:: 4/2012

Umweltschutz: lokale und globale Herausforderungen

60 Jahre Baden-Württemberg beschreiben auch einen grundlegenden Wandel in der Wahrnehmung der durch Wirtschaft und Gesellschaft im Land verursachten Umweltprobleme. Dies gilt auch für die im Zeitablauf ergriffenen Umweltschutzmaßnahmen im Land. Die Entwicklung im neuen Südweststaat war zunächst geprägt durch das rasante Wachstum der Bevölkerung, eine geradezu stürmische Steigerung der industriellen Produktion und des Konsums sowie eine fast explosionsartige Zunahme des VerkehrsaufkommenS. Die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Umwelt wurden alsbald sichtbar und spürbar. Sie stellen bei allen erreichten Fortschritten bis heute Herausforderungen an alle Bereiche des Umweltschutzes: von der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung über die Abfallwirtschaft und Ressourcenschonung bis hin zur Luftreinhaltung und zum Klimaschutz.

Überblick: Schwerpunkte eines gewachsenen Umweltbewußtseins

In der frühen Entwicklungsphase des Landes, in der es in erster Linie darum ging, den gewaltigen Zusatzbedarf an Wohnraum und Infrastruktur sowie an Wasser und Energie zu decken, erfolgte auch eine ungebremste Ausweitung der Siedlungs- und Verkehrsflächen. Die rasch expandierende Konsum- und Wegwerfgesellschaft löste eine schnell anwachsende Mülllawine aus mit ernsthaften Gefährdungen des Bodens und der Gewässer. Die damit verbundenen beträchtlichen Umweltbelastungen führten Anfang der 1970er-Jahre zu einer breiten gesellschaftlichen und politischen Diskussion notwendiger Umweltschutzmaßnahmen. Dabei standen zunächst lokale Belastungen, sozusagen die Probleme vor der eigenen Haustür, im Vordergrund. Forciert wurden in erster Linie Maßnahmen zur Ordnung der Abfallentsorgung, zur verbesserten Abwasserbehandlung sowie zur Begrenzung der sowohl die Gesundheit der Bevölkerung als auch die Natur gefährdenden Luftverschmutzungen durch Feuerungen und Kraftfahrzeuge.

Im Zuge dieser ersten Phase der Umweltschutzgesetzgebung verbunden mit verschiedenen Maßnahmenprogrammen wurde ab Mitte der 1970er-Jahre auch der Aufbau einer regelmäßigen und systematischen Umweltberichterstattung vorangetrieben. Ein wichtiges Element dazu war das 1974 verabschiedete erste Umweltstatistikgesetz. Rasch wuchs die Erkenntnis, dass eine nachhaltige Bewältigung der Umweltprobleme nur durch eine bereichsübergreifende in alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten integrierte Verringerung der Umweltinanspruchnahme möglich sein wird.

Zusätzlich zu den lokalen Maßnahmen zur Verringerung von Umweltbeeinträchtigungen kamen mit Beginn der 1990er-Jahre immer stärker auch globale Gesichtspunkte der Umweltinanspruchnahme durch volkswirtschaftliche Produktion und Konsum hinzu. An vorderster Stelle die Klimaproblematik. Geblieben sind bis heute, nach 60 Jahren Baden-Württemberg, die vielverzweigten Aufgaben des regionalen Umweltschutzes, allerdings mit stärkerer Ausrichtung auf die übergeordneten Ziele des Klimaschutzes und der Verringerung des Ressourcenverbrauchs.

Das Wirtschaftswunder und sein Wasserbedarf – Hohe Versorgungssicherheit durch ortsnahe Versorgung und Fernwasser

Baden-Württemberg gilt als wasserreiches Land, das den Wasserbedarf seiner Bevölkerung und Wirtschaft mit eigenen Wasservorkommen decken kann. Das Wasserdargebot in den wasserreichen Gebieten am Bodensee sowie im Rhein-, Donau- und Illertal ermöglicht auch die ausreichende Versorgung der eher wasserarmen Gebiete in den zentralen und nordöstlichen Teilen des LandeS. Dazu hat sich in Baden-Württemberg ein dreistufiges Versorgungssystem entwickelt, bestehend aus ortsnahen Gemeindewasserversorgern, regionalen Gruppenwasser- und Fernwasserversorgern.

Bereits im Jahr 1912 war mit der Gründung der Landeswasserversorgung in Baden-Württemberg die Idee einer Trinkwasserfernversorgung umgesetzt worden. Durch die Industrialisierung und das Bevölkerungswachstum konnte Ende des 19. Jahrhunderts der Wasserbedarf im mittleren Neckarraum nicht mehr allein durch lokale Wasservorkommen gedeckt werden. Über Fernleitungen erhält die Region seither Wasser aus dem Donautal.

Hauptaufgabe der öffentlichen Wasserversorgung nach dem 2. Weltkrieg war die Versorgung der Bevölkerung und der Industrie mit hygienisch einwandfreiem Trinkwasser. Dabei wurde beim Ausbau der Infrastruktur mit einem steigenden Wasserverbrauch gerechnet, um auch bei Spitzenverbräuchen, wie zum Beispiel im Trockenjahr 1976, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Gewinnungsmengen der öffentlichen Wasserversorger in Baden-Württemberg sind mit kleinen Schwankungen bis Anfang der 1980er-Jahre stark gestiegen. Zwischen 1957 und 1983 hat sich die Wassergewinnung von rund 448 Mill. Kubikmeter (m3) auf 756 Mill. m³ Trinkwasser erhöht. Diese Zunahme um fast 70 % erklärt sich vor allem durch den Anstieg der Bevölkerungszahl. Zudem nahm der Anteil der an die öffentliche Trinkwasserversorgung angeschlossenen Einwohner in diesem Zeitraum von 96 auf 99 % zu (Schaubild 1). Ein weiterer Grund für den erhöhten Wasserbedarf war der durch den Einbau von Bädern mit Duschen, von Toiletten mit Wasserspülung sowie durch die Verbreitung wasserintensiver Haushaltsgeräte, wie zum Beispiel Waschmaschinen, deutlich gestiegene Pro-Kopf-Verbrauch.

Vor allem die wasserarmen Gebiete in der Region Hohenlohe und im mittleren Neckarraum konnten den gestiegenen Wasserbedarf nicht mehr allein durch ortsnahe Wasservorkommen decken. Um diese Versorgungslücke zu schließen, wurde 1953 der Zweckverband Nordostwasserversorgung (NOW) und 1954 der Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung gegründet. Die Fernversorgungen waren wichtige Voraussetzung für die Entwicklung dieser Gebiete. Während die Bodensee-Wasserversorgung eigene Gewinnungsanlagen betreibt, unterstützt der Zweckverband Nordostwasserversorgung die Gemeinden hauptsächlich bei der Wasserbeschaffung. Dabei werden in der Regel örtliche Vorkommen durch Wasser der Landeswasserversorgung ergänzt. Ein weiterer Fernwasserversorger, der Zweckverband Kleine Kinzig, wurde 1974 gegründet und versorgt Einwohner im Schwarzwald mit Wasser aus der 1984 in Betrieb genommenen Talsperre Kleine Kinzig.

Ab Mitte der 1980er-Jahre gelang eine allmähliche Trendumkehr in der Entwicklung des Wasserbedarfs, wenngleich im extremen Trockenjahr 1991 mit 759 Mill. m³ die bislang größte Wasserentnahme registriert wurde. Das wachsende Umweltbewusstsein in der Bevölkerung, die Entwicklung wassersparender Technologien, auch forciert durch steigende Wassergebühren, haben zu einem rückläufigen Wasserbedarf geführt. Zwischenzeitlich ist die Wassergewinnung im Land auf 652 Mill. m³ (2010) gesunken.

Stark erhöhte Anforderungen an die Abwasserentsorgung

Die Wasserversorger liefern nach strengen Vorgaben kontrolliertes Wasser an die baden-württembergischen Haushalte und Unternehmen. Nach Gebrauch wird dieses Wasser mehr oder weniger stark mit zum Beispiel Putz-, Waschmittel oder organischen Stoffen verunreinigt abgeleitet. Hinzu kommen gewerbliche und industrielle Abwässer, die bei Produktionsprozessen anfallen.

In den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg wurde Abwasser in Baden-Württemberg auch häufig ohne jegliche Reinigung direkt in einen Vorfluter eingeleitet. Dies führte infolge des starken Wachstums der Industrie und der Bevölkerung zu einer zunehmenden Verschlechterung der Gewässerqualität im Land. In den 1970er-Jahren reagierte die Politik mit Gesetzen, Verordnungen und Arbeitsprogrammen auf die wachsenden Umweltprobleme. So wurde beispielsweise das »mittelfristige Umweltschutzprogramm« vom Ministerrat verabschiedet. Das darin bereitgestellte Finanzvolumen war zum Großteil auch für den Bau von Abwasserreinigungsanlagen und zur Überwachung der Abwassereinleitung bestimmt.1 Es sollte kein Abwasser mehr direkt, das heißt ohne Reinigung, in die Umwelt gelangen. Eine weitere Umweltschutzmaßnahme im Abwasserbereich bestand in der 1989 eingeführten Eigenkontrollverordnung (EKVO) als zweite Überwachungsinstanz neben der Kontrolle durch die Behörden.

Voraussetzung für eine möglichst weitgehende Entlastung der Oberflächengewässer war zunächst der Ausbau der Kanalnetze und der Anschluss an zentrale Abwasserreinigungsanlagen. Bis Mitte der 1970er-Jahre bestand für knapp 80 % der Einwohner im Land ein solcher Anschluss, heute ist dies bis auf wenige Kleinstsiedlungen fast vollständig realisiert. Zudem werden in Baden-Württemberg zum Großteil auch die Niederschläge von bebauten und befestigten Flächen zur Reinigung in Kläranlagen eingeleitet. Knapp 71 % der insgesamt rund 70 000 km öffentlicher Kanäle im Land sind Mischkanäle, in denen Schmutz- und Regenwasser gemeinsam gesammelt wird. Welche Schadstoffe schließlich aus dem Abwasser entfernt werden, gibt die technische Ausstattung der Kläranlagen vor.

Ausbau der mehrstufigen zentralen Abwasserreinigung

1975 wurde das Abwasser in noch rund 32 % der Kläranlagen im Land ausschließlich mechanisch gereinigt. Dabei werden grobe Schmutzstoffe (Wickel) sowie Schwimm- und Schwebstoffe entfernt. Der Abbau organischer Verbindungen wurde dort zum Großteil in die Vorfluter verlagert. Seit Anfang der 1980er-Jahre verfügen alle baden-württembergischen Kläranlagen über eine biologische Reinigung, bei der die mechanische Behandlung nur die erste Reinigungsstufe darstellt.

Organische Substanzen im Abwasser werden in der Regel durch aerobe (Sauerstoff verbrauchende) Mikroorganismen abgebaut. Die Selbstreinigungskraft von Gewässern hängt damit von ihrem Sauerstoffgehalt ab. Ziel der Gewässerschutzmaßnahmen war es daher, durch Entfernen der organischen Stoffe aus dem Abwasser, den Sauerstoffhaushalt der Gewässer wieder zu verbessern. Anfänglich stand dabei die Reduzierung der leicht abbaubaren organischen Substanzen im Vordergrund. In den ersten Belebungsbecken der Kläranlagen wurden nur Kohlenstoffverbindungen abgebaut. Die Stickstoffverbindungen und Phosphate wurden zunächst noch in den Vorfluter eingeleitet.

Ende der 1980er-Jahre häuften sich die Berichte über einen erheblich verschlechterten Zustand von Nord- und Ostsee (Algenpest, Robbensterben). Um die Einträge von Nährstoffen und damit die Eutrophierung der Flüsse und Meere einzudämmen, wurden die Reinigungsstufen der Kläranlagen durch die sogenannten weitergehenden Behandlungsverfahren erweitert. Die Rahmen-Abwasser-Verwaltungsvorschrift über Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer gibt seit Anfang der 1990er-Jahre Grenzwerte für Stickstoff und Phosphor vor. Die Anstrengungen richten sich seither auf den weiteren Ausbau der weitergehenden Behandlungsverfahren zur Reduzierung von Stickstoff- und Phosphorverbindungen sowie den Ausbau der Elimination bzw. Zurückhaltung biologisch schwer abbaubarer anorganischer Stoffe (zum Beispiel Salze) sowie von Schwermetallen. Der Anteil der Kläranlagen mit weitergehender Reinigung ist seit 1991 von 68 % auf aktuell 89 % gestiegen. Außerdem wird die Weiterentwicklung der Abwasserentsorgung aktuell verstärkt unter dem Aspekt möglicher Beiträge zur Energieeinsparung sowie der Vermeidung von Treibhausgasemissionen diskutiert.

Durchgreifende Veränderungen der Abfallentsorgung im Land

Mit dem Einsetzen des deutschen Wirtschaftswunders in den 1950er-Jahren wurde auch in Baden-Württemberg das Problem der Abfallbeseitigung immer brisanter. Der außerordentliche wirtschaftliche Aufschwung verbunden mit einem grundlegenden Wandel der Konsumgewohnheiten und Produktionsstrukturen führte auch zu einem kaum bewältigbaren Anstieg der Abfallmengen, die sich zudem in ihrer stofflichen Zusammensetzung rasch veränderten. Die zunehmende Chemisierung der Produkte sowie der Trend hin zu immer aufwändigeren Verpackungen, insbesondere auch aus Plastik, verstärkten das Abfallproblem zusätzlich. Die Folge waren massive Gefahren für Mensch und Umwelt.

Die Entsorgung der Abfälle erfolgte vielerorts unregelmäßig. Oft wurde sie den Betroffenen selbst überlassen und zeigte sich in einer Vielzahl örtlicher, meist ungeordneter Müllkippen. Durch die vielfach sichtbar gewordene Störung des Landschaftsbildes sowie das generell wachsende Umweltbewusstsein in der Bevölkerung sank zudem die gesellschaftliche Akzeptanz der ökologisch bedenklichen ungeordneten Entsorgungsmethoden. Als Konsequenz fiel zu Beginn der 1970er-Jahre der Startschuss zur Neuordnung der Abfallwirtschaft.

Von der wilden Müllkippe zur vielfältigen Entsorgungslandschaft

Bereits Ende 1971 wurde im Land das Gesetz über die Beseitigung von Abfällen beschlossen. Danach ging die Zahl der Deponien im Land rasch deutlich zurück. Im Jahr 1972 waren in Baden-Württemberg noch nahezu 4 000 Müllplätze gezählt worden. Schon ein Jahr später veröffentlichte das Umweltministerium die Zahl von etwas mehr als 2 000, die im Laufe des Jahres 1974 weiter auf unter 1 000 Deponien sank. Dieser Trend setzte sich dann kontinuierlich fort. 1980 bestand die baden-württembergische Entsorgungs-Infrastruktur aus insgesamt 745 öffentlich betriebenen Entsorgungsanlagen bestehend aus 737 Deponien, darunter 94 Hausmülldeponien, sowie lediglich 5 Kompostierungs- und 3 Müllverbrennungsanlagen.

Die nachfolgende Phase, in der zunächst noch zögernd der Übergang zu einer auf vielfältige Verwertungsverfahren gestützten Abfallwirtschaft gesucht wurde, war geprägt durch rapide abnehmende Restvolumina der verbliebenen Hausmülldeponien. Einige Kreise im Land standen daher Anfang der 1990er-Jahre am Rande eines EntsorgungsnotstandeS. Dies wiederum beförderte die Reduzierung der Deponierung durch Umlenken der Abfallströme hin zu einer wachsenden Vielfalt abfalltechnischer Anlagen. In der Folge hat die Relevanz der Deponien stark abgenommen.

Mit der endgültigen Umsetzung der Technischen Anleitung (TA)-Siedlungsabfälle sowie der Abfallablagerungsverordnung wurde im Jahr 2005 auch im Land die Ablagerung unbehandelter und nicht durch Vorbehandlung hinreichend mineralisierter Abfälle beendet. Von den insgesamt 1 280 Anlagen2, die im Bereich der Entsorgungswirtschaft in Baden-Württemberg im Jahr 2010 gemeldet wurden, spielen Deponien zahlenmäßig eine untergeordnete Rolle. Bei den noch betriebenen 369 Deponien handelt es sich überwiegend um Bodenaushub- und Bauschuttdeponien (Deponieklasse 0 und I). Den hauptsächlichen Entsorgungsweg stellen heute die verschiedenen abfalltechnischen Anlagen zur Beseitigung, Behandlung und Verwertung (911). Dazu zählen neben thermischen und biologischen Abfallbehandlungsanlagen vor allem Sortiereinrichtungen und Bauschuttaufbereitungsanlagen. Zudem dienen in zunehmenden Umfang Schredderanlagen, Einrichtungen zur gezielten Zerlegung getrennt erfasster Gebrauchsgüter sowie verschiedenartige andere mechanische oder chemisch-physikalische Behandlungsanlagen der möglichst umweltschonenden Entsorgung von Abfällen.

Von lückenhafter Müllabfuhr zur flächendeckenden Getrenntsammlung

Auch die noch lückenhafte regelmäßige Müllabfuhr wurde rasch ausgebaut. Mitte der 1970er-Jahre wurde Haus- und Sperrmüll bereits bei 80 % der seinerzeit 2 128 Gemeinden in Baden-Württemberg regelmäßig abgefahren. Die Anschlussquote von knapp 97 % bezogen auf die Bevölkerungszahl des Landes legt den Schluss nahe, dass es sich bei den nicht an die Abfallentsorgung angeschlossenen Gemeinden eher um kleinere Einheiten handelte. Seit 1977 werden alle Gemeinden – heute sind es 1 101 – regelmäßig von Haus- und Sperrmüll entsorgt. Auch im Hinblick auf weitere gesetzlich festgelegte Ziele der beschlossenen Neuordnung der Abfallbeseitigung konnten bis Anfang der 1980er-Jahre wichtige Verbesserungen erzielt werden.

Den Erfolg der Maßnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft zeigt die im Lauf der Zeit veränderte Aufteilung und Erfassung der häuslichen Abfälle.3 Bereits vor Inkrafttreten der Verpackungsverordnung im Jahr 1991 begann in allen Kreisen Baden-Württembergs die getrennte Sammlung von Wertstoffen aus Haushalten, jedoch in zunächst systemloser Form durch zum Beispiel Vereine, karitative Verbände oder Gewerbebetriebe. Dies führte bereits zu einer Verringerung des Haus- und Sperrmüllaufkommens von 1975 (338 Kilogramm (kg) je Einwohner) bis zum Jahr 1984 (297 kg je Einwohner) um rund 12 % (Schaubild 2). Im weiteren wurde das Aufkommen an Haus- und Sperrmüll je Einwohner4 bis zum Jahr 2010 im Vergleich zu 1990 (rund 269 kg) auf knapp 145 kg fast halbiert (−  46 %).

Parallel zur Abnahme des Haus- und Sperrmüllaufkommens war eine Zunahme der Wertstoffmengen zu beobachten. Während der Anteil der Wertstoffe am Gesamtaufkommen häuslicher Abfälle 1990 bei 23 % lag, konnte dieser bis zum Jahr 2010 (47 %) sogar mehr als verdoppelt werden. Bei schrittweiser Einführung der Biotonne hat sich der Anteil getrennt erfasster Bioabfälle am Gesamtaufkommen häuslicher Abfälle im Land seit 1990 (rund 1 %) rasch erhöht und stagniert in den letzten Jahren (2010: etwa 12 %). Seit 1996 liegt das Aufkommen der Wertstoffe und Bioabfälle zusammen höher als das an Haus- und Sperrmüll.

Mit Inkrafttreten des novellierten Kreislaufwirtschaftsgesetzes am 1. Juni 2012 wird die europäische Abfallrahmenrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Mit der darin festgelegten Rangordnung verschiedener Verwertungsalternativen wird eine weitere Steigerung der Ressourceneffizienz der Kreislaufwirtschaft angestrebt. Um zudem die Förderung der stofflichen Verwertung von Abfällen weiter zu verbessern, sieht der Gesetzentwurf Recyclingquoten vor. Danach sollen ab dem Jahr 2020 mindestens 65 % aller Siedlungsabfälle und mindestens 70 % der Bau- und Abbruchabfälle recycelt oder stofflich verwertet werden.

Luftreinhaltung und Klimaschutz trotz Teilerfolgen im Land weiter aktuell

Auf dem Feld der Luftreinhaltung galt die Aufmerksamkeit im Land zunächst den Emissionen an Schwefeldioxid (SO2). Mit der bedarfsbedingt stark ausgeweiteten Verfeuerung fester und flüssiger Brennstoffe – insbesondere an Heizöl und Kohle – hatte die Luftbelastung vor allem in den Ballungsgebieten erheblich zugenommen. Infolge der ersten Ölkrise 1973 wurden durch Umstellungen bei den eingesetzten Brennstoffen rasch bemerkenswerte Erfolge bei der Reduzierung der SO2-Emissionen erreicht.

Trotzdem haben die mit dem Begriff des Waldsterbens umschriebenen massiven Schädigungen von Nadel- und auch Laubbäumen im Schwarzwald sowie anderorts zu Beginn der 1980er-Jahre die Bemühungen zur Luftreinhaltung verstärkt in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion gebracht. Dabei wurden zusätzlich zum SO2 vor allem auch die Emissionen an Stickoxiden (NOX) in die Anstrengungen einbezogen. Neben den verschiedenen Feuerungen war hier insbesondere der Straßenverkehr als Hauptquelle der stark angestiegenen NOX-Emissionen identifiziert worden. Durch die Entstickung von Großfeuerungsanlagen und die Einführung von Abgaskatalysatoren zunächst für Pkw, später auch für Lkw, wurden spürbare Erfolge bei der Minderung der NOX-Emissionen erzielt.

Erhöhte Ozonbelastungen im Sommer infolge zu hoher Emissionen an NOX und flüchtiger Kohlenwasserstoffe (NMVOC) zwangen zu weiter forcierten Schritten. In der Folge konnten in den 1990er-Jahren die NOX- und NMVOC-Emissionen des Straßenverkehrs stark reduziert werden. Die abgasbedingten NOX-Emissionen wurden mehr als halbiert und die NMVOC-Emissionen gingen auf weniger als ein Viertel zurück. Der Anteil der Kraftfahrzeuge an den gesamten jährlichen NMVOC-Emissionen im Land sank dadurch auf unter 25 %. Bei NOX allerdings macht der Straßenverkehr nach wie vor 50 % der gesamten Emissionen im Land auS. Und neben der Belastung der Luft durch die sogar erhöhten Emissionen an NO2 – insbesondere in straßenverkehrsnahen Verdichtungsgebieten – ist auch das Problem der Feinstaub-Belastung in verdichteten Gebieten noch nicht gelöst. Weiter aktuell bleibt deshalb die Frage nach der Notwendigkeit geeigneter Luftreinhaltepläne.

Reaktionen auf die Klimagipfel in Toronto und Kyoto

Anfang der 1990er-Jahre wurde das Augenmerk auch in Baden-Württemberg verstärkt auf die Emissionen an Treibhausgas-Emissionen gelenkt. Vor allem die energieverbrauchsbedingten CO2-Emissionen, die maßgeblich für die Erwärmung der Erdatmosphäre und die damit verbundenen gravierenden Klimaveränderungen verantwortlich gemacht werden, waren beträchtlich angestiegen. Erstmals bei der Toronto-Konferenz im Jahr 1988 hatten Wissenschaftler und Politiker verschiedener Staaten das Thema der klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen diskutiert. Im selben Jahr wurde das UN-Klimagremium des IPCC gegründet. In Baden-Württemberg waren bereits im Vorfeld der Kyoto-Konferenz, bei der im Jahr 1997 dann Maßnahmen zur Emissionsreduktion in einem rechtlich verbindlichen Klimaabkommen vereinbart wurden, ein Klimakonzept verabschiedet und die Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH gegründet worden.

Die seither ergriffenen Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen bewirkten im Land zunächst lediglich, dass ein weiterer Anstieg der jährlichen Emissionsfracht verhindert und bei zugleich weiter gestiegener Bevölkerungszahl immerhin eine leicht rückläufige Tendenz der Emissionen je Einwohner, bis 2006 um knapp 5 %, erreicht werden konnte. Seit 2007 haben Erfolge verschiedener Energiesparmaßnahmen, die fortgesetzte Umstellung auf emissionsärmere Energieträger und insbesondere die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien für die Strom- und Wärmeerzeugung zu einer deutlichen Entkoppelung der Emissionen von der wirtschaftlichen Entwicklung und zu einem Rückgang der Emissionen unter das Niveau von 1990 geführt. Die Pro-Kopf-Emissionen sanken dadurch um fast 20 % unter den Wert dieses Referenzjahres für die nationalen und internationalen Minderungsziele (Schaubild 3).

Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg 2008 mit dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz Vorgaben für den Einsatz erneuerbarer Energien sowohl beim Neubau als auch im Bestand von Wohnungen gesetzlich verankert. Durch die Fortschreibung und Ausweitung dieser Regelungen sowie durch den beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien für die Stromerzeugung sollen die 2011 bundesweit eingeleitete Energiewende und die nachhaltige Minderung der Treibhausgas-Emissionen im Land rasch vorangebracht werden.

1 Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg (Hrsg.): Handbuch der baden-württembergischen Geschichte 4. Stuttgart, 2003, S. 781 f.

2 Ausgenommen sind übertägige und untertägige Abbaustätten, in denen Abfälle im Rahmen der Rekultivierung und Verfüllung verwertet werden.

3 Haus- und Sperrmüll, separat erfasste Wertstoffe und Bioabfälle aus Haushalten.

4 Einwohnerstand: 30. Juni.