:: 12/2017

Von Spitzensteuersatzzahlenden und Einkommensmillionären

Hohe Einkommen und deren Besteuerung in Baden-Württemberg 2013

In der öffentlichen Debatte wird die Besteuerung hoher Einkommen immer wieder thematisiert. Es wird zum Beispiel darüber diskutiert, ob der Spitzensteuersatz erst ab höheren Einkommen greifen oder der Reichensteuersatz erhöht werden sollte. Zudem wird diskutiert, ob im oberen Bereich der Einkommensverteilung immer mehr verdient wird, während die mittleren und niedrigen Einkommen eher schlechter dastehen. Da hohe Einkommen mit der Lohn- und Einkommensteuerstatistik besonders gut analysiert werden können, werden im folgenden Beitrag einige Fakten zu diesen Debatten für Baden-Württemberg dargestellt.

Rund 331 000 Steuerpflichtige zahlten Spitzensteuersatz …

Die beiden obersten Stufen des progressiven Steuertarifs werden gemeinhin als Spitzen- bzw. Reichensteuersatz bezeichnet. Der Spitzensteuersatz von 42 % griff im Veranlagungsjahr 2013 bei einem zu versteuernden Einkommen zwischen 52 882 und 250 730 Euro bei Einzelpersonen (Grundtabelle) bzw. 105 764 bis 501 642 Euro bei Ehegatten bzw. Lebenspartnern (Splittingtabelle). Nach der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2013 hatten in Baden-Württemberg rund 331 000 Einkommensteuerpflichtige ein zu versteuerndes Einkommen in diesem Bereich und zahlten daher den Grenzsteuersatz von 42 %. Dies sind rund 6,1 % der Einkommensteuerpflichtigen. Sie erzielten 20,1 % des Gesamtbetrags der Einkünfte1 und zahlten 31,4 % der festgesetzten Einkommensteuer. Damit war der Anteil der festgesetzten Steuer in dieser Gruppe fünfmal so hoch, wie ihr Anteil an den Steuerpflichtigen – dies ist sowohl durch deren großen Anteil am Einkommen insgesamt als auch durch den progressiven Steuertarif bedingt.

Einkommensteuerpflichtige mit Spitzensteuersatz zahlten einen Durchschnittssteuersatz von rund 32,1 %. Dieser setzt die festgesetzte Einkommensteuer ins Verhältnis zum zu versteuernden Einkommen, reflektiert also die effektive Steuerbelastung. In der öffentlichen Debatte wird er häufig mit dem Grenzsteuersatz verwechselt (siehe i-Punkt »Der Grenz- und Durchschnittssteuersatz«).

… und 12 000 Steuerpflichtige den Reichensteuersatz.

Der sogenannte Reichensteuersatz griff ab einem zu versteuernden Einkommen von 250 731 Euro (bzw. 501 462 Euro bei zusammen veranlagten Ehegatten bzw. Lebenspartnerschaften). Dies betraf in Baden-Württemberg rund 12 000 Einkommensteuerpflichtige (0,2 %). Sie erzielten 6,6 % der Einkommen und zahlten12,4 % der festgesetzten Einkommensteuer. In dieser Gruppe lag die durchschnittliche Steuerbelastung bei rund 35,4 % des zu versteuernden Einkommens und damit gut 3 Prozentpunkte über dem der Spitzensteuersatzzahlenden.

Die Lohn- und Einkommensteuerstatistik ist besonders gut für die Analyse höherer Einkommen geeignet, da diese weitgehend und mit umfangreichem Merkmalskatalog erfasst werden.2 Neben den Spitzen- und Reichensteuersatzzahlenden werden im Folgenden daher jährliche Einkommen ab 125 000 Euro betrachtet. Diese Schwelle wurde gewählt, da sie dem dreifachen Durchschnittseinkommen von 39 292 Euro in der betrachteten Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2013 in Baden-Württemberg entspricht und damit einer der gängigen Reichtumsschwellen von 200 %, 300 % oder 500 % des Durchschnittseinkommens3.

Tabelle 2 zeigt die unbeschränkt Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen nach Größenklassen4. Insgesamt erzielten rund 173 000 Lohn- und Einkommensteuerpflichtige einen Gesamtbetrag der Einkünfte ab 125 000 Euro jährlich (3,2 % aller Einkommensteuerpflichtigen). Ihr Gesamtbetrag der Einkünfte summierte sich auf rund 44,8 Mrd. Euro (20,9 % aller Einkünfte). Das heißt, ihr Anteil am Gesamtbetrag der Einkünfte lag rund siebenmal höher als ihr Anteil an den Steuerpflichtigen. Bei den Steuerpflichtigen mit Einkommen ab 125 000 Euro wurden zudem 35 % der Lohn- und Einkommensteuer für 2013 festgesetzt.

Steuerpflichtige mit hohen Einkommen überwiegend mit zwei Einkommensbeziehenden zusammen veranlagt

Die Lohn- und Einkommensteuerstatistik erfasst Steuerpflichtige – dies kann sowohl eine Einzelperson sein, die nach der Grundtabelle besteuert wird, als auch eine Zusammenveranlagung von Ehepaaren bzw. Personen in Lebenspartnerschaften. Schaubild 1 zeigt die Einkünfte nach Besteuerungsart, das heißt ob ein Steuerpflichtiger nach Grund- oder Splittingtabelle veranlagt wurde. Für zusammenveranlagte Steuerpflichtige wird zudem unterschieden, ob ein oder zwei Einkommen bezogen werden. Steuerpflichtige mit hohen Einkommen sind demnach hauptsächlich zusammen veranlagte Steuerpflichtige, bei denen beide Einkommen beziehen (64,5 % bis 75 % je nach Größenklasse). Der Anteil der Einverdiener-Ehen bzw. Lebenspartnerschaften liegt zwischen 8,7 % und 10,5 % und damit im Vergleich recht niedrig. Die Veranlagungen nach der Grundtabelle machten je nach Größenklasse zwischen 15,8 % und 24,7 % aus. Bei den Einkommensmillionären wurde damit knapp jeder vierte nach der Grundtabelle besteuert. Festzuhalten bleibt jedoch, dass der durchschnittliche Steuerpflichtige mit einem Einkommen ab 125 000 Euro in einer Ehe bzw. Lebenspartnerschaft lebt, und beide eigene Einkünfte beziehen. Diese Struktur sticht besonders im Vergleich zu Steuerpflichtigen mit Jahreseinkünften unter 125 000 Euro hervor: Hier sind rund 60,8 % nach der Grundtabelle besteuert und in der Splittingtabelle beziehen nur 24,5 % zwei Einkommen und 6,9 % ein Einkommen.

Einkunftsarten in der Einkommensteuer

Ein weiterer interessanter Aspekt bei der Analyse der Lohn- und Einkommensteuerstatistik sind die verschiedenen Einkunftsarten: Neben Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, also Einkünften die als abhängig beschäftigte/-r Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer erzielt werden, werden noch sechs weitere Einkunftsarten erfasst: Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte (siehe i-Punkt »Einkunftsarten im Einkommensteuergesetz«). Ein Steuerpflichtiger kann verschiedene Einkunftsarten haben, beispielsweise Einkünfte aus der Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) und gleichzeitig Einkünfte aus der Vermietung einer Wohnung (Vermietung und Verpachtung). Da zusammenveranlagte Ehegatten als ein Steuerpflichtiger behandelt werden, kann es auch auf diese Weise zu einer Kombination von verschiedenen Einkunftsarten kommen.

Einkünfte aus Gewerbebetrieb in höheren Einkommensgruppen wichtig

Über die verschiedenen Größenklassen variiert die Rolle der einzelnen Einkunftsarten stark. Schaubild 2 zeigt den Anteil der jeweiligen Einkunftsart nach Größenklassen. Bei den Einkommensteuerpflichtigen mit Einkünften zwischen 125 000 und 250 000 Euro stammten 67,7 % der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Der Anteil der nichtselbstständigen Arbeit sinkt allerdings mit steigender Einkunftsgrößenklasse bis auf 11,8 % unter den Einkommensmillionären. Die größte Rolle spielen hier vermutlich Angestellte in mittleren bis hohen Führungsebenen.

Der Anteil der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit liegt mit 24,9 % bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte zwischen 250 000 und 500 000 Euro am höchsten, zwischen 500 000 und 1 000 000 Euro spielen sie mit 22,5 % auch noch eine gewichtige Rolle. Hier finden sich Einkommensteuerpflichtige wie Rechtsanwältinnen und -anwälte, Notarinnen und Notare, Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Freiberuflerinnen und Freiberufler wider.

Der Anteil der Einkünfte aus Gewerbebetrieb liegt bei einem Einkommen von 125 000 bis 250 000 Euro noch bei 14,5 %, steigt dann aber kontinuierlich bis 78,4 % unter den Einkommensmillionären. Hierzu zählen gewerbliche Einkünfte, die beispielsweise als Einzelunternehmer und durch Beteiligungen an einer Personengesellschaft erzielt werden.

Hohe Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Beteiligungen und Veräußerungsgewinne

In der Einkommensteuer werden zum Zweck der Besteuerung unterschiedliche Quellen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasst, die im Folgenden dargestellt werden. Einkünfte als Einzelunternehmer stammen beispielsweise aus Handwerks- oder Handelsbetrieben, während Einkünfte aus Beteiligungen durch die Beteiligung eines Steuerpflichtigen an gewerblichen Personengesellschaften entstehen. Einkünfte aus Veräußerungsgewinnen bestehen aus Veräußerungen von Unternehmen(-santeilen).

In Tabelle 3 sind die verschiedenen Einkunftsquellen im Gewerbebetrieb nach Größenklassen dargestellt. Auch hier zeigt sich, dass sich deren Bedeutung über die Größenklassen hinweg unterscheidet. Einkünfte als Einzelunternehmer sind mit Abstand am häufigsten bei Einkünften bis 125 000 Euro vertreten. Zudem entfielen von den rund 8 Mrd. Euro Einkünften aus Gewerbebetrieb in dieser Größenklasse 7 Mrd. Euro allein auf Einzelunternehmen. Bei den Einkommensmillionären machten diese nur 794 Mill. Euro aus. Gewerbliche Einkünfte aus Beteiligungen an Personengesellschaften spielten bei den Millionären hingegen eine sehr große Rolle: Gut 2 000 der insgesamt 2 606 Einkommensmillionäre mit Einkünften aus Gewerbebetrieb erzielten Einkünfte aus Beteiligungen, welche 5 Mrd. Euro der insgesamt 7 Mrd. Euro ihrer Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausmachten. Zudem waren Veräußerungsgewinne mit über 1 Mrd. Euro eine vergleichsweise wichtige Einkommensquelle, allerdings nur für 319 von ihnen.

Entwicklung der höheren Einkünfte von 2004 bis 2013

Abschließend fasst Tabelle 4 die Entwicklung der einzelnen Einkunftsarten über die Statistikjahre 2004, 2007, 2010 und 2013 zusammen5, um darzustellen, wie sich Einkünfte in diesem Zeitraum entwickelt haben.

Insgesamt zeigt sich für die drei Einkunftsarten, Gewerbebetrieb, selbstständige und nicht­selbstständige Arbeit, dass die Einkünfte über den betrachteten Zeitraum stetig stiegen, wobei von 2007 zu 2010 der jeweilige Anstieg deutlich geringer ausfiel. Auffällig ist allerdings, dass die Anzahl der Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit 2007 deutlich höher lag als in den restlichen Statistikjahren. Da die Statistik in den Jahren 2008 und 2009 nicht erhoben wurde, können diese Jahre der Finanzkrise 2008/09 nicht genauer analysiert werden.6

Allerdings bestätigt die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Baden-Württemberg die beschriebenen Entwicklung der Einkünfte: Sie zeigt, dass das BIP 2007 im Vergleich zum Vorjahr preisbereinigt noch um 3,9 % gewachsen ist. Nach einem Einbruch im Jahr 2009 (−9,1 %), lag das reale Wirtschaftswachstum 2010 gegenüber dem Vorjahr bereits wieder bei 7,7 %. Auch absolut gesehen hatte das BIP in jeweiligen Preisen 2010 mit 385 Mrd. Euro den Wert von 2007 (377 Mrd. Euro) bereits wieder leicht übertroffen.7

Unter den Einkommensmillionären stiegen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 2007 im Vergleich zu 2010 leicht, während Einkünfte aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit in dieser Größenklasse sanken. Die Anzahl der Einkommensmillionäre sank hingegen in allen drei Einkunftsarten deutlich. Dies dürfte auch ein Hinweis darauf sein, dass einige Steuerpflichtige durch Einkommenseinbußen 2010 in niedrigeren Größenklassen zu finden waren.

1 Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden der Gesamtbetrag der Einkünfte als Einkünfte bzw. Einkommen bezeichnet.

2 Ausnahmen sind die Einkünfte aus Kapitalvermögen, da diese seit der Einführung der Abgeltungssteuer in der Regel nicht mehr in die Einkommensteuerveranlagung einfließen.

3 Vergleiche Erster Armuts- und Reichtumsbericht Baden-Württemberg, Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg, Stuttgart 2015.

4 Für diesen Beitrag wurden die Größenklassen bis 125 000 Euro zusammengefasst, für detailliertere Informationen siehe Statistische Berichte Baden-Württemberg L IV 3 – j/13 https://www.statistik-bw.de/Service/Veroeff/Statistische_Berichte/394313001.pdf (Abruf: 24.01.2018).

5 In diesem Zeitraum wurde die Lohn- und Einkommensteuerstatistik nur alle 3 Jahre erhoben.

6 Die jährliche Einkommenssteuerstatistik für 2009, die nur auf Bundesebene erhoben wurde, zeigt einen Einbruch im Einkommen und zu versteuernden Einkommen von 3,4 % bzw. 3,6 %, die festzusetzende Einkommensteuer sank um 5,7 %.

7 Vergleiche Arbeitskreis »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder«.