:: 11/2011

Vor der Volksabstimmung über das S 21-Kündigungsgesetz am 27. November 2011

Ergebnisse früherer Abstimmungen in Baden-Württemberg

Am 27. November 2011 findet in Baden-Württemberg die Volksabstimmung über die Gesetzesvorlage »Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 (S 21-Kündigungsgesetz)« statt. Erstmals in der Geschichte des Landes gibt es damit eine Volksabstimmung über eine Gesetzesvorlage der Landesregierung, die vom Landtag abgelehnt wurde. Die letzte Volksabstimmung im Land Baden-Württemberg datiert aus dem Jahr 1971 und liegt somit bereits 40 Jahre zurück. Damals waren die Bürgerinnen und Bürger des Landes aufgerufen, über die Auflösung des 5. Landtags von Baden-Württemberg abzustimmen. Seit 1950 fanden auf dem Gebiet des heutigen Landes Baden-Württemberg mehrere direktdemokratische Urnengänge statt, deren Hintergründe und Ergebnisse an dieser Stelle im Vorfeld der Volksabstimmung am 27. November dargestellt werden.

1950: Volksbefragung über die Neugliederung des Südwestraums

Auf dem Gebiet des heutigen Landes Baden-Wüttemberg wurden 1945 die Länder Württemberg-Baden mit der Hauptstadt Stuttgart, Württemberg-Hohenzollern (Hauptstadt Tübingen) und Baden (Hauptstadt Freiburg) gegründet. Vor dem Hintergrund von Überlegungen und Plänen zur Gründung eines vereinten Südweststaates fand am 24. September 1950 in diesen drei Ländern eine Volksbefragung über die Neugliederung dieser drei Länder statt.

Die Stimmberechtigten wurden gefragt:

  • 1. Wünschen Sie die Vereinigung der drei Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zum Südweststaat?
  • 2. Wünschen Sie die Wiederherstellung des alten Landes Baden und des alten Landes Württemberg einschließlich Hohenzollern? Die Abstimmenden konnten sich nur für eine Option entscheiden.

In dieser Volksbefragung sprachen sich in Württemberg-Baden (76,7 %) und Württemberg-Hohenzollern (92,5 %) jeweils überaus starke Mehrheiten für die Gründung eines Südweststaats aus. Im Land (Süd-)Baden hingegen votierte lediglich eine Minderheit der Abstimmenden (40,4 %) für eine Vereinigung der drei Länder. Hier entfiel mit 59,6 % die Mehrheit der gültigen Stimmen auf die Wiederherstellung des alten Landes Baden sowie des alten Landes Württemberg einschließlich Hohenzollern. Insgesamt stimmten im gesamten Abstimmungsraum allerdings über zwei Drittel der stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger (70,2 %) für die Gründung des neuen Südweststaats. Die Beteiligung an der Befragung lag bei 52,6 %, wobei die Mobilisierung in (Süd-)Baden (65,2 %) deutlich über dem Durchschnitt lag. Da die Volksbefragung vom 24. September 1950 nur informatorischen Charakter hatte, ergaben sich aus ihr noch keine unmittelbaren Konsequenzen. Sie sollte eine Vereinbarung über die Neugliederung der drei Länder lediglich vorbereiten.

1951: Volksabstimmung über die Neugliederung des Südwestdeutschen Raumes

Trotz des klaren Votums bei der Volksbefragung von 1950 konnten sich die Regierungen der drei Südweststaaten nicht über eine Neuordnung des Südwestraums verständigen. Im Mai 1951 hat der Deutsche Bundestag daraufhin ein Gesetz verabschiedet, in dem in diesen Ländern eine Volksabstimmung darüber angeordnet wurde, ob die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern in einem Bundesland (Südweststaat) vereinigt oder ob die alten Länder Baden und Württemberg (einschließlich Hohenzollern) wiederhergestellt werden sollten.

Bei der darauf folgenden Volksabstimmung über die Neugliederung des Südwestdeutschen Raumes am 9. Dezember 1951 war das Votum für das neue Bundesland sowohl in Württemberg-Hohenzollern (91,4 % der gültigen Stimmen) als auch in Württemberg-Baden (77,2 %) deutlich. Die Zustimmung in den beiden Landesbezirken Württemberg-Badens wich mit 93,5 % im Landesbezirk Württemberg und 57,1 % im Landesbezirk Baden (Nordbaden) allerdings erheblich voneinander ab. In (Süd-)Baden sprach sich erneut lediglich eine Minderheit der Abstimmenden (37,8 %) für den Südweststaat aus. Eine Mehrheit von 62,2 % stimmte für die Wiederherstellung des alten Landes Baden. Bezogen auf das gesamte Abstimmungsgebiet fiel jedoch die Zustimmung für das heutige Land Baden-Württemberg mit 69,7 % deutlich aus. Wie bereits zur Volksbefragung 1950 lag die Abstimmungsbeteiligung in (Süd-)Baden mit 70,5 % klar über der in Württemberg-Baden (56,8 %) und Württemberg-Hohenzollern (52,2 %). Am 25. April 1952 entstand dann durch Zusammenschluss der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern das neue Land Baden-Württemberg.

1956 und 1970: Volksbegehren und Volksentscheid in Baden

Auch nach der Volksabstimmung von 1951 und der Gründung des Landes Baden-Württemberg setzten sich die Befürworter eines eigenen Landes Baden weiterhin für ihr Ziel ein. Das Bundesverfassungsgericht fällte 1956 ein Urteil, wonach die badische Bevölkerung erneut über den Verbleib ihres Gebiets im Land Baden-Württemberg abstimmen durfte. Ein entsprechendes Volksbegehren über die Wiederherstellung Badens fand in der Zeit vom 3. bis zum 16. September 1956 in den Gebieten Nord- und Südbadens statt. Es wurde von rund 310 000 Wahlberechtigten (15,1 % der Wahlberechtigten) unterstützt. Nach langer Verzögerung kam es jedoch erst am 7. Juni 1970 zu einem Volksentscheid über den Verbleib Badens in Baden-Württemberg, zu dem wiederum nur die Bevölkerung Nord- und Südbadens abstimmungsberechtigt war. Das Ergebnis war ein eindrucksvolles Bekenntnis der badischen Bevölkerung zum Land Baden-Württemberg. Nur noch eine Minderheit votierte für eine Wiederherstellung des Landes Baden. So entfielen in Südbaden 79,1 %, in Nordbaden 84,7 % und im gesamten Abstimmungsgebiet 81,9 % der gültigen Stimmen auf den Verbleib Badens in Baden-Württemberg. Die Wiederherstellung des Landes Baden war mit Zustimmungsquoten von nur noch 18,1 % (15,3 % in Nordbaden bzw. 20,9 % in Südbaden) klar gescheitert. Der Verbleib Badens im Land Baden-Württemberg wäre erst dann in Frage gestellt gewesen, wenn sich eine Mehrheit der Abstimmungsberechtigten Badener gegen den Status Quo entschieden hätte und diese Mehrheit zugleich mindestens einem Viertel aller Stimmberechtigten entsprochen hätte (Quorum).

1971: Volksbegehren und Volksabstimmung über die Auflösung des 5. Landtags von Baden-Württemberg

Die bislang letzte landesweite direktdemokratische Entscheidung liegt bereits 40 Jahre zurück, als 1971 in einem erfolgreichen Volksbegehren landesweit mehr als 200 000 Unterschriften gesammelt wurden, um die Auflösung des Landtags durch eine Volksabstimmung herbeizuführen. Initiiert wurde dieses Volksbegehren von den Gegnern der damals sich in Vorbereitung befindlichen kommunalen Gebietsreform. Bei der Volksabstimmung selbst sprach sich zwar eine Mehrheit der Abstimmenden für die Auflösung des 5. Landtags von Baden-Württemberg aus (54,4 %). Jedoch scheiterte das Anliegen der Gegner der anstehenden Gebietsreform an dem Quorum, das zusätzlich zur Stimmenmehrheit auch eine Mehrheit der Stimmberechtigten zur Bedingung machte. Bei einer niedrigen Abstimmungsbeteiligung von lediglich 16,0 % lag man von dieser Marke weit entfernt. Der Anteil der Stimmberechtigten, der sich für die Auflösung des Landtags aussprach, lag bei gerade einmal 8,6 %.

Weitere Informationen über die Ergebnisse zurückliegender Volksbefragungen, -begehren, -entscheide und -abstimmungen können abgerufen werden. Verfügbar sind die Ergebnisse bisheriger direktdemokratischer Urnengänge in Form von Tabellen und historischen Aufsätzen.