:: 4/2004

Frauen in Europa: Job? Kinder? Oder beides?

Job? Familie? Oder beides? Diese wohl immer häufiger gestellten Fragen werden von Frauen in der Europäischen Union (EU) auf unterschiedliche Weise beantwortet. Die Erwerbsbeteiligung der Frauen in der EU unterscheidet sich zum Teil sehr stark zwischen den Mitgliedstaaten. Das trifft auch auf das Ausmaß der Teilzeitarbeit und ihre Entwicklung seit 1983 sowie auf Beweggründe der Frauen für eine eingeschränkte Arbeitszeit zu. Viel zu vielfältig sind die politischen, ökonomischen, kulturellen, aber auch persönlichen Bedingungen für das Erwerbsverhalten von Frauen, als dass man von einem einzigen Grund, einer einzigen Bedingung ausgehen könnte.

Dänemark an der Spitze – Deutschland im Mittelfeld

In Deutschland macht es für den Umfang der Erwerbstätigkeit von Frauen einen großen Unterschied, ob sie ein, zwei, drei oder mehr Kinder im Alter zwischen 0 und 14 Jahren haben. Die Erwerbstätigenquote fällt von 76 % über 64 % bis auf 46 % je nach Anzahl der Kinder (Tabelle). Damit befindet sich Deutschland im Mittelfeld der Europäischen Union (EU15). Gleichzeitig lässt Deutschland ein Muster erkennen, das die meisten EU-Staaten aufweisen. Die Frauenerwerbstätigenquote nimmt mit der Anzahl der Kinder, die zwischen 0 und 14 Jahre alt sind, ab. Allerdings müssen zwei Staaten gesondert erwähnt werden: Belgien und Dänemark. In Belgien sind Mütter mit zwei Kindern häufiger erwerbstätig als solche mit einem Kind, erst bei drei oder mehr Kindern fällt die Quote. In Dänemark bleibt die bereits überdurchschnittlich hohe Erwerbstätigenquote von 78 % zunächst unverändert.1 Mütter mit zwei Kindern sind genauso oft erwerbstätig wie Mütter mit einem Kind; Mütter mit drei oder mehr Kindern sind zu 72 % beschäftigt. Die Erwerbstätigkeit von Müttern variiert am stärksten, wenn Kleinkinder, also Kinder bis zu 2 Jahren, zu betreuen sind. Mit zunehmendem Alter der Kinder gleichen sich die Erwerbstätigenquoten EU-weit an.

Deutschland am unteren Ende bei erwerbstätigen Frauen mit Kleinkindern

Die Erwerbstätigenquoten von Frauen, die keine Kinder haben, liegen in fast allen Staaten über 70 %, in Schweden und im Vereinigten Königreich sogar über 80 %. In Deutschland beträgt die Erwerbstätigenquote kinderloser Frauen 74 %. Wenn Frauen Kleinkinder betreuen, sinkt die Erwerbsbeteiligung in allen Staaten. Sie fällt je nach Staat sehr unterschiedlich aus. Erschwert wird der Vergleich zwischen den Staaten allerdings durch gravierende Messprobleme bei der Ermittlung der Erwerbstätigenquote (siehe i-punkt).2

Zunächst ist festzuhalten: Bei einem zu betreuenden Kind zwischen 0 und 2 Jahren sind zwei von drei Frauen in Deutschland »erwerbstätig«. Damit liegt Deutschland im Mittelfeld der EU15. Deutlich höhere Quoten von über 75 % haben Belgien, Österreich, Portugal und die Niederlande. In den südeuropäischen Staaten Griechenland, Italien und Spanien, aber auch in Finnland sind junge Mütter seltener erwerbstätig. Die Unterschiede zwischen den Staaten verändern sich mit der Zahl der von den Frauen betreuten Kinder. Bei drei oder mehr Kindern liegt die originäre Erwerbstätigenquote der Frauen in Deutschland bei 38 %. Die um die Elternzeit korrigierte Erwerbstätigenquote dürfte wesentlich niedriger sein. Doch schon bei der originären Erwerbstätigenquote der Frauen mit drei oder mehr Kindern, das jüngste zwischen 0 und 2 Jahren, lässt sich erkennen, dass in den meisten EU-Staaten Frauen häufiger erwerbstätig sind als in Deutschland.

Mit zunehmendem Alter der Kinder steigende Erwerbstätigkeit in Deutschland

Grundsätzlich gehen Frauen mit älteren Kindern wesentlich eher einer Erwerbstätigkeit nach als Frauen mit jüngeren Kindern. Die Gründe dafür liegen in einer leichteren Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch die wachsende Selbstständigkeit älterer Kinder, durch ein besseres Betreuungsangebot für Kinder im Kindergartenalter und für Schulkinder, aber auch in der Überzeugung, erst wieder erwerbstätig sein zu wollen, wenn die Kinder dem Kleinkindalter entwachsen sind. Hinzu kommen gegebenenfalls ökonomische Notwendigkeiten, da der Bedarf der Familien mit dem Alter der Kinder noch ansteigt. Die Situation in der EU ist auch hier nicht einheitlich. Bei Frauen mit einem Kind gilt für Dänemark, das Vereinigte Königreich und für Deutschland, dass mit dem Alter des Kindes die Erwerbsbeteiligung der Frauen kontinuierlich steigt. In Belgien, Irland, Italien und Portugal sinkt dagegen die Erwerbsbeteiligung der Mütter mit steigendem Alter ihres Kindes. In den anderen Staaten ist die Entwicklung nicht eindeutig. Dafür steigt bei Frauen mit drei oder mehr Kindern in fast allen Staaten mit dem Alter des jüngsten Kindes die Erwerbsbeteiligung der Mütter.

Dänemark und Finnland weisen durchweg überdurchschnittlich hohe Erwerbstätigenquoten von Müttern mit älteren Kindern auf, ungeachtet der Anzahl der Kinder. Beide Staaten nehmen eine Spitzenstellung in der EU ein. Auch die Frauen in Deutschland sind überdurchschnittlich oft erwerbstätig, wenn ihre Kinder älter sind, und dies selbst ungeachtet der Anzahl der Geschwister.

Zwiespältig – die Zunahme der Teilzeitarbeit bei Frauen

Erwerbsbeteiligung ist nicht gleich Erwerbsbeteiligung. Die Erwerbstätigenquote der EU zählt allein »Köpfe«, unabhängig von der Arbeitszeit. Auch Teilzeit ist nicht gleich Teilzeit. In einigen Staaten, besonders in Skandinavien, nähert sich die Teilzeit oft der Vollzeit, in anderen Staaten wie in Deutschland überwiegen bei der Teilzeit Wochenarbeitszeiten von unter 20 Stunden. Grundsätzlich ist Teilzeit ein zweischneidiges Schwert. Einerseits kann sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern und gleichzeitig den Kontakt zum Berufsleben aufrechterhalten, andererseits kann Teilzeit ein berufliches Fortkommen erschweren. Hinzu kommt, dass ein Einkommen aus Teilzeit selten allein ausreicht, den Lebensunterhalt einer Familie zu bestreiten.

In Deutschland arbeiten die erwerbstätigen Frauen überdurchschnittlich oft Teilzeit: 41% gehen einer Teilzeitarbeit nach und damit relativ gesehen genauso viele wie im Vereinigten Königreich (Schaubild 1). Dieser Anteil wird nur noch von der sehr hohen Teilzeitquote der Frauen in den Niederlanden (70 %) übertroffen. Vergleichsweise selten arbeiten Frauen in südeuropäischen Staaten sowie in Frankreich und Finnland in Teilzeit. Außerdem fällt auf, dass Staaten mit überdurchschnittlich hoher Erwerbsbeteiligung von Frauen im Vergleich zu Deutschland niedrigere Teilzeitquoten aufweisen, zum Beispiel Dänemark und Schweden.

Diese beiden Staaten sind auch in einer weiteren Hinsicht interessant. In den meisten Staaten der EU – soweit Zahlen vorliegen – hat in den letzten zwei Jahrzehnten die Teilzeitarbeit der Frauen zugenommen. Dies gilt auch für Deutschland. So ist in Deutschland der Anstieg der Erwerbstätigenquote bei Frauen seit 1997 allein durch die Zunahme der Teilzeitarbeit begründet, denn gleichzeitig sank die Vollzeiterwerbstätigkeit bei Frauen.3 Hingegen arbeiten in Dänemark und Schweden die Frauen heute wesentlich seltener in Teilzeit als vor 10 oder 20 Jahren. Auch im Vereinigten Königreich nahm die Teilzeitarbeit der Frauen ab, ebenso in Griechenland. In Finnland verharrt sie auf niedrigem Niveau.

Familiäre Gründe für Teilzeit am häufigsten in Deutschland

Aus verschiedenen Gründen können Frauen einer Teilzeitarbeit nachgehen, etwa aus familiären oder persönlichen Gründen. Für die meisten Frauen steht dahinter: Sie arbeiten Teilzeit, weil sie Kinder erziehen und betreuen. In der EU fällt zunächst zweierlei auf. Es gibt die Niederlande mit der höchsten Teilzeitquote unter den erwerbstätigen Frauen in Europa. Gleichzeitig spielen familiäre oder persönliche Gründe für die Teilzeit eine vergleichsweise geringe Rolle (Schaubild 2). Dann gibt es Staaten mit überdurchschnittlich hohen Teilzeitquoten, wie Deutschland und das Vereinigte Königreich. In beiden Staaten und augenfällig in Deutschland sind familiäre und persönliche Gründe überwiegend ausschlaggebend für die Teilzeitarbeit der Frauen. Und es gibt ein drittes Phänomen, wofür vor allem Dänemark steht. Hier sind Mütter besonders oft erwerbstätig, erwerbstätige Frauen vergleichsweise selten teilzeiterwerbstätig, und dies äußerst selten aus familiären oder persönlichen Gründen, etwa aufgrund der Betreuung von Kindern.

Warum diese Unterschiede in der EU?

Die Staaten in der EU unterscheiden sich erheblich in der Erwerbsbeteiligung der Frauen. Hohe Erwerbstätigenquoten stehen niedrigen gegenüber, und niedrige und hohe Quoten bei der Teilzeitarbeit stehen oft quer dazu, durchdrungen von unterschiedlich häufig genannten Motiven für eingeschränkte Arbeitszeiten. Ein Muster lässt sich nicht ohne weiteres erkennen.

Dänemark dürfte in der EU bezüglich der Erwerbsbeteiligung von Frauen ungeachtet der Anzahl und des Alters der zu betreuenden Kinder eine Spitzenstellung einnehmen. Die dänische Politik zielt – nach einer erst jüngst veröffentlichten OECD-Studie – seit Jahrzehnten auf die vollkommen universale Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt auf Ganztagesbasis.4 Der politische Wille drückt sich darin aus, dass Familien umfassend unterstützt werden. Arbeitnehmer haben Anspruch auf Elternzeit; ganztägige Kinderbetreuung gibt es praktisch für alle Kinder ab dem Alter von sechs Monaten und wird staatlich hoch bezuschusst. Das Steuer- und Sozialversicherungssystem belohnt die Vollzeiterwerbstätigkeit beider Partner, sodass der Anreiz hoch ist, eher eine Ganztags- als eine Teilzeitarbeit zu wählen.

Doch diese zahlreichen politischen Maßnahmen gingen in Dänemark der hohen weiblichen Erwerbstätigenquote keineswegs voraus. Sie sind die Folge der Forderungen besonders der Frauen, die – wie von der Regierung gewünscht – am Arbeitsleben teilnahmen und sich hohen zeitlichen und finanziellen Belastungen ausgesetzt sahen, vor allem aufgrund unzureichender Möglichkeiten zur Kinderbetreuung.

Mit anderen Worten, es sind neben den politischen Rahmenbedingungen noch andere Gründe bedeutsam für die unterschiedliche Erwerbsbeteiligung der Frauen in der EU. Hierzu gehören die Bildungschancen für Frauen; gemeint sind sowohl der Zugang, die Qualifikation als auch die Dauer der Ausbildung. Bedeutsam ist ebenso das Angebot des Arbeitsmarktes und unter welchen Bedingungen Arbeit angeboten wird. In diesem Zusammenhang sei auf familienfreundliche Einrichtungen bzw. Maßnahmen innerhalb eines Betriebes verwiesen, die zum Beispiel erlauben, dass Mütter oder Väter die Arbeit aus familiären Gründen verlassen können oder einfach praktische Hilfe bei der Kinderbetreuung (zum Beispiel Betriebskindergarten) leisten.

Schließlich spielen kulturelle Unterschiede in der EU eine Rolle, die auch in Einstellungen und im Verhalten von Frauen und Männern sichtbar werden. Dort – und nicht nur in südeuropäischen Staaten –, wo eher traditionelle Auffassungen über die »Aufgaben« einer Frau und eines Mannes dominieren, ist die Aufgabenteilung klar: Die Mutter ist für Haushalt und Kinder zuständig, der Vater ist alleiniger Ernährer. Diese Sichtweise erschwert Müttern, einen Beruf auszuüben. Diese Sichtweise erschwert allerdings auch Vätern in einer entsprechenden Arbeitsmarktkultur, familienfreundliche Leistungen – wie beispielsweise Erziehungsurlaub – zu nutzen.

Es gibt nicht einen Grund oder eine Bedingung, die allein entscheidend für die Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben ist. Die politischen Bedingungen sind hier ebenso hervorzuheben wie die Bedingungen des Arbeitsmarktes sowie die Interessen und Fähigkeiten der Frauen und Männer, die erwerbstätig sind oder sein wollen.

1 Die Statistik aus Dänemark ist von 1993. Seit 1994 erhebt Dänemark bei der Arbeitskräfteerhebung, die der EU-Statistik zugrunde liegt, nicht mehr Anzahl und Alter der Kinder. Der Unterschied zwischen Dänemark und Deutschland dürfte 1993 wohl noch größer gewesen sein. Der zeitliche Vorsprung und die Spitzenstellung Dänemarks in der EU besonders auch gegenüber Deutschland sind deshalb umso beachtenswerter und werden in einer jüngeren OECD-Studie bestätigt: So waren in Dänemark 1998 von den Frauen im Alter von 25 bis 54 Jahren mit einem Kind 88,1 % erwerbstätig, mit zwei oder mehr Kindern 77,2 %. In Deutschland betrugen die jeweiligen Anteile 2000: 70,4 % und 56,3 %. Siehe OECD: Employment Outlook, 2002, S. 77.

2 Siehe auch Beckmann, Petra: Auch richtige Zahlen können in die Irre führen, in: IAB-Kurzbericht, Ausgabe Nr.11/2003 – sowie John, Birgit/Stutzer, Erich: Erwerbsverhalten von Erziehungsurlauberinnen, in: Zeitschrift für Familienforschung, Heft 3/2002, S. 215 f.

3 Siehe European Commission: Empolyment in Europe 2003, 2003, S. 32 f.

4 Siehe OECD: Babies and Bosses: Reconciling Work and Family Life, Australia, Denmark and The Netherlands – Volume 1, 2003.