:: 5/2005

Die Top-Branchen in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs

Wenn man die Betriebe Baden-Württembergs nach ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in Branchen einteilt und nach der Beschäftigtenzahl je Branche sortiert, lässt sich ein so genannter Branchenspiegel der Top-Branchen jedes Stadt- und Landkreises aufstellen. Betrachtet man lediglich die Grobeinteilung nach Wirtschaftssektoren (entsprechende Branchen zusammengefasst), ist klar, dass die meisten Beschäftigten in der Mehrzahl der Kreise nach wie vor im Verarbeitenden Gewerbe tätig sind. Denn das Verarbeitende Gewerbe vereinigt in sich die meisten (Teil-)Branchen, wie zum Beispiel die Automobilindustrie und deren Zulieferer, den Maschinenbau oder die Metall verarbeitende Industrie. In den übrigen Kreisen ist der Dienstleistungssektor am größten. Teilt man die Wirtschaftssektoren jedoch in die einzelnen Branchen auf, tritt die erstaunliche Tatsache zutage, dass in vielen Kreisen das Gesundheitswesen die Bedeutung industrieller Branchen, wie zum Beispiel des Maschinenbaus, als Arbeitgeber übertrifft. In den Stadtkreisen Karlsruhe und Mannheim gibt eine Vielzahl von Unternehmensdienstleistern den anteilsmäßig meisten Beschäftigten Arbeit. Im Stadtkreis Pforzheim ist traditionell der Einzelhandel (einschl. Versandhandel) als Arbeitgeber besonders wichtig.

Verarbeitendes Gewerbe ist größter Arbeitgeber im Land

Baden-Württemberg ist in der öffentlichen Meinung ein Industrieland. DaimlerChrysler, Bosch, Trumph, Äsculap, Groz und Beckert und viele andere weltbekannte Firmen prägten und prägen dieses Landesimage. Aber welche Branchen prägen das wirtschaftliche Geschehen in den Stadt- und Landkreisen tatsächlich und in welchen Branchen sind in den einzelnen Kreisen die meisten Menschen beschäftigt? Dies ist immer wieder von Interesse, wenn es gilt, sich einen ersten Eindruck über die regionale und sektorale Wirtschaftsstruktur Baden-Württembergs zu verschaffen.

Die Vorrangstellung des Verarbeitenden Gewerbes finden wir immerhin in 31 von 44 Stadt- und Landkreisen bestätigt. Ausnahmen sind zum Beispiel Stadt- und Landkreise mit Universitäten. Dort ist der Wirtschaftssektor mit öffentlichen und privaten Dienstleistungen am größten. Hier sind die größeren Industriebetriebe eher im Umland angesiedelt. Eine Ausnahme ist auch die Landeshauptstadt mit der Landesverwaltung. Im Schaubild 1 sind der besseren Darstellung wegen die Erwerbstätigen aller Wirtschaftssektoren dargestellt.1 Datenquelle ist hier die Erwerbstätigenrechnung. Im Gegensatz zur Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind bei den Erwerbstätigen die Betriebsinhaber und die Beamten enthalten.

Der Wirtschaftssektor Verarbeitendes Gewerbe umfasst in Baden-Württemberg aber allein 23 unterschiedlich große (Teil-)Branchen, wie zum Beispiel die Automobilindustrie mit Zulieferern (Herstellung von Kraftwagen und

-teilen), den Maschinenbau, die Metall verarbeitende Industrie (Herstellung von Metallerzeugnissen), das Ernährungsgewerbe ebenso wie kleinere Branchen mit geringerer Beschäftigungsbedeutung für Baden-Württemberg insgesamt, aber durchaus regionalem Gewicht, zum Beispiel das Textil- und Bekleidungsgewerbe oder den sonstigen Fahrzeugbau, worunter sich der Schiffs-, Bahn- und Raumfahrzeugbau versteckt.2 Gesundheitswesen häufig Top-Branche in den Stadt- und Landkreisen

Bei einer differenzierten Branchenbetrachtung wird deutlich, dass vielerorts im Lande das Gesundheitswesen die Bedeutung zum Beispiel des Maschinenbaus als Arbeitgeber übertrifft. In allen Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs sind zusammengenommen im Gesundheitswesen mit knapp 380 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die meisten Menschen je Branche beschäftigt, gefolgt vom Maschinenbau mit annähernd 300 000 Personen.3 Betrachtet man nun die einzelnen Stadt- und Landkreise gesondert, dominiert der »Kraftfahrzeugbau und die Herstellung von Kraftfahrzeugteilen« erwartungsgemäß in den Kreisen Böblingen, Stuttgart, dem Landkreis Heilbronn, Rastatt und Ludwigsburg. Im Landkreis Tuttlingen ist die beschäftigungsstärkste Teilbranche traditionell die »Medizin- und Messtechnik, Optik und Uhrenherstellung«. Der Maschinenbau dominiert in 13 von 44 Kreisen. In 20 von 44 Kreisen ist das Gesundheitswesen die beschäftigungsintensivste Brache, in 12 weiteren Kreisen liegt es an zweiter Stelle. Das Gesundheitswesen umfasst neben den Praxen der niedergelassenen Ärzte insbesondere die Krankenhäuser, Sanatorien, Reha-Einrichtungen und Alten(pflege-)heime. Im Schaubild 2 sind die Top-Branchen in den Stadt- und Landkreisen des Landes dargestellt; Kriterium sind hier die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Datenquelle ist das Unternehmensregister).

In den Stadtkreisen Karlsruhe und Mannheim führen die unternehmensnahen Dienstleistungen die Rangliste an. Zu den unternehmensnahen Dienstleistungen werden Betriebe gerechnet, die in den Teilbranchen wie Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Ingenieurwesen und technische Untersuchung, Reinigungswesen und Sicherheitsdienste, Werbung und Messeveranstalter tätig sind. Im Stadtkreis Pforzheim ist der Einzelhandel einschließlich des Versandhandels Top-Branche mit den meisten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (7 400; zum Vergleich: im Verarbeitenden Gewerbe insgesamt sind in Pforzheim 17 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte tätig). Beim Vergleich der Landkreise zu beachten ist allerdings die unterschiedliche Bedeutung der Branchen, denn die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den einzelnen Top-Branchen je Kreis schwankt von knapp 4 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Baden-Baden im Gesundheitswesen (von 26 000 insgesamt) bis zu 46 500 in der Herstellung von Kraftwagen und -teilen im Kreis Böblingen (von 155 000 insgesamt).

Amtliche Statistik liefert umfassenden Überblick über die Wirtschaft

Mit Auswertungen des Unternehmensregisters wie in dem hier präsentierten Beispiel lassen sich also erste Eindrücke über wirtschaftliche Stärken (oder Schwächen) einer Region gewinnen, die in dieser Gliederungstiefe bisher so noch nicht vorgelegt werden konnten. Über nahezu alle Wirtschaftssektoren hinweg können strukturelle Aussagen zur Größe und regionalen Verteilung von Unternehmen oder Betrieben getroffen werden. Allerdings enthält das Unternehmensregister nur die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, weshalb die Beschäftigungsverhältnisse in Verwaltung und Schulwesen, wo überwiegend Beamte beschäftigt sind, nicht vollständig dargestellt werden können.

1 Der Wirtschaftssektor Produzierendes Gewerbe besteht aus Verarbeitendem und Baugewerbe sowie der Energiewirtschaft. Die öffentliche Verwaltung und das Schulwesen sind im Sektor öffentliche und private Dienstleister enthalten. Die Erwerbstätigen umfassen sowohl die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten als auch tätige Inhaber, geringfügig Beschäftigte und Beamte.

2 Mit dem umgangssprachlichen Begriff Branchen sind hier 55 Wirtschaftsabteilungen (in den Abschnitten C – O die Abteilungen 10 - 93) der Klassifikation der Wirtschaftszweige gemeint: zum Beispiel Ernährungsgewerbe, Maschinenbau, Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen, Kraftfahrzeughandel, Einzelhandel (ohne Kfz-Handel), Gastgewerbe, Grundstücks- und Wohnungswesen, wirtschaftliche (unternehmensnahe) Dienstleistungen, Erziehung und Unterricht, Gesundheits- und Sozialwesen, öffentliche und persönliche Dienstleistungen. Einige Teilbranchen (Wirtschaftsabteilungen) sind gemäß Wirtschaftssystematik gleichzeitig Wirtschaftssektoren, da es keine weitere Unterteilung gibt: Baugewerbe, Gastgewerbe, öffentliche Verwaltung, Erziehung und Unterricht sowie Gesundheits- und Sozialwesen.

3 Die öffentliche Verwaltung würde unter Einschluss der Beamten dem Maschinenbau landesweit den zweiten Platz im Feld der beschäftigungsintensivsten Branchen streitig machen. Genauso würde der Bereich Erziehung und Unterricht (Schulen und Hochschulen) einen der vorderen Plätze belegen.