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Drei UNESCO-Welterbestätten in Baden-Württemberg

Was haben der Kölner Dom, die Pyramiden Ägyptens und der Grand Canyon in den USA gemeinsam? Es sind künstlerische Meisterwerke, Zeugnisse vergangener Kulturen und einmalige Naturphänomene, die mit dem Gütesiegel Welterbe von der UNESCO ausgezeichnet wurden. Von den zahlreichen Kulturdenkmälern Baden-Württembergs sind bis heute drei in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen worden: Das Kloster Maulbronn, die Insel Reichenau im Bodensee und der Limes.

Die UNESCO ist die Organisation der Vereinten Nationen (UNO) für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation. Sie war es, die 1960 die oberägyptischen Tempel von Abu Simbel beim Bau des Assuan-Staudamms vor den Fluten des Nils rettete. Diese Aktion war die Geburtsstunde der UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt. Im Zentrum steht die Idee, dass außerordentliche Kulturleistungen und einzigartige Naturphänomene der gesamten Menschheit gehören und ihr Schutz nicht allein in der Verantwortung eines einzelnen Staates liegt, sondern Aufgabe der Völkergemeinschaft ist. Dieser Gedanke eines universellen Erbes, das es für kommende Generationen zu erhalten gilt, ist in der Welterbekonvention verankert. 1972 wurde diese verabschiedet und bis heute von 187 Staaten unterzeichnet. Es ist das international bedeutendste Instrument, das jemals von der Völkergemeinschaft zum Schutz ihres kulturellen und natürlichen Erbes beschlossen wurde (Übersicht).

911 Natur- und Kulturdenkmale weltweit

Die Liste der UNESCO-Kultur- und Naturdenkmale umfasst momentan 911 Stätten in 151 Staaten, davon 33 in Deutschland, von denen drei in Baden-Württemberg liegen. Zu den 704 Kulturstätten gehören Baudenkmäler, Städteensembles und Industriedenkmäler. Die 180 Naturerbestätten umfassen bedeutende Ökosysteme, Zeugnisse der Evolutionsgeschichte und Schutzreservate. Weitere 27 Stätten zählen zu beiden Kategorien. Im Jahr 2010 hat die UNESCO 21 Stätten neu in die Welterbeliste aufgenommen und sieben schon anerkannte Stätten erweitert. Die Liste der neuen oder erweiterten Welterbestätten reicht von einem ehemaligen Strafgefangenenlager in Australien über ein Atombombentestgebiet auf dem Bikini-Atoll bis zum zentralen Hochland von Sri Lanka mit seinen berühmten Teeanbaugebieten. Neu dazu kamen der Amsterdamer Grachtengürtel und in Frankreich wurde die Bischofsstadt Albi der Welterbestatus zuerkannt.

Das Komitee erklärte auch die Harzer Wasserwirtschaft (»Oberharzer Wasserregal«) als Erweiterung der Welterbestätte »Bergwerk Rammelsberg und Altstadt von Goslar« in Niedersachsen zum Kulturerbe. Das ausgeklügelte System kleiner Stauseen, Gräben, Stollen und Wasserläufe diente den Bergleuten seit dem Mittelalter zur Energieerzeugung. Das bis zu 800 Jahre alte »Kraftwerk« ist in Teilen bis heute erhalten und in Betrieb und steht seit Jahrzehnten unter Denkmalschutz.

Italien besitzt die meisten Welterbestätten

Italien nimmt mit 45 Nennungen auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes die Spitzenposition ein (Schaubild 1). Zu diesen Denkmälern gehören beispielsweise die historischen Zentren von Rom, Florenz, Neapel und Siena, aber auch ganze Landschaften wie die Amalfiküste, die Cinque Terre und die Äolischen Inseln. Nach Italien ist Spanien das Land mit den meisten Welterbestätten. Insgesamt 42 sind es mittlerweile, darunter auch die weltbekannte Alhambra in Granada, die Altstadt von Toledo und der Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Hinter China mit 40 und Frankreich mit 35 Eintragungen folgt Deutschland mit 33 Welterbestätten auf Platz fünf. Den Anfang machte dabei der Aachener Dom. Er wurde 1978 als erstes deutsches Kulturdenkmal in die Welterbeliste der UNESCO eingetragen. Die erste Auszeichnung als Weltkulturerbe in Baden-Württemberg erhielt 1993 das Zisterzienserkloster in Maulbronn. Im Jahr 2000 folgten die Klosterinsel Reichenau und 2005 der Obergermanisch-Raetische Limes als Weltkulturerbestätten.

Kloster Maulbronn: Vollständigste Klosteranlage nördlich der Alpen

Die über 850 Jahre alte ehemalige Zisterzienser-Abtei ist die am vollständigsten erhaltene Klosteranlage des Mittelalters nördlich der Alpen und ein repräsentatives Werk mittelalterlicher Baukunst. Durch die Geschlossenheit und Vollständigkeit der Gesamtanlage ist Maulbronn zum Inbegriff des mittelalterlichen Klosters geworden und vermittelt ein nahezu unverfälschtes Bild klösterlichen Lebens. In rund 400 Jahren haben hier Mönche ab Mitte des 12. Jahrhunderts aus Maulbronner Sandstein eine einmalige Klosteranlage geschaffen und die umliegende Kulturlandschaft geprägt. Die Anlage ist seit Dezember 1993 Weltkulturdenkmal der UNESCO.

Insel Reichenau im Bodensee: Religiöses und kulturelles Zentrum im Mittelalter

Die Insel Reichenau wurde im Dezember 2000 von der UNESCO in die Welterbeliste aufgenommen. Als eine der bedeutendsten Kulturlandschaften Deutschlands zeugt sie von der herausragenden Rolle eines großen Klosters im Mittelalter. Im Jahr 724 gründete der Wanderbischof Pirmin auf der unbewohnten Insel ein Benediktinerkloster. Unter den Mönchen waren Wissenschaftler und andere Gelehrte sowie Meister der Malerei, der Dicht- und Schmiedekunst. Hier entstand zum Beispiel der St. Galler Klosterplan, eines der wichtigsten Dokumente des europäischen Mönchtums. Vom früheren Glanz der Insel, auf der einst 20 Kirchen und Kapellen standen, zeugen gegenwärtig vor allem drei romanische Gotteshäuser aus dem 9. bis 11. Jahrhundert. Heute leben die rund 3 500 Inselbewohner vorwiegend vom Tourismus und Gemüseanbau. Auch dafür legten die Mönche die Grundlage. Im 9. Jahrhundert schrieb der Abt Walahfried Strabo »De cultura hortorum«, eine Abhandlung über den Gemüsebau.

Der Limes: Europas größtes archäologisches Denkmal

Das UNESCO-Welterbe-Komitee hat im Juli 2005 beschlossen, den Obergermanisch-Raetischen Limes in die Liste des Weltkulturerbes aufzunehmen. Der 550 Kilometer lange Limes gilt als Europas größtes archäologisches Denkmal. In Deutschland läuft er durch die vier Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. In Baden-Württemberg liegt mit rund 200 Kilometern der längste Teil des Bodendenkmals Limes, das in den Jahren 160 bis 165 n. Chr. entstanden ist. Als künstlich über Land gezogene Grenzlinie, die häufig keinerlei Rücksicht auf das Gelände nahm, war der Limes auch eine technische Meisterleistung. Als überwachte Demarkationslinie zeigte er unübersehbar das Ende der durch Rom verwalteten Welt an. Zwischen Rhein und Donau taten damals rund 20 000 Soldaten Grenzdienst; eine ebenso große Anzahl von Zivilisten lebte in den Siedlungen rings um die Kastellplätze (Schaubild 2).

Der Welterbe-Status ist begehrt; ist er doch ein Garant für Prestige. Er erleichtert den Zugang zu Fördermitteln und gilt als Touristenmagnet. So hat beispielsweise der Klosterinsel Reichenau der Titel Weltkulturerbe reichen nationalen und internationalen Besuchersegen beschert. Die Zahl der Führungen hat sich in den letzten 10 Jahren verdreifacht.

Die Vergabe ist jedoch nicht für immer. Die UNESCO schaut genau hin, ob der außergewöhnliche universelle Wert der Stätten aufrechterhalten wird. Welterbestätten, die namentlich durch Verfall, bauliche Großprojekte oder Kriege bedroht sind, kommen auf die Liste der »Welterbe in Gefahr« oder werden ganz aus der Welterbeliste gestrichen. Letzteres betraf im Jahr 2009 die geschützte Landschaft des Elbtals in Dresden wegen des Baus der Waldschlösschenbrücke.

Stuttgarter Weißenhofsiedlung vorerst kein Welterbe

Der Sammelantrag, das Werk des französischen Architekten Le Corbusier (1887 bis 1965) als Welterbe der Menschheit anzuerkennen, wurde 2009 vom Welterbe-Komitee abgelehnt. Stuttgart hatte sich für die Weißenhofsiedlung stark gemacht. Zwei der dortigen Gebäude waren gemeinsam mit weiteren Bauwerken Le Corbusiers in Frankreich, Argentinien, Belgien, der Schweiz und Japan für das Weltkulturerbe nominiert worden. Der Antrag kann allerdings nachgebessert und innerhalb der nächsten 3 Jahre erneut eingebracht werden. Auch das Ziel Baden-Württembergs, die Altstadt und das Schloss Heidelberg bis zum Jahr 2010 als Weltkulturerbe erklären zu lassen, konnte bis heute nicht realisiert werden. Ein neuer Kandidat für die Aufnahme in die Weltkulturerbeliste aus Baden-Württemberg ist die kurfürstliche Sommerresidenz in Schwetzingen. Sie wird 2011, auf Vorschlag der Kultusministerkonferenz, von der Bundesrepublik Deutschland nominiert.

Essen, Tanzen und Singen als Welterbe

Dagegen haben nun die Französische Küche, der spanische Flamenco, Akupunktur und die Peking-Oper aus China den gleichen Status wie die Pyramiden in Gizeh, die Akropolis in Athen und der Kölner Dom – sie gelten als Weltkulturerbe. Die UNESCO hat seit 2006 eine Konvention, die auch den Schutz von »immateriellem Weltkulturerbe« zulässt. Dazu gehören Bräuche, Handwerkstechniken, Tänze und auch Speisen. 51 Traditionen und Handwerkstechniken aus 29 Ländern Europas, Asiens und Lateinamerikas wurden im November 2010 neu in die »Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes« aufgenommen, sodass die entsprechende Liste nun 213 solche immateriellen Kulturgüter enthält.

Lammkeule, Rotwein, eine delikate Käseauswahl: Diese Spezialitäten haben auch die UNESCO überzeugt. Sie haben die »Cuisine Française« als immaterielles Kulturgut anerkannt. Die »Cuisine Française« sei in Frankreich die gebräuchliche Art, die »wichtigsten Momente im Leben zu feiern«, begründete die Weltkulturorganisation ihre Entscheidung.

Neben den unbestrittenen positiven Auswirkungen der Liste gibt es allerdings auch negative Aspekte. Stätten, die nicht auf die Liste gelangen, erhalten weniger Aufmerksamkeit und finanzielle Ressourcen, womit ihr Erhalt erschwert bzw. ihr Verfall beschleunigt werden kann. Der Verlust der Nicht-UNESCO-Stätten kann also unter Umständen größer sein als der Gewinn der gelisteten Stätten, was das globale Erbe als Ganzes schädigen würde. Eine weitere negative Auswirkung der durch die Liste verursachten Popularität ist die Zerstörung der Kulturdenkmäler. Ein Faktor sind hierbei die wachsenden Besucherströme: Venedig mit rund 50 000 Besuchern pro Tag oder die Ruinenstadt der Inka – Machu Picchu – mit 400 000 Besuchern jährlich sind davon akut betroffen.