:: 12/2017

Volkswirtschaftliche Effekte des Berufspendelns

Eine Analyse der Arbeitsplatzkonzentration und des Verkehrsaufkommens in Baden-Württemberg

Die Zahl der Berufspendler in Baden-Württemberg ist zwischen 2013 und 2015 deutlich angestiegen. Dies dürfte vor allem auf die gute Konjunkturentwicklung und die damit einhergehende Beschäftigungszunahme zurückzuführen sein. Für das Berichtsjahr 2015 weist die aktuelle Berufspendlerrechnung (siehe i-Punkt »Berufspendlerrechnung 2017«) für Baden-Württemberg insgesamt 5,5 Mill. Erwerbstätige am Wohnort nach. Dabei wuchs die Zahl derer, die täglich zur Arbeit aus ihrer Wohngemeinde auspendeln, um 3,2 %. Insgesamt pendelten im Jahr 2015 somit täglich fast 3,2 Mill. Erwerbstätige aus ihrer Wohngemeinde zur Arbeit. Die Zahl derer, die innerhalb ihrer Wohngemeinde arbeiten, stieg hingegen nur um 1,1 % auf 2,3 Mill. Der bereits seit mehreren Jahren zu beobachtende Trend der stetig steigenden Mobilität der Erwerbstätigen setzte sich demnach weiter fort.

Im vorliegenden Beitrag wird zunächst aufgezeigt, welche volkswirtschaftlichen Vor- und Nachteile theoretisch vom Berufspendeln ausgehen können. Vor diesem Hintergrund wird daraufhin das Ausmaß der räumlichen Konzentration von Arbeitsplätzen in Baden-Württemberg sowie des damit einhergehenden Verkehrsaufkommens anhand aktueller Ergebnisse der Berufspendlerrechnung genauer untersucht.

Ursprünge des Pendelns und gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

Unter Berufspendeln versteht man die aus beruflichen Gründen periodisch wiederkehrenden Wege zwischen Wohnort und Arbeitsstätte. Wird auf dieser Strecke eine Gemeindegrenze überschritten, das heißt liegt der Arbeitsort nicht in der gleichen Gemeinde wie der Wohnort, so gelten die jeweiligen Personen als übergemeindliche Berufspendler.1 Der Ausgangspunkt nennenswerter übergemeindlicher Pendelbewegungen in Deutschland liegt im frühen 19. Jahrhundert als die einsetzende Industrialisierung zu einer zunehmend arbeitsteiligen und spezialisierten Form des Wirtschaftens geführt hat und dadurch das Auseinanderfallen von Arbeits- und Wohnort bewirkte und eng miteinander verflochtene Wirtschaftsräume und Metropolregionen entstehen ließ.2

Die daraus entstandene räumliche Konzentration von Unternehmen und Branchen kann aufgrund geringerer Transaktionskosten (wie zum Beispiel Transportkosten oder Informationsbeschaffungskosten) und durch die gemeinsame Nutzung öffentlicher Infrastruktureinrichtungen zu einer Senkung der Produktionskosten führen. Dies wiederum ermöglicht es den beteiligten Marktakteuren Produktivitätssteigerungen zu realisieren, die ihrerseits Einkommensgewinne für Arbeitnehmer, Unternehmen oder sogar für die ganze Region zur Folge haben können.3

Demnach kann Pendeln dazu beitragen, dass die durch die Ballung von wirtschaftlichen Akteuren an einem Standort erzeugten Wohlfahrtsgewinne – sogenannte Agglomerationsvorteile – stärker genutzt werden können. Denn zum einen vergrößern Berufspendler das Einzugsgebiet lokaler Arbeitsmärkte, wodurch Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage schneller zueinanderfinden und zum anderen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, freie Arbeitsplätze mit Arbeitnehmern zu besetzen, die mit ihren Fertigkeiten und Kenntnissen so nah wie möglich an den entsprechenden Anforderungsprofilen der Unternehmen liegen (besseres Matching). Darüber hinaus kann eine höhere Arbeitsplatzmobilität dazu beitragen Arbeitslosigkeit zu reduzieren und sogenannte Wissensspillovers innerhalb einer Branche zu fördern.4

Allerdings beginnen die negativen Auswirkungen des Pendelns wie etwa Verkehrsstaus, Verkehrsunfälle, verkehrsbedingte Umweltbelastungen (zum Beispiel Schadstoff- und Lärmemissionen) sowie ein wachsender Flächenverbrauch mit zunehmendem Ausmaß der räumlichen Verdichtung ebenfalls zu steigen. In den nachfolgenden Abschnitten sollen sowohl das Ausmaß der räumlichen Konzentration von Arbeitsplätzen als auch der Umfang des durch die Berufspendler verursachten Verkehrsaufkommens in Baden-Württemberg genauer untersucht werden.

Arbeitsplätze sind räumlich stärker konzentriert als erwerbstätige Einwohner

Einen ersten Überblick über die räumliche Konzentration der Erwerbstätigen in Baden-Württemberg gibt die in Schaubild 1 dargestellte Lorenzkurve, die die Verteilung von Erwerbstätigen am Arbeitsort und Wohnort abbildet.5 Dabei kennzeichnet die Winkelhalbierende die exakte Gleichverteilung beider Merkmale. Bei vollständiger Ungleichverteilung von Erwerbstätigen am Arbeitsort und Wohnort (das heißt wenn alle Erwerbstätigen in ein und derselben Gemeinde arbeiten würden) verliefe die Lorenzkurve hingegen zunächst entlang der Abszisse und spränge dann vom Koordinatenpaar (0 %; 100 %) auf den Punkt (100 %; 100 %). Anhand der Lorenzkurve für Baden-Württemberg lässt sich erkennen, dass im Jahr 2015 ein Viertel der erwerbstätigen Wohnbevölkerung in Gemeinden lebte, in denen lediglich rund 12 % der Arbeitsplätze lagen. Die Hälfte der Erwerbstätigen wiederum lebte in Wohnorten die gut 32 % der gesamten Arbeitsplätze auf sich vereinten wobei 75 % der erwerbstätigen Baden-Württemberger ihren Wohnsitz in Gemeinden hatten in denen sich knapp 62 % aller Arbeitsstellen im Land befanden. Es zeigt sich also, dass die Arbeitsplätze im Land deutlich stärker konzentriert sind als die erwerbstätigen Einwohner. Somit ist zumindest ein Teil der täglichen Pendelbewegungen siedlungsstrukturell bedingt, da nicht alle Arbeitnehmer eine Arbeitsstelle in der Nähe ihres Wohnorts oder einen geeigneten Wohnort in der Nähe ihres Arbeitsplatzes finden (wollen).

Einen ergänzenden Ansatz zur Darstellung der räumlichen Verteilung von Erwerbstätigen am Arbeitsort und Wohnort stellt der Gini-Koeffizient dar, der in diesem Zusammenhang auch häufig als Mischungs- bzw. Entmischungsmaß interpretiert wird.6 Der Wert des Gini-Koeffizienten ergibt sich aus der Fläche zwischen Winkelhalbierender und Lorenzkurve in Relation zur Gesamtfläche unterhalb der Winkelhalbierenden und liegt somit im Bereich zwischen 0 und 1. Dabei nimmt der Indikator umso höhere Werte an, je stärker Arbeitsplätze und Wohnorte der Erwerbstätigen auseinanderfallen. Für Baden-Württemberg wies der Gini-Koeffizient im Jahr 2015 mit 0,24 einen vergleichsweise hohen Wert auf.7

Unterschiedliches Pendelverhalten zwischen Verdichtungsräumen, Randzonen und ländlichem Raum

Innerhalb der verschiedenen Raumkategorien Baden-Württembergs (siehe i-Punkt »Raumstruktur gemäß Landesentwicklungsplan«) zeigen sich jedoch gewisse Unterschiede hinsichtlich der räumlichen Verteilung zwischen Erwerbstätigen am Arbeitsort und Wohnort. So war die räumliche Konzentration in den Verdichtungsräumen beispielsweise weniger stark ausgeprägt (Gini-Koeffizient: 0,20) als in den Randzonen um die Verdichtungsräume (Gini-Koeffizient: 0,23). Gleichzeitig weisen die Verdichtungsbereiche im ländlichen Raum eine ausgewogenere Verteilung zwischen Arbeitsplätzen und erwerbstätiger Wohnbevölkerung auf (Gini-Koeffizient: 0,18) als der ländliche Raum im engeren Sinne (Gini-Koeffizient: 0,22).

Diese Beobachtungen lassen sich in erster Linie damit erklären, dass die beiden Verdichtungsräume (RK 1 und RK 3) im Vergleich zu den beiden weniger verdichteten Raumkategorien (RK 2 und RK 4) durch eine deutlich höhere Binnenpendelintensität gekennzeichnet sind. Während etwa in den beiden Verdichtungsräumen 46 % bzw. die 50 % der Beschäftigten in derselben Gemeinde arbeiten, in der sie auch wohnen, sind in den beiden weniger verdichteten Raumkategorien lediglich rund ein Drittel der Arbeitsstellen mit Ortsansässigen besetzt. Eine niedrige Binnenpendelintensität geht per Definition mit einer höheren Auspendelintensität einher. Dementsprechend weisen die Randzonen um die Verdichtungsräume sowie der ländliche Raum im engeren Sinne bei diesem Indikator mit 69 % und 63 % vergleichsweise hohe Werte und die beiden Verdichtungsräume mit 54 % und 50 % hingegen deutlich niedrigere Werte auf.

Die Kennziffer »Intensität des Pendelaufkommens« gibt den Anteil der Arbeitsverhältnisse innerhalb einer Region an, in denen gependelt wird und ermöglicht somit Aussagen zum gesamten Verkehrsaufkommen in einer Region. Dabei kann der Indikator Werte zwischen 0 (es gibt weder Ein- noch Auspendler) und 1 (es gibt keine innergemeindlichen Pendler) annehmen. In Baden-Württemberg waren im Jahr 2015 insgesamt 59 % der Beschäftigungsverhältnisse mit Pendlern besetzt. Aber auch hier zeigen sich zum Teil beträchtliche Unterschiede innerhalb der verschiedenen Raumkategorien. Während zum Beispiel in den Randzonen um die Verdichtungsräume beinahe zwei von drei Arbeitsplätze durch auswärtige Arbeitnehmer besetzt waren, überschritt in den Verdichtungsbereichen im ländlichen Raum nur gut die Hälfte der Erwerbstätigen eine Gemeindegrenze auf ihrem täglichen Weg zur Arbeit.

Ferner unterscheiden sich die Raumkategorien hinsichtlich der Arbeitsplatzausstattung, das heißt dem Quotient aus Arbeitsplätzen (Erwerbstätige am Arbeitsort) und erwerbstätiger Wohnbevölkerung (Erwerbstätige am Wohnort). Die beiden weniger verdichteten Raumkategorien (RK 2 und RK 4) weisen diesbezüglich Werte unter 1 auf und sind demzufolge durch eine quantitative Unterausstattung an Arbeitsplätzen gekennzeichnet. Die Mehrheit der erwerbstätigen Bevölkerung in diesen beiden Raumkategorien ist daher dazu gezwungen eine Tätigkeit außerhalb ihres Wohnorts aufzusuchen. Ein gegensätzliches Bild zeigt sich hingegen bei den beiden Verdichtungsräumen (RK 1 und RK 3). Hier belegt eine Arbeitsplatzausstattung in Höhe von 1,17 bzw. 1,15 eine quantitative Überausstattung mit Arbeitsplätzen, weshalb zumindest ein Teil dieser Arbeitsplätze mit Einpendlern aus anderen Gemeinden besetzt werden muss.

Gute Arbeitsmarktlage lässt Pendlerzahlen weiter steigen …

Im Vergleich zu 2013, dem Berichtsjahr der letzten Berufspendlerrechnung, stiegen die Pendler- und Erwerbstätigenzahlen im aktuellen Beobachtungszeitraum merklich an. Für das Berichtsjahr 2015 weist die aktuelle Berufspendlerrechnung insgesamt 5,5 Mill. Erwerbstätige am Wohnort nach. Davon pendelten 3,2 Mill. täglich zur Arbeit in andere Gemeinden und 2,3 Mill. arbeiteten in ihrer Wohngemeinde. Dies entspricht einem Zuwachs gegenüber 2013 in Höhe von 2,3 % der Erwerbstätigen am Wohnort bzw. 3,2 % der übergemeindlichen Pendler und spiegelt vor allem die positive Entwicklung der Südwestwirtschaft und die damit einhergehende Beschäftigungszunahme der letzten Jahre wider.

Tabelle 2 verdeutlicht wie sich der Zuwachs an Beschäftigungsverhältnissen auf die verschiedenen Pendlerverflechtungen zwischen den einzelnen Raumkategorien verteilt. Mit einem Plus von 70 791 Erwerbstätigen am Arbeitsort verzeichneten die Verdichtungsräume den mit Abstand größten absoluten Anstieg. Davon entfielen alleine 83,6 % auf Erwerbstätige die ihren Wohnort ebenfalls in baden-württembergischen Verdichtungsräumen hatten. Neben den Verdichtungsräumen sind es aber auch deren Randzonen sowie die ländlichen Räume im engeren Sinne die ebenfalls durch einen spürbaren Beschäftigungszuwachs gekennzeichnet sind. So wuchs die Anzahl der Erwerbstätigen deren Arbeitsplatz in diesen Raumkategorien liegt zuletzt um insgesamt 17 833 bzw. 23 414 Personen. Dies ist insofern bemerkenswert, da sich sowohl die Randzonen um die Verdichtungsräume als auch der ländliche Raum im engeren Sinne durch eine vergleichsweise hohe Auspendelintensität auszeichnen.

Von den Einpendlern aus den benachbarten Bundesländern arbeiteten indessen mehr als drei Viertel in den baden-württembergischen Verdichtungsräumen. Da mit den Regionen um Mannheim und Ulm gleich zwei große Verdichtungsräume direkt an der Landesgrenze liegen, ist dies nicht weiter verwunderlich. Betrachtet man hingegen die relative Zunahme der einzelnen Pendlerverflechtungen, dann wird deutlich, dass die Pendelströme aus den Verdichtungsräumen und deren Randzonen in die Verdichtungsbereiche im ländlichen Raum mit 10 % bzw. 11,3 % am stärksten zugenommen haben. Allerdings ist die Zahl der Pendler zwischen den Randzonen und den Verdichtungsbereichen im ländlichen Raum auch in die umgekehrte Richtungen merklich angestiegen. So wuchs die Zahl der Erwerbstätigen die täglich ihren Wohnort im Verdichtungsbereich des ländlichen Raums verlassen um ihren Arbeitsplatz in einer Gemeinde der Randzonen aufzusuchen ebenfalls um 7,1 %. Aufgrund des bereits äußerst hohen Ausgangsniveaus in den Verdichtungsräumen verzeichneten Einpendler in dieser Raumkategorie die geringsten Zuwächse. Dabei war die Veränderung des Einpendlervolumens aus den Verdichtungsbereichen im ländlichen Raum als einzige der betrachteten Pendlerverflechtungen sogar leicht negativ (−0,5 %).

… und führt zu höherem Verkehrsaufkommen

Mit zunehmendem Verkehrsaufkommen beginnen jedoch auch die negativen Auswirkungen des Pendelns, wie zum Beispiel regelmäßige Überlastungserscheinungen der Verkehrsinfrastruktur oder verkehrsbedingte Umweltschäden zu steigen.8 Tabelle 3 vermittelt einen Überblick über das berufsbedingte Verkehrsaufkommen in Baden-Württemberg im Jahr 2015. Demnach legten die Erwerbstätigen am Arbeitsort für die einfache Strecke zwischen Wohnort und Arbeitsplatz täglich rund 65,4 Mill. Kilometer (km) zurück.9 Gegenüber 2013 entspricht dies einem Plus von 3 % bzw. knapp 1,9 Mill. km. Mit 41,3 Mill. km wurden dabei beinahe zwei Drittel der täglichen Wegstrecke von Personen zurückgelegt deren Arbeitsplatz sich im Verdichtungsraum befindet. Die größte prozentuale Zunahme verzeichneten hingegen die Verdichtungsbereiche im ländlichen Raum. So wuchs die Pendeldistanz von Erwerbstätigen in diese Raumkategorie zuletzt um 6,2 % auf insgesamt rund 5,8 Mill. km. Die Erwerbstätigen am Wohnort legten 2015 gut 64 Mill. km und somit eine um 3,2 % bzw. knapp 2 Mill. km größere Wegstrecke zurück als vor 2 Jahren. Rund die Hälfte davon entfiel dabei auf Erwerbstätige deren Wohnort im Verdichtungsraum liegt. Gegenüber 2013 entspricht dies einer Zunahme um 3,8 %.

Ein geeigneter Indikator zur Erfassung der berufsbedingten Verkehrsbelastung innerhalb der verschiedenen Raumkategorien stellt die Kennziffer »Verkehrsaufwand je Arbeitsverhältnis« dar.10 Diese setzt die mit den Distanzen gewichteten Pendelhäufigkeiten der Beschäftigten am Wohn- und Arbeitsort in Relation zur Summe aus Beschäftigten am Wohn- und Arbeitsort der jeweiligen Raumkategorie. Im Landesdurchschnitt betrug der tägliche Arbeitsweg zuletzt 11,7 km. Die größte durchschnittliche Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort lässt sich mit 12,2 km in den Verdichtungsräumen beobachten. Dies dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass sich insbesondere die großen Ballungsräume durch ein breites Angebot hochqualifizierter Arbeitsplätze und einer direkten Anbindung an die Hochgeschwindigkeitsnetze von Schiene und Straße auszeichnen, was im Vergleich zu den übrigen Städten und Gemeinden im Land wiederum zu deutlich größeren Pendlereinzugsgebieten führt.

Die Randzonen um die Verdichtungsräume weisen mit durchschnittlich 10,9 km hingegen den geringsten Verkehrsaufwand je Arbeitsverhältnis auf. Ursächlich hierfür dürfte die Tatsache sein, dass die Randzonen durch einen relativ großen Bevölkerungsanteil gekennzeichnet sind, der seinen Arbeitsplatz im angrenzenden Verdichtungsraum hat und folglich vergleichsweise kurze Anfahrtswege zurücklegen muss. Hinsichtlich der Veränderung gegenüber 2013 lässt sich ein deutlich überdurchschnittlicher Zuwachs lediglich bei den Verdichtungsbereichen im ländlichen Raum erkennen (+2 %). Als Begründung hierfür dient in erster Linie die Tatsache, dass die von den Erwerbstätigen in dieser Raumkategorie zurückgelegte Pendeldistanz mehr als doppelt so stark angestiegen ist als die Anzahl der Erwerbstätigen selbst.

Fazit

Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive trägt Pendeln dazu bei, die räumliche Konzentration von Erwerbstätigen in großen Arbeitsmarktzentren zu ermöglichen, wodurch Produktivitätszuwächse und Outputsteigerungen (sogenannte Agglomerationsvorteile) entstehen können. Wie in diesem Beitrag aufgezeigt wurde, konzentrieren sich die Erwerbstätigen in Baden-Württemberg insbesondere in den großen Verdichtungsräumen wie zum Beispiel dem Raum Stuttgart/Heilbronn, Karlsruhe/Pforzheim oder dem grenzüberschreitenden Verdichtungsraum Rhein-Neckar. Gleichzeitig wurde in den Verdichtungsräumen aber auch das mit Abstand höchste Verkehrsaufkommen gemessen. Da der tägliche Pendelverkehr zu Staus, Lärmbelastung oder wie insbesondere im Fall der Landeshauptstadt Stuttgart zur Feinstaubproblematik beiträgt, stellt dies die negative Kehrseite des Pendelns dar.

Aufgrund des Mangels an natürlichen Ressourcen ist die Verfügbarkeit eines hoch qualifizierten und mobilen Arbeitskräftepotentials für die Wettbewerbsfähigkeit der baden-württembergischen Wirtschaft jedoch von enormer Bedeutung. Denn die Realisierung von Agglomerationsvorteilen in den großen Arbeitsmarktzentren der Verdichtungsräume und ein flexibler Arbeitsmarkt werden auch weiterhin eine wichtige Grundlage für langfristiges Wirtschaftswachstum in Baden-Württemberg darstellen. Eine potentielle Möglichkeit zur Reduzierung des durch Berufspendler verursachten Verkehrsaufkommens bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung oder sogar Erhöhung des Produktivitätsniveaus, bietet die zunehmende Verbreitung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien. Denn diese verringern die Bedeutung räumlicher Nähe für den wirtschaftlichen Erfolg indem sie die Ausweitung von Heim- oder Telearbeitsplätzen fördern.11

1 Die Berufspendlerrechnung des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg unterscheidet die erfassten Erwerbstätigen nach innergemeindlichen und übergemeindlichen Berufspendlern. Befinden sich Wohn- und Arbeitsort in der gleichen Gemeinde, so gelten die entsprechenden Personen als innergemeindliche Berufspendler. Da die genutzten Statistiken jedoch unterhalb der Gemeindeebene keine regionalisierten Angaben ausweisen, ist eine getrennte Darstellung dieser Personengruppe in tatsächliche innergemeindliche Pendler und Nicht-Pendler (Personen bei denen Wohn- und Arbeitsort auf dem gleichen Grundstück liegen) nicht möglich.

2 Wendland, Nicolai/Ahlfeldt, Gabriel (2013): Regionalökonomische Verflechtungsstudie für die Region Rhein-Main-Neckar, im Auftrag der IHK Darmstadt. Berlin.

3 Eine ausführliche Darstellung der volkswirtschaftlichen Effekte des Pendeln findet sich in: BAK Basel Economics AG (2010): Die Volkswirtschaftlichen Effekte des Pendelns, eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Verkehr (BAV). Basel.

4 Die Theorie des Wissensspillovers beruht auf der Feststellung, dass Informationen und Know-how durch die räumliche Nähe zwischen Unternehmen leichter ausgetauscht werden können. Dies wiederum kann mit sinkenden Transaktionskosten und steigender Innovationskraft einhergehen. Insbesondere der Wissensübertragung durch Arbeitsplatzwechsel innerhalb der gleichen Branche kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Denn hierdurch steigern Arbeitnehmer nicht nur das eigene Qualifikationsniveau, sondern vergrößern gleichzeitig das Know-how des jeweiligen Unternehmens und somit der gesamten Branche.

5 Bei der in diesem Beitrag dargestellten Lorenzkurve werden zwei Merkmale abgebildet (Erwerbstätige am Arbeitsort und Erwerbstätige am Wohnort) deren kumulierten Anteile an der jeweiligen Merkmalssumme an den beiden Achsen abgetragen sind. Die auf diese Wiese gebildete Lorenzkurve unterscheidet sich somit von der klassischen Lorenzkurve, bei der lediglich ein Merkmal nach Merkmalssumme und Merkmalsträgern differenziert wird.

6 Hirschfeld, Markus (1999): Zum Zusammenhang von Funktionsmischung und Pendelverkehr. Eine empirische Untersuchung für städtische Arbeitsmarktregionen in Schleswig-Holstein, Gesellschaft für Regionalforschung, Seminarbericht 41. Kiel.

7 Für Nordrhein-Westfalen wurden für die Jahre 1987 und 2007 beispielsweise Gini-Koeffizienten in Höhe von 0,16 bzw. 0,18 ermittelt. Vergleiche Guth, Dennis/Holz-Rau, Christian/Maciolek, Markus (2010): Indikatoren für Berufspendelanalysen. Datengrundlagen und Anwendungsbeispiele. Raum und Mobilität – Arbeitspapiere des Fachgebiets Verkehrswesen und Verkehrsplanung, Technische Universität Dortmund.

8 Die Berufspendlerrechnung für Baden-Württemberg liefert keine Informationen zur Verkehrsmittelwahl der Erwerbstätigen. Allerdings zeigen aktuelle Ergebnisse des Mikrozensus 2016, dass der Berufsverkehr in Baden-Württemberg überwiegend aus motorisiertem Individualverkehr besteht. Knapp die Hälfte der Erwerbstätigen, die in derselben Gemeinde wohnen und arbeiten sowie 84 % der Pendler zwischen den Gemeinden des Landes legt demnach die Wegstrecke zur Arbeit überwiegend mit dem Auto oder dem motorisierten Zweirad zurück.

9 Als Schätzgröße für die Länge des Arbeitsweges dient bei Pendlern über Gemeindegrenzen die Luftlinienentfernung zwischen den Mittelpunkten der Wohn- und der Arbeitsgemeinde. Bei Erwerbstätigen, die in der Wohngemeine arbeiten, wird der Radius der als Kreis gedachten Gemeindefläche herangezogen. Die tatsächlich zurückzulegende Weglänge schwankt je nach Verkehrsmittel und topografischen Gegebenheiten.

10 Guth, Dennis/Holz-Rau, Christian/Maciolek, Markus (2010): Indikatoren für Berufspendelanalysen. Datengrundlagen und Anwendungsbeispiele. Raum und Mobilität – Arbeitspapiere des Fachgebiets Verkehrswesen und Verkehrsplanung, Technische Universität Dortmund.

11 BAK Basel Economics AG (2010): Die Volkswirtschaftlichen Effekte des Pendelns. Eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Verkehr (BAV). Basel.