:: 5/2011

Weiterhin günstiges Konjunkturklima

Baden-Württembergs Wirtschaft dürfte im ersten Quartal um 5 ¼ % gegenüber dem Vorjahr gewachsen sein

Seit dem 30. März 2011 ist es amtlich: Das baden-württembergische Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs im vergangenen Jahr real um 5,5 % und damit stärker als prognostiziert. Gleichzeitig fiel der BIP-Rückgang des Jahres 2009 mit – 7,1 % nach neuen Berechnungen etwas milder aus als frühere Daten befürchten ließen. Wichtige Kennzahlen deuten in ihrer Gesamtschau darauf hin, dass der Scheitelpunkt des Booms zwar in Sicht sein dürfte, sich an dem freundlichen Konjunkturklima in der ersten Jahreshälfte 2011 voraussichtlich wenig ändern wird. So zeigt beispielsweise der Gesamtkonjunkturindikator des Statistischen Landesamtes an, dass das Leitmotiv des Konjunkturverlaufs 2011 wohl »Rückkehr zur Normalität« lauten wird. Im 1. Quartal dürfte das reale BIP um rund 5 ¼ % gegenüber dem Vorjahr zugelegt haben; für das 2. Quartal prognostizieren wir einen Anstieg von rund 3 ½ %. Die Hochkonjunktur hält, wenngleich sich eine leichte zyklische Abschwächung andeutet. Die wirtschaftliche Erholung im Südwesten gewinnt dabei an Breite, wie eine differenzierte Betrachtung von Binnen- und Auslandsnachfrage zeigt.

Die Phase der Hochkonjunktur, in der sich die baden-württembergische Wirtschaft momentan befindet, schlägt sich auch auf dem Arbeitsmarkt nieder. Die Zahl der Arbeitslosen lag mit knapp 253 000 Personen im 1. Quartal um fast 53 000 unter dem Vorjahreswert. Die Arbeitslosenquote lag im März nur noch bei 4,4 %. Die Zahl der ungeförderten offenen Stellen stieg im 1. Quartal gegenüber dem Vorjahr um knapp 26 000 auf durchschnittlich rund 65 000. Der Beschäftigungsaufbau setzte sich ebenfalls weiter fort: Im 4. Quartal 2010 lag die Zahl der Erwerbstätigen um knapp 66 000 über dem Stand des Vorjahreszeitraums.

Kehrseite der überaus erfreulichen konjunkturellen Lage ist der Anstieg der Verbraucherpreise, der sich im 1. Quartal auf 2,2 % belief. Das ist der höchste Wert seit dem 3. Quartal 2008. Großen Anteil an dieser Entwicklung hat der Preisauftrieb bei Rohstoffen, insbesondere bei Mineralölprodukten. Auch Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke haben sich mit + 3 % überdurchschnittlich verteuert.

EZB leitet Zinswende ein

Die Zahlen sind beeindruckend und übertrafen selbst die Erwartungen, die noch vor einem Jahr als optimistisch gegolten hätten: Das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland wuchs 2010 real um 3,6 %. Innerhalb Europas ist Deutschland damit unter den wachstumsstärksten Volkswirtschaften zu finden, was einmal mehr das oft bemühte Bild von der Konjunkturlokomotive nahelegt. Auch 2011 dürfte sich daran wenig ändern, geht doch die Bundesregierung von einem weiteren BIP-Wachstum von 2,6 % aus. Zum Vergleich: Nachdem in der Europäischen Union wie auch in der Eurozone 2010 Werte von 1,8 % realisiert wurden, erwartet Eurostat für das Jahr 2011 Wachstumsraten von 1,7 % bzw. 1,5 %.

Wenngleich die konjunkturelle Dynamik im Euroraum insgesamt (verglichen mit der deutschen) verhaltener ist, scheint die Europäische Zentralbank (EZB) sie für immerhin so solide zu halten, dass sie Anfang April die bereits erwartete Zinswende eingeleitet hat: Nachdem der Leitzins für fast 2 Jahre auf historisch niedrigem Niveau lag, wurde er nunmehr um 25 Basispunkte angehoben – weitere Schritte in diese Richtung sind nicht ausgeschlossen. Begründet wurde die Entscheidung mit dem jüngsten Anstieg der Verbraucherpreise in der Eurozone, der im März 2,7 % betrug und der geeignet sein könnte, eine Lohn-Preis-Spirale auszulösen. Als Begründung dafür, dass demgegenüber die konjunkturellen Risiken weniger schwer wiegen, wird die gute Weltkonjunktur wie auch das solide Vertrauen in die Binnennachfrage ausgemacht. Als Ursache für die jüngsten Inflationsraten werden die Preisentwicklungen bei Energie und Lebensmitteln genannt, die einerseits auf steigende Nachfrage in den Schwellenländern und auch auf die Erholung in Europa zurückzuführen sei, andererseits »nicht zuletzt auf politische Spannungen in Nordafrika und dem Nahen Osten«. Die EZB macht damit klar, dass sie bezüglich der Inflationsbekämpfung keine Abstriche macht (beispielsweise hinsichtlich einer »Kerninflationsrate« ohne Energie und Lebensmittel) und auch bereit ist, teils angebotsseitig bedingte Preissteigerungen nachfrageseitig zu bekämpfen (was die Konjunktur damit gewissermaßen einem doppelten Risiko aussetzt).

Inflationsbekämpfung hat also Vorrang. Offen bleibt die Frage, wie sich die Zinswende auf die Finanzierungsbedingungen nicht nur der Euro-Peripherieländer auswirkt. Zunächst könnte hieraus eine neue Belastung erwachsen, andererseits – und dies ist das EZB-Argument – könnte der Schritt der Fiskalpolitik helfen, indem die in den Marktzinsen eingepreisten Inflationserwartungen gedämpft werden. Im Übrigen wird seitens der EZB auf die Eigenverantwortung der Nationalstaaten für die Tragfä­higkeit ihrer Haushalte hingewiesen, die beispielsweise durch Konsolidierung und wirtschaftliche Strukturreformen positiv zu beeinflussen sei. Inwieweit die letztgenannten Maßnahmen ausreichend sind und die von der EZB genannten stabilisierenden Effekte der Leitzinserhöhung wirksam sind, bleibt abzuwarten.