:: 10/2018

100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland

Frauen sind in deutschen Parlamenten auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts unterrepräsentiert

Am 12. November 1918 verkündete der Rat der Volksbeauftragten das aktive und passive Wahlrecht für Frauen und Männer im Alter von mindestens 20 Jahren. Ab diesem Zeitpunkt konnten Frauen nun sowohl ihre Stimme bei Wahlen abgeben, als auch zur Wahl als Kandidatin aufgestellt werden. Die erste Wahl, bei der Frauen ihre neugewonnenen Rechte ausüben konnten, fand im Januar 1919 statt. Damals erhielten 37 Frauen ein Mandat und zogen in das Parlament mit 423 Abgeordneten ein.

Obwohl die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Deutschland seitdem große Fortschritte gemacht hat, bleibt die Zahl weiblicher Abgeordneter weiterhin deutlich hinter dem tatsächlichen Frauenanteil innerhalb der Bevölkerung zurück. Lediglich 30,9 % der Abgeordneten im aktuellen Bundestag sind weiblich. Im Landtag von Baden-Württemberg liegt der Anteil mit 24,5 % sogar noch deutlich niedriger. Zusätzlich zu der vergleichsweise geringen Zahl an Parlamentarierinnen leiteten bisher deutlich weniger Frauen als Männer ein Ministerium.

Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die historische Entwicklung hin zur Einführung des Frauenwahlrechts und dessen Folgen. Zudem wird betrachtet, wie sich die Repräsentation von Frauen in der Politik seitdem entwickelt hat. Dabei liegt der Fokus vor allem auf Ergebnissen von Parlamentswahlen in Baden-Württemberg und auf Bundesebene. 1

Einführung des Frauenwahlrechts

Als erstes europäisches Land reformierte Finnland bereits 1906 sein Wahlrecht und führte das aktive und passive Wahlrecht2 für Frauen ein. Bis 1921 folgten neben Deutschland unter anderem Dänemark, Island, Polen, die USA und Schweden.

Im November 1918 erhielten auch Frauen in Deutschland das aktive und passive Wahlrecht für reichsweite Wahlen. Erstmals ausüben konnten sie dieses Recht bei der Wahl zur Weimarer Nationalversammlung am 19. Januar 1919. Von insgesamt 300 Frauen, die für einen Sitz im Parlament kandidierten, erhielten 37 ein Mandat. Der Weg bis zu diesem Punkt war jedoch lang und mühsam.

Die Forderung nach einem allgemeinen Wahlrecht für Männer und Frauen kam bereits im 18. Jahrhundert während der französischen Revolution auf – eingeführt wurde es allerdings nur für den männlichen Teil der (französischen) Bevölkerung (Notz/Wickert 2008: 11). Im Zuge der Revolution von 1848/49 erhielten die Rechte von Frauen auch in Deutschland mehr Beachtung. Durchsetzen konnten sie ihre Forderungen zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht.3 Noch bis 1908 duften Frauen per Gesetz weder Mitglied einer Partei werden, noch an politischen Versammlungen teilnehmen.

Die deutsche Frauenbewegung zeigte sich über Jahre uneins bezüglich der tatsächlichen Ausgestaltung des Frauenwahlrechts. So vertraten weite Teile der bürgerlichen Frauenbewegung die Auffassung, dass die Ausweitung des bestehenden Wahlrechts, welches unter anderem an Besitz gekoppelt war, auf Frauen ausreichend sei. Die Einführung eines allgemeinen Wahlrechts unabhängig von Geschlecht und Klasse, wie die proletarische Frauenbewegung forderte, wurde von weiten Teilen der bürgerlichen Frauenbewegung wenn überhaupt als entferntes Ziel angesehen (Heinsohn 2010: 48 ff.; Notz/Wickert 2008: 15 f.). Unterstützung von politischer Seite erhielt die Frauenbewegung in dieser Zeit lediglich von der SPD. Die Sozialdemokraten hatten das Frauenwahlrecht bereits in ihr Parteiprogramm von 1891 aufgenommen und unterstützten damit die Forderungen der proletarischen Frauenbewegung.4 Im Gegensatz dazu konnten die bürgerlichen Frauenvereine nicht auf die Unterstützung der ihr ideologisch nahestehenden (konservativen) Parteien zählen, die eine Gleichberechtigung von Mann und Frau im politischen Raum ablehnten.

Diese Zerrissenheit innerhalb der deutschen Frauenbewegung erschwerte die Etablierung gleicher politischer Rechte erheblich. Schließlich konnte durch den Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 der Kampf für das Frauenwahlrecht nur noch eingeschränkt fortgesetzt werden und verlor für viele zudem an Bedeutung. Erst mit Ende des Krieges (1918) erhielt die deutsche Frauenbewegung neuen Aufschwung. Über politische Lager hinweg traten nun die wichtigsten Frauenvereine für eine grundlegende Reform des Wahlrechts ein (Clemens 1990: 107 ff.). Verstärkt durch die Ereignisse der Novemberrevolution im Jahr 1918 ergaben sich schließlich Rahmenbedingungen, die eine Ausweitung des Wahlrechts auf alle Bürgerinnen und Bürger ermöglichten. Per Dekret des Rates der Volksbeauftragten wurde am 12. November 1918 das gleiche, geheime, direkte und allgemeine Wahlrecht für alle Männer und Frauen im Alter von mindestens 20 Jahren eingeführt (Notz/Wickert 2008: 28).

Erstmalig zur Anwendung kam das neue Wahlrecht bei der Wahl zur Nationalversammlung im Januar 1919. Insgesamt entschieden sich damals 89,4 % der wahlberechtigten Männer5 und 87,7 % der Frauen für die Abgabe ihrer Stimme (Clemens 1990: 112).6 Mit 37 Frauen waren 8,7 % der 423 gewählten Abgeordneten weiblich. Ein deutlich höherer Frauenanteil wurde erst bei der Wahl zum 10. Bundestag im Jahr 1983 wieder erreicht (9,8 %). Insgesamt blieb der Frauenanteil im Parlament sowohl von 1918 bis 1933 als auch von 1949 bis 1983 stets unter 10 %. Damit wird deutlich, dass das gleiche Wahlrecht für Männer und Frauen zwar auf dem Papier Gleichberechtigung herstellte. In der Realität trat ein nachhaltiger Wandel der politischen Kultur allerdings erst viele Jahre später ein (Heinsohn 2018: 40).

Das Wahlverhalten von Frauen während der Weimarer Republik

Die Betrachtung des Wahlverhaltens von Frauen zur Zeit der Weimarer Republik macht deutlich, dass die Wählerinnen seltener ihre Stimme radikalen Parteien gaben. Zusätzlich wählten Frauen häufiger konservative bzw. stark religiös geprägte Parteien. Obwohl die SPD als einzige Partei das Wahlrecht für Frauen frühzeitig in ihr Parteiprogramm aufgenommen und sich für dessen Umsetzung eingesetzt hatte, brachte die Wahlrechtsreform der Partei keinen Stimmenvorteil. Ein Linksruck, wie er von vielen Gegnern des Frauenwahlrechts befürchtet worden war, blieb aus (Heinsohn 2018: 42; Hochreuther 1992: 16).

Der starke Rückhalt konservativer, oft antidemokratischer Parteien bei weiten Teilen der weiblichen Bevölkerung begünstigte den Fortbestand alter Rollenbilder. Indem sie der zunehmenden Verdrängung von Frauenpolitischen Themen an den Rand der Bedeutungslosigkeit nichts entgegensetzten oder diese sogar vorantrieben, nahmen sich konservative Politikerinnen zu einem gewissen Teil selbst ihre politischen Einflussmöglichkeiten (Heinsohn 2010: 211 ff.; Hochreuther 1992: 16).

Insbesondere ab 1928 war ein zunehmender Aufstieg antidemokratischer Kräfte innerhalb der Parteienlandschaft der Weimarer Republik zu verzeichnen. Dieser gipfelte schließlich in der Machtergreifung Hitlers und der Nationalsozialisten, was einen massiven Rückschritt für die staatsbürgerlichen Rechte der Frauen bedeutete.7 Eine aktive Mitwirkung am öffentlichen Leben durch politische Ämter wurde für Frauen in der nationalsozialistischen Diktatur grundsätzlich ausgeschlossen. Zu diesem Zweck wurde unter anderem das passive Wahlrecht für den weiblichen Teil der Bevölkerung abgeschafft (Heinsohn 2018: 43). Bis zur Einführung des Grundgesetzes im Mai 1949 blieb Frauen damit ein wichtiger Teil ihrer politischen Rechte verwehrt.

Das Wahlverhalten in Baden-Württemberg nach 19498

Die Tendenz von Wählerinnen, eher konservativen Parteien ihre Stimme zu geben, lässt sich zu weiten Teilen auch für Wahlen nach 1949 feststellen. Insbesondere die CDU erhielt über viele Jahre hinweg die Mehrheit ihrer Stimmen bei Landtags-, Bundestags- und Europawahlen in Baden-Württemberg von Frauen. Auch bei der Bundestagswahl 2017 entschieden sich in Baden-Württemberg in allen Altersgruppen mehr Frauen als Männer für die Wahl der Christdemokraten. Am deutlichsten war der Unterschied bei den mindesten 70 Jahre alten Wählerinnen und Wählern. In dieser Gruppe entschieden sich 51,6 % der Wählerinnen, aber nur 41,5 % der Wähler für die CDU. Für die Landtags- und Europawahlen kann zudem festgestellt werden, dass die CDU bei den jüngsten und ältesten Wählerinnen seit 1980 (Landtagswahl) bzw. 1979 (Europawahl) durchgängig höhere Stimmenanteile erhielt, als von den gleichaltrigen Wählern.

Die SPD erreichte in Baden-Württemberg je nach Wahljahr und Altersgruppe mal höhere Werte bei den Frauen, mal bei den Männern. Während die Partei bei den Bundestagswahlen 2002 und 2005 über alle Altersgruppen hinweg höhere Stimmenanteile bei den Wählerinnen erhielt, kehrte sich diese Tendenz bei den Bundestagswahlen 2009 und 2013 fast vollständig um. Bei der Bundestagswahl 2017 lagen die Stimmenanteile der Sozialdemokraten lediglich bei den mindestens 60-jährigen Wählern über dem der Wählerinnen. Für Landtags- und Europawahlen kann festgehalten werden, dass die SPD insbesondere bei den jüngeren Frauen im Vergleich zu den gleichaltrigen Männern höhere Anteilswerte verzeichnen konnte. Umgekehrt erhielt die Partei insbesondere bei den mindestens 60 Jahre alten Wählerinnen und Wählern über Jahre tendenziell mehr Stimmen von Männern.

Für die GRÜNEN wird sowohl für Landtags- als auch für Bundestags- und Europawahlen deutlich, dass die Partei kurz nach ihrer Gründung zunächst höhere Stimmenanteile von Männern erhielten. Ab Ende der 1980er- bzw. Anfang der 1990er-Jahre wandelte sich diese Verteilung jedoch deutlich. Seit der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl erhielt die Partei die Mehrheit ihrer Stimmen von Frauen. Auch bei der Bundestagswahl 2017 erhielt die Partei in Baden-Württemberg über alle Altersgruppen hinweg mehr Stimmen von den Wählerinnen.

Die FDP wurde bei der Bundestagswahl 2017 häufiger von Männern als von Frauen gewählt. Während die Zweitstimmenanteile der Partei bei den Wählerinnen je nach Altersgruppe zwischen 10,7 % und 11,9 % lagen, entschieden sich zwischen 12,5 % und 19,1 % der Wähler für die Liberalen. Im Vergleich mit anderen Parlamentswahlen in Baden-Württemberg wird deutlich, dass diese Tendenz bei Bundestagswahlen am stärksten ausgeprägt ist. Lediglich bei der Bundestagswahl 1980 lag der Stimmenanteil der FDP bei den Frauen in fast allen Altersgruppen etwas über dem der Männer. Für Landtags- und Europawahlen kann darüber hinaus für den Zeitraum zwischen 1988 und 1994 festgestellt werden, dass die FDP höhere Stimmenanteile von den Wählerinnen erhielt. Seit Ende der 1990er-Jahre zeigt sich jedoch eindeutig, dass die FDP in der Gruppe der Wähler stets höhere Stimmenanteile erreichen konnte als bei den Wählerinnen.

Ähnlich wie die FDP – jedoch in deutlich stärkerer Ausprägung – erhielt auch die AfD bei der Bundestagswahl 2017 höhere Stimmenanteile bei den Männern. Insgesamt entschieden sich in Baden-Württemberg 15,8 % der Wähler für die Partei. Im Gegensatz dazu gaben lediglich 8,7 % der Wählerinnen ihre Stimme der AfD. Noch deutlicher werden diese Unterschiede bei der Betrachtung der Altersgruppen. Von den 35 bis 44 Jahre alten Männern, die an der Wahl teilgenommen haben, gaben 19 % ihre Stimme der AfD. Gleichzeitig wählten lediglich 10,2 % der Wählerinnen in dieser Altersgruppe die Partei. Auch bei der Landtagswahl 2016 sowie der Europawahl 2014 wurde die AfD über alle Altersgruppen hinweg häufiger von Männern als von Frauen gewählt.

DIE LINKE punktete ebenfalls besonders häufig beim männlichen Teil der Wahlberechtigten. Bei der Bundestagswahl 2017 entschieden sich in fast allen Altersgruppen mehr Baden-Württemberger als Baden-Württembergerinnen für die Partei. Lediglich bei den jüngsten Wählerinnen und Wählern (18 bis 24 Jahre) lag der Stimmenanteil der Partei bei den Frauen um 0,2 Prozentpunkte über dem der Männer. Für Landtags- und Europawahlen lässt sich eine ähnliche Tendenz feststellen.

Frauen im Parlament ab 1949

Zusätzlich zur reinen Teilnahme an Wahlen als Wählerinnen steht Frauen seit 1949 wieder die Möglichkeit offen, sich als Kandidatin aufstellen und wählen zu lassen. Doch obwohl das aktive und passive Wahlrecht für Frauen und Männer seit vielen Jahren gleichermaßen gilt, zeigt sich innerhalb der Parlamente weiterhin ein deutliches Übergewicht männlicher Abgeordneter.

Bei der ersten Wahl zum Deutschen Bundestag im Jahr 1949 kandidierten 207 Frauen für ein Mandat. Damit bildeten die Frauen mit einem Anteil von 8,9 % unter den Bewerberinnen und Bewerbern eine klare Minderheit. Im Parlament selbst betrug der Anteil weiblicher Abgeordneter letztendlich nur 6,8 % (28 Frauen bei insgesamt 410 Abgeordneten). Den größten Frauenanteil unter ihren Abgeordneten wies dabei mit 20 % die Partei Zentrum auf, gefolgt von der SPD mit 9,6 %. Von den Abgeordneten der Union waren 7,7 % weiblich, während die FDP keine einzige Frau in den ersten Bundestag entsandte. Bei den darauffolgenden Wahlen in den Jahren von 1953 bis 1983 bewegte sich der Frauenanteil im Deutschen Bundestag stets auf einem niedrigen Niveau zwischen 5,8 % und 9,8 %.

Erst im Zuge der 1980er-Jahre setzte ein Wandel der politischen Kultur ein, der sich unter anderem in einer Erhöhung der Zahl weiblicher Abgeordneter äußerte. Im Jahr 1987, bei der Wahl zum 11. Bundestag, war erstmals gut ein Viertel der Personen, die sich um ein Mandat bewarben weiblich (25,4 %). Insgesamt gingen 80 der 514 Mandate an Frauen, was einem Anteil von 15,4 % entspricht. Es dauerte damit insgesamt 38 Jahre bis der Frauenanteil im Bundestag erstmals über 10 % stieg. Während der Frauenanteil in den Fraktionen von Union (7,7 %), SPD (16,1 %) und FDP (12,5 %) weiterhin deutlich unter 20 % blieb, bildeten die Frauen innerhalb der Fraktion der GRÜNEN damals sogar eine Mehrheit (56,8 %).

Im Jahr 2013 erreichte der Frauenanteil im Bundestag mit 36,3 % schließlich seinen bisherigen Höchststand. Allerdings sank der Anteil weiblicher Parlamentsmitglieder bei der letzten Bundestagswahl (2017) um 5,4 Prozentpunkte auf 30,9 % und fiel damit zurück auf das Niveau von 1998. Obwohl der 19. Bundestag im Vergleich zur vorangegangenen Wahl (2013) deutlich mehr Abgeordnete umfasst, sank die Zahl der Parlamentarierinnen um elf Personen. Insbesondere der erstmalige Einzug der AfD hat zu diesem deutlichen Rückgang des Frauenanteils beigetragen. Die Partei bildet mit 92 Abgeordneten die drittstärkste Kraft im Parlament. Allerdings sind lediglich 10,8 % der Abgeordneten weiblich. Den nächsthöheren und gleichzeitig fast doppelt so hohen Frauenanteil erreicht die CDU mit 19,9 %. Spitzenreiter sind die GRÜNEN, bei denen 58,2 % der Mandate an Frauen gingen (SPD: 41,8 %; FDP: 23,8 %; Die LINKE: 53,6 %).

Im Landtag von Baden-Württemberg betrug der Frauenanteil nach der letzten Landtagswahl (2016) 24,5 %. Damit ist nicht einmal ein Viertel der Abgeordneten weiblich und das, obwohl Frauen gut die Hälfte der baden-württembergischen Bevölkerung ausmachen (50,4 %9). Zwar stellt dieser Frauenanteil für das baden-württembergische Parlament einen bisherigen Höchststand dar, dennoch bildet das Land im Vergleich zu den anderen Bundesländern das Schlusslicht. Den höchsten Frauenanteil erreicht nach den aktuellen Wahlergebnissen das Landesparlament in Thüringen mit 40,6 %, gefolgt von Hamburg mit 37,2 % und Brandenburg mit 36,4 %.

In den Jahren von 1952 bis 1988 bewegte sich der Anteil weiblicher Abgeordneter im Landtag von Baden-Württemberg zwischen 0,8 % (1968) und 8,8 % (1988). Über 30 Jahre bestand das baden-württembergische Parlament damit zu mehr als 90 % aus Männern. Insgesamt wurde seit 1952 erst drei Mal ein Frauenanteil von mehr als 20 % erreicht (2001: 21,9 %; 2006: 23,7 %; 2016: 24,5 %).

Einer der wichtigsten Gründe für den geringen Frauenanteil im Landtag von Baden-Württemberg kann im angewendeten Wahlrecht gesehen werden. Im Gegensatz zu Parlamentswahlen in anderen Bundesländern haben die Wahlberechtigten in Baden-Württemberg nur eine Stimme, die direkt an die Kandidatin bzw. den Kandidaten des jeweiligen Wahlkreises vergeben werden kann. Auf Grundlage dieser Stimmabgabe werden neben den 70 Direktmandaten auch die weiteren Sitze im Landtag verteilt. Zum Zug kommt, wer relativ gesehen den höchsten Stimmenanteil erhalten hat. Landeslisten, wie sie in anderen Bundesländern Anwendung finden, kommen nicht zum Einsatz. Hier bestünde für die Parteien die Möglichkeit, durch eine ausgeglichenere Verteilung der Listenplätze auf Männer und Frauen positiv auf die Frauenquote im Landtag einzuwirken.10

Auch auf kommunaler Ebene sind Frauen in Baden-Württemberg deutlich unterrepräsentiert. Entsprechend der Ergebnisse der Gemeinderatswahl 2014 wurde in keinem einzigen Gemeinderat eine weibliche Mehrheit erreicht.11 Immerhin kam in zehn Gemeinden eine ausgeglichene Zusammensetzung des Gemeinderats zustande. Hier erwarben Männer und Frauen jeweils die Hälfte der Mandate. In den restlichen 1 091 Gemeinden und damit in über 90 % der Fälle, erhielten mehr Männer als Frauen einen Sitz im Gemeinderat. Lediglich die Zahl der Gemeinderäte, in denen keine einzige Frau sitzt, hat sich gegenüber der vorangegangenen Wahl reduziert. Waren 2009 noch 38 Gemeinderäte vollständig mit Männern besetzt, sank die Zahl »frauenloser« Gemeinderäte bei der Wahl 2014 auf 26. Im Jahr 2004 waren noch 54 Gemeinderäte »frauenlos«, 1999 waren es 72 und 1994 sogar 83 ohne eine einzige Frau. Nach den Kommunalwahlen 2014 betrug der Frauenanteil an allen Gewählten im Land 23,9 % und lag damit deutlich unter dem Frauenanteil im Deutschen Bundestag und knapp unter dem im Landtag von Baden-Württemberg.

Noch niedriger lag der Frauenanteil allerdings in den Kreistagen Baden-Württembergs. Nach der Kommunalwahl 2014 war mit einem Anteil von 19,1 % nicht einmal ein Fünftel der Mitglieder in den Kreistagen weiblich. Der Kreistag mit der geringsten Präsenz von Frauen war der Landkreis Heidenheim mit einem Anteil weiblicher Kreisräte von 6,4 %. Im Landkreis Göppingen war der Frauenanteil mit 30,2 % dagegen am höchsten.

Blick in die Welt – Deutschland und Baden-Württemberg haben Nachholbedarf

Im Parlament der Europäischen Union sind Frauen bisher ebenfalls unterrepräsentiert. Nach der Wahl zum Europäischen Parlament im Jahr 2014 waren insgesamt 35,8 % der Abgeordneten weiblich (Europäisches Parlament 2018: 5). Dies stellt zwar eine leichte Steigerung gegenüber der vorangegangenen Wahl (2009: 35 %) dar, dennoch blieb der Frauenanteil hinter dem tatsächlichen Anteil der weiblichen Bevölkerung in der EU (51,1 %) zurück.12

Anteilig kamen 2014 die meisten weiblichen Abgeordneten aus Malta (66,7 %), Schweden (55 %) und Irland (54,5 %). Den geringsten Frauenanteil wiesen Zypern (16,7 %) und Litauen (9,1 %) auf. Deutschland lag mit einem Frauenanteil von 36,5 % etwas über dem Durchschnitt (Bundeszentrale für politische Bildung 2014a).

Entsprechend der Liste »Women in national parliaments«, welche von der Interparlamentarischen Union herausgegeben wird, erzielt derzeit Ruanda weltweit den höchsten Frauenanteil innerhalb eines nationalen Parlaments (Stand: 30. Mai 2018). Hier sind 61,3 % der Abgeordneten weiblich (Tabelle 2). Aus Europa erreicht Schweden mit 43,6 % den höchsten Frauenanteil und kommt damit im internationalen Vergleich auf Rang 8. Deutschland liegt hier lediglich auf Platz 47, knapp hinter Trinidad und Tobago (31 %) bzw. knapp vor Angola (30,5 %) und dem Sudan (30,5 %). Der Landtag von Baden-Württemberg käme in dieser Liste erst auf Platz 74 – zwischen Turkmenistan mit einem Frauenanteil von 24,8 % und Somalia mit 24,4 % weiblichen Abgeordneten (Interparlamentarische Union 2018). Zudem existieren weiterhin Länder, in deren Nationalparlament keine einzige Frau sitzt. Darunter befinden sich unter anderem der Jemen und Sierra Leone.

In Deutschland leiten Frauen weiterhin vor allem »typisch weibliche« Ministerien

Neben der zahlenmäßigen Repräsentation von Frauen in Parlamenten ist zudem ein wichtiger Punkt für die Gleichstellung von Frau und Mann auf politischer Ebene, inwiefern beide Geschlechter gleichermaßen in Regierungen vertreten sind und zum Beispiel die Leitung eines Ministeriums oder der Regierung selbst übernehmen.

Mit Angela Merkel ist die Regierungsspitze der Bundesrepublik Deutschland derzeit mit einer Frau besetzt. Trotz wechselnder Koalitionen leitet sie seit 2005 ununterbrochen als Bundeskanzlerin die Regierungsgeschäfte der Bundesrepublik.

Als erste Frau an der Spitze eines Bundesministeriums wurde 1961 Elisabeth Schwarzhaupt (CDU) vereidigt. Bis 1966 war sie Bundesministerin für Gesundheitswesen. Auch in den folgenden Jahren gingen zwar immer wieder Ministerposten an Frauen, allerdings blieb ihre Zahl sehr gering. Zusätzlich beschränkten sich die Themen, mit denen sich Frauen als Ministerinnen auseinandersetzten, auf die sogenannten »weichen« Themen wie Gesundheit oder Familie.13 Es dauerte bis 1992, als mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die erste Bundesministerin der Justiz ihre Arbeit aufnahm. Damit war sie die erste Frau, an der Spitze eines der »klassischen« Ministerien.14 Gleichzeitig mit ihr hatten drei weitere Frauen im Kabinett Kohl IV ein Ministeramt inne. Darunter unter anderem Angela Merkel (CDU), welche damals das Ministerium für Frauen und Jugend leitete. Die erste Frau, die die Führung im Ministerium für Arbeit und Soziales übernahm war Ursula von der Leyen (CDU). Sie trat das Amt nach dem Rücktritt von Franz Josef Jung im November 2009 an. Mit ihrer Ernennung zur Verteidigungsministerin nach der Bundestagswahl 2013 leitete von der Leyen erneut als erste Frau ein Ministerium, welches zuvor ausschließlich von Männern geführt worden war. Ressorts wie das Wirtschaftsministerium, das Finanzministerium oder das Auswärtige Amt sind auf Bundesebene allerdings bisher eine Männerdomäne geblieben.

In Baden-Württemberg gibt es neben dem Staatsministerium zehn Fachministerien, von denen derzeit vier von Frauen geleitet werden. Mit Edith Sitzmann (GRÜNE) als Ministerin für Finanzen und Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) als Wirtschaftsministerin sind erstmals zwei bisher von Männern dominierte Ministerposten mit Frauen besetzt worden. Eine Ministerpräsidentin hatte Baden-Württemberg allerdings bisher noch nicht.

Obwohl Deutschland zurzeit von einer Frau geführt wird, liegt die Leitung der Regierungsgeschäfte auf Landesebene in den meisten Bundesländern – ähnlich wie in Baden-Württemberg – seit jeher fest in Männerhand. Insgesamt wurden bisher sechs der 16 Bundesländer von einer Ministerpräsidentin geführt. Die erste Ministerpräsidentin Deutschlands war Heide Simonis (SPD). In den Jahren von 1993 bis 2004 leitete sie die Regierung in Schleswig-Holstein. 2009 (bis 2014) folgte Christine Lieberknecht (CDU) als Ministerpräsidentin von Thüringen. Hannelore Kraft (SPD) war von 2010 bis 2017 Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Saarland führte Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) von 2011 bis Anfang 2018 die Regierungsgeschäfte. Derzeit amtierende Ministerpräsidentinnen sind Malu Dreyer (SPD) in Rheinland-Pfalz (seit 2013) und Manuela Schwesig (SPD) in Mecklenburg-Vorpommern (seit 2017). Die höchste Zahl gleichzeitig amtierender Ministerpräsidentinnen wurde zwischen 2013 und 2014 erreicht. In dieser Zeit waren vier Frauen gleichzeitig im Amt.

Fazit

Über viele Jahre zieht sich bereits der Einsatz vielfältiger Gruppen für die Gleichstellung von Frauen und Männern in verschiedensten Bereichen der Gesellschaft. Einer der wichtigsten Bestandteile dieser Bestrebungen war die Einforderung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen. Der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland im Jahr 1918 ging ein langer Kampf voran. Allerdings konnten sich die deutschen Frauen nur für kurze Zeit über ihre neuen Rechte freuen. Die Herrschaft des NS-Regimes bedeutete einen herben Rückschlag für die politischen Rechte von Frauen. Aber auch nach Kriegsende dauerte es noch viele Jahre bis ein nachhaltiger Wandel der politischen Kultur einsetzte. Erst ab Mitte der 1980er-Jahre überstieg der Frauenanteil im Deutschen Bundestag konstant die Werte aus Zeiten der Weimarer Republik. Gleichzeitig blieben Frauen in politischen Führungspositionen lange Jahre auf »typisch weibliche« Themen begrenzt. Erst in den letzten Jahren wurden die Führungsposten in klassisch »männlichen« Ministerien auch mit Frauen besetzt. Obwohl sich in den letzten 100 Jahren bezüglich der politischen Gleichstellung von Mann und Frau viel gewandelt hat, bleibt weiterhin Verbesserungspotenzial. In Baden-Württemberg zeigt sich dies vor allem beim geringen Anteil von Frauen im Landtag.

1 Sofern Ergebnisse einzelner Parteien betrachtet werden, beschränken sich diese vor allem auf die im 19. Bundestag vertretenen Parteien (CDU, CSU, SPD, DIE LINKE, GRÜNE, FDP, AfD).

2 Während das aktive Wahlrecht einer Person das Recht verleiht, bei Wahlen ihre Stimme abzugeben, beinhaltet das passive Wahlrecht das Recht, sich bei Wahlen als Kandidatin oder Kandidat aufstellen zu lassen und gewählt zu werden.

3 Insbesondere die deutsche Staatsphilosophie, welche den Staat von Grund auf als männlich ansah, erschwerte die Einführung gleicher politischer Rechte für Frauen (Clemens 1990: 52).

4 Durch August Bebel wurde bereits 1895 im Reichstag das allgemeine Wahl- und Stimmrecht unabhängig vom Geschlecht gefordert – allerdings ohne Erfolg (Clemens 1990: 67).

5 Die für damalige Verhältnisse niedrige Wahlbeteiligung der Männer kann zum Teil damit erklärt werden, dass einige Männer in den Wahlregistern aufgeführt waren, die sich zum Zeitpunkt der Wahl in Kriegsgefangenschaft befanden oder gefallen waren (Birsl 2008: 72).

6 Diese Zahlen sind mit Vorsicht zu betrachten, da die damalige Wahlstatistik lediglich in einzelnen Wahlkreisen und Wahlbezirken durchgeführt wurde. Daher können die Ergebnisse nur eingeschränkt auf die Gesamtheit der Wahlberechtigten übertragen werden (Birsl 2008: 72).

7 Die Wahlerfolge der NSDAP beruhten zunächst vor allem auf den Stimmen der männlichen Wahlberechtigten. Erst ab 1932 konnte die Partei zunehmend auch Frauen für sich gewinnen (Heinsohn 2018: 42; Hochreuther 1992: 16).

8 Die Grundlage für die Betrachtung bilden die Ergebnisse der Repräsentativen Wahlstatistik. Die Reihenfolge der Parteien entspricht ihrem erreichten Zweistimmenanteil in Baden-Württemberg bei der Bundestagswahl 2017.

9 Bevölkerung am 31.12.2016 (Basis: Zensus 2011).

10 Derzeit wird eine Änderung des Landtagswahlgesetzes diskutiert, bisher konnten aber keine ausreichenden Mehrheiten für eine grundlegende Reform gefunden werden.

11 Bei der Gemeinderatswahl 2009 saßen immerhin in drei Gemeinderäten mehr Frauen als Männer.

12 Im Jahr 2017 betrug der Frauenanteil in der gesamten EU-Bevölkerung 51,1 %. Die Männer waren folglich mit 48,9 % sogar in der Minderheit (Eurostat).

13 Bereits während der Zeit der Weimarer Republik zeigte sich, dass Frauen nun zwar ein gewisses Maß an politischer Teilhabe zugesprochen wurde, allerdings beschränkte sich das Themenspektrum, mit dem sich Frauen beschäftigen sollten, auf »typisch weibliche« Felder wie Gesundheits-, Familien- und Bildungspolitik. In anderen Bereichen, die als klassisch männlich angesehen wurden (z.B. Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, Militär), war eine Mitwirkung von Frauen grundsätzlich nicht erwünscht.

14 Zu den obligatorischen Bundesministerien zählen das Bundesministerium der Verteidigung (Art 65a GG), das Bundesministerium der Justiz (Art 96 Abs. 2 Satz 4 GG) sowie das Bundesministerium der Finanzen (Art. 108 Abs. 3 Satz 2 GG). Zusätzlich werden auch das Bundesministerium des Inneren und das Auswärtige Amt den klassischen Ministerien zugeordnet.