:: 10/2004

Baden-Württemberg ist die innovativste Region der EU

Baden-Württemberg ist die Region innerhalb der Europäischen Union mit der höchsten technologischen Leistungsfähigkeit. Nirgendwo in Europa ist der Beschäftigtenanteil industrieller Hochtechnologiebranchen höher und nirgendwo werden – bezogen auf die Bevölkerungszahl – mehr Patente angemeldet als in Baden-Württemberg. Die High-Tech-Hochburgen des Landes sind der Stadtkreis Stuttgart sowie die Landkreise Bodenseekreis und Böblingen. Im Vergleich der baden-württembergischen Raumordnungsregionen liegen die Regionen Stuttgart und Bodensee-Oberschwaben an der Spitze. Der folgende Beitrag stellt die wichtigsten Ergebnisse sowie die Berechnungsmethodik des neu konzipierten »Innovationsindex« vor, anhand dessen die Innovationsfähigkeit einer Region mit nur einer Kennzahl dargestellt werden kann.

Das Statistische Landesamt hat in der Vergangenheit bereits mehrfach anhand einzelner Indikatoren, wie zum Beispiel Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) oder Beschäftigte in industriellen Hochtechnologiebranchen, die technologische Leistungsfähigkeit Baden-Württembergs untersucht. Mit der Berechnung des »Innovationsindex« ist das Statistische Landesamt nun erstmals in der Lage, die Innovationsfähigkeit Baden-Württembergs anhand einer einzigen Kennzahl in übersichtlicher Form zu dokumentieren. Der Innovationsindex verdichtet sechs Innovationsindikatoren zu einem Indexwert. Die Berechnung wurde für alle EU-Länder bzw. -Regionen durchgeführt und erlaubt damit ein Benchmarking der regionalen Innovationsfähigkeit in der Europäischen Union (zur Berechnungsmethode siehe i-Punkt). Darüber hinaus wurde der Innovationsindex auch für alle Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs berechnet, sodass regionale Stärken und Schwächen innerhalb des Landes identifiziert werden können.

Konzept des Innovationsindex

Der Innovationsindex wurde sowohl für die EU-Länder und -Regionen als auch für die Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs in zwei Stufen berechnet. Mithilfe der jeweils aktuellsten, normierten Werte von sechs Innovationsindikatoren – dazu zählen zum Beispiel FuE-Ausgaben, Patentanmeldungen sowie Beschäftigte in industriellen Hochtechnologie- und wissensintensiven Dienstleistungsbranchen – wurde der Teilindex »Niveau« berechnet, der Aufschluss über den technologischen Ist-Zustand der untersuchten Gebiete gibt. Der zweite Teilindex »Dynamik« setzt sich aus den jahresdurchschnittlichen Veränderungsraten dieser sechs Innovationsindikatoren seit Mitte der 90er-Jahre zusammen und gibt damit Hinweise auf die mittelfristige Entwicklung der Innovationsfähigkeit. Die beiden Teilindizes wurden zum Innovationsindex zusammengefasst, wobei der Niveauindex mit einem Gewicht von 75 % berücksichtigt wurde. Da für die EU-Regionen auf der einen Seite und für die baden-württembergischen Kreise auf der anderen Seite nicht die gleichen Innovationsindikatoren vorlagen, wurde der Innovationsindex für die beiden Untersuchungsräume mithilfe verschiedener, inhaltlich aber ähnlicher Einzelindikatoren berechnet (Details siehe i-Punkt). Die Indexwerte für die EU-Regionen und die baden-württembergischen Kreise sind jedoch nicht miteinander vergleichbar. Die Untersuchung berücksichtigt auf EU-Ebene insgesamt 73 Länder und Regionen.1 Um eine bessere räumliche Vergleichbarkeit zu erreichen, wurden die großen EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Spanien und Vereinigtes Königreich gemäß der EU-Gebietssystematik NUTS2 auf der ersten Gliederungsebene regionalisiert. Diese Gliederungsebene entspricht in Deutschland den Bundesländern.

Baden-Württemberg: Innovationsregion Nummer 1 in der EU

Das Ergebnis dieser empirischen Studie: Baden-Württemberg ist die Region in der Europäischen Union mit der höchsten Innovationskraft (Tabelle 1). Ausschlaggebend für die Spitzenposition Baden-Württembergs im EU-weiten Innovationsranking ist vor allem die außerordentlich starke technologische Basis des Landes. Nirgendwo anders ist der Anteil der Erwerbstätigen in industriellen Hochtechnologiebranchen und die Patentdichte höher als im Südwesten Deutschlands. So arbeiteten im Jahr 2003 in Baden-Württemberg rund 18 % aller Berufstätigen in industriellen Hochtechnologiebranchen, im Durchschnitt der 25 EU-Länder belief sich dieser Anteil dagegen nur auf gut 7 %. Weiterhin wurden – bezogen auf 1 Mill. Einwohner – von einheimischen Erfindern knapp 600 Patente beim Europäischen Patentamt angemeldet, während es im EU-Durchschnitt nur gut 130 waren. Auch bei der FuE-Ausgaben- und FuE-Personalintensität liegt Baden-Württemberg mit Werten von 3,9 bzw. 1,9 % jeweils auf Rang drei und damit auf einem europäischen Spitzenplatz. Schwächer abgeschnitten hat das Land dagegen beim Anteil der Erwerbstätigen in wissensintensiven Dienstleistungsbranchen – dazu zählen zum Beispiel Forschungsinstitute sowie Finanz- und Unternehmensdienstleister – und bei der mittelfristigen Entwicklung der Innovationsfähigkeit. Der vergleichsweise geringe Anteil an Erwerbstätigen in wissensintensiven Dienstleistungen ist aber auch ein Spiegelbild der großen Bedeutung industrieller Hochtechnologiebranchen im Land, die zudem mehr als anderswo Dienstleistungsfunktionen im Unternehmen selbst ausführen.

Weitere EU-Regionen mit einer außerordentlich hohen technologischen Leistungsfähigkeit sind Berlin, Schweden, die französische Hauptstadtregion Île de France und Bayern. Unter den neuen EU-Mitgliedsländern schneidet die polnische Region Centralny auf Position 42 am besten ab. Centralny ist die Zentralregion Polens um Warschau und Lodz. Am Ende des Innovationsindex finden sich überwiegend süd- und osteuropäische Länder und Regionen: Die polnische Region Poludniowo-Zachodni, Litauen, Lettland, Portugal und die Kanarischen Inseln belegen die letzten Plätze (Tabelle 1 und Karte 1). Die Region Poludniowo-Zachodni erstreckt sich auf den Südwesten Polens um die Städte Breslau und Oppeln.

Technologische Basis des Landes ist hervorragend

Die auffallend starke technologische Basis Baden-Württembergs spiegelt sich im ersten Platz des Landes im Teilindex »Niveau« wider (Tabelle 1). Ursächlich für den sehr guten technologischen Ist-Zustand ist die Tatsache, dass mit Unternehmen wie zum Beispiel DaimlerChrysler, Bosch, Heidelberger Druckmaschinen, ZF Friedrichshafen, IBM, Hewlett Packard und Agilent Technologies einige große Technologiekonzerne ihren Hauptsitz oder bedeutende Tochterunternehmen in Baden-Württemberg haben. Diese Unternehmen verfügen hier zu Lande nicht nur über enorme FuE-Kapazitäten, sondern zählen auch zu den größten Patentanmeldern Deutschlands und Europas. Ergänzt werden die Innovationskapazitäten dieser Großunternehmen durch ein Netzwerk innovativer Zulieferer und Dienstleister sowie ein dichtes Netz an Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen, die die Wirtschaft mit marktfähigen Forschungsergebnissen versorgen.

Hinter Baden-Württemberg liegen die gleichen EU-Länder und -Regionen an der Spitze des Niveauindex, die bereits im Gesamtindex die vorderen Plätze belegen, also Berlin vor Schweden, Île de France und Bayern (Tabelle 1). Dabei ist das Technologieprofil dieser »Spitzenregionen« durch ganz unterschiedliche Stärken gekennzeichnet.

Berlin verfügt mit 47 % über den EU-weit höchsten Anteil in wissenschaftlich-technischen Berufen Beschäftigter und gibt – gemessen an seiner Wirtschaftsleistung – nach Schweden am meisten für FuE aus. Die Stärken Schwedens liegen neben der mit 4,3 % höchsten FuE-Ausgabenintensität vor allem in einer sehr großen Bedeutung wissensintensiver Dienstleistungen. Dabei spielen insbesondere die Dienstleistungsbereiche Erziehung und Unterricht sowie Gesundheits- und Sozialwesen eine im europäischen Maßstab überdurchschnittlich große Rolle. Die französische Hauptstadtregion Île de France verfügt mit 2,3 % über die im EU-Vergleich höchste FuE-Personalintensität und zeichnet sich durch ein starkes wissensintensives Dienstleistungssegment aus. Besondere Bedeutung haben in der französischen Metropolregion Informations- und Kommunikationsdienstleistungen. Bayern schneidet wiederum beim Beschäftigtenanteil der Hochtechnologieindustrie und bei der Patentdichte mit jeweils Rang 2 am besten ab. Maßgeblich dafür dürfte sein, dass mit Siemens, Infineon und BMW drei Technologiekonzerne ihren Hauptsitz in Bayern haben, die zu den größten Patentanmeldern Europas zählen.

Den Schluss des Lageindex bilden Griechenland, die polnische Region Wschodni, Lettland, die Kanarischen Inseln und Portugal (Tabelle 1). Die Region Wschodni umfasst das Gebiet entlang der polnischen Ostgrenze und ist – wie die meisten anderen Schlusslichter – in hohem Maße von der Landwirtschaft geprägt.

Hohes Ausgangsniveau dämpft Entwicklungsdynamik des Landes

Ein anderes Bild als der Niveauindex zeichnet der Teilindex »Dynamik«. Bei der mittelfristigen Entwicklung der Innovationskraft hinkt Baden-Württemberg mit Rang 35 der europäischen Spitze hinterher (Tabelle 1). Besonders bei der Entwicklung der FuE-Intensitäten und des Anteils der Beschäftigten in wissenschaftlich-technischen Berufen schneidet das Land im europäischen Maßstab unterdurchschnittlich ab. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Baden-Württembergs FuE-Intensitäten europäische, ja sogar weltweite Spitzenwerte erreichen. Eine weitere nennenswerte Erhöhung setzt daher hier zu Lande entsprechend höhere Anstrengungen voraus als in jenen Ländern und Regionen, die von einer geringen Basis aus einen »Nachholprozess« starten. Wegen des vergleichsweise geringen Ausgangsniveaus profitieren die »Aufholregionen« zudem von einem statistischen Basiseffekt, der ihre Wachstumsraten höher ausfallen lässt. Dies ist auch der wesentliche Grund dafür, dass der Teilindex »Dynamik« nur mit einem Gewicht von 25 % in den Innovationsindex eingeht.3

Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass überwiegend solche Länder und Regionen an der Spitze des Teilindex »Dynamik« liegen, die im Niveauranking verhältnismäßig schlecht abschneiden. Die günstigste Entwicklung der Innovationsfähigkeit weisen die französischen Überseedépartements, die spanischen Regionen Noroeste und Centro, die polnische Region Pólnocny sowie Zypern auf. Thüringen folgt als bestplatziertes deutsches Bundesland auf Rang 6. Dabei ist die Region Pólnocny von den fünf dynamischsten EU-Regionen im Niveauindex mit Rang 61 noch am besten platziert (Tabelle 1).

Zu den französischen Überseedépartements gehören die Inseln Martinique, Guadeloupe, Réunion sowie Französisch-Guyana, wo sich in Kourou der Weltraumbahnhof und andere Raumfahrteinrichtungen der Europäischen Weltraumorganisation ESA befinden. In den französischen Überseedépartements haben sich seit Mitte der 90er-Jahre insbesondere die FuE-Intensitäten überdurchschnittlich stark erhöht. In diesem Anstieg dürfte sich nicht zuletzt das kräftige Wachstum der europäischen Ausgaben für Raumfahrt seit Mitte der 90er-Jahre niederschlagen.4

Der Aufholprozess der spanischen Regionen ist wohl zum einen Resultat ausländischer Direktinvestitionen beispielsweise im Fahrzeugbau, zum anderen aber auch Ergebnis regionaler Technologieförderprogramme, die mit regionalen, nationalen und europäischen Mitteln finanziert wurden.5 Die Region Noroeste, die sich im Nordwesten Spaniens auf die Autonomen Regionen Galizien und Asturien erstreckt, ist ein Zentrum des Fahrzeugbaus, das in den letzten Jahren den Strukturwandel hin zu industriellen Hochtechnologie- und wissensintensiven Dienstleistungsbranchen forciert hat. Gleichzeitig sind der Anteil der in wissenschaftlich-technischen Berufen Beschäftigten und die Patentdichte – von einem niedrigen Niveau ausgehend – außerordentlich stark gewachsen. Ähnlich war die Entwicklung in der Region Centro, die die Autonomen Regionen Castilla y León, Castilla-La Mancha und Extremadura im Zentrum Spaniens umfasst.

Die auf Rang 4 des Dynamikindex liegende polnische Region Pólnocny erstreckt sich auf die westlich der Metropolregion Warschau und an der Ostsee gelegenen Landesteile. Dort hat sich die Öffnung der Grenzen und die zunehmende europäische Integration Polens besonders positiv auf die Ostseehäfen ausgewirkt. Der Raum Danzig hat sich beispielsweise zu einem Verkehrs- und Dienstleistungszentrum entwickelt.

Am Ende des Dynamikindex liegen vor allem britische Regionen. Die letzten fünf Plätze belegen die Regionen South East, Schottland, North East, die Slowakische Republik und der Großraum London (Tabelle 1). South East liegt westlich und südlich des Großraums London, North East an der nordöstlichen Nordseeküste Englands.

Von den fünf im Niveauindex erstplatzierten Regionen schneidet Berlin im Dynamikvergleich mit Platz 19 am besten ab. Begünstigt durch die deutsche Wiedervereinigung, hat Berlin seit Mitte der 90er-Jahre als Forschungs- und Innovationsstandort an Attraktivität gewonnen. In den letzten Jahren haben beispielsweise große Industrieunternehmen, wie zum Beispiel DaimlerChrysler und Siemens, und einige ausländische IT-Unternehmen Niederlassungen und Forschungsstätten in Berlin angesiedelt. Daneben entwickelt sich Berlin zunehmend zur Kommunikations- und Medienmetropole Deutschlands. Infolgedessen hat die deutsche Hauptstadt ihre FuE-Ausgabenintensität und die Bedeutung wissensintensiver Dienstleistungen – auch im europäischen Maßstab – stark erhöht. Von den anderen Spitzenregionen des Niveauindex schneidet Bayern im Dynamikindex mit Rang 24 ebenfalls besser ab als Baden-Württemberg auf Position 35. Schweden und Île de France liegen auf den Plätzen 51 und 63 aber am Ende des Dynamikrankings (Tabelle 1).

Stuttgart ist Baden-Württembergs High-Tech-Hochburg Nummer 1

Auch wenn Baden-Württemberg insgesamt eine hervorragende technologische Leistungsfähigkeit attestiert werden kann, zeigen sich innerhalb des Landes doch große regionale Unterschiede. Der für die Kreise Baden-Württembergs berechnete Innovationsindex belegt, dass Baden-Württemberg seine hohe Innovationskraft in erster Linie der Region Stuttgart verdankt. Mit dem Stadtkreis Stuttgart und dem Landkreis Böblingen liegen zwei Kreise dieser Region auf Platz 1 und 3. Eine sehr hohe Innovationsfähigkeit weist daneben der zweitplatzierte Bodenseekreis auf. Die Schlussgruppe des Innovationsindex bilden die Landkreise Sigmaringen, Schwäbisch-Hall, Hohenlohekreis, der Stadtkreis Pforzheim, die Landkreise Ortenaukreis und Breisgau-Hochschwarzwald, der Stadtkreis Heilbronn sowie der Landkreis Neckar-Odenwald-Kreis (Tabelle 2 und Karte 2). Beim Vergleich der Raumordnungsregionen des Landes führt die Region Stuttgart vor der Region Bodensee-Oberschwaben. Über die geringste Innovationskraft verfügen dagegen die Regionen Heilbronn-Franken und Südlicher Oberrhein (Tabelle 2).

Bei der Bewertung der am Ende des Landesinnovationsindex liegenden Kreise und Regionen darf nicht vergessen werden, dass es sich hierbei um die Schlussgruppe innerhalb des EU-weit innovationsstärksten Landes handelt. Ihr ungünstiges Abschneiden im Landesranking ist vor diesem Hintergrund also zu relativieren. Außerdem ist bei der kleinräumigen Betrachtung auf Kreisebene zu berücksichtigen, dass die Innovationsaktivitäten häufig über die Kreisgrenzen hinweg ins ganze Land und auch darüber hinaus wirken. Auf verschiedene Weise können die weniger innovationsstarken Kreise von diesen »Ausstrahleffekten« profitieren.

Technologischer Status quo ist in Stuttgart und im Bodenseekreis Spitze

Die innovationsstärksten Stadt- und Landkreise verdanken ihre gute Position in erster Linie ihrer hervorragenden technologischen Basis. Daher liegen beim Niveauindex – aufgrund seines hohen Gewichts wenig überraschend – die gleichen Kreise an der Spitze, die bereits beim Gesamtindex das Feld angeführt haben. Es führt wiederum der Stadtkreis Stuttgart vor den Landkreisen Bodenseekreis und Böblingen. Auch beim Regionenvergleich gibt es gegenüber dem Gesamtindex an der Spitze keine Veränderungen: Auf Platz 1 liegt wiederum die Region Stuttgart vor der Region Bodensee-Oberschwaben (Tabelle 2).

Auszeichnen kann sich der Stadtkreis Stuttgart vor allem durch eine hohe Anzahl von Existenzgründungen im Hochtechnologiebereich. Mit 40 Existenzgründungen in Hochtechnologiebranchen je 100 000 Einwohner zwischen 21 und 60 Jahren gab es im Jahr 2003 in keinem anderen Kreis eine höhere Gründungsintensität als in der Landeshauptstadt. Im Landesdurchschnitt wurden je 100 000 Personen der relevanten Altersgruppe 18 High-Tech-Unternehmen gegründet. Die Stärke Stuttgarts gründet auch in einer sehr hohen FuE-Intensität der Wirtschaft. Hier macht sich bemerkbar, dass Großunternehmen wie zum Beispiel DaimlerChrysler, Bosch und Behr in der Landeshauptstadt nicht nur ihren Hauptsitz, sondern auch Forschungs- und Entwicklungsstätten haben. Eine Vielzahl weiterer innovativer Groß- und mittelständischer Unternehmen, nicht zuletzt in den Branchen Software und Medien, tragen ihren Anteil zum Status der Landeshauptstadt als Innovationszentrum des Landes bei. Die technologische Leistungsstärke Stuttgarts ist darüber hinaus auf ein dichtes Netz von Hochschulen und außeruniversitären FuE-Einrichtungen zurückzuführen, die häufig eng mit der Wirtschaft verbunden sind.

Der zweitplatzierte Bodenseekreis mit Friedrichshafen als wirtschaftlichem Zentrum ist untrennbar mit dem Zeppelin verbunden. Aus dem ursprünglich von Graf Ferdinand von Zeppelin gegründeten Unternehmen gingen mehrere international tätige Technologiekonzerne hervor. Dazu zählen sowohl die heute eigenständigen Unternehmen ZF Friedrichshafen und Dornier wie auch die zu DaimlerChrysler gehörende Motoren- und Turbinen-Union (MTU). Der Anteil der internen FuE-Aufwendungen der Unternehmen an der Bruttowertschöpfung der Wirtschaftsbereiche Verarbeitendes Gewerbe und Grundstückswesen, Unternehmensdienstleistungen und der Anteil des unternehmerischen FuE-Personals an diesen beiden Wirtschaftsbereichen war im Bodenseekreis im Jahr 2001 landesweit am höchsten. Im Durchschnitt des Landes beliefen sich diese beiden Kennziffern auf 5,5 bzw. 3,0 %.6

Der auf Rang 3 liegende Landkreis Böblingen stützt sich vor allem auf seinen industriellen Hochtechnologiesektor. Der Anteil der in diesem Sektor tätigen Arbeitnehmer war im Kreis Böblingen mit 41 % landesweit am höchsten und etwa doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt. Dabei wirkt sich für den Landkreis Böblingen unter anderem seine geografische Nähe zu den Konzernzentralen in Stuttgart günstig aus. So hat beispielsweise DaimlerChrysler mit dem Werk Sindelfingen eine große Produktionsstätte im Kreis Böblingen angesiedelt und IBM verfügt in Böblingen über das größte Entwicklungszentrum außerhalb den USA. Daneben befinden sich im Raum Böblingen Niederlassungen der ausländischen High-Tech-Unternehmen Hewlett Packard, Agilent Technologies und Philips Semiconductors. Um diese Zugpferde herum haben sich viele kleinere und innovative Firmen angesiedelt oder sind zuletzt neu entstanden, zum Beispiel im Böblinger Softwarezentrum auf der Hulb.

Die Kreise mit der schwächsten technologischen Basis im Land sind die Landkreise Neckar-Odenwald-Kreis, Ortenaukreis und Sigmaringen. Dies trägt viel dazu bei, dass die Regionen Heilbronn-Franken und Südlicher Oberrhein im Regionenranking die beiden letzten Plätze belegen (Tabelle 2).

Baden-Baden erhöht seine Innovationsfähigkeit am stärksten

Baden-Baden ist der Kreis im Land, der seit Mitte der 90er-Jahre beim Ausbau seiner technologischen Leistungsfähigkeit die größten Fortschritte erzielt hat und dementsprechend im Teilindex Dynamik den ersten Platz belegt (Tabelle 2). Den Spitzenplatz im Dynamikranking verdankt der Stadtkreis Baden-Baden vor allem seiner guten Entwicklung bei High-Tech-Gründungen und der Patentdichte. Da sich der Zuwachs an High-Tech-Gründungen auf einem sehr niedrigen absoluten Niveau vollzog, ist die Aussagekraft dieses Indikators allerdings sehr eingeschränkt.7 Neben dem Tourismus sind in Baden-Baden die pharmazeutische Industrie – mit den Unternehmen Juvena und Heel als den bekanntesten Beispielen – und andererseits innovative Dienstleistungsunternehmen aus dem IT- und Mediensektor von Bedeutung.

Auf dem zweiten und dritten Platz des Dynamikindex liegen die Landkreise Heidenheim und Rhein-Neckar-Kreis. Im Vergleich der Raumordnungsregionen des Landes schneiden die Regionen Ostwürttemberg und Stuttgart am besten ab.

Im Landkreis Heidenheim haben sich seit Mitte der 90er-Jahre insbesondere die FuE-Intensität der Unternehmen, die wissensintensiven Dienstleistungsbranchen und die Patentdichte überdurchschnittlich gut entwickelt. Große FuE-Ressourcen des Kreises Heidenheim befinden sich nicht zuletzt in den drei großen High-Tech-Unternehmen J. M. Voith AG, Bosch-Siemens-Hausgeräte GmbH und Osram GmbH, deren Innovationsaktivitäten die Entwicklung der technologischen Leistungsfähigkeit des Kreises in hohem Maße bestimmen.

Der Rhein-Neckar-Kreis weist die landesweit höchste Dynamik bei der FuE-Ausgabenintensität und der Quote wissensintensiver Dienstleistungen auf. Die SAP AG als größtes Technologie- und Dienstleistungsunternehmen des Kreises dürfte für diese Entwicklung eine entscheidende Rolle gespielt haben. Einer besseren Platzierung im Dynamikindex stand die vergleichsweise schwache Entwicklung des Rhein-Neckar-Kreises beim Beschäftigtenanteil der High-Tech-Industrie und vor allem bei der Patentdichte entgegen.8

Die geringste Dynamik im Ausbau der technologischen Basis weisen in Baden-Württemberg der Stadtkreis Pforzheim, der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald und der Stadtkreis Heilbronn auf. Wie beim Niveauindex liegen die Regionen Heilbronn-Franken und Südlicher Oberrhein auch beim Dynamikindex am Ende des Rankings (Tabelle 2).

Von den drei im Niveauindex erstplatzierten Regionen schneidet der Stadtkreis Stuttgart im Dynamikranking mit Rang 5 am besten ab. Die sehr gute Platzierung verdankt die Landeshauptstadt in erster Linie der stark zunehmenden Gründungsintensität in High-Tech-Branchen. Diese hat in Baden-Württemberg nur im Landkreis Emmendingen stärker zugenommen als in Stuttgart. Der im Niveauindex zweitplatzierte Bodenseekreis findet sich im Dynamikindex auf Position 32, der drittplatzierte Landkreis Böblingen auf Rang 12 wieder (Tabelle 2).

1 Von den 25 EU-Ländern konnte lediglich Malta nicht berücksichtigt werden, da nur für fünf der zwölf Indikatorreihen Werte vorlagen.

2 Nomenclature des unités territoriales statistiques.

3 Für ein höheres Gewicht des Teilindex »Niveau« spricht außerdem, dass der Innovationsindex vor allem Hinweise auf die aktuelle Innovationsfähigkeit geben soll. Die Position Baden-Württembergs ist von der Gewichtung der beiden Teilindizes im Übrigen weit gehend un-abhängig: Das Land würde seine Spitzenposition auch bei einer Gleichgewichtung der Teilindizes behalten.

4 Die raumfahrtrelevanten Gemeinschaftsausgaben sind von 150 Mill. Euro im Zeitraum 1995 bis 1998 auf 550 Mill. Euro in der Periode 1999 bis 2002 gestiegen. Quelle: Weißbuch der Europäischen Kommission, Die Raumfahrt: Europäische Horizonte einer erweiterten Union – Aktionsplan für die Durchführung der europäischen Raumfahrtpolitik, Brüssel, 2003, S. 54.

5 Europäische Kommission, Generaldirektion Regionalpolitik, Regional Innovation Strategies under the European Regional Development Fund – Innovative Actions 2000-2002.

6 Aus Gründen der statistischen Gemeinhaltung können die FuE-Intensitäten auf Kreisebene nicht veröffentlicht werden.

7 Die Zahl der Existenzgründungen in Hochtechnologiebranchen hat sich im Stadtkreis Baden-Baden zwischen 1996 und 2003 von vier auf sieben erhöht.

8 Patente werden in erster Linie von Industrieunternehmen angemeldet, da die Innovationen der Dienstleistungsunternehmen in Deutschland häufig nicht patentfähig sind. Für neue Computersoftware kann in Deutschland zum Beispiel nur dann Patentschutz erlangt werden, wenn die Software ein Verfahren mit technischem Effekt beschreibt. In den anderen Fällen kann der Programmiercode nur über das Urheberrecht geschützt werden.