:: 11/2011

Aktuelle Entwicklung der Trinkwasser- und Abwasserpreise in Baden-Württemberg nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes

Die Entwicklung der Abwasserentgelte in Baden-Württemberg ist geprägt vom Urteil des Verwaltungsgerichtshofes in Mannheim vom 11. März 2010, nach dem die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg ihr Gebührensystem von einer Einheitsgebühr auf eine gesplittete Abwassergebühr umstellen müssen. Zum 1. Januar 2011 haben 192 der 1 101 Gemeinden im Land eine gesplittete Abwassergebühr erhoben. Die Mehrzahl der Gemeinden hat ihre Abwasserkosten im Jahr 2011 noch über eine Einheitsgebühr abgerechnet. Das Urteil wirkt sich nicht auf die Trinkwasserentgelte aus. Am 1. Januar 2011 bezahlte ein Baden-Württemberger durchschnittlich 1,94 Euro für einen Kubikmeter Trinkwasser und 2,40 Euro (Einheitsgebühr) für die Entsorgung von einem Kubikmeter Abwasser. Dieser Beitrag beschäftigt sich im Folgenden mit dieser Entwicklung und den Gründen für Preiserhöhungen bei Trink- und Abwasserentgelten.

Entgelt für Trinkwasser hat sich um 3 Cent erhöht

Im Vergleich zum Vorjahr ist der Preis für einen Kubikmeter Trinkwasser im Land um 3 Cent auf 1,94 Euro (1. Januar 2011) gestiegen. In den letzten 20 Jahren hat sich der Trinkwasserpreis um insgesamt 87 Cent erhöht – das sind durchschnittlich 4 Cent pro Jahr. Die aktuelle Preissteigerung liegt damit knapp unter dem 20-jährigen Mittel. Zwischen 1991 und 1995 hatte sich der Trinkwasserpreis im Durchschnitt um knapp 9 Cent pro Jahr erhöht. Dies deutet darauf hin, dass in dieser Zeit verstärkt Maßnahmen zur Verbesserung der Trinkwasserqualität durchgeführt wurden. Ein Grund dafür war beispielsweise die Novellierung der Trinkwasserverordnung 1990. Diese Investitionen haben die Qualität und Sicherheit der Trinkwasserversorgung in den Gemeinden im Land erhöht.

Im Vergleich zu Trinkwasser aus Flaschen ist das nach strengen gesetzlichen Vorgaben kontrollierte Leitungswasser mit 1,94 Euro für 1 000 Liter Wasser sehr preiswert. Die gleiche Menge eines günstigen Mineralwassers kostet 150 Euro (0,15 Euro pro Liter) und ein Mineralwasser der oberen Mittelklasse sogar 800 Euro (0,80 Euro pro Liter).

Entgelt für Abwasser hat sich kaum verändert

Seit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) Mannheim vom 11. März 2010 müssen die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg ihr Gebührensystem von einer Einheitsgebühr auf eine gesplittete Abwassergebühr umstellen (siehe i-Punkt). Anfang 2011 konnte diese Vorgabe von 192 der Gemeinden im Land umgesetzt werden. Im Vergleich zu 2010 ist damit der Anteil der Gemeinden mit einer gesplitteten Abwassergebühr von knapp 3 % auf rund 17 % angestiegen. Die Städte Freiburg im Breisgau, Karlsruhe und Konstanz unterscheiden zwischen einer Pflichtveranlagung für Grundstücksflächen mit 1 000 Quadratmetern und mehr sowie einer freiwilligen Veranlagung für kleinere Grundstücke, die zwischen einer Einheits- und einer gesplitteten Gebühr wählen können.

In den 909 (rund 83 %) Gemeinden in Baden-Württemberg, die die Kosten für die Abwasserentsorgung im Jahr 2011 noch über eine Einheitsgebühr mit Ihren Einwohnern abrechnen, ist im Vergleich zum Vorjahr der Preis je Kubikmeter Abwasser von 2,39 Euro auf 2,40 Euro (Stand 1. Januar 2011) gestiegen. Die aktuelle Preissteigerung von 1 Cent liegt damit deutlich unter dem 20-jährigen Mittel von 6 Cent pro Jahr (Schaubild 3). Zwischen 1991 und 1999 lag die Preiserhöhung für einen Kubikmeter Abwasser bei durchschnittlich 10 Cent pro Jahr.

Da in Baden-Württemberg schon seit Mitte der 80er-Jahre alle kommunalen Kläranlagen mit einer biologischen Abwasserbehandlungsstufe ausgestattet sind, richtete sich der Ausbau seither verstärkt auf sogenannte weitergehende Behandlungsverfahren, wie beispielsweise zur Elimination von Schwermetallen. Der Anteil der Kläranlagen mit weitergehender Reinigung ist zwischen 1991 und 1998 um gut ein Sechstel (von 68 % auf 85 %) gestiegen. In den weiteren Jahren nach 1998 hat sich der Abwasserpreis im Durchschnitt um rund 4 Cent pro Jahr erhöht. Aktuell liegt der Anteil der Kläranlagen mit weitergehender Reinigung bei knapp 89 %.

Die gesplittete Abwassergebühr

Ziel eines gesplitteten Gebührenmaßstabs ist die gerechtere Verteilung der Abwasserentsorgungskosten nach dem Verursacherprinzip. Bei einer Einheitsgebühr sind die Kosten, die für den Transport und die Reinigung von Regenwasser anfallen, im Trinkwasser bezogenen Kubikmeterpreis enthalten und werden damit auf alle Gebührenzahler umgelegt. Durch große versiegelte Flächen wie zum Beispiel dem Parkplatz eines Einkaufszentrums wird jedoch viel mehr Niederschlagswasser in die Kanalisation eingeleitet als beispielsweise durch die in der Regel geringer versiegelten Flächen eines Einfamilienhauses mit Garten. Die Entsorgungskosten für Niederschlagswasser werden somit durch die getrennte Berechnung direkt vom Verursacher getragen. Da die Höhe der jährlich zu zahlenden Niederschlagsgebühr von der Größe der versiegelten Fläche abhängt, können die Verbraucher ihre Kosten durch eine Entsiegelung von Flächen reduzieren. Eine Reihe von Städten und Gemeinden fördern diese Maßnahmen, da damit die Grundwasserneubildung aus Niederschlägen unterstützt wird.

Die 192 Gemeinden, die die Kosten für die Entsorgung und Reinigung von Abwasser über eine gesplittete Abwassergebühr decken, berechnen für die Entsorgung eines Kubikmeters Schmutzwasser durchschnittlich 1,77 Euro und für die Entsorgung von Niederschlagswasser 0,52 Euro pro Quadratmeter versiegelter Fläche.

Die amtliche Statistik hat erstmals 1997 insgesamt vier Gemeinden mit einer gesplitteten Abwassergebühr erfasst. Weitere drei Gemeinden haben 1997 eine freiwillige Veranlagung für Haushalte angeboten. Der Anteil der Gemeinden mit einer gesplitteten Abwassergebühr ist von 1997 bis 2010 nur leicht von 0,4 % (0,2 % der Einwohner) auf 2,6 % (17,9 % der Einwohner) gestiegen. 2011 hat sich der Anteil auf knapp 17 % (29,2 % der Einwohner) erhöht. Bis auf Heilbronn und Baden-Baden haben zum 1. Januar 2011 alle Stadtkreise eine gesplittete Abwassergebühr erhoben. Damit lebten 2010 rund 68 % der Baden-Württemberger, die eine gesplittete Gebühr entrichten, in einem Stadtkreis. 2011 waren es nur noch 41 %.

Im Vergleich zu 2010 haben insgesamt 163 Gemeinden ihr Gebührensystem von einer Einheits- auf eine gesplittete Gebühr umgestellt. Mit der steigenden Anzahl von Gemeinden mit einer gesplitteten Abwassergebühr, hat sich auch die Kombination der Entgeltkomponenten erweitert. Während bisher noch keine Gemeinde zusätzlich zum Schmutzwasser- und Niederschlagswasserentgelt eine Grundgebühr erhoben hatte, waren es zum 1. Januar 2011 insgesamt 13 Gemeinden.

Grundgebühr für Trink und Abwasser

Die Gemeinden haben die Möglichkeit, ihre Kosten für die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung über verschiedene Kombinationen von Entgeltkomponenten zu decken.

Gut 97 % (1 071 von 1 101) der baden-württembergischen Gemeinden haben 2011 neben einer Kubikmetergebühr von durchschnittlich 1,94 Euro zusätzlich eine Trinkwassergrundgebühr von 2,61 Euro pro Monat erhoben. Diese beinhaltet unter anderem die Bereitstellung der Wasserzählereinrichtung und die Kosten der amtlichen Eichung. Eine Abwassergrundgebühr wurde dagegen nur von 75 Gemeinden mit einer Einheitsgebühr und von 13 Gemeinden mit einer gesplitteten Abwassergebühr erhoben. Im Gegensatz zur Trinkwassermenge wird die Abwassermenge nur in seltenen Fällen über einen Zähler erfasst.

Bei den Kosten für die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung handelt es sich überwiegend um Fixkosten (65 bis 85 %), die unabhängig von der verkauften Wassermenge entstehen. Wenn die Einnahmen der Gemeinden bzw. der Versorgungs- und Entsorgungsunternehmen durch einen rückläufigen Wasserverbrauch der Bevölkerung zurückgehen, müssen die Kosten auf eine geringere Wassermenge umgelegt werden, das heißt die Kubikmetergebühren steigen. Erheben die Gemeinden zusätzlich zur Kubikmetergebühr eine vom Verbrauch unabhängige Grundgebühr, so verteilen sich die Gesamtkosten auf eine variable und eine feste Einnahmequelle.

Welche Faktoren führen zu Kosten- und Preissteigerungen?

Im Vergleich zum Vorjahr haben rund 24 % der baden-württembergischen Gemeinden den Kubikmeterpreis für Trinkwasser erhöht. Die Spanne der Preiserhöhungen in den einzelnen Gemeinden lag dabei zwischen 0,04 Euro und 1,17 Euro pro Kubikmeter. Rund 73 % der Gemeinden haben den Kubikmeterpreis für Trinkwasser weder erhöht noch gesenkt. Die restlichen 3 % konnten erzielte Überschüsse durch eine Gebührensenkung an die Verbraucher weitergegeben.

Der Kubikmeterpreis für Abwasser (Einheitsgebühr) wurde in 7 % der Gemeinden teurer. Die Erhöhung lag dabei zwischen 0,03 Euro und 1,05 Euro pro Kubikmeter. Ganze 91 % der Gemeinden konnten die Höhe der Kubikmetergebühr beibehalten. Wegen den in Vorbereitung befindlichen Umstellungen auf eine gesplittete Abwassergebühr, die vielfach rückwirkend zum 1. Januar 2011 erfolgen soll, haben offenbar viele Gemeinden die Gebühren zum 1. Januar 2010 beibehalten. Für die Kosten- und Preissteigerungen gibt es vielfältige Gründe und Ursachen, benannte Beispiel sind:

Sanierung oder Neubau von Trinkwasseraufbereitungsanlagen

Das verteilte Trinkwasser muss die in der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) definierten Qualitätsanforderungen mit strengen Grenz- und Vorsorgewerten für bestimmte Stoffe erfüllen. Wenn die geforderte Qualität nicht eingehalten wird, müssen die Trinkwasseraufbereitungsanlagen saniert bzw. erweitert oder der betroffene Brunnen stillgelegt werden. Um die Versorgungssicherheit zu erfüllen, muss bei einer Stilllegung unter Umständen ein neues Versorgungsnetz aufgebaut werden. In Gebieten mit einer hohen Wasserhärte fordern die Einwohner, oftmals eine Reduzierung dieser Werte, da sie Waschmaschinen oder Wasserleitungen verkalken lässt. Ein weiteres Beispiel mit kostenerhöhender Wirkung ist die Errichtung einer zusätzlichen Aufbereitungsanlage zur Senkung der Urankonzentration.

Sanierung oder Neubau von Brunnen

Zahlreiche Gemeinden decken den Trinkwasserbedarf der Bevölkerung über eigene Brunnen und nicht über einen Fernwasserversorger. Hierfür müssen jedoch häufig ergiebigere oder qualitativ hochwertigere Brunnen gebaut bzw. alte Brunnen saniert werden. Unter Umständen ist auch die Ausweisung von Wasserschutzgebieten mit den entsprechenden Auflagen notwendig.

Sanierung oder Ausbau der Infrastruktur

Um die Qualität und die Sicherheit der Wasserversorgung zu gewährleisten, muss die dafür benötigte Infrastruktur wie beispielsweise Leitungsnetze, Hochbehälter oder Pumpwerke regelmäßig saniert oder erweitert werden. Derzeit wird beispielsweise in Ostfildern-Ruit ein neues Pumpwerk gebaut, um die Versorgungssicherheit von Stuttgart und den Fildergemeinden zu verbessern.1 Ein weiterer Punkt sind Kosten, die durch Maßnahmen zur Sicherung der Löschwasserversorgung anfallen.

Investitionen in zusätzliche Abwasserreinigungsstufen (zum Beispiel Stickstoff- und Phosphorelimination)

Der Anteil der Kläranlagen mit einer weitergehenden Reinigung ist seit 1991 von 68 % auf aktuell 89 % gestiegen.

Sanierung oder Neubau der öffentlichen Kanalisation

Zwischen den Jahren 2004 und 2007 wurden rund 500 neue Regenentlastungsanlagen und rund 2 000 km neue Kanäle gebaut.

Fazit

Aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichtshofes in Mannheim (11. März 2010) müssen die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg ihr Gebührensystem rückwirkend zum 1. Januar 2010 von einer Einheitsgebühr auf eine gesplittete Abwassergebühr umstellen. Bei einer gesplitteten Abwassergebühr wird die Komponente Niederschlagswassergebühr getrennt von der Schmutzwassergebühr erhoben. Die Niederschlagswassergebühr wird über die Größe der versiegelten Fläche eines Grundstücks, in Euro pro Quadratmeter berechnet. Da die hierfür benötigten Flächen von einem Großteil der Kommunen erst noch zum Beispiel durch Luftbilder ermittelt werden muss, haben zum 1. Januar 2011 erst 192 der 1 101 Gemeinden in Baden-Württemberg die Abwasserkosten mit Ihren Einwohnern über diesen Gebührenmaßstab abgerechnet. Es bleibt abzuwarten, bis wann alle Gemeinden in Baden-Württemberg das Gebührenmodell umstellen konnten. Inwieweit sich das VGH Urteil zur Berechnung der Abwassergebühren auf die Gesamtkosten für Trink- und Abwasser auswirken wird, muss abgewartet werden.