:: 4/2005

Stuttgart und Karlsruhe im Spitzenfeld der wirtschaftsstärksten Regionen Europas

Baden-Württemberg ist in der Gruppe der wirtschaftsstärksten Regionen der Europäischen Union (EU) gut vertreten. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), also der insgesamt erbrachten wirtschaftlichen Leistung einer Region, gehören mit Stuttgart und Karlsruhe zwei Regierungsbezirke im Land zum Spitzenfeld der Regionen Europas mit der höchsten Wirtschaftskraft. Hierzu zählen unter den 254 so genannten NUTS-2-Regionen der 25 EU-Mitgliedstaaten – in Deutschland die Regierungsbezirke und die Stadtstaaten – jene Regionen, deren BIP je Einwohner kaufkraftbereinigt den EU-Durchschnitt um 25 % überschreiten.

Alle vier Regierungsbezirke im Land über EU-Durchschnitt

Nach dem vor kurzem von Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften, veröffentlichten vorläufigen Datenmaterial zum regionalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) 20021 reicht das BIP je Einwohner in der EU von 32 % des EU-25-Durchschnitts in der polnischen Region Lubelskie2 bis zu 315 % in der Region Inner London. Zum Ausgleich von Preisniveauunterschieden zwischen den Regionen wird das in nationalen Währungen ausgewiesene BIP in eine künstliche gemeinsame Währung, Kaufkraftstandard (KKS) genannt, konvertiert. Auf diese Weise kaufkraftbereinigt, belief sich das BIP je Einwohner in der EU-25 im Jahr 2002 im Durchschnitt auf rund 21 200 KKS. Zu den wirtschaftlich stärkeren Gebieten in der Europäischen Union, deren BIP je Einwohner die 125%-Marke überschritt, konnten insgesamt 37 Regionen gerechnet werden. In Baden-Württemberg (26 425 KKS) erreichte der Regierungsbezirk Stuttgart mit einem BIP je Einwohner von gut 29 000 KKS bzw. 137 % des EU-Durchschnitts den höchsten Pro-Kopf-Wert, gefolgt von Karlsruhe mit rund 27 000 KKS (128 %). Mit Tübingen und Freiburg, die Werte von gut 114 % bzw. knapp 108 % erzielten, liegt der Südweststaat mit allen vier Regierungsbezirken deutlich über dem EU-Durchschnitt.

Wie die Ergebnisse von Eurostat weiter zeigen, ist Baden-Württemberg mit den Regierungsbezirken Stuttgart und Karlsruhe im Vergleich zu den anderen Flächenländern Deutschlands überdurchschnittlich stark unter den europäischen Top-Regionen vertreten. In Bayern und Hessen überschritt das BIP je Einwohner jeweils nur in einem Regierungsbezirk die 125%-Grenze. Allerdings sind diese beiden Regionen, im Freistaat der Regierungsbezirk Oberbayern (158 %) und in Hessen der Regierungsbezirk Darmstadt (153 %), dabei deutlich vor Stuttgart platziert, das im europäischen Ranking Platz 21 einnimmt. Das Schaubild 1 vermittelt einen Überblick über die regionale Verteilung des BIP je Einwohner (in KKS) für die Europäische Union. Die Spannweite reicht von 6 760 KKS in Lubelskie bis zu 66 745 KKS je Einwohner in der britischen Hauptstadtregion Inner London. Damit lag der Wert in letzterer Region mit dem höchsten BIP pro Kopf fast zehnmal so hoch wie in der wirtschaftsschwächsten Region. Dabei führt die Verwendung von KKS statt Euro von der Verteilung her gesehen zu einer Glättung, da Regionen mit einem sehr hohen BIP je Einwohner in der Regel auch ein relativ hohes Preisniveau aufweisen. So weist in Euro gerechnet die Region Inner London (75 027 Euro) ein mehr als 20fach höheres BIP pro Kopf als die Region Lubelskie (3 708 Euro) auf.

Vier deutsche Regionen unter den 20 bestplatzierten …

Nach Inner London (315 %) folgen auf den Plätzen 2 und 3 Brüssel mit 234 % und das Großherzogtum Luxemburg mit 213 % (Tabelle). Auf Rang 4 liegt Hamburg (188 %), das größte Dienstleistungs-, Handels- und Schifffahrtszentrum Norddeutschlands, gefolgt von der französischen Hauptstadtregion Île de France (176 %) auf Platz 5. Neben Hamburg sind noch drei weitere deutsche Regionen unter den 20 Bestplazierten zu finden. Auf Rang 10 liegt Oberbayern, das sich in der jüngeren Vergangenheit zu einem modernen Dienstleistungs- und High-Tech-Industriestandort gewandelt hat. Wichtige Branchen im Verarbeitenden Gewerbe sind hier der Maschinen- und Automobilbau sowie die Elektroindustrie. An 13. Stelle folgt der wirtschaftsstarke Regierungsbezirk Darmstadt, geprägt durch zahlreiche Bankzentralen, renommierte Software-Häuser und international ausgerichtete Unternehmen. Auf Platz 16 liegt Bremen als kleinstes Bundesland.

Allerdings ist bei Verwendung des Indikators »BIP je Einwohner« zu berücksichtigen, dass nicht alle Beschäftigten, die an der Erstellung dieses BIPs beteiligt sind, auch gleichzeitig in dieser Region ihren Wohnsitz haben. Das BIP misst nämlich die in den Grenzen einer Region erbrachte wirtschaftliche Leistung – unabhängig davon, ob die Beschäftigten in dieser oder in anderen Regionen ihren Wohnsitz haben. Insbesondere in wirtschaftlichen Zentren wie London, Paris oder Luxemburg, aber auch Hamburg oder Stuttgart kann es bei einem hohen Anteil von Berufseinpendlern zu einem sehr hohen regionalen BIP je Einwohner kommen, während die umliegenden Regionen ein relativ geringeres regionales BIP je Einwohner aufweisen, obwohl das verfügbare Einkommen der Haushalte in diesen Regionen vergleichbar hoch ist.

… und sechs unter den wirtschaftsschwächeren Regionen

Jede vierte Region der Europäischen Union liegt unter der Marke von 75 % des EU-Durchschnitts. Von diesen insgesamt 59 wirtschaftsschwächeren Regionen befinden sich sechs in Deutschland, alle in den neuen Bundesländern. Den niedrigsten Wert weist hierunter der Regierungsbezirk Dessau in Sachsen-Anhalt mit knapp 14 100 KKS bzw. 66,5 % des EU-25-Durchschnitts auf.

Nicht nur zwischen den Ländern, auch innerhalb der Länder bestehen im regionalen Vergleich zum Teil beträchtliche wirtschaftliche Unterschiede, wie Schaubild 2 zeigt. In 11 der 17 hier betrachteten EU-Länder mit NUTS-2-Regionen war das BIP je Einwohner in der Region mit dem höchsten Durchschnittswert im Jahr 2002 mehr als doppelt so hoch wie der jeweils niedrigste Wert. Dabei zeigten sich die größten regionalen Differenzen im Vereinigten Königreich mit einem Faktor von 4,3 zwischen den beiden Extremwerten von 315 % des EU-25-Durchschnitts in Inner London bis 73 % in der Region Cornwall and Isles of Scilly sowie in Belgien und der Slowakischen Republik mit einem Faktor von jeweils 3,1. Insgesamt sieben der Länder dieser Gruppe gehören den alten Mitgliedstaaten an sowie vier den neuen Mitgliedstaaten. Demnach treten vergleichsweise starke regionale Divergenzen des BIP je Einwohner sowohl in den alten als auch in den neuen Mitgliedstaaten auf.

Baden-Württemberg mit nur geringen regionalen Divergenzen

Baden-Württemberg kann zu den Ländern mit den geringsten wirtschaftlichen Unterschieden zwischen den Regionen gerechnet werden. Im Regierungsbezirk Stuttgart, der wirtschaftsstärksten Region im Land, ist das BIP je Einwohner lediglich um den Faktor 1,3 höher als in Freiburg, dem Regierungsbezirk mit der schwächsten Wirtschaftsleistung pro Kopf. Unter den EU-Mitgliedstaaten weisen Irland (1,5), Schweden (1,6), die Niederlande (1,7) sowie Portugal (1,8) die niedrigsten regionalen Divergenzen im BIP je Einwohner auf. Auf die Hauptstadtregionen, wie zum Beispiel Brüssel, London, Paris, Madrid, Prag und Bratislava, entfallen erhebliche Teile der wirtschaftlichen Gesamtleistung der entsprechenden Länder. In Schaubild 2 lässt sich dies daran erkennen, dass die Hauptstadtregion in 13 der 18 betrachteten Länder mit NUTS-2-Regionen gleichzeitig die Region mit dem höchsten BIP je Einwohner des jeweiligen Landes ist.

Osterweiterung senkt EU-Durchschnitt

Die Erweiterung der Europäischen Union um 10 Länder auf nunmehr 25 Mitgliedstaaten hat den bisherigen EU-Durchschnitt des BIPs je Einwohner deutlich gesenkt. Für den Durchschnitt der alten Mitgliedstaaten der EU-15 ergab sich 2002 ein pro-Kopf-BIP von gut 24 100 Euro gegenüber nunmehr knapp 21 200 Euro der EU-25. Aufgrund des niedrigeren EU-Durchschnitts hat sich der Anteil der Regionen mit einem BIP je Einwohner über der 125%-Marke des EU-Wertes, die damit zu den wirtschaftsstärkeren Regionen gerechnet werden, wesentlich erhöht. Im Vergleich zum EU-15-Durchschnitt läge 2002 nur jede zwölfte Region über der 125%-Grenze, mit dem EU-25-Wert gerechnet war es jede siebte. Für Baden-Württemberg hat sich damit der Anteil der rechnerisch wirtschaftsstärkeren Regionen verdoppelt. Neben dem Regierungsbezirk Stuttgart, der von knapp über 125 % (EU-15) auf mehr als 137 % bei der EU-25 gestiegen ist, zählt nun auch der Regierungsbezirk Karlsruhe mit fast 128 % (EU-15: 117 %) zu den Top-Regionen. Die Region mit der vergleichsweise niedrigsten Wirtschaftskraft im Land, der Regierungsbezirk Freiburg, lag 2002 im EU-25-Vergleich mit gut 107 % über dem EU-Durchschnitt, bislang lag Freiburg knapp darunter. Im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung der neuen Mitgliedstaaten, deren Regionen, wie im Schaubild 1 ersichtlich, 2002 überwiegend bei den schwächeren Gebieten zu finden waren, dürften sich die wirtschaftlichen Divergenzen in der EU künftig weiter verringern.

1 Die neuesten Daten veröffentlichte Eurostat am 7. April 2005. auf die in diesem Beitrag publizierten Ergebnisse haben diese Daten keinen Einfluss.

2 An der Grenze zu Weißrussland und der Ukraine.