:: 8/2010

Der Aufschwung setzt sich fort

Baden-Württembergs Wirtschaft dürfte 2010 um 2 % gegenüber dem Vorjahr wachsen

Die Aufschwungphase, die gesamtwirtschaftlich mit dem 4. Quartal 2009 begonnen hat, setzt sich weiter fort und wird voraussichtlich über das gesamte Jahr 2010 tragen. Im Jahresdurchschnitt 2010 dürfte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Baden-Württemberg 2 % über dem Vorjahreswert liegen. Die Südwestwirtschaft befindet sich damit nach der schweren Rezession des vergangenen Jahres, als das reale BIP um 7,4 % zurückging, wieder auf Expansionskurs.

Die konjunkturelle Lage der baden-württembergischen Wirtschaft ist aktuell durch folgende Gegebenheiten gekennzeichnet:

  • Der Aufschwung wird in erster Linie vom Auslandsgeschäft getragen. Auch stark von der vergangenen ausländischen Nachfrageschwäche betroffene Branchen wie Fahrzeug- und Maschinenbau spüren die Belebung. Die ausländischen Auftragseingänge des Verarbeitenden Gewerbes signalisierten bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres eine konjunkturelle Wende. Seitdem füllen die Auslandsbestellungen die Auftragsbücher der Südwestindustrie weiter.
  • Die Binnennachfrage bleibt in ihrer Dynamik noch deutlich dahinter zurück. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die anziehende Weltkonjunktur mit einer gewissen Zeitverzögerung auf das Inlandsgeschäft des Verarbeitenden Gewerbes wirkt. Mittlerweile ziehen auch die inländischen Investitionsgüterbestellungen wieder an.
  • Die Lage bei der Preisentwicklung kann insgesamt nach wie vor als entspannt bezeichnet werden. Zwar sind die Importpreise im Vorjahresvergleich deutlich gestiegen, auf den Verbraucherpreisindex schlug dies jedoch kaum durch. Im 2. Quartal 2010 lag dieser um 1,2 % über dem Vorjahresstand.
  • Der wirtschaftliche Einbruch des Jahres 2009 hat bezüglich Beschäftigung und Arbeitsmarkt weniger tiefe Spuren hinterlassen als befürchtet. Stabilisierend dürften hier zunächst die flexiblen Arbeitszeitmodelle auf betrieblicher Ebene ebenso gewirkt haben wie die (ausgeweiteten) Regelungen zur Kurzarbeit.

Aufschwung in den USA – aber Unsicherheiten bleiben

Hat es Amerika besser als unser Kontinent? Ein flüchtiger Vergleich der BIP-Entwicklung in den USA und in Europa legt dies nahe. Möglicherweise wird die Wirtschaftsleistung der USA bereits bis Ende des Jahres wieder das Niveau der Vorkrisenzeit übertreffen (Schaubild 3). Andere Indikatoren nähren dagegen eher die Unsicherheit über die Nachhaltigkeit der Erholung. So lag der Grad der Kapazitätsauslastung in der US-Industrie im Juni nach jetzigem Kenntnisstand bei 74,1 %, was gegenüber dem Januarwert einen Anstieg von gerade 1,8 Prozentpunkten bedeutet. Zum Vergleich: Der Durchschnitt der Jahre 1972 bis 2009 liegt bei 80,6 %. Des Weiteren ist die Arbeitsmarktsituation zu nennen. Nach einer jahresdurchschnittlichen Arbeitslosenquote von 9,3 % im Jahr 2009 (der höchste Wert seit 1983) lag sie im Juni 2010 immer noch bei 9,5 %. Hinzu kommt das in Europa bekannte, für die USA in diesem Ausmaß aber neue Problem der Langzeitarbeitslosigkeit. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen lag zuletzt bei 40 %, was den höchsten Wert seit Beginn der Statistik im Jahr 1948 darstellt. Vor diesem Hintergrund sind die Differenzen zwischen den USA und Europa über den Kurs der Fiskalpolitik zu sehen. Während jenseits des Atlantiks eher die Gefahr eines »double dip« – also eines nochmaligen Einbruchs – gesehen wird, steht diesseits die Sorge um die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte stärker im Vordergrund.

Eurokrise – Bewältigung oder Verschärfung durch Haushaltskonsolidierung?

Die Herausforderungen, denen sich die Europäische Währungsunion gegenübersieht, sind anders geartet, aber nicht minder ernst. Immerhin geht es um die Funktionsfähigkeit und den Zusammenhalt des Euroraums, wofür im Mai ein Euro-Rettungsschirm auf den Weg gebracht wurde, der Kreditgarantien bis 750 Mrd. Euro umfasst. Mit diesen und anderen Mitteln soll das Vertrauen der Märkte in die Zahlungsfähigkeit einiger Euro-Peripherieländer wiederhergestellt werden, das durch das Ausmaß der Staatsverschuldung gelitten hat. Als weitere Maßnahme und unter dem Schutz dieses Schirms wird angestrebt, die öffentlichen Haushalte wieder »stabilitätskonform« zu gestalten. Ein dazu notwendiger fiskalpolitischer Kurswechsel bedeutet zunächst einen Nachfragerückgang, der für sich genommen der wirtschaftlichen Erholung entgegenwirkt. Dieser Nachfragerückgang müsste dann durch gegenläufige Impulse kompensiert werden, um einen Rückfall in die Rezession zu vermeiden. Hier hilft zum einen der von der weltwirtschaftlichen Erholung ausgehende konjunkturelle Rückenwind. Ein sekundärer, aber denkbarer expansiver Effekt der Haushaltskonsolidierung könnte für die Peripherieländer in einer Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit bestehen – eine Strategie, die einen langen Atem erfordert und nur dann aufgeht, wenn andere Länder nicht den gleichen Weg verfolgen.