:: 2/2011

Umweltschutzinvestitionen im Produzierenden Gewerbe – Auswirkungen der neuen Wirtschaftszweigsystematik

Informationen über Umweltschutzausgaben werden in der amtlichen Statistik seit den 70er-Jahren erhoben und dargestellt. Ein wichtiges Element ist in diesem Zusammenhang die jährliche Erhebung der Investitionen für den Umweltschutz im Produzierenden Gewerbe, bei der Anlagen gegliedert nach verschiedenen Umweltschutzbereichen erfasst werden. Mit der Einführung der neuen NACE-Wirtschaftszweigsystematik, WZ 2008, hat sich die Abgrenzung des Produzierenden Gewerbes grundlegend verändert. Insbesondere wurde die Entsorgungswirtschaft als neuer Teilbereich hinzugefügt. Die erstmals zum Berichtjahr 2008 angewandte neue WZ 2008 hat somit erhebliche Auswirkungen auf die Ergebnisse dieser Statistik. Von den insgesamt im Produzierenden Gewerbe in Baden-Württemberg nach neuer Abgrenzung durchgeführten Umweltschutzinvestitionen in Höhe von knapp 750 Mill. Euro entfallen gut 300 Mill. Euro allein auf die zusätzlich einbezogenen Betriebe der Entsorgungswirtschaft im Land.

Informationen über Umweltschutzausgaben wichtiger Teil der Umweltberichterstattung

Gesamtwirtschaftliche Angaben über Umweltschutzausgaben sind auch international ein wichtiger Teil der Umweltberichterstattung. Höhe und Zusammensetzung der jährlichen Umweltschutzausgaben wurden bereits Mitte der 80er-Jahre als ein wichtiger Indikator zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen des Umweltschutzes dargestellt. Hauptbestandteile der Umweltschutzausgaben sind die Investitionen in Anlagen des Umweltschutzes sowie die laufenden Ausgaben für den Betrieb der Anlagen und für Leistungen Dritter, etwa durch Unternehmen der Entsorgungswirtschaft oder des Dienstleistungsbereiches.

Ein lückenloser Nachweis über den Gesamtbereich aller Investitionen und laufenden Ausgaben für den Umweltschutz ist zwar nicht realisierbar, über wesentliche Teilbereiche jedoch liegen Angaben aus verschiedenen amtlichen Statistiken vor. Doch auch diese unterliegen im Zeitablauf immer wieder methodischen Anpassungen, wodurch der zeitliche Vergleich der erfassten Angaben erschwert wird. Massive Auswirkungen auf die Darstellung der Umweltschutzausgaben hat aktuell die Einführung der neuen NACE Wirtschaftszweigsystematik, kurz WZ 2008, durch die insbesondere auch die Erhebung über die Umweltschutzinvestitionen im Produzierenden Gewerbe betroffen ist. Im folgenden Beitrag werden die wichtigsten Systematik bedingten Veränderungen und deren Auswirkungen auf die Vergleichbarkeit und Interpretation der erhobenen Angaben über Investitionen für den Umweltschutz dargestellt.

Anstieg der Umweltschutzinvestitionen im erweiterten Produzierenden Gewerbe auf fast 750 Mill. Euro

Die in Baden-Württemberg ansässigen Betriebe des Produzierenden Gewerbes, ohne Baugewerbe, nach neuer WZ 2008 haben im Jahr 2008 insgesamt 746 Mill. Euro in Anlagen für den Umweltschutz investiert (Schaubild 1). Das ist mehr als das Doppelte des nach alter WZ 2003 für das Jahr 2007 ermittelten Betrages (350 Mill. Euro). Dieser große Unterschied erklärt sich zum weitaus überwiegenden Teil durch die Systematik bedingte Erweiterung des Produzierenden Gewerbes um Unternehmen und Betriebe des Bereichs Abwasser- und Abfallentsorgung sowie der Beseitigung von Umweltverschmutzungen. Durch diese massive Erweiterung des Berichtskreises ist ein direkter Vergleich der Ergebnisse von 2007 und 2008 nicht mehr möglich.

Die neu dem Produzierenden Gewerbe zugerechneten Betriebe des Entsorgungsbereiches machen allein rund 304 Mill. Euro der gesamten Umweltschutzinvestitionen aus. Die verbleibenden 442 Mill. Euro verteilen sich auf die Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes einschließlich Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden – im Folgenden kurz Industrie – sowie auf die der Energie- und Wasserversorgung. Diese beiden zuletzt genannten Bereiche der Industrie und der Energie- und Wasserversorgung entsprechen zusammen in etwa der seitherigen Abgrenzung des Produzierenden Gewerbes nach alter WZ 2003. Wenngleich auch in diesen Teilsektoren durch die neue WZ-Systematik Veränderungen gegenüber der bisherigen Systematik festzustellen sind, so ist dennoch für diesen Teilbereich des Produzierenden Gewerbes ohne Entsorgungswirtschaft im Wesentlichen ein aussagefähiger Vergleich mit den Vorjahresergebnissen möglich. Danach haben die Umweltschutzinvestitionen im Jahr 2008 gegenüber 2007 um rund 90 Mill. Euro (+26 %) zugenommen.

Umweltschutzinvestitionen stärker angestiegen als die Gesamtinvestitionen

Ein wichtiger Indikator für die Bedeutung des Umweltschutzes einschließlich Klimaschutz und Energieeffizienz bei Investitionsentscheidungen ist der Anteil der Umweltschutzinvestitionen an den Gesamtinvestitionen. Er liefert auch Hinweise darauf, wie stark die verschiedenen Wirtschaftsbereiche durch Umweltschutzauflagen betroffen und damit letztlich gezwungen sind, in entsprechende Anlagen zu investieren.

Bezogen auf den Gesamtbereich des Produzierenden Gewerbes ohne Entsorgungswirtschaft haben sich die Umweltschutzinvestitionen gegenüber dem Vorjahr mit +26 % deutlich stärker erhöht als die Gesamtinvestitionen (+12 %). Dadurch stieg die Umweltschutzquote, das heißt der Anteil der Umweltschutzinvestitionen an den Gesamtinvestitionen, in diesem Bereich auf 3,5 % gegenüber 3 % im Jahr 2007. Sowohl bei Niveau als auch Entwicklung der Umweltschutzquote bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Wirtschaftszweigen. Im Bereich des Verarbeitenden Gewerbes einschließlich Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden haben die Umweltschutzinvestitionen 2008 zusammen betrachtet einen Anteil von 3,1 % der Gesamtinvestitionen erreicht. Im Jahr 2007 waren es 2,8 %. Damit hat die Umweltschutzquote erstmals seit mehr als 15 Jahren wieder die Dreiprozentmarke überschritten. Im Sektor Energieversorgung stieg die Umweltschutzquote auf rund 7,8 % gegenüber 6,2 % im Jahr 2007. Dort sind die Umweltschutzinvestitionen sogar um 50 % angestiegen, mehr als doppelt so stark wie die Gesamtinvestitionen (+17,6 %).

Große Unterschiede zwischen den Branchen des Verarbeitenden Gewerbes

Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes ist die Rangfolge der Branchen bezogen auf deren Anteil an den gesamten Umweltschutzinvestitionen der Industrie einerseits und bezogen auf die Höhe der Umweltschutzquote sehr verschieden. Den mit Abstand höchsten Investitionsbetrag für Umweltschutzanlagen haben im Land wie schon in den Vorjahren die Betriebe der Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen aufgebracht. Mit fast 98 Mill. Euro lagen dort die Umweltschutzinvestitionen fast doppelt so hoch wie im Maschinenbau, auf den sich der zweithöchste Betrag im Land konzentriert. In beiden Wirtschaftszweigen, Herstellung von Kraftwagen und Maschinenbau, machen aber die Umweltschutzinvestitionen mit 2,6 bzw. 2 % einen vergleichsweise geringen Teil der jeweiligen Gesamtinvestitionen aus. Damit liegen die Umweltschutzquoten dieser Wirtschaftszweige auch deutlich unter dem Durchschnittswert der Industrie insgesamt (3,1 %).

Erheblich über dem Durchschnitt liegende Umweltschutzquoten weisen die Herstellung von Textilien, die von Papier und Pappe, sowie die Herstellung von chemischen sowie von pharmazeutischen Erzeugnissen auf. Sogar bei mehr als dem doppelten Wert der Industrie insgesamt liegt die Umweltschutzquote in der Metallerzeugung (7,4 %). Die mit Abstand höchsten Anteilswerte der Umweltschutzinvestitionen an den Gesamtinvestitionen berechnen sich für die Mineralölverarbeitung (35,2 %) sowie die Herstellung von Glas, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden, wo insbesondere die Zementwerke hohe Umweltschutzinvestitionen aufweisen. Auf letztgenannten Wirtschaftszweig konzentriert sich mit fast 40 Mill. Euro im Jahr 2008 auch der dritthöchste absolute Betrag an Umweltschutzinvestitionen innerhalb der Industrie.

Aussagen zur Entwicklung der Umweltschutzinvestitionen sowie der Umweltschutzquote in den einzelnen Wirtschaftszweigen sind nur eingeschränkt möglich, da es durch den Übergang auf die neue WZ 2008 auch deutliche Verschiebungen im Zuschnitt der einzelnen Wirtschaftszweige gegeben hat (Tabelle). Davon stark betroffen sind auch die beiden in Baden-Württemberg besonders gewichtigen Wirtschaftszweige des Maschinenbaus sowie der Herstellung von Kraftwagen, wo wesentliche Teile der Zulieferindustrie des Fahrzeugbaus zum Maschinenbau gewandert sind. Auch die Aufteilung der ehemals Chemischen Industrie in die zwei neuen Wirtschaftszweige der Herstellung chemischer Erzeugnisse sowie der Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen ist hierbei zu beachten.

Investitionen in Klimaschutz und Luftreinhaltung dominieren

Auch die Verteilung der Umweltschutzinvestitionen nach Umweltbereichen ist in den Wirtschaftsbereichen und Wirtschaftszweigen seit jeher stark unterschiedlich (Schaubild 2). Bezogen auf das Produzierende Gewerbe ohne Entsorgungswirtschaft insgesamt machen im Jahr 2008 Maßnahmen zum Klimaschutz mit rund 160 Mill. Euro (36 %) den mit Abstand höchsten Anteil der Umweltschutzinvestitionen aus. In der Entsorgungswirtschaft dominieren bei jeweils über 95 % der gesamten Umweltschutzinvestitionen entsprechend dem jeweiligen Tätigkeitsbereich erwartungsgemäß die Investitionen in die Abfallwirtschaft bzw. die in den Gewässerschutz. Auf die Sondersituation in der Entsorgungswirtschaft wird im weiteren Verlauf des Beitrags noch vertieft eingegangen. Die folgenden Angaben beziehen sich auf das Produzierende Gewerbe ohne Entsorgungswirtschaft.

Die Klimaschutzinvestitionen, die sich zusammensetzen aus Anlagen zur direkten Vermeidung von Emissionen sogenannter Kyoto-Gase (CO2, Methan, N2O und Fluorkohlenwasserstoffe), aus Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien sowie solchen zur Steigerung der Energieeffizienz, sind erst seit 2006 Bestandteil der Statistik über Umweltschutzinvestitionen. Sie haben sich in den zurückliegenden 2 Jahren nahezu verdoppelt. Dieser kräftige Anstieg resultiert vor allem aus Maßnahmen zur Effizienzsteigerung, auf die im Jahr 2008 mehr als 50 % aller Klimaschutzinvestitionen entfallen. Bei dieser Art von Investitionen stehen ökonomische und ökologische Interessen des Unternehmens stark im Einklang, zumal eine Energieeinsparung oder Effizienzsteigerung des Energieeinsatzes in der Regel auch eine Kostenminderung und damit einen wirtschaftlichen Anreiz darstellt. Investitionen in Anlagen, die der direkten Vermeidung von Treibhausgasemissionen dienen, machten 2008 einen Anteil von rund 22 % aller Klimaschutzinvestitionen aus. Und auf Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien entfielen 2008 insgesamt rund 25 % (Schaubild 3). Bei den Betrieben der Energieversorgung hatten diese Investitionen in die Nutzung erneuerbarer Energien mit mehr als 38 % einen überdurchschnittlichen Anteil. Anreize bietet hierbei insbesondere auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), welches Investitionen in Anlagen zur Energiegewinnung aus regenerativen Quellen (Wind, Wasser, Sonne, Biomasse, Erdwärme) auch für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes lukrativ macht. Ein Großteil solcher Investitionen in die Nutzung Erneuerbarer Energien erfolgt aber außerhalb des Erfassungsbereiches dieser Statistik.

Bei den klassischen, bereits seit Mitte der 70er-Jahre in die Statistik einbezogenen Umweltschutzbereichen überwiegen Anlagen zur Luftreinhaltung, die mit 148 Mill. Euro im Jahr 2008 nahezu den Betrag für den Klimaschutz erreichten. Hier haben größere Maßnahmen vor allem in der Energieerzeugung, im Fahrzeug- und Maschinenbau sowie in der Herstellung von Glas, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden zu einem deutlichen Anstieg im Jahr 2008 geführt (+60 %).

Umweltschutzinvestitionen in der Entsorgungswirtschaft

Die nach neuer WZ 2008 zusätzlich dem Produzierenden Gewerbe zugeordneten Bereiche der Abfall- und Abwasserentsorgung sowie der Beseitigung von Umweltverschmutzungen wurden erstmals zum Berichtsjahr 2008 in die Erhebung über Umweltschutzinvestitionen im Produzierenden Gewerbe einbezogen und nach übereinstimmender Methode befragt. Der ergänzte Berichtskreis umfasst im Bereich Abfallentsorgung alle Betriebe von Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 1 Mill. Euro und in der Abwasserentsorgung alle Einheiten mit einer Abwassermenge von mindestens 200 000 m3. Gemäß dieser Abgrenzung wurden 2008 insgesamt 500 Betriebe der Entsorgungswirtschaft in Baden-Württemberg befragt. Von diesen meldeten rund 80 % auch Investitionen und fast der gleiche Anteil (77 %) tätigte zugleich Umweltschutzinvestitionen. Diese Anteilswerte spiegeln wider, dass entsprechend den Tätigkeitsfeldern dieser Branchen in der Regel die Investitionen per Definition zugleich auch Umweltschutzinvestitionen darstellen. Dementsprechend liegt der Anteil der Umweltschutzinvestitionen in diesen beiden Bereichen bei über 95 %. Bei den übrigen, nicht dem Umweltschutz zuzurechnenden Investitionen handelt es sich um allgemeine, das heißt nicht dem Produktions-, sondern dem Verwaltungsbereich zuzuordnende Anlagegüter.

Nach Umweltschutzbereichen differenziert, dominieren definitionsbedingt die Anlagen des jeweiligen Tätigkeitsbereiches, das heißt der Abfallwirtschaft bzw. des Gewässerschutzes. Neben diesen Hauptumweltschutzbereichen sind in der Entsorgungswirtschaft auch Investitionen in den Klimaschutz durchgeführt worden. Dies weist auf die zunehmende Beachtung von Energie- und Klimaschutzaspekten in den Bereichen Abfall- und Abwasserentsorgung hin.

Ausblick

Eine systematische Darstellung der gesamten Umweltschutzausgaben des Produzierenden Gewerbes nach neuer WZ-Systematik sowie im Bereich der öffentlichen Hand unter Einbeziehung der Investitionen und der laufenden Ausgaben ist erst möglich, wenn auch die Ergebnisse der entsprechenden zentral vom Statistischen Bundesamt durchgeführten Erhebung über laufende Aufwendungen für den Umweltschutz nach neuer WZ 2008 vorliegen. Dabei ist dann insbesondere auch die veränderte Abgrenzung zwischen Produzierendem Gewerbe und öffentlicher Hand einschließlich öffentlicher Untenehmen auf der Grundlage der neu zugeschnittenen Berichtkreise zu überprüfen.