Baden-Württemberg: Zur Geschichte eines Landes, in: Baden-Württemberg Gesellschaft, Geschichte, Politik. Stuttgart 2006, S. 9.

2 Vgl. Hrsg: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Baden-Württemberg – ein Standort im Vergleich, Stuttgart 2008. Diese Publikation diente als Basis für viele Daten und Informationen in dem gesamten Beitrag.