:: 4/2016

Die Bedeutung von Stuttgart als Hochschulstandort

Stuttgart ist bekannt für seine starke Wirtschaftskraft, für seine international hervorragend aufgestellte Fahrzeug- und Maschinenbauindustrie sowie für sein reichhaltiges kulturelles Angebot mit Theatern, Museen und Oper. Auch seine Berge, Täler, Halbhöhenlagen und die bis in die Stadt reichenden Reben mit erlesenen Weinen prägen das Image der Stadt. In diesem Zusammenhang müssen aber ebenfalls die zahlreichen Staus und die häufigen Überschreitungen von Feinstaubgrenzwerten genannt werden. Wie aber steht es mit seiner Bekanntheit als Hochschulstandort? Wie setzt sich die Hochschullandschaft Stuttgarts zusammen, welche Bedeutung hat Stuttgart als Hochschulstandort und welche Bedeutung haben die Hochschulen für die Stadt Stuttgart? Diese und weitere Fragen werden im Folgenden näher betrachtet.

Rund 60 000 Studierende nutzen das vielseitige Studienangebot Stuttgarts

Mit insgesamt 13 staatlich anerkannten Hochschulen hat Stuttgart ein großes und sehr vielseitiges Angebot an Studiengängen aufzuweisen. Hier findet jeder Studierende sein gewünschtes Studienfach und sei es noch so ausgefallen. Dieses hervorragende Angebot wird von den Studierenden auch intensiv genutzt. So waren zum Wintersemester 2014/15 insgesamt rund 60 000 Studierende an den 13 Hochschulen eingeschrieben, das entspricht rund 17 % aller Studierenden in Baden-Württemberg und rund 10 % der Einwohner der Stadt.1 Stuttgart punktet jedoch nicht nur mit einer hohen Zahl an Studierenden und einem großen Anteil an allen Studierenden des Landes. Gerade die Vielfältigkeit des Angebotes unterstreicht die Bedeutung als Hochschulstandort. Die größten Hochschulen sind die Universität Stuttgart und die Universität Hohenheim mit zusammen rund 36 000 Studierenden. Die beiden Universitäten stehen dabei nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich vielmehr hinsichtlich ihres Fächerangebotes. Während der Schwerpunkt der Universität Stuttgart bei der Architektur und den Ingenieur- und den Naturwissenschaften liegt, richtet sich das Hauptaugenmerk in Hohenheim auf die Wirtschafts-, Sozial- und Agrarwissenschaften sowie Life-Science Studiengänge.

Neben den beiden Universitäten gehören mit der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste und der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst zwei Kunst- und Musikhochschulen mit rund 1 500 Studierenden zur Hochschullandschaft der Landeshauptstadt. Auf den Praxisbezug ausgerichtete Inhalte bieten die Hochschule für Technik und die Hochschule der Medien mit ihren rund 8 400 Studierenden. Auch ihr Studienangebot ergänzt sich und überschneidet sich nur geringfügig. Schließlich befindet sich in Stuttgart noch der größte Standort und die Hauptverwaltung der Dualen Hochschule Baden-Württemberg mit rund 7 800 Studierenden, die sich durch ihr starkes praxisbezogenes Studienangebot und einer guten Vernetzung zu den regional vertretenen Unternehmen auszeichnet. Für spezielle Studienwünsche stehen neben den großen öffentlichen Hochschulen noch sechs private Hochschuleinrichtungen zur Verfügung, unter denen die AKAD als Weiterbildungshochschule mit 5 200 Studierenden die größte ist. Zu nennen sind hier ferner die Merz-Akademie für Gestaltung, das Seminar für Walddorfpädagogik, die Hochschule für Kommunikation und Gestaltung, eine Zweigstelle der Katholischen Hochschule Freiburg oder die Württembergische Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie (VWA).

Forschung in Stuttgart auf höchstem Niveau

Doch nicht nur in der Lehre gehören die Hochschulen von Stuttgart zur Spitzengruppe des Landes. Stuttgart ist gleichzeitig einer der forschungsstärksten Standorte in Deutschland und das Zentrum für Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg. 45 % der Forschungs- und Entwicklungskapazitäten des Landes konzentrieren sich an diesem Standort.2 Das zeigt sich schon an den hohen Drittmitteleinnahmen der Hochschulen, die im nationalen und internationalen Wettbewerb zu anderen Hochschulen und Forschungseinrichtungen eingenommen werden. So konnten die Hochschulen Stuttgarts beispielsweise im Jahr 2013 rund 220 Mill. Euro für sich verbuchen.3 Der größte Teil entfiel dabei mit 81 % auf die Universität Stuttgart, die Universität Hohenheim folgte mit 15 %. Neben den beiden Universitäten erzielten die Hochschule für Technik mit rund 2 % und die Hochschule der Medien mit 1 % noch nennenswerte Einnahmen. Bei ihren Drittmitteleinnahmen war die Universität Stuttgart mit 744 000 Euro pro Professor die erfolgreichste Universität in ganz Deutschland.4 Die Forschungsqualität der Universität Hohenheim wiederum zeigt sich am guten Abschneiden im internationalen Vergleich. Sowohl beim Ranking der National Taiwan University als auch beim Ranking »Best Global Universities« erhielt sie innerhalb Deutschlands für die Agrarwissenschaften jeweils den 1. Platz.5

Ergänzt wird die Forschung der Hochschulen Stuttgarts durch zahlreiche außeruniversitäre Forschungsinstitute, von denen viele am Campus Vaihingen beheimatet sind. Zu nennen sind hier insbesondere mehrere Institute der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG),6 zwei Institute der Max-Planck-Gesellschaft (MPG),7 verschiedene Institute des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR),8 das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung, das Verkehrswissenschaftliche Institut oder das Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren. Viele ausgewiesene Schwerpunkte und Forschungsprojekte verleihen den Hochschulen und Forschungsinstituten dabei nationale und internationale Aufmerksamkeit, wie zum Beispiel:

  • »SimTech« steht für die interdisziplinäre Entwicklung von wissenschaftlichen Methoden und Anwendungen auf allen Gebieten der Modellierungs- und Simulationswissenschaften,
  • »SOFIA« ist ein von der NASA und dem DLR betriebenes Stratosphären Observatorium für Infrarot-Astronomie,
  • »ARENA2036« steht für Active Research Environment for the Next Generation of Automobiles und ist ein Forschungsneubau, der gerade zur Erforschung von wandlungsfähiger Produktion und einem funktionsintegrierten Faserverbund-Leichtbau in Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft erstellt wird,
  • im Projekthaus »NanoBioMaster« werden Funktionsmaterialien für Umweltanalytik, Medizintechnik und Diagnostik mit biologischen und synthetischen Bausteinen entwickelt,
  • das »Gauss Center for Supercomputing« beherbergt Europas leistungsstärksten Großrechnerverbund und Hochleistungsrechner für zahlreiche Forschungsaktivitäten zwischen Universität und Automobilindustrie,
  • das »Future City Lab Stuttgart« ist ein Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur.

Daneben gibt es noch viele weitere Forschungsinstitute sowie nicht zuletzt die zahlreichen Forschungsleistungen der in Stuttgart ansässigen global operierenden und mittelständischen Unternehmen. Auch sie tragen zu einer Bereicherung der herausragenden Bedeutung des Standorts Stuttgart in der bundesdeutschen Forschungslandschaft bei.

Die nationale und internationale Anerkennung der Forschungsleistungen schlägt sich zugleich in verschiedenen Untersuchungen zur Innovationskraft von Regionen nieder. In seinen regelmäßigen Untersuchungen zur Innovationskraft von Regionen kommt das Statistische Landesamt zu dem Schluss, dass Baden-Württemberg bei der Innovationsfähigkeit innerhalb der Europäischen Union den Spitzenplatz belegt und der Stadtkreis Stuttgart hinter dem benachbarten Landkreis Böblingen den zweithöchsten Innovationsindex von Baden-Württemberg hat.9 Auch das von der »Wirtschaftswoche« zusammen mit der IW Consult GmbH und ImmobilienScout24 veröffentlichte Städteranking von 201510 kam zu dem Ergebnis, dass Stuttgart eine der forschungsstärksten Städte Deutschlands ist. Bei diesem Ranking wurden 69 kreisfreie Städte Deutschlands unter anderem hinsichtlich der Indikatoren Akademikerquote und Anzahl der Forschungsinstitute gerankt.

Hochschulen und Forschungsinstitute sind zweitwichtigster Arbeitgeber von Stuttgart

Die Hochschulen Stuttgarts bieten einerseits ein großes und breit gefächertes Studienangebot mit vielen Studierenden und herausragenden Forschungsleistungen. Andererseits zählen sie zu den wichtigsten Arbeitgebern in Stuttgart. Im Jahr 2014 waren 15 300 Personen an den Hochschulen der Stadt beschäftigt, darunter 11 400 Wissenschaftler.11 Damit waren die Hochschulen nach der Daimler AG, der übrigen Landesverwaltung und der Stadtverwaltung (einschließlich Krankenhäuser und übrige Eigenbetriebe) der viertgrößte Arbeitgeber im Stadtgebiet.12 Hinzu kommen noch rund 4 000 Beschäftigte in einem der zahlreichen bereits erwähnten Forschungsinstitute. In Summe stehen somit fast 20 000 Beschäftigte in Stuttgart im Dienst von Forschung und Lehre.

Der Anteil der Hochschulen und Forschungsinstitute an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Stuttgart beträgt 5 %.13 Die Arbeitsplätze an den Hochschulen gelten dabei im Allgemeinen als krisensicher, denn bei einem Wirtschaftsabschwung steigt die Tendenz der Studienberechtigten und Absolventen, ein Erst- oder Weiterstudium zu absolvieren.

In wirtschaftlich guten Zeiten stellen die Hochschulen von Stuttgart mit jährlich rund 11 300 Absolventen ein wichtiges und hochqualifiziertes Fachkräftepotential für die Region Stuttgart bereit.14 Nach den Ergebnissen mehrerer Absolventenbefragungen an den beiden Universitäten Stuttgart und Hohenheim finden zwei Drittel der Absolventen einen Job in der Region Stuttgart, der meistens überdurchschnittlich gut bezahlt wird.15

Schließlich liefern die Hochschulen Stuttgarts einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und zu den Finanzeinnahmen der Stadt. So konnte die Stadt Stuttgart aufgrund des Kommunalen Finanzausgleiches im Jahr 2015 dank ihrer Studierenden 14,2 Mill. Euro an Einnahmen erzielen.16 Ferner induzieren die Hochschulen eine erhebliche regionale Nachfragewirkung. Nach einer Untersuchung des Geographischen Instituts der Universität Heidelberg aus dem Jahr 2013 beträgt die durch alle neun Universitäten Baden-Württembergs (ohne Hochschulklinika) ausgelöste Nachfragewirkung mehr als 3,3 Mrd. Euro pro Jahr.17 Bezogen auf die Studierenden kann daher für die Universitäten Stuttgart und Hohenheim von einem Nachfrageeffekt zwischen 600 und 700 Mill. Euro ausgegangen werden.

Die Hochschulen Stuttgarts entwickeln sich dynamisch

In den letzten 10 Jahren haben sich die Hochschulen von Stuttgart sehr dynamisch entwickelt. Das zeigt ein Blick auf die Wachstumsraten wichtiger Kennzahlen. So gab es zuletzt 48 % mehr Studierende, 35 % mehr Beschäftigte, darunter ein Plus von 54 % bei den Wissenschaftlern, 84 % mehr Absolventen und 68 % mehr Drittmitteleinnahmen als jeweils 10 Jahre davor. Dass die Hochschulen nach diesem starken Wachstum zunehmend an ihre Grenzen stoßen, zeigt der langfristige Vergleich von weiteren Kennzahlen. Die Nutzfläche der Hochschulen von Stuttgart hat in den letzten 10 Jahren um bescheidene 5 % zugenommen,18 ihre Finanzausstattung ist abgesehen von den Drittmitteleinnahmen und verschiedenen Ausbauprogrammen des Bundes und Landes nahezu gleich geblieben und die Ausgaben für den Neubau und die Sanierung von Hochschulbauten haben sich ebenfalls kaum verändert.19

Ein weiteres Beispiel für die Belastung der Hochschulen und Studierenden durch die expansive Entwicklung der letzten Jahre ist die Versorgung der Studierenden mit ausreichendem und bezahlbarem Wohnraum. Der Mangel in diesem Bereich ist durch die jedes Jahr zum Wintersemester wiederkehrenden Zeitungsartikel zur Wohnungsnot der Studierenden, aber auch anhand einiger Zahlen dokumentiert. Zurzeit gibt es in Stuttgart in öffentlichen Studentenwohnheimen insgesamt 6 725 Plätze,20 sodass insgesamt nur für rund 11 % aller Studierenden in Stuttgart ein Wohnheimplatz angeboten werden kann.

Resümee

Insgesamt gesehen haben die Hochschulen Stuttgarts eine sehr große Bedeutung für die Wirtschaftskraft und für das Renomee der Stadt als Wissenschaftsstandort. Sie bieten ein reichhaltiges Studienangebot für mehr als 60 000 Studierende, liefern zusammen mit den zahlreichen Forschungsinstituten eine wichtige Grundlage für Forschung und Entwicklung und tragen damit auch zum wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen in der Region bei. Darüber hinaus stellen sie für die Wirtschaft dringend benötigte akademische Arbeitskräfte zur Verfügung, sind gleichzeitig einer der wichtigsten Arbeitgeber Stuttgarts, geben einen nicht zu unterschätzenden wirtschaftlichen Impuls und wachsen dabei noch sehr dynamisch.

Gleichwohl haben die Hochschulen von Stuttgart in der öffentlichen Wahrnehmung nicht den Stellenwert inne, den ihre Bedeutung und Leistungen, wie gezeigt, nahelegen. Dies mag unter anderem daran liegen, dass einige der Hochschulen und ihre Standorte weit über das Stadtgebiet verstreut liegen und die großen stadtbildprägenden Standorte wie der Campus Vaihingen oder der Campus Hohenheim an den Stadträndern angesiedelt sind. Auch weisen die im Zentrum untergebrachten Hochschulen mit wenigen Ausnahmen keine prominente oder stadtbildprägende Erscheinung auf.

Eine optimierte Zusammenarbeit und mehr Kooperationen zwischen allen Beteiligten wie Stadt, Land, Unternehmen und den Hochschulen selbst könnte helfen, den Stellenwert der Hochschulen zu stärken und weiter zu verbessern. So könnte beispielsweise eine von allen Akteuren gemeinsam erarbeitete und getragene Marketingstrategie für die Hochschulen Bestrebungen unterstützen, das Image von Stuttgart als Wissenschaftsstandort im nationalen und internationalen Bewusstsein der Öffentlichkeit nachhaltig zu verbessern.

1 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg. Nach vorläufigen Ergebnissen waren es zum Wintersemester 2015/16 60 741 Studierende.

2 www.stuttgart.de/item/show/154124 (Abruf: 16.02.2016).

3 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg.

4 Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes Nr. 414 vom 11.11.2015.

5 http://nturanking.lis.ntu.edu.tw/ und www.usnews.com/education/best-global-universities/rankings (Abruf: 09.02.2016).

6 Institute für Arbeitswirtschaft und Organisation, für Produktionstechnik und Automatisierung, für Bauphysik, für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik sowie für Raum und Bau.

7 Institute für Festkörperforschung und für Intelligente Systeme.

8 Institute für Bauweisen und Strukturtechnologie, Fahrzeugkonzepte, Technische Physik, Technische Thermodynamik, Verbrennungstechnik, Solarforschung und Systemhaus Technik.

9 Einwiller, Ruth: »Innovationsindex 2014: Kreise und Regionen in Baden-Württemberg«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 2/2015«, S. 5–15.

10 Bahrke, Michael/Kempermann, Hanno: Stadtranking 2015 von IW Consult GmbH, ImmobilienScout24 und Wirtschaftswoche.

11 Quelle: Hochschulstatistik des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg.

12 Landeshauptstadt Stuttgart (Hrsg.): Stuttgart in Zahlen, Ausgabe 2015, https://service.stuttgart.de/lhs-services/komunis/index.php (Abruf: 09.02.2016).

13 Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am 30. Juni 2014, in: Statistische Berichte Baden-Württemberg.

14 Quelle: Hochschulstatistik des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg.

15 www.qe.uni-stuttgart.de/evaluation/absolventenbefragung/auswertung/index.html, www.uni-hohenheim.de/absolventenbefragung (Abruf: 09.02.2016).

16 Kommunaler Finanzausgleich des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg: Saldo aus Schlüsselzuweisungen und voraussichtlicher FAG-Umlage 2017. Die Berechnung von Studierenden mit Hauptwohnsitz in Stuttgart, die außerdem als Einwohner im kommunalen Finanzausgleich berücksichtigt werden, bleibt hier außer Betracht.

17 Glückler, Johannes/Panitz, Robert/Wuttke, Christian: Die wirtschaftliche Bedeutung der Landesuniversitäten für das Land Baden-Württemberg, im Auftrag der Landesrektorenkonferenz Baden-Württemberg. Heidelberg, Oktober 2013.

18 Flächenerhebung von Vermögen und Bau Baden-Württemberg für 2005 und 2014.

19 Ausgaben für den Hochschulbau vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg.

20 Quelle: Studierendenwerke Stuttgart und Tübingen-Hohenheim.