:: 5/2011

Frauenkriminalität in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg wurden 2009 insgesamt 115 718 Personen gerichtlich verurteilt. Während die Gesamtzahl der Verurteilungen das zweite Mal infolge gesunken ist, hat die Zahl der weiblichen Verurteilten im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Mit 22 119 vor Gericht schuldig gesprochenen Frauen war 2009 jede fünfte verurteilte Person eine Frau. Die augenscheinlich zunehmende Kriminalität von Frauen richtet den Fokus auf die Besonderheiten und das Delinquenzverhalten von weiblichen Verurteilten. Am häufigsten mussten sich die weiblichen Angeklagten wegen Betrugs und Untreue vor Gericht verantworten (34 %). Während Frauen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, rangieren bei den männlichen Straftätern Schuldsprüche wegen Straßenverkehrsdelikten an erster Stelle.

Nur jede fünfte verurteilte Person war eine Frau

Im Jahr 2009 saßen 136 044 Personen in baden-württembergischen Gerichten auf der Anklagebank. Hierunter befanden sich 25 954 Frauen. Sowohl bei den angeklagten als auch bei den letztendlich gerichtlich verurteilten Personen lag der Frauenanteil bei knapp 20 %. Konkret waren von 115 718 Personen, die im Jahr 2009 schuldig gesprochen wurden, 93 599 männlich und 22 119 weiblich. Jede fünfte verurteilte Person war folglich eine Frau. Bezogen auf die weibliche strafmündige Bevölkerung in Baden-Württemberg insgesamt bedeutete dies, dass 0,5 % der Frauen im Alter ab 14 Jahren angeklagt und rechtskräftig verurteilt wurden. Bei der männlichen Bevölkerung war dieser Anteil mit 2,1 % wesentlich höher. Anders ausgedrückt kamen auf 100 000 Frauen im strafmündigen Alter 465 weibliche Verurteilte. Bei den Männern waren es 2 062 Verurteilte auf 100 000 strafmündigen Männern und damit mehr als viermal so viele.

2009 erstmalig mehr verurteilte Frauen und weniger verurteilte Männer

In vielen Bereichen wie beispielsweise Politik, Bildung und Erwerbstätigkeit sind Frauen seit Jahren auf dem Vormarsch. Nach den Daten der Strafverfolgungsstatistik scheint dies – jedoch im negativen Sinn – auch für die Kriminalität zuzutreffen. Im Jahr 2000 wurden 114 944 Angeklagte vor Gericht schuldig gesprochen. Hierunter befanden sich rund 19 500 Frauen und 95 400 Männer. Die Zahl der Verurteilungen nahm bei beiden Geschlechtern in den ersten 4 Jahren zunächst zu und erreichte im Jahr 2004 mit insgesamt 125 296 Schuldsprüchen (Frauen: 22 374, Männer: 102 922) ihren bisherigen Höchststand. Während die Zahl der verurteilten Männer zwischen 2004 und 2009 von 103 000 auf 93 600 weitgehend stetig sank, pendelte im gleichen Zeitraum die Verurteiltenzahl bei den Frauen um die 22 000-Marke. Im Jahr 2009 gingen Verurteilungen im Vergleich zum Vorjahr um 1,8 % zurück. Der Grund hierfür lag in der geringeren Zahl der verurteilten Männer. Schuldsprüche gegen Frauen stiegen dagegen an. Die Zahl der männlichen Verurteilten sank 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 2 685 Männer bzw. 2,8 %, wohingegen die weiblichen Verurteilten um 565 Frauen bzw. 2,6 % zunahmen.

Bei beiden Geschlechtern war die überwiegende Mehrheit der Beschuldigten zum Tatzeitpunkt mindestens 21 Jahre alt und im juristischen Sinne erwachsen. Bei den Frauen traf dies auf 18 828 Personen oder 85,1 % der Beschuldigten zu. Von den restlichen weiblichen Verurteilten waren 1 906 (8,6 %) zwischen 18 und 21 Jahre alt und gehörten somit zu den sogenannten Heranwachsenden. Die kleinste Gruppe mit 1 385 Verurteilten (6,3 %) bildeten die Jugendlichen im Alter von 14 bis unter 18 Jahren. Diese Altersstruktur lag in ähnlicher Form auch bei den männlichen Verurteilten vor (Erwachsene: 81 %, Heranwachsende: 11 %, Jugendliche: 8 %) und hat sich bei beiden Geschlechtern in den letzten 10 Jahren prozentual kaum verändert.

Verurteiltenhäufigkeit weiblicher Jugendlicher in den letzten 10 Jahren um fast ein Viertel gestiegen

Vor dem Hintergrund wachsender Jugendkriminalität stellt sich die Frage, wie sich bei den Frauen die Verurteiltenzahlen in den einzelnen Altersgruppen verändert haben. Hierüber gibt die Verurteiltenziffer Auskunft. Sie setzt als standardisierter Wert die Zahl der verurteilten Frauen ins Verhältnis zu 100 000 strafmündigen Einwohnerinnen des gleichen Alters.

Die höchste Verurteiltenziffer wiesen im gesamten Zeitraum von 2000 bis 2009 die 18- bis unter 21-jährigen Frauen auf. Nach einem Anstieg von rund 1 000 auf über 1 100 Verurteilungen pro 100 000 Heranwachsende im Jahr 2005 hat die Verurteiltenziffer 4 Jahre später mit 993 Verurteilungen pro 100 000 Heranwachsende wieder annähernd das Niveau der Jahrtausendwende erreicht. Bei der Gruppe der über 21-Jährigen war die Verurteiltenziffer im Jahr 2009 nur halb so hoch, das heißt auf 100 000 erwachsene Frauen kamen 435 Verurteilte. Bei ihnen war mit einem Plus von nur 31 Verurteilungen pro 100 000 gleichaltrige Frauen die Zunahme in den vergangenen 10 Jahren vergleichsweise gering (+ 7,7 %). Einen stärkeren Zuwachs gab es bei den 14- bis unter 18- Jährigen. Während im Jahr 2000 unter 100 000 weiblichen Jugendlichen 480 verurteilte Mädchen zu finden waren, lag ihre Zahl 2009 bei 590 und war damit um 23 % höher.

Die meisten Schuldsprüche gegen Frauen wegen Betrugs und Untreue

Mit 84 993 von insgesamt 115 718 Schuldsprüchen entfielen fast drei Viertel der Verurteilungen im Jahr 2009 auf die fünf Straftatengruppen Straßenverkehrsdelikte, Betrug und Untreue, Diebstahl, Drogen- und Gewaltdelikte. Bei den Frauen machten sie mit 17 928 von insgesamt 22 119 Verurteilungen sogar 81 % der Schuldsprüche aus. Allein wegen Betrugs und Untreue wurden 7 599 Frauen verurteilt. Mit 34 % war dieser Straftatbestand der häufigste Verurteilungsgrund bei den weiblichen Angeklagten. Die Zahl der Schuldsprüche wegen Diebstahls- und Straßenverkehrsdelikten lag jeweils unter 5 000 der beschuldigten Frauen. Damit rangierten Verurteilungen wegen Diebstahl mit 22 % an zweiter Stelle, dicht gefolgt von Schuldsprüchen wegen Straßenverkehrsdelikten mit 20 %. Weitere 733 Frauen wurden wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (3,3 %) und 445 Frauen wegen Gewaltstraftaten (2 %) gerichtlich belangt.

Bei den Männern verteilten sich 67 065 der insgesamt 93 599 Schuldsprüche und damit gut 70 % auf die genannten fünf Straftatengruppen. 23 340 Angeklagte wurden wegen Verstößen im Straßenverkehr verurteilt (25 %). Erst an zweiter und dritter Stelle folgten bei den Männern Verurteilungen wegen Betrugs und Untreue (18 947 Verurteilte bzw. 20 %) und wegen Diebstahls (13 115 Verurteilte bzw. 14 %). Der Anteil der Schuldsprüche wegen Drogen- und Gewaltdelikten war bei den verurteilten Männern mit 7,4 % und 5,1 % dagegen doppelt so hoch wie bei den Frauen.

Starker Anstieg der Schuldsprüche wegen Gewaltdelikten und wegen Betrugs und Untreue bei den Frauen in den letzten 10 Jahren

Die Zahl der verurteilten Frauen hat sich in den fünf Straftatengruppen bei den Frauen in den vergangenen 10 Jahren recht unterschiedlich entwickelt. Die Schuldsprüche wegen Diebstahls veränderten sich im genannten Zeitraum kaum und lagen 2009 um 10 % niedriger als im Jahr 2000. Ähnlich moderat war die Entwicklung bei Straßenverkehrsdelikten. Die Verurteilungen bei dieser Straftatengruppe nahmen seit 2004 kontinuierlich ab und lagen zuletzt 15 % unter dem Niveau von 2000.

Dagegen war bei den Schuldsprüchen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz in den vergangenen 10 Jahren ein leichter Zuwachs zu verzeichnen. Der bisherige Höchststand wurde 2008 erreicht, im Folgejahr sanken die Schuldsprüche wegen Drogendelikte jedoch wieder annähernd auf das Niveau von 2000. Einen starken Anstieg gab es dagegen bei den Verurteilungen wegen Gewaltdelikten und wegen Betrugs und Untreue. Seit 2000 stiegen Schuldsprüche gegen Frauen in den beiden Straftatengruppen an. Der Zuwachs bis 2009 betrug bei den Verurteilungen wegen Gewaltstraftaten 65 %, bei den Schuldsprüchen wegen Betrugs und Untreue sogar 87 %.

Frauen seltener zu Freiheitsstrafe verurteilt als Männer

2009 wurden von den 22 119 Frauen, die auf der Anklagebank saßen, 19 956 nach allgemeinem Strafrecht (90 %) und 2 163 nach Jugendstrafrecht (10 %) verurteilt. Bei den 93 599 beschuldigten Männern kam das allgemeine Strafrecht bei 86 % der Verurteilungen zum Einsatz, das Jugendstrafrecht bei 14 %. Die relativ seltene Anwendung des Jugendstrafrechts ist unter anderem dadurch bedingt, dass die weiblichen Verurteilten beim Begehen der Straftat tendenziell älter waren als ihre männliche Vergleichsgruppe.

Bei 18 007 der insgesamt 22 119 beschuldigten Frauen (81 %) wurde eine Geldstrafe verhängt. 2 103 oder rund 10 % erhielten eine Freiheits- bzw. Jugendstrafe, wobei diese in 83 % der Fälle zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zuchtmittel wie beispielsweise Verwarnungen oder Jugendarrest wurden bei 8,7 % und Erziehungsmaßregeln bei lediglich 0,3 % aller weiblichen Verurteilten verhängt. Damit weicht das Strafmaß bei Frauen deutlich von dem verurteilter Männer ab. Da Männer häufiger wegen schweren Straftaten wie Diebstahl oder Gewaltdelikten auf der Anklagebank saßen, wurden sie sogar in 18 % der Fälle zu einer Freiheits- bzw. Jugendstrafe verurteilt. 71 % der beschuldigten Männer und damit vergleichsweise wenige erhielten eine Geldstrafe. Mit 10,7 % und 0,3 % kamen Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln bei den männlichen Verurteilten ähnlich häufig zum Einsatz wie bei den weiblichen.

Nicht nur die Art des Strafmaßes, sondern auch die Länge der Haftstrafe unterschied sich zwischen den Geschlechtern. Von den Frauen, die zu einer Freiheits- bzw. Jugendstrafe verurteilt wurden, mussten 40 % der Beschuldigten bis zu einem halben Jahr und weitere 40 % bis zu 1 Jahr ins Gefängnis. Nur 20 % der straffällig gewordenen Frauen wurden zu 1 bis maximal 5 Jahren Haft verurteilt. Dagegen erhielten von den Männern, die zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurden, 31 % eine Freiheitsstrafe bis zu einem halben Jahr und 41 % bis zu 1 Jahr. Weitere 27 % mussten 1 bis 5 Jahre hinter Gitter. Bei 228 von allen männlichen Verurteilten (1,3 %) lautete der Richterspruch sogar auf mehr als 5 Jahre Freiheitsentzug.

Ein Drittel der weiblichen Verurteilten waren bereits vorbestraft

Von den 22 119 Frauen, die nach Jugend- oder allgemeinem Strafrecht verurteilt wurden, waren 8 105 Personen bzw. 37 % bereits vorbestraft. Bei den Männern saß etwa die Hälfte der 93 599 Beschuldigten und damit ein deutlicher Anteil wiederholt auf der Anklagebank. Der Anteil der Vorbestraften war bei beiden Geschlechtern in den Altersgruppen der 18- bis unter 21-jährigen und der über 21-jährigen Verurteilten jeweils am höchsten. Konkret waren 54 % der heranwachsenden und 53 % der erwachsenen Männer Wiederholungstäter. Bei den Frauen lag dieser Anteil in beiden Altersgruppen bei jeweils 37 %. Nur bei den Verurteilten im Alter von 14 bis unter 18 Jahren kamen Vorstrafen sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern etwas seltener vor. Mit 422 von 1 385 Personen lag der Anteil der Vorbestraften bei den weiblichen Jugendlichen bei lediglich 30 %. Bei den männlichen Jugendlichen war dieser Anteil mit 42 % um 12 Prozentpunkte höher.