:: 7/2014

Kleine Geschichte der amtlichen Statistik in Baden

Die amtliche Statistik des Landes Baden‑Württemberg begann nicht erst mit der Verfügung des Innenministeriums vom 1. Mai 1953, in dem neuen Bundesland ein Statistisches Landesamt mit Sitz in Stuttgart einzurichten. In den ehemaligen Ländern Baden und Württemberg wurde damals schon seit mehr als 100 Jahren amtliche Statistik in institutionalisierter Form praktiziert. An diese Zeit soll in diesem und einem weiteren Beitrag erinnert werden. Es ist die kurze Geschichte der Vorläuferinstitutionen des heutigen Statistischen Landesamtes Baden‑Württemberg. Die Aufgaben und Arbeitsweisen der amtlichen Statistik haben sich im Verlauf der Zeit vielfach verändert, große Herausforderungen gab es damals und gibt es heute. Vielleicht wird das Verständnis für die heutigen Anforderungen an die amtliche Statistik durch die Kenntnis der Geschichte vertieft, denn nur wer die Vergangenheit kennt, kann auch die Zukunft gestalten.

Die Anfänge im 18. Jahrhundert

In verschiedenen Staaten Deutschlands gab es amtliche Statistik. Es waren Materialsammlungen für die Beschreibungen des »Staats- und Volkslebens«. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts begann eine fortschreitende Ausdehnung und methodische Verbesserung, die einherging mit der Institutionalisierung der statistischen Aktivitäten. Bereits damals wurden in Preußen, Bayern und Würt­temberg statistische Ämter eingerichtet. Länderübergreifende statistische Aktivitäten entwickelte ab 1834 der Deutsche Zollverein. So wurden in den Bereichen des Außenhandels und in der Bevölkerungsstatistik regelmäßige Zählungen durchgeführt, da die Einnahmen des Zollvereins gemäß der Einwohnerzahl an die einzelnen deutschen Staaten verteilt wurden.1

In Baden begannen die ersten offiziellen Bestrebungen 1836 mit einer Anordnung des großherzoglichen Innenministeriums, dass zum Zwecke der Bearbeitung einer Landesstatistik eine Kommission gebildet werde. Die Kommission bestand aus je einem Mitglied der damaligen badischen Ministerien sowie dem Geheimen Archivar Mone, der sich schon eingehend mit statistischen Arbeiten beschäftigt hatte, und dem Hofrat Volz, der in der Theorie der Statistik bewandert war. Die Bildung der Kommission war notwendig geworden, weil das Großherzogtum im gleichen Jahr dem Deutschen Zollverein beigetreten war und sich deshalb auch an den Zollvereinszählungen beteiligen musste.

Es sollte noch bis zum Jahr 1852 dauern, bis sich das Ministerium des Innern entschloss, ein eigenes Amt einzurichten. Die Leitung des Statistischen Bureaus des Großherzogtums Baden wurde dem Referenten für Statistik, Ministerialrat Dietz, übertragen. 1855 veröffentlichte das Bureau mit dem Heft Nr. 1 der »Beiträge zur Statistik der inneren Verwaltung des Großherzogtums Baden« seine erste Publikation (siehe Abbildungen 1 und 2). Diese Veröffentlichung enthält eine Darstellung der Verwaltungseinteilung des Landes, ein amtliches Ortsverzeichnis mit Angaben zu der Familienzahl untergliedert nach Geschlecht und Religion sowie die Zahl der Ortsbürgermeister und vieles andere mehr. In textlicher Ergänzung sind in diesem Heft die bisher im Großherzogtum Baden durchgeführten Volkszählungen beschrieben.

Durch die Einrichtung eines Handelsministeriums in Baden wechselte 1860 die Zuständigkeit für das Statistische Bureau, seitdem war es ohne Wechsel in der Leitung diesem neuen Ressort unterstellt. Die Neuorganisation der Statistik begann erst 1863 durch eine Neubesetzung der Leitung mit Dr. Friedrich Hardeck. Er empfahl die Errichtung einer statistischen Zentralkommission unter Leitung des Staatsministeriums und die Aufstellung einer systematischen Übersicht des zu bearbeitenden statistischen Stoffes. Neben der Herausgabe der weiterhin in loser Folge erscheinenden »Beiträge zur Statistik der inneren Verwaltung des Großherzogtums Baden«, die als Quellenwerke die Ergebnisse größerer einmaliger und periodischer Erhebungen – insbesondere der Volkszählungen – beinhalteten, veranlasste Hardeck ab 1869 die Herausgabe der »Statistischen Mitteilungen über das Großherzogtum Baden«. In dieser Veröffentlichungsreihe wurden neben den textlichen Erläuterungen der dargestellten Zahlenergebnisse vor allem die Daten über die Erhebungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen, die Anbau- und Erntestatistik, die Viehzählung, die Preisstatistik, die Steuer- und Zollverwaltungsstatistiken und vieles andere mehr publiziert. Bereits ein Jahr früher erschien der erste Jahrgang des »Statistischen Jahrbuchs« (siehe Abbildung 3), in welchem seitdem alljährlich Daten aus den Verwaltungseinrichtungen und über die physischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse Badens und seiner Bevölkerung dargestellt wurden. Hardeck nahm auch lebhaften Anteil an der Gestaltung der Reichstatistiken und wirkte bei der Neukonzipierung und Durchführung intensiv mit. Seine Schaffensperiode endete 1894 mit seinem plötzlichen Tod.2

Die Neuordnung am Ende des 19. Jahrhunderts

Dr. Gustav Lange, dem Nachfolger Hardecks, gelang es, ab 1895 die amtliche Statistik im Großherzogtum nach und nach neu zu organisieren. Schon längere Zeit wurde es als Mangel empfunden, dass die regelmäßigen Aufgaben, Pflichten und Befugnisse der Statistiker gegenüber den vorgesetzten und nachgeordneten Behörden nicht in einer Geschäftsordnung festgelegt waren. Die Bemühungen Langes führten zu einer »landesherrlichen Verordnung« vom 8. Juli 1897, in der es heißt: »Mit der Sammlung, Bearbeitung und Veröffentlichung der Materialien zur Landes- und Reichsstatistik ist, soweit es nicht durch die Ministerien selbst oder die von ihnen damit betrauten anderen Behörden geschieht, als eine dem Ministerium des Innern untergeordnete Zentralbehörde das Statistische Bureau betraut, welches in der Folge die Bezeichnung Statistisches Landesamt zu führen hat.« In einer Dienstanweisung des Jahres 1902 wurden die Befugnisse des Statistischen Landesamtes Baden noch einmal wesentlich erweitert.

Langes Organisationstalent ist es hauptsächlich zu verdanken, dass die Statistik als wichtiger Zweig der badischen Staatsverwaltung anerkannt und vielseitig genutzt wurde. Die Publikationen, die während seiner Amtsleitung veröffentlicht wurden, fanden große Beachtung, insbesondere die Neuauflage des Sammelwerks »Das Großherzogtum Baden« (siehe Abbildungen 4 und 5). Die statistischen Mitteilungen wurden ab 1908 hinsichtlich des Inhalts und der Erscheinungsweise grundlegend anders konzipiert. Waren sie bis dahin unregelmäßig und nach Bedarf erschienen, so kamen sie nun monatlich heraus. Die zwölf Monatshefte wurden zu einem Jahresband vereinigt.

Während des Ersten Weltkriegs hatte das Statistische Landesamt Baden neben seinen eigentlichen Arbeiten schwierige und umfangreiche Sonderaufgaben der kriegswirtschaftlichen Versorgungsregelungen zu erbringen. Lange trat 1920 altersbedingt in den Ruhestand.3

Der Ausbau unter erschwerten Bedingungen

Die statistische Tätigkeit in den unmittelbaren Nachkriegsjahren stand nicht nur im Zeichen des sachlichen Ausbaus, der Ausweitung der amtlichen Statistik und der Weiterentwicklung und Verfeinerung ihrer Methoden, sondern auch unter dem Gebot größter Sparsamkeit. Entsprechend der größeren Zentralisation der Weimarer Republik war für das Statistische Landesamt Baden die Erledigung der Auftragsstatistik für das Reich eine weit umfangreichere Arbeit als vor 1914. Die Durchführung, Erhebung und Veröffentlichung von Landesstatistiken stellten in dieser Epoche den kleineren Teil des Arbeitsprogramms dar. Dieses Aufgabenspektrum fand 1920 der neue Leiter des Statistischen Landesamtes Baden, Dr. Moritz Hecht, bei seinem Amtsantritt vor. Allgemeine Verarmung, Geldentwertung und Wirtschaftskrisen überschatteten den Beginn seiner Amtsperiode. Trotz dieser schwierigen gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen gelang es Hecht und seinen Mitarbeitern in den Jahren 1924 bis 1933 jährlich eine oder mehrere statistische Monografien herauszugeben, darunter solche über die Industrie, den Fremdenverkehr, die Religionszugehörigkeit, den Wohnungsbau und die Krebssterblichkeit. Hechts Amtszeit endete 1933.4

Zur Zeit des Nationalsozialismus

Gegen Ende der Amtszeit Hechts zeichneten sich auch in der amtlichen Statistik die Umwälzungen im Staatsleben durch das nationalsozialistische Regime ab. Die Eigenstaatlichkeit der Länder wurde mehr und mehr beschränkt, was sich auf dem Gebiet der Landesstatistik dahin auswirkte, dass die Statistischen Landesämter zu reinen Aufbereitungsstellen der vom Reich bzw. vom Statistischen Reichsamt angeordneten Statistiken wurden. In dieser Zeit übernahm Paul Hauser die Leitung des Statistischen Landesamtes Baden. In die Amtszeit Hausers fiel die Aufbereitung zweier großer Volkszählungen (1933 und 1939). In dieser Zeit war die Situation des Amtes nicht nur in sachlicher, sondern auch in personeller Hinsicht sehr schwierig. Seit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden aufgrund der zunehmenden Remilitarisierung und kriegswirtschaftlichen Planungen vielen möglichen statistischen Veröffentlichungen der Boden entzogen, obwohl genügend Datenmaterial vorlag. Die Veröffentlichung anderer Statistiken wurde dadurch verhindert, dass immer mehr erhobene Daten zur Geheimsache erklärt wurden. 1943 wurde das Archiv des Statistischen Landesamtes Baden in das Bruchsaler Schloss verlagert. Gegen Ende des Kriegs ging dieses historische Bauwerk und mit ihm die dort eingelagerten Archivbestände ebenso in Flammen auf wie das Amtsgebäude in Karlsruhe (Abbildung 6), sodass einzigartige regionalstatistische Kulturgüter für die Nachwelt unrettbar verloren gingen.5

Der Neuanfang in Ruinen

Bedingt durch die Aufteilung Deutschlands nach Kriegsende in verschiedene Besatzungszonen gab es ab 1945 im ehemaligen Land Baden kein einheitliches Statistisches Landesamt mehr. Das Amtsgebäude in Karlsruhe war weitgehend zerstört. Amtsleiter Hauser wurde bald nach Kriegsende zum badischen Innenminister ernannt. Durch die Teilung des Landes Baden und den Zusammenschluss Nordbadens mit Nordwürttemberg wurden die Arbeiten der Karlsruher Statistiker auch in fachlicher Hinsicht stark eingeschränkt, da per ministerieller Verfügung angeordnet wurde, dass das Statistische Landesamt in Stuttgart grundsätzlich federführend sein sollte. Der Nachfolger Hausers in Karlsruhe war Dr. Paul Jostock. Amtsleiter Jostock wechselte sehr bald nach Stuttgart und leitete von da aus beide Ämter in Personalunion. Die französische Militärregierung im Land Baden (Südbaden) ließ schon im Herbst 1945 in Freiburg eine Landesstatistikstelle errichten, aus der sich später das Statistische Landesamt Baden entwickelte. Darüber hinaus befand sich in Konstanz eine statistische Zentralstelle der französischen Militärregierung, die das ihr vom Statistischen Landesamt in Freiburg und den regionalen statistischen Stellen übermittelte Material zu Zonenergebnissen aufbereitete. An dieser organisatorischen Aufteilung der amtlichen Statistik im ehemaligen Land Baden sollte sich auch nichts mehr ändern, bis es 1952 zur Neugründung des Bundeslandes Baden‑Württemberg und in Folge 1953 zur Gründung eines Statistischen Landesamtes Baden‑Württemberg mit Sitz in Stuttgart kam.6

1 Statistisches Bundesamt. Internetpräsentation: Geschichte im Überblick.

2 150 Jahre Amtliche Statistik in Baden‑Württemberg, Stuttgart 1970, S. 45 ff.

3 150 Jahre Amtliche Statistik in Baden‑Württemberg, Stuttgart 1970, S. 53 ff.

4 150 Jahre Amtliche Statistik in Baden‑Württemberg, Stuttgart 1970, S. 72 ff.

5 150 Jahre Amtliche Statistik in Baden‑Württemberg, Stuttgart 1970, S. 74.

6 150 Jahre Amtliche Statistik in Baden‑Württemberg, Stuttgart 1970, S. 80 ff.