:: 10/2019

Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen in Baden-Württemberg

Emissionen aus der Stromerzeugung gehen zurück; Verkehr und Wohnen bleiben die Sorgenkinder

Baden-Württemberg zählt zu einem der führenden Industriestandorte in Deutschland und Europa. Die Wirtschaft befindet sich seit 2010 auf Wachstumskurs. Doch die Kehrseite des Wirtschaftswachstums ist hoher Energiebedarf und damit verbundene Umweltfolgen. Die Höhe der energiebedingten Emissionen hängt maßgeblich mit der wirtschaftlichen Entwicklung und dem eingesetzten Energiemix zusammen.

Im Jahr 2017 lagen die gesamten Kohlendioxid (CO2)-Emissionen bei ca. 72 Mill. Tonnen1 (Mill. t). 96 % davon waren energiebedingt (i-Punkt »Emissionen«). Gegenüber dem Vorjahr stiegen die CO2-Emissionen um 0,3 % an. Trotz des leichten Anstiegs ist diese Entwicklung als positiv zu bewerten, da sich die Zunahme der CO2-Emissionen 2017 spürbar verlangsamt hat. Trotzdem werden nach derzeitigem Stand die Klimaziele 2020 schwer zu erreichen sein. Im Mai 2019 hat die Landesregierung die neuen Eckpunkte zur Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes beschlossen (i-Punkt »Klimaschutzziele 2030«). Der Ausstoß der gesamten Treibhausgase soll bis 2030 um 42 % im Vergleich zu 1990 reduziert werden. Bis jetzt gingen die energiebedingten CO2-Emissionen nur um 7,3 % (5,4 Mill. t) zurück. Für das Klimaschutzziel 2030 müssten noch weitere 26,6 Mill. t gemindert werden (Schaubild 1).

CO2 dominiert bei den energiebedingten Treibhausgas-Emissionen

Das Kohlendioxid ist weltweit bestimmend für die Höhe der Treibhaus-Emissionen. Der Anteil der energiebedingten CO2-Emissionen an den gesamten Treibhaus-Emissionen in Baden-Württemberg wie auch im Bundesdurchschnitt liegt aktuell bei 87,5 %. Auf energiebedingte Methan-Emissionen entfielen 2017 ca. 1 % der gesamten Treibhausgase, auf Lachgas rund 0,5 %. Mehr als die Hälfte der energiebedingten Methan-Emissionen sind auf die diffusen Emissionen aus der Energiegewinnung und -verteilung zurückzuführen, die neben den verbrennungsbedingten Emissionen auch zu den energiebedingten Treibhausgas-Emissionen zählen.

Welche Sektoren waren 2017 die größten CO2-Verursacher?

Nach wie vor stammte auch im Jahr 2017 der Großteil der energiebedingten CO2-Emissionen aus dem Verkehrsbereich (34 %).2 Der Personenverkehr (PKW, Busse, Krafträder) verursachte 2017 den überwiegenden Teil der verkehrsbedingten Emissionen (57 %), gut ein Drittel war dem straßengebundenen Güterverkehr zuzuschreiben. Der Sektor Strom- und Wärmeerzeugung verursachte 18 Mill. t (26 %) der gesamten energiebedingten CO2-Emissionen und war damit die zweitgrößte Quellgruppe nach dem Verkehr. Auf dem dritten Platz landete mit einem Anteil von 17 % der Sektor »private Haushalte«, gefolgt vom Industriesektor mit 15 % (Schaubild 2).

Stromerzeugung: erneuerbare Energiequellen auf der Überholspur

Auf die Stromerzeugung entfielen im Jahr 2017 knapp 16 Mill. t CO2, ca. 23 % der gesamten energiebedingten CO2-Emissionen. Erstmals seit 4 Jahren waren in diesem Sektor erkennbare Fortschritte zu verzeichnen. Die CO2-Emissionen aus der Stromerzeugung sanken gegenüber 2016 um fast 1 Mill. t CO2 (– 5,5 %) (Schaubild 3). Die Erzeugung aus konventionellen Energieträgern ging im Vergleich zu 2016 deutlich zurück (– 5,9 %). Gleichzeitig verzeichneten erneuerbare Energien einen Zuwachs von 3,4 %. Mittlerweile wurden aus erneuerbaren Quellen 27 % des Bruttostroms erzeugt, somit nähern sie sich der Stromerzeugung aus Kernenergie (30,4 %) und der Erzeugung aus Steinkohle (29,3 %) an.

In den letzten Jahren haben die niedrigen Preise für Brennstoffe und für CO2-Zertifikate den Einsatz klimafreundlicherer Energieträger gebremst. Diesen Einfluss sieht man gut am Beispiel des Jahres 2013, als die CO2-Preise mit 4,5 Euro/t CO2 einen Tiefstand erreicht haben. In diesem Jahr wurde 34 % mehr Steinkohle als 2012 verstromt. Im Jahr 2017 stiegen die Brennstoffpreise leicht an, während die Erzeugungskosten für Strom aus Erneuerbaren sanken. Dadurch hat sich die Struktur der Stromerzeugung zugunsten der emissionsärmeren Gaskraftwerke (i-Punkt »Emissionen«) bzw. Erneuerbaren verschoben. Somit zeigte die Stromerzeugung aus Erdgas im Jahr 2017 ein deutliches Plus von 23,4 %. Der Emissionsfaktor des Strommixes in Baden-Württemberg ist im Jahr 2017 von 304 g CO2/kWh auf 301 g CO2/kWh gesunken und liegt deutlich unter dem Wert des Bundes (486 g CO2/kWh3). Das hängt primär mit dem niedrigen Anteil der Kohle und mit dem immer noch hohen Anteil der Kernenergie am Strommix in Baden-Württemberg zusammen.

Emissionen für Raumwärme und Warmwasser gehen nur langsam zurück

Die direkten CO2-Emissionen des Sektors Haushalte und Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und übrige Verbraucher (GHD) resultieren aus der Bereitstellung von Heizwärme und Warmwasser4 und sind stark witterungsabhängig. Diese Emissionen haben im Vergleich zum Vorjahr um 1,7 % zugenommen. Der Anstieg war aber schwächer als die Jahre zuvor. Dagegen sind zwischen 2015 und 2016 die CO2-Emissionen im Sektor Haushalte und GHD um 3,5 % gestiegen. Gründe dafür waren neben der milden Witterung im Jahr 2017 auch der abgeschwächte Bevölkerungszuwachs in Baden-Württemberg (2016: + 1,1 %; 2017: + 0,7 %). Darüber hinaus hatte 2017 einen »energieverbrauchenden« Tag weniger als das Schaltjahr 2016. Witterungsbereinigt sind die CO2-Emissionen im Jahr 2017 um 1,1 % gestiegen. Die energetischen Sanierungsmaßnahmen im Gebäudebestand sowie die besseren energetischen Standards bei Neubauten haben die spezifischen CO2-Emissionnen im Sektor »private Haushalte«, im Bereich »Wohnen« langfristig deutlich reduziert. Mittlerweile werden ca. 60 % der im Jahr 2017 neu errichteten Gebäude mit erneuerbaren Energien beheizt. Gleichzeitig ist der Anteil der Neubauten mit Ölheizung von ca. 49 % im Jahr 1990 bis 2017 auf nahezu Null zurückgegangen. Auch der Anteil der erdgasbeheizten Neubauten hat zwischen 1990 und 2017 um ca. 11 % abgenommen.5 So gingen die witterungsbereinigten CO2-Emissionen je Quadratmeter Wohnfläche im Sektor »private Haushalte« seit 1990 um gut 43 % zurück. Die absoluten CO2-Emissionen haben dagegen mit 19 % Reduktion deutlich schwächer abgenommen. Seit 2010 stagnieren die CO2-Emissionen aus der Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser. Das ist vor allem auf die wachsende Bevölkerung und auf die steigende Wohnfläche je Bewohner zurückzuführen, was zu einem höheren Energieverbrauch pro Kopf führt. Zwischen 1990 und 2017 ist die Wohnfläche um 26,7 % gestiegen. Während 1990 die pro Person beanspruchte Wohnfläche bei 36,3 m2 lag, stand dem Bewohner im Jahr 2017 bereits 10 m2 mehr zur Verfügung (46 m2 je Person).6

Fortschritte in der Industrie

Im Vergleich zu anderen Sektoren hat der Industriesektor7 in Baden-Württemberg seit 1990 mit Abstand die größten Minderungen erzielt. Durch Effizienzmaßnahmen und Brennstoffsubstitution konnten gegenüber 1990 fast 43 % der energiebedingten CO2-Emissionen reduziert werden (Schaubild 4). Gleichzeitig stieg die Bruttowertschöpfung8 des Verarbeitenden Gewerbes seit 1991 um gut 84 %.

Die Emissionsrelevanz der Branchen ist sehr unterschiedlich. Der Großteil der industriellen CO2-Emissionen im Jahr 2017 stammte aus dem Bereich »Herstellung, Verarbeitung von Glas, Keramik, keramische Baumaterialien« mit hohem Gewicht der Kalk- und Zementindustrie. Auf Platz 2 der größten CO2-Verursacher der Industrie kommt die Papierindustrie mit einem Anteil von 14 %, gefolgt vom Sektor »Ernährung, Futtermittel und Tabak«. Der Fahrzeugbau verursachte 7,7 % der gesamten energiebedingten CO2-Emissionen der Industrie. Dabei liegt dieser Sektor mit einem Anteil von fast 29 % an der gesamten Bruttowertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes an der Spitze.

Papiergewerbe, Textilindustrie sowie der Fahrzeugbau haben seit 2010 trotz guter Auftragslage deutliche Emissionsminderungen erreicht. Dagegen war in der energieintensiven Branche »Herstellung von Glas, Keramik, keramische Baumaterialien« ein Anstieg von 9 % zu verzeichnen. Die bereits umgesetzten Minderungsmaßnahmen in der Baustoffindustrie reichen nicht aus um den anhaltenden Bauboom auszugleichen.

Einige industrielle Prozesse stoßen neben den energiebedingten Emissionen auch die prozessbedingten CO2-Emissionen aus (i-Punkt »Emissionen«). Diese Emissionen variieren je nach Produktionsprozess und Industriezweig. Der Großteil prozessbedingter Emissionen ist auf die Eisen- und Stahlerzeugung, Zementherstellung sowie die Glasherstellung zurückzuführen. Die prozessbedingten Emissionen machen ca. 51 % (3 Mill. t) der gesamten CO2-Emissionen der Industrie aus. Bis jetzt liegen diese Emissionen immer noch auf dem Niveau von 1990 (Schaubild 4). Im Gegensatz zu den energiebedingten Emissionen lassen sich die prozessbedingte CO2-Emissionen aus chemisch-physikalischen Gründen schwer reduzieren. Es werden aktuell verschiedene technische Minderungsmöglichkeiten untersucht wie zum Beispiel die Verringerung des Klinkeranteil in Baumaterialien sowie die CO2-Abscheidung und -Speicherung.

Bundesweit stärkere Emissionsreduktion seit 1990

Bezogen auf das Jahr 1990, das Referenzjahr für die internationalen Reduktionsvereinbarungen, wurden deutschlandweit knapp 223 Mill. t (– 23 %) an energiebedingten CO2-Emissionen reduziert. In Baden-Württemberg dagegen nur 5,4 Mill. t CO2 (– 7,3 %). Vor allem Anfang 1990er-Jahre haben die CO2-Emissionen in den neuen Bundesländern überdurchschnittlich abgenommen. Ineffiziente Braunkohlekraftwerke und Industrieanlagen wurden nach der Wiedervereinigung stillgelegt. Auch durch den Abzug sowjetischer Truppen gingen die Emissionen des sonstigen Verkehrs und im Gebäudebereich erheblich stärker zurück als in Baden-Württemberg. Bezieht man die CO2-Emissionen auf ein anderes Referenzjahr, zum Beispiel auf das Jahr 2005, ergibt sich für Deutschland eine verlangsamte Emissionsreduktion (Schaubild 5). Zwischen 2005 und 2017 nahmen die verkehrsbedingten CO2-Emissionen bundesweit allerdings weniger stark zu als in Baden-Württemberg. Dafür können zwei Gründe genannt werden: erstens die höhere Wirtschaftskraft in Baden-Württemberg und damit verbunden mehr Gütertransporte und mehr Pendelverkehr und zweitens ist Baden-Württemberg ein wichtiges und stark genutztes Transit-Bundesland. Für den Industriesektor fällt die Emissionsbilanz für Baden-Württemberg dagegen positiver aus. Unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen zwischen Land und Bund haben wesentlichen Einfluss auf Niveau und Entwicklung von CO2-Emissionen. Energieintensive Branchen wie die Eisen- und Stahlindustrie und Grundstoffchemie haben auf Bundesebene einen wesentlich hohen Anteil, während in Baden-Württemberg diese Branchen in nur geringem Umfang zum CO2-Austoß beitragen.

Bezogen auf die jeweiligen Einwohner lagen die energiebedingten Pro-Kopf-Emissionen in Baden-Württemberg 2017 mit 6,3 t CO2 je Einwohner unter dem entsprechenden Pro-Kopf-Wert von 9,1 in Deutschland. Auch bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) lagen die energiebedingten CO2-Emissionen in Baden-Württemberg mit 139 t pro Mill. Euro deutlich niedriger als in Deutschland (230 t pro Mill. Euro).

Fazit

Im Jahr 2017 hat sich der energiebedingte CO2-Ausstoß in Baden-Württemberg verlangsamt. Aber war diese Entwicklung nachhaltig? Die Emissionsintensität (Emissionsausstoß je BIP-Einheit) ist seit 1990 rückläufig, wenngleich sich diese Entwicklung seit 2010 verlangsamt hat. Zwischen 2016 und 2017 ist die Emissionsintensität nach der Stagnationsphase wieder leicht gesunken. Doch nicht in allen Sektoren haben sich die Emissionen positiv entwickelt.

Im Stromsektor gingen die CO2-Emissionen 2017 spürbar zurück. Auch der Anteil der Erneuerbaren am Strommix ist weiter gewachsen. Es ist aber abzuwarten, ob auch nach dem Automausstieg im Jahr 2022 die Emissionen weiterhin deutlich sinken werden. Auch der Industriesektor weist insgesamt eine positive Emissionsentwicklung bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum auf. Allerdings müssten insbesondere in der Kalk- und Zementindustrie weitere Anstrengungen unternommen werden, um die gute Auftragslage der Baubranche zu kompensieren. Der Verkehrssektor bleibt weiterhin das Sorgenkind. Die verkehrsbedingten Emissionen lagen auch 2017 deutlich über dem Niveau von 1990. Während die Emissionen des Personenverkehrs 2017 leicht abnahmen, stiegen der CO2-Ausstoß des Güterverkehrs weiterhin an, Tendenz steigend. Auch die CO2-Emissionen aus dem Bereich »Wohnen« stagnieren seit Jahren. Die bereits implementierten Effizienzmaßnahmen reichen nicht aus, um die wachsende Bevölkerung bzw. den Trend zu kleineren Haushalten auszubalancieren.

Nach einer ersten Sichtung bereits vorliegender Daten werden die energiebedingten Emissionen im Jahr 2018 voraussichtlich erkennbar niedriger ausfallen, insbesondere in der Energieversorgung.9 Aber mit Blick auf die festgelegten Klimaschutzziele müssen auch die anderen Sektoren ihren CO2-Austoß noch deutlich senken.

1 Werte für 2017 vorläufig.

2 Eine ausführliche Analyse zur Entwicklung der verkehrsbedingten Kohlendioxidemissionen siehe Schmidmeier, Dirk: »Jahresfahrleistungen und Kohlendioxidemissionen des Straßenverkehrs«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2019«, S. 3 ff.

3 Icha, Petra: Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid-Emissionen des deutschen Strommix in den Jahren 1990 bis 2018, Umweltbundesamt (Hrsg.), April 2019.

4 Direkte Emissionen Privater Haushalte für Wohnen abzüglich Strom- und Fernwärmeverbrauch sowie Kraftstoffverbrauch.

5 Heizenergie in Neubauten, https://www.statistik-bw.de/Wohnen/WkostenVerhaeltnis/BW-BT_neubautenEnergie.jsp (Abruf: 14.10.2019).

6 Fortschreibung des Wohngebäude- und Wohnungsbestandes, https://www.statistik-bw.de/Wohnen/GebaeudeWohnungen/GW-Bestand-LR.jsp (Abruf: 14.10.2019).

7 Der Sektor Industrie umfasst die Emissionen im verarbeitenden Gewerbe und im Sektor Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden. Nicht berücksichtigt sind die Emissionen aus Energiegewinnungs- und Umwandlungsbereichen wie zum Beispiel aus Industriekraftwerken oder Raffinerien. Diese sind dem Umwandlungssektor zugeordnet. In diesem Abschnitt werden nur die direkten Emissionen der Industrie aus fossilen Energieträgern dargestellt (ohne Strom- und Fernwärmeverbrauch).

8 Bruttowertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbe in jeweiligen Preisen.

9 Die vorläufigen Treibhausgas-Emissionen für 2018 werden im Frühjahr 2020 veröffentlicht. Die für die Berechnungen erforderlichen Daten zum Beispiel zu Energieerzeugung und -verbrauch werden gemäß gesetzlicher Vorgabe erst im Jahr 2019 ermittelt und liegen zum Jahresende vor.