:: 5/2009

Im Blickpunkt: Die Stadt Ravensburg

In der oberschwäbischen Stadt Ravensburg leben heute knapp 50 000 Menschen. Ravensburg ist – aus statistischer Sicht – durch ein hohes Bevölkerungs- und Beschäftigungswachstum sowie eine insgesamt zukunftsfähige Wirtschaftsstruktur, andererseits aber auch durch einen vergleichsweise hohen Schuldenstand gekennzeichnet.

Ein Blick zurück …

Ravensburg entstand zu Füßen einer 1088 erstmals erwähnten welfischen Herzogsburg, der heutigen Veitsburg. Hier gründeten die Welfen am Kreuzungspunkt wichtiger Handelswege einen Marktflecken, der schon im 12. Jahrhundert das Stadtrecht erhielt. Ravensburg erlangte 1276 den Rang einer Reichsstadt und verfügte somit über eigene Gerichtsbarkeit, Verwaltung, Münz-, Markt- und Zollrechte. In den folgenden 250 Jahren erlebte die Stadt eine herausragende Blüte ihrer geschichtlichen Entwicklung. Aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammen auch die meisten markanten Gebäude, die noch heute das Stadtbild von Ravensburg prägen.

Ravensburg war seit dem 14. Jahrhundert eine der führenden Fernhandelsstädte im Bodenseeraum. Europaweite Bedeutung erlangte zwischen 1380 und 1530 die von der Kaufmannsfamilie Humpis geführte Große Ravensburger Handelsgesellschaft. Zur Zeit der Reformation entschied sich die Stadt für konfessionelle Parität und gehörte damit zu den vier Städten im Reich, in denen Katholiken und Protestanten gleichberechtigt waren. 1802 verlor Ravensburg seine reichsstädtische Selbstständigkeit und wurde bayerisch. 1810 kam es zum Königreich Württemberg und wurde Sitz eines Oberamtes1.

Etwa 1835 begann das Industriezeitalter mit den Schwerpunkten Textilherstellung und Maschinenbau. Der Bau der Eisenbahnlinie 1847 nach Friedrichshafen und wenig später nach Ulm brachte der Stadt einen neuen Aufschwung2. Zur Zeit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 lebten in Ravensburg gut 12 000 Menschen. Anschließend setzte ein kräftiges Bevölkerungswachstum ein, in dessen Folge sich die Bevölkerungszahl bis 1933 verdoppelte. Auch in den nachfolgenden Jahrzehnten nahm die Einwohnerzahl Ravensburgs deutlich zu.

… und in die Gegenwart

Heute leben in Ravensburg knapp 50 000 Personen auf einem Gebiet von 92 km2. Ravensburg ist seit 1. April 1956 Große Kreisstadt und bildet zusammen mit Friedrichshafen und Weingarten das Oberzentrum der Region Bodensee-Oberschwaben. Mit 536 Einwohnern je km2 liegt die Bevölkerungsdichte Ravensburgs deutlich über derjenigen von Gemeinden im Land mit ähnlicher Bevölkerungszahl (Gemeinden mit 20 000 bis unter 50 000 Einwohnern). Mit einem Anteil von rund 57 % an der Bodenfläche dominiert in Ravensburg die Landwirtschaftsfläche. Deren Anteil ist in der oberschwäbischen Stadt höher als in Gemeinden ähnlicher Größe und höher als im Landesdurchschnitt (jeweils 46 %).

Weitere Ergebnisse zur Struktur und Entwicklung Ravensburgs werden im Folgenden schlaglichtartig vorgestellt. Hierzu wurde überwiegend auf den umfangreichen Datenbestand des Landesinformationssystems Baden-Württemberg (LIS) zurückgegriffen:

  • Die Ravensburger Bevölkerung ist mit einem Durchschnittsalter von 42,3 Jahren etwas älter als im Landesdurchschnitt (42,0). Maßgeblich dafür ist der im Landesvergleich etwas überdurchschnittlich hohe Anteil an Personen im Alter von 65 und mehr Jahren und der leicht unterdurchschnittliche Anteil an Personen im Alter von unter 15 Jahren an der Gesamtbevölkerung.
  • Die Einwohnerzahl der Stadt Ravensburg erhöhte sich zwischen Mitte 1998 und Mitte 2008 um knapp 2 300 Personen. Die Zunahme lag mit 4,8 % deutlich über dem Landesdurchschnitt von 3,3 %. Auch die Gemeinden im Land mit ähnlicher Bevölkerungszahl entwickelten sich im Durchschnitt mit einem Bevölkerungsplus von 3,5 % ungünstiger als Ravensburg. Ausschlaggebend für die kräftige Bevölkerungszunahme in Ravensburg war der stark positive Wanderungssaldo, das heißt es sind mehr Personen nach Ravensburg gezogen als aus Ravensburg wegzogen. Demgegenüber war der Geburtensaldo in Ravensburg leicht negativ, das heißt es sind etwas mehr Personen gestorben als geboren wurden.
  • Noch stärker als die Bevölkerung nahm in Ravensburg in den letzten Jahren der Wohnungsbestand zu. Dieser erhöhte sich zwischen 1997 und 2007 um über 10 % und übertraf damit Gemeinden ähnlicher Größe und Baden-Württemberg insgesamt mit einem Plus von jeweils unter 9 %. Das vergleichsweise hohe Niveau der Baulandpreise trägt sicherlich mit dazu bei, dass der Anteil der Einfamilienhäuser in Ravensburg mit knapp 53 % eher klein ist. Der Quadratmeterpreis für baureifes Land lag in Ravensburg im Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2007 bei 243 Euro, in der entsprechenden Gemeindegrößenklasse bei durchschnittlich 171 Euro und im Landesmittel bei 182 Euro.
  • Außerordentlich günstig stellt sich in Ravensburg die Beschäftigungssituation dar. Im Jahr 2007 standen 1 000 Einwohnern rechnerisch knapp 640 Arbeitsplätze3 zur Verfügung. In den Gemeinden mit 20 000 bis unter 50 000 Einwohnern belief sich die entsprechende Kennziffer auf durchschnittlich 431, im Landesdurchschnitt auf 379. Das gute Arbeitsplatzangebot spiegelt sich auch in der Berufspendlerrelation wider: 2005 war die Zahl der Einpendler nach Ravensburg 3-mal so hoch wie jene der Auspendler in andere Gemeinden.
  • Die Beschäftigungssituation hat sich im 10-Jahres-Zeitraum von 1997 bis 2007 in Ravensburg sehr gut entwickelt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erhöhte sich in dieser Periode mit + 6,9 % deutlich stärker als im Land insgesamt (+ 3,9 %). In Gemeinden ähnlicher Größe war der Zuwachs mit + 5,2 % ebenfalls geringer.
  • Die Wirtschaftsstruktur der Großen Kreisstadt Ravensburg ist sehr stark vom Dienstleistungssektor geprägt, in dem 69 % aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt sind (Landesdurchschnitt: 59 %). In Ravensburg hat insbesondere der Dienstleistungsbereich »Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen« eine große Bedeutung. Demgegenüber spielt das Produzierende Gewerbe, also Bergbau, Verarbeitendes Gewerbe, Energie- und Wasserversorgung sowie Baugewerbe, eine vergleichsweise geringe Rolle. Dennoch erreicht Ravensburg vor allem durch die Produkte des Spiele- und Buchverlags Ravensburger AG weltweite Bekanntheit.
  • Im Hinblick auf ihr Innovationspotenzial ist die Wirtschaftsstruktur der Stadt Ravensburg als recht günstig zu bewerten. Hier waren 2007 über 57 % der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer in industriellen Hochtechnologiebranchen oder in wissensintensiven Dienstleistungsbranchen beschäftigt. Dabei handelt es sich um Wirtschaftszweige, denen im Allgemeinen eine hohe Innovationsfähigkeit und damit mittel- bis langfristig auch ein hohes Wachstumspotenzial bescheinigt wird. Landesweit belief sich deren Anteil auf gut 51 %. Der Schwerpunkt liegt in Ravensburg dabei auf den wissensintensiven Dienstleistungen, zu denen neben dem oben genannten Immobilien-, Leasing- und Unternehmensdienstleistungsbereich zum Beispiel auch die Wirtschaftszweige Nachrichtenübermittlung, Kredit- und Versicherungsgewerbe sowie Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen zählen.
  • Trotz ihrer historischen Altstadt mit ihren zahlreichen mittelalterlichen Türmen und Toren schneidet die Stadt Ravensburg bei der Tourismusintensität eher ungünstig ab. Mit gut 1 800 Gästeübernachtungen je 1 000 Einwohner verfehlte Ravensburg 2007 deutlich den Wert größenmäßig vergleichbarer Gemeinden (2 900) wie auch den Landesdurchschnitt (gut 3 900). Gründe dafür könnten die eher ungünstige Straßenverkehrsanbindung, vor allem aber die Nähe der Tourismushochburgen Allgäu und Bodensee sein, in denen die meisten Gäste der Region übernachten. Inwieweit die Stadt Ravensburg andererseits von der Nähe dieser Hauptreiseziele in Form von Tagestouristen profitiert, kann mit amtlichen Zahlen nicht überprüft werden, da dem Statistischen Landesamt dazu keine Daten vorliegen. Einer Studie zufolge ist der Tagestourismus in Ravensburg aber ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Demnach machen geschätzte 3,4 Mill. Tagesreisende rund 84 % der gesamten touristischen Umsätze in der Stadt aus4.
  • Die Steuerkraftmesszahl, die neben der Gewerbesteuer, den Grundsteuern A und B auch den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer umfasst, lag 2007 in Ravensburg mit 842 Euro je Einwohner sowohl über dem Durchschnitt vergleichbarer Gemeinden (723 Euro) als auch über dem Landesdurchschnitt (692 Euro). Trotzdem war der Schuldenstand (Kernhaushalt und Eigenbetriebe) in Ravensburg Ende 2007 mit knapp 1 500 Euro je Einwohner vergleichsweise hoch. In Gemeinden ähnlicher Bevölkerungszahl und im Landesdurchschnitt lag er mit 929 bzw. 897 Euro deutlich niedriger. Von den 78 größenmäßig vergleichbaren Gemeinden im Land hatten nur 7 eine höhere Pro-Kopf-Verschuldung als Ravensburg5.

1 »Oberamt« war die Bezeichnung einer württembergischen Verwaltungseinheit, die bis 1934 Bestand hatte. 1934 wurden die Oberämter in Kreise umbenannt.

2 Datenquellen: www.ravensburg.de/content/artikel_tourist/3287.htm und http://de.wikipedia.org/wiki/Ravensburg.

3 Gemessen anhand der Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort insgesamt sowie der Richter und Beamten am Dienstort bei Gemeinden, Kommunalen Zweckverbänden, beim Land, im mittelbaren Landesdienst, beim Bund (einschließlich Berufs- und Zeitsoldaten), im mittelbaren Bundesdienst und bei Postnachfolgeunternehmen. Nicht berücksichtigt sind somit Selbstständige, mithelfende Familienangehörige und Minijobber.

4 dwif-Consulting GmbH, Tourismus als Wirtschaftsfaktor in Ravensburg, München, 2008.

5 Bei der Betrachtung des Schuldenstands ist zu beachten, dass die Höhe der ausgewiesenen jeweiligen kommunalen Verschuldung – absolut als auch in Bezug zur Einwohnerzahl – zunächst lediglich einen Faktor zur Beurteilung der wirtschaftlichen Situation einer Gemeinde darstellt. Er ist nicht alleiniger Maßstab, der geeignet ist, die Wirtschaftlichkeit kommunalen Handelns zu beurteilen. Hierzu bedarf es in der Regel einer differenzierteren Betrachtung »vor Ort«, insbesondere in welchem Zusammenhang die Verschuldung entstanden ist und welche Vermögenswerte bzw. (künftigen) Erlöse diesen gegenüberstehen. Letzteres ist im Rahmen der amtlichen Statistik allerdings noch nicht möglich.