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Fast 51 000 Personen erhielten 2003 erstmals Leistungen der Grundsicherung

Seit 1. Januar 2003 ist das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) in Kraft. Der Zweck des Gesetzes besteht darin, für Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, oder solche, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und voll erwerbsgemindert1 sind, eine eigenständige soziale Leistung zu schaffen, die den grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt »sicherstellt«.

Zum Jahresende 2003 hatten rund 51 000 Personen in Baden-Württemberg Anspruch auf Leistungen zur bedarfsorientierten Grundsicherung. Im Vergleich dazu bezogen fast 230 000 Personen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt, die so genannte »Sozialhilfe im engeren Sinne«. Umgerechnet auf die Bevölkerung kamen auf 1 000 Einwohner in Baden-Württemberg rund 5 Grundsicherungsempfänger. Gut ein Drittel der Anspruchsberechtigten war in stationären Einrichtungen, zum Beispiel in Alten- oder Pflegeheimen untergebracht, zwei Drittel lebten außerhalb von solchen Einrichtungen.

Leistung weit gehend ohne Unterhaltsrückgriff auf Kinder oder Eltern

Das Grundsicherungsgesetz unterscheidet zwei Personengruppen, die als Anspruchsberechtigte für Leistungen der Grundsicherung infrage kommen (Schaubild 1):

  • 18- bis unter 65-Jährige, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind,
  • Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben.

Zur Beurteilung der Auswirkungen dieses neuen Gesetzes wurden erstmals für das Berichtsjahr 2003 Erhebungen über die Empfänger sowie über Ausgaben und Einnahmen als Bundesstatistik durchgeführt. Im Gegensatz zur Sozialhilfe bleiben bei der Grundsicherung Unterhaltsansprüche gegenüber den Kindern und Eltern des Anspruchsberechtigten normalerweise unberücksichtigt. Sie sind nur dann von Bedeutung, wenn deren jährliches Gesamteinkommen den Betrag von 100 000 Euro erreicht. Dadurch sollen vor allem ältere Menschen mit wenig Rente ermutigt werden, ihre Ansprüche geltend zu machen. Die so genannte »verschämte Altersarmut« soll verhindert werden. Die Höhe der Grundsicherungsleistungen entspricht dem Sozialhilfeniveau.

Als Ursache für die Leistungsgewährung wurde in rund 47,4 % oder 24 200 aller Fälle die Überleitung aus der Sozialhilfe genannt. Trotz Einführung der Grundsicherung stieg jedoch die Zahl der Sozialhilfeempfänger zum 31. Dezember 2003 um 2,6 % gegenüber dem Vorjahr, was vor allem auf die ungünstigere Arbeitsmarktsituation zurückzuführen ist.

Von den rund 51 000 Personen mit Anspruch auf Grundsicherung in Baden-Württemberg hatten weniger als die Hälfte (rund 46,7 % oder 23 800 Empfänger) die Altersgrenze von 65 Jahren noch nicht erreicht. Diese Personen, die vor allem wegen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage sind, auf Dauer mehr als 3 Stunden pro Tag zu arbeiten, waren vor Einführung der Grundsicherung zum überwiegenden Teil bereits Sozialhilfeempfänger. Entweder haben sie in der Vergangenheit laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen erhalten oder als Heimbewohner Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen bezogen. Etwa die Hälfte der Grundleistungsempfänger im Erwerbsalter lebte in Einrichtungen.

Kampf gegen verschämte Armut

Die Mehrheit der Grundleistungsempfänger, annähernd 27 200 oder 53,3 %, war Ende des vergangenen Jahres 65 Jahre und älter. Die Grundsicherungsempfänger im Rentenalter lebten überwiegend außerhalb von Einrichtungen. Nur bei etwa 20 % der Empfänger handelte es sich um Heimbewohner. In der Regel waren Personen in Einrichtungen bereits vor Einführung der Grundsicherung auf Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen angewiesen.

Unter anderem wurde die Einführung der Grundsicherung damit begründet, dass die so genannte »verschämte Armut« im Alter bekämpft werden sollte. In diesem Zusammenhang ist die Frage von Interesse, wie viele Personen, die bisher keine laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten haben, nunmehr diese Grundleistung in Anspruch nehmen.

Ältere Menschen, die bisher auf staatliche Fürsorge verzichtet haben, weil sie einen Unterhaltsrückgriff auf ihre Kinder befürchteten, können nun Grundsicherungsleistungen in Anspruch nehmen, ohne dass sie Gefahr laufen, dass ihre Kinder ihnen gegenüber unterhaltspflichtig werden. Von den Grundleistungsempfängern im Rentenalter, die außerhalb von Einrichtungen lebten, hatten 52 % bereits vor In-Kraft-Treten des Grundsicherungsgesetzes Leistungen vom Sozialamt erhalten. Etwa 48 % der mindestens 65-jährigen Empfänger, die Ende 2003 nicht in einer Einrichtung lebten und Grundsicherungsleistungen erhielten, hatten noch keine laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen. Diese landesweit rund 10 000 Personen waren bisher entweder nicht bedürftig im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes oder aber sie haben sich in der Vergangenheit gescheut, einen Antrag auf Sozialhilfe zu stellen, obwohl bei der Antragstellung für die Grundsicherung ein entsprechender Bedarf bejaht wurde. Der weit überwiegende Teil dieser Grundleistungsempfänger ohne bisherigen Sozialhilfebezug kann als »verschämt arm« angesehen werden.

Mehr Frauen als Männer auf Grundsicherung angewiesen

Die Mehrheit der Grundsicherungsempfänger sind mit einem Anteil von fast 58 % Frauen. Dies gilt jedoch nicht für die Gruppe der unter 65-Jährigen. Während das Zahlenverhältnis zwischen weiblichen und männlichen Grundleistungsempfängern im Rentenalter etwa 2 zu 1 ist, waren die Männer im Erwerbsalter mit über 55 % eindeutig in der Überzahl. Ein wesentlicher Grund hierfür dürfte die deutlich höhere Zahl schwer behinderter Männer als Frauen zwischen 18 und 65 Jahren sein. Der höhere Anteil von Frauen im Rentenalter ist einerseits durch die höhere Lebenserwartung und damit verbunden einer höheren Zahl von älteren Frauen in der Bevölkerung bedingt, anderseits aber auch durch die relativ große Zahl von Bezieherinnen kleiner Renten zu erklären.

Ältere Ausländer benötigen wesentlich häufiger finanzielle Hilfen als ihre deutschen Altersgenossen

Anders als bei der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt – hier beträgt der Ausländeranteil 27 % – weicht der Anteil ausländischer Bezieher von Grundleistungen mit 15 % relativ wenig vom ausländischen Bevölkerungsanteil von 12 % ab. Betrachtet man jedoch die Personengruppen der 18- bis 64-Jährigen und jene der über 64-Jährigen getrennt, ergibt sich ein differenziertes Bild. Während – bezogen auf den Bevölkerungsanteil – nur etwa halb so viele Ausländer wie Deutsche im Erwerbsalter Grundleistungen erhalten, sind es bei den über 64-Jährigen fünf Mal mehr Ausländer als Deutsche, die diese neue staatliche Leistung in Anspruch nehmen. Viele Ausländer, die jetzt Grundsicherung erhalten, hatten während ihrer Erwerbsphase relativ geringe Einkommen und verfügen häufig auch über kürzere Versicherungszeiten im Vergleich zu den deutschen Ruheständlern.

94 % zwischen 300 und 800 Euro Bruttobedarf

Der durchschnittliche Bruttobedarf je Grundleistungsempfänger betrug 574 Euro im Monat. Jeder dritte Grundleistungsempfänger hatte einen errechneten Anspruch zwischen 600 und 700 Euro (Schaubild 2). In diesem Betrag sind neben dem maßgebenden Regelsatz, derzeit 297 Euro für den Haushaltsvorstand zuzüglich 15 % des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes für die Abgeltung einmaliger Leistungen (zum Beispiel Kleidung, Hausrat etc.), angemessene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, die Übernahme von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen sowie gegebenenfalls ein Mehrbedarf von 20 % bei Besitz eines Schwerbehindertenausweises enthalten. Auf Unterkunftskosten plus Heizung entfielen im Durchschnitt etwa 40 % des Bruttobedarfs (i-Punkt).

Vom Bruttobedarf werden Einkommen und Vermögen – dieses eventuell nach Abzug eines Freibetrages – des Leistungsempfängers sowie dessen nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft abgezogen. Die Differenz ergibt den Nettoanspruch. Dieser lag im Durchschnitt bei 326 Euro pro Monat. Die Grundleistungsempfänger hatten durchschnittlich 43 % ihres Lebensunterhaltes durch eigenes Einkommen und Vermögen oder durch Einkommen und Vermögen des mit ihnen zusammenlebenden Partners bestritten. Insgesamt wurden in Baden-Württemberg im Jahr 2003 annähernd 164,4 Millionen Euro für Grundsicherungsleistungen aufgewendet.

Sofern die Pauschale für den einmaligen Bedarf nicht ausreicht, muss zusätzlich Sozialhilfe beantragt werden. Trotz Einführung der Grundsicherung gibt es deshalb weiterhin viele Personen, die zusätzlich Leistungen aus der Sozialhilfe erhalten, weil erst ab dem In-Kraft-Treten des neuen Sozialhilferechts ab 2005 Bedarfszuschläge wie beispielsweise Zuschläge für Heilnahrung, die bisher nicht Bestandteil der Grundsicherung sind, ebenfalls als Grundsicherungsleistung gewährt werden.

Anteil in städtischen Regionen höher als in ländlichen

Im Landesdurchschnitt erhielten von 1 000 Baden-Württembergern, die 65 Jahre und älter waren, rund 15 Leistungen der Grundsicherung. Verglichen damit lag die Zahl der voll erwerbsgeminderten Personen, die Leistungen der Grundsicherung erhielten, bezogen auf die Altersgruppe der 18- bis 64-Jährigen nur bei 4 von 1 000 Personen. Vor allem in den Stadtkreisen liegt die Zahl der Personen mit Anspruch auf Grundsicherung bezogen auf die Bevölkerung im Rentenalter deutlich höher als in den Landkreisen (Tabelle und Schaubild 3). Gerade in den städtisch oder großstädtisch geprägten Landesteilen, die bereits heute einen relativ hohen Anteil älterer Menschen aufweisen, war auch der Anteil der Grundsicherungsempfänger am höchsten. Ursachen dafür dürften die höheren Mieten und eine geringere Wohneigentumsquote in den Städten sein. Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass die städtische Bevölkerung über die Möglichkeit, Grundsicherung zu beantragen, besser informiert ist.

1 Eine volle Erwerbsminderung ist dann gegeben, wenn die Betroffenen auf Dauer nicht in der Lage sind, mindestens drei Stunden pro Tag einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.