:: 4/2010

»Manche pendeln weit« – Berufspendler im Bundesländervergleich

Berufspendler in Baden-Württemberg haben häufiger als in anderen Flächenländern Deutschlands relativ kurze Arbeitswege und kommen dabei offenbar auch schnell voran. Das Land weist den höchsten Anteil von Pendlern auf, die ihren Arbeitsplatz in weniger als 10 Minuten erreichen. Im Ost-West-Vergleich der Flächenländer zeigt sich, dass der Anteil der Pendler mit langen bzw. lange dauernden Arbeitswegen im Osten höher ist als im Westen.

Zwar steigt die Bereitschaft der Erwerbstätigen zu längeren Pendeldistanzen mit zunehmendem Einkommen. In der Pendlerstruktur der Bundesländer kommt jedoch ein anderer Zusammenhang zum Ausdruck. Die Anteile der Fernpendler und der Pendler mit Arbeitswegen von einer Stunde und mehr sind umso höher, je schlechter die Arbeitsmarktlage ist.

Kurze Arbeitswege in Baden-Württemberg

Der tägliche Weg zur Arbeit soll im Idealfall schnell, günstig und umweltfreundlich zurückgelegt werden. Für die meisten Berufspendler in Deutschland (vgl. i-Punkt) ist zumindest eine Voraussetzung dafür erfüllt. Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz ist nicht allzu groß, denn gut die Hälfte der Berufspendler in Deutschland legt auf dem Weg zur Arbeit weniger als 10 km zurück. Für rund 31 % der Pendler ist der Arbeitsweg zwischen 10 und 25 km lang, 13 % überwinden eine Entfernung von 25 bis unter 50 km. Knapp 5 % sind Fernpendler mit Arbeitswegen von 50 km. Die Entfernungsklassen sind in allen Bundesländern in dieser Reihenfolge besetzt, das heißt am häufigsten ist der Arbeitsweg kürzer als 10 km und am seltensten 50 km und länger. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern beim Anteil der Berufspendler in den Entfernungsklassen sind umso größer, je weiter die Arbeitswege sind.

In den östlichen Flächenländern haben Pendler im Durchschnitt häufiger lange Arbeitswege als in den westlichen Flächenländern. Zwar liegt der Anteil der Pendler mit Arbeitswegen unter 10 km im Osten etwas höher als im Westen, der Anteil der Pendler über 10 bis 25 km ist dort im Durchschnitt jedoch niedriger, der Anteil der Pendler über 25 km und mehr höher als in den westlichen Flächenländern. In Baden-Württemberg haben überdurchschnittlich viele Berufstätige kurze bis mittlere Arbeitswege. Für nahezu 86 % der Pendler liegt der Arbeitsplatz weniger als 25 km von der Wohnung entfernt. In Sachsen liegt der Anteil knapp darunter. Höhere Anteile weisen mit 90 bis 91 % nur die Stadtstaaten auf.

Kurze Strecke, aber lange unterwegs?

Ob Berufspendler eine kurze Wegstrecke auch schnell zurücklegen können, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Welche Verkehrsmittel stehen zur Verfügung?
  • Wie ist Qualität der Verkehrsinfrastruktur bzw. wie leistungsfähig ist das Straßen- und Schienennetz?
  • Wie stark sind die Kapazitäten der Verkehrsinfrastruktur ausgelastet bzw. wie dicht ist der Verkehr?

Auch aus diesem Grund ist zusätzlich zum Merkmal »Entfernung für den Hinweg zur Arbeit« die Information zum »Zeitaufwand für den Hinweg zur Arbeit« interessant. So liegen in Hamburg beispielsweise die Anteile von Erwerbstätigen mit Wegen unter 10 km etwa im Bundesdurchschnitt, aber es sind deutlich unterdurchschnittliche Anteile von Erwerbstätigen mit Wegezeiten unter 10 Minuten zu beobachten. Berlin fällt durch sehr hohe Anteile von Pendlern mit Wegezeiten von 30 bis unter 60 Minuten sowie von 60 Minuten und mehr auf, obwohl der Anteil der Pendler über lange Distanzen dort sehr niedrig ist.

Arbeitsweg dauert meist weniger als 30 Minuten

In allen Bundesländern benötigen die meisten Berufspendler 10 bis unter 30 Minuten für den Hinweg zur Arbeit. Im Bundesdurchschnitt sind es knapp 49 %. Die zweitgrößte Gruppe wird in allen Bundesländern, mit Ausnahme von Brandenburg, von den Berufspendlern gebildet, die in weniger als 10 Minuten am Arbeitsplatz sind. Im Bundesdurchschnitt sind dies rund 27 %. Für weitere 20 % der Berufspendler dauert der Weg 30 bis unter 60 Minuten, für knapp 5 % sind es 60 Minuten und mehr.

Der Ost-West-Vergleich der Pendeldauer zeigt, dass Pendler in den östlichen Ländern für ihre Arbeitswege im Durchschnitt etwas länger brauchen als in den westlichen Flächenländern. Besonders hoch ist der Aufwand, zur Arbeit zu kommen, für Pendler in Brandenburg. Das Land weist den zweithöchsten Anteil von Fernpendlern über 50 und mehr km auf, gleichzeitig den dritthöchsten Anteil von Pendlern mit Wegezeiten von 30 bis unter 60 Minuten und den höchsten Anteil von Pendlern, die 60 Minuten und länger unterwegs sind. Letzterer liegt mit über 9 % weit über dem Bundesdurchschnitt von knapp 5 %.

Die Pendler in Baden-Württemberg haben im Durchschnitt nicht nur kurze Arbeitswege, sie kommen auf dem Weg zur Arbeit offenbar auch schnell voran: Rund 32 % der Pendler und damit mehr als in den anderen Bundesländern, erreichen ihren Arbeitsplatz in weniger als 10 Minuten. Auch der Anteil der Berufspendler, die für den Arbeitsweg 10 bis unter 30 Minuten aufwenden, ist in Baden-Württemberg überdurchschnittlich.

Situation auf dem Arbeitsmarkt beeinflusst Fernpendleranteil

Das Pendelverhalten und damit auch die zurückgelegte Pendelentfernung wird in erster Linie durch die persönliche Situation der Erwerbstätigen bestimmt. Je höher das Erwerbseinkommen desto weiter und länger wird im Durchschnitt gependelt und desto öfter wird als Hauptverkehrsmittel das eigene Auto gewählt. Teilzeitbeschäftigte sind seltener bereit, lange Arbeitswege auf sich zu nehmen. Frauen legen im Durchschnitt kürzere Arbeitswege zurück als Männer.1

In der hier beschriebenen Pendlerstruktur auf Ebene der Bundesländer werden diese persönlichen Bestimmungsfaktoren des Pendelverhaltens teilweise von anderen Einflüssen überlagert. Anderenfalls müssten, bei gleicher Struktur der Erwerbsformen in Ost und West und einem insgesamt niedrigeren Verdienstniveau in den neuen Ländern2, große Pendelentfernungen häufiger in den westlichen Ländern zu finden sein. Die Anteile der Fernpendler und vor allem der Pendler mit Arbeitswegen von 1 Stunde und mehr sind jedoch im Durchschnitt der östlichen Flächenländer größer als im Durchschnitt der westlichen Flächenländer.

Die folgende Aufzählung der Bundesländer mit überdurchschnittlichen Anteilen von Pendlern mit langen Arbeitswegen oder -zeiten legt die Vermutung nahe, dass diese Anteile dort besonders hoch sind, wo Erwerbsmöglichkeiten (im eigenen Land) nicht in ausreichendem Maße vorhanden bzw. schwer zu erreichen sind. Erster Indikator hierfür sind die Anteile der Berufspendler, die zur Arbeit aus dem jeweiligen Bundesland auspendeln:

Berlin5 %
Brandenburg23 %
Mecklenburg-Vorpommern7 %
Rheinland-Pfalz15 %
Sachsen-Anhalt10 %
Schleswig-Holstein17 %

Diese Anteile liegen, mit Ausnahme Berlins, über dem Bundesdurchschnitt von 6 %3. Im Falle von Brandenburg und Schleswig-Holstein spiegelt sich in diesen Werten auch die Stadt-Umland-Verflechtung zu Berlin und Hamburg wider.

Weitere Hinweise darauf, dass die Arbeitsmarktsituation den Fern- bzw. Langzeitpendleranteil in einem Bundesland beeinflusst, ergeben sich anhand der Indikatoren »Arbeitnehmereinkommen je Arbeitnehmer« und »Arbeitslosenquote«. Dabei zeigen sich über die Bundesländer hinweg gesehen folgende statistische Zusammenhänge: Je höher das Arbeitseinkommen 2008 ausfiel, desto niedriger lag der Anteil der Pendler über 50 und mehr km bzw. der Anteil der Pendler mit einem Zeitaufwand von 60 Minuten und mehr.4 Ebenso auf Ebene der Bundesländer wurde ein positiver statistischer Zusammenhang zwischen der Arbeitslosenquote und dem Anteil der Pendler mit einem Zeitaufwand von 60 Minuten und mehr für den Weg zur Arbeit sowie für die Flächenländer zwischen Arbeitslosenquote und Fernpendleranteil5 berechnet.

Der eigene Pkw – häufigstes Verkehrsmittel für den Weg zur Arbeit

Radfahrer und Fußgänger bilden zusammen die Gruppe der nicht motorisierten Berufspendler, die besonders umweltschonend und gesundheitsfördernd unterwegs sind. Ihr Anteil ist in den neuen Flächenländern mit 23 % deutlich höher als in den alten. Am niedrigsten ist er mit 18 % in den Stadtstaaten. Hier spielt offensichtlich auch das dichte Angebot öffentlicher Verkehrsmittel eine Rolle. In Baden-Württemberg liegt der Anteil der nicht motorisierten Pendler mit knapp 20 % etwas über dem Durchschnitt der alten Flächenländer. Wie viele Erwerbstätige den Weg zur Arbeit zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen, hängt unter anderem davon ab, wie groß die Entfernung zur Arbeit ist. Der Anteil der nicht motorisierten Pendler in den Bundesländern korreliert positiv mit dem Anteil der Wege unter 10 km. Gleichzeitig scheint er aber auch umso niedriger zu sein, je höher das Einkommensniveau ist.6

Am stärksten unterscheiden sich die Bundesländer darin, wie häufig öffentliche Verkehrsmittel (ÖV) für den Weg zur Arbeit genutzt werden. Der Anteil der Pendler, die mit Bus oder Bahn zur Arbeit fahren, schwankt zwischen 8 und 42 %. In den Stadtstaaten mit ihren stark ausgebauten Bus-, Stadt- und Straßenbahnangeboten ist der Anteil der ÖV-Nutzer unter den Berufspendlern mit fast 40 % wesentlich höher als in den Flächenländern. In Berlin liegt der Anteil der Pendler, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen, mit fast 42 % sogar höher als der Anteil der Pendler, die mit dem Auto fahren. In allen übrigen Bundesländern ist der eigene Pkw das Verkehrsmittel Nummer eins für den Weg zur Arbeit.

Mit dem eigenen Pkw oder motorisierten Zweirad kommen in Deutschland knapp 62 % der Berufspendler zur Arbeit. Korrespondierend zum hohen Anteil öffentlicher Verkehrsmittel am Berufsverkehr ist der Anteil der Pendler, die im eigenen Auto zur Arbeit fahren, in den Stadtstaaten am niedrigsten. Den mit Abstand höchsten Anteil der Pkw-Nutzer weisen das Saarland mit 74 % und Rheinland-Pfalz mit 70 % der pendelnden Erwerbstätigen auf. In Baden-Württemberg fuhren 2008 rund 63 % der Berufspendler mit dem eigenen Fahrzeug zur Arbeit.