:: 8/2005

Private berufliche Schulen in Baden‑Württemberg

Innerhalb von 2 Jahren erhöhte sich die Schülerzahl der privaten beruflichen Schulen um mehr als 26 % auf 32 792 im Schuljahr 2004/05. Damit besuchte etwa jeder zwölfte Schüler einer beruflichen Schule eine Einrichtung in freier Trägerschaft. Diese dynamische Entwicklung wurde vor allem von den Berufsfachschulen und den Berufskollegs getragen. Ein Grund für den Anstieg ist die Neuordnung der Erzieherinnenausbildung, die die Einrichtung eines neuen Bildungsgangs an Berufskollegs zur Folge hatte. Daneben spiegelt sich hier aber auch die Orientierung der freien Träger an der Nachfrage auf dem »Bildungsmarkt« und die Reaktion auf politische Vorgaben, wie zum Beispiel die Ausschreibung von Fördermaßnahmen durch die Bundesagentur für Arbeit, wider.

An den beruflichen Schulen in Baden‑Württemberg wurden im gerade abgelaufenen Schuljahr 390 987 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, fast 4 100 mehr als im Jahr zuvor.1 Der größte Teil von ihnen erhielt seine Ausbildung an öffentlichen Einrichtungen, aber immerhin 32 792 besuchten eine der 269 privaten beruflichen Schulen. Beim Träger einer privaten Schule handelt es sich meist um einen Verein, eine Stiftung, eine kirchliche Einrichtung oder eine natürliche bzw. juristische Person. Ein Teil der Privatschulen gehört nicht zum Geschäftsbereich des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport, sondern ist dem Sozialministerium zugeordnet. Dies betrifft die Berufsfachschulen für Altenpflege und die Fachschulen für sozialpflegerische Berufe.

Die Entwicklung der Schülerzahl an den öffentlichen beruflichen Schulen wird entscheidend durch die Stärke der Geburtenjahrgänge geprägt. Die Schülerzahl ging seit Mitte der 80er-Jahre um gut 96 000 zurück und erreichte im Schuljahr 1995/96 mit rund 319 000 einen Tiefpunkt. Seitdem stieg sie wieder bis auf 358 195 im Schuljahr 2004/05. Dagegen wuchs die Schülerzahl an allen privaten beruflichen Schulen im betrachteten Zeitraum fast stetig an. Seit dem Schuljahr 1980/81 hat sie sich mehr als verdoppelt und liegt nun bei 32 792.

Private Sonderberufsschulen weit verbreitet

Fast alle der 4 185 Schülerinnen und Schüler an den privaten Berufsschulen wurden an einer Sonderberufsschule ausgebildet. Nur die Berufsschule des Diakonissenmutterhauses in Aidlingen ist eine »gewöhnliche« Berufsschule. Die anderen 25 Einrichtungen dienen dem schulischen Teil der Berufsausbildung körper- oder lernbehinderter Jugendlicher. Damit lag die Zahl der Schülerinnen und Schüler von privaten Sonderberufsschulen im Schuljahr 2004/05 weit über der an vergleichbaren öffentlichen Einrichtungen, in letzteren wurden lediglich 2 910 Jugendliche unterrichtet. Die Schülerzahl der Sonderberufsschulen wird hauptsächlich durch den Bedarf an den entsprechenden Ausbildungsplätzen und deren Bereitstellung durch Träger sozialer Einrichtungen bestimmt. Der konjunkturelle Einfluss, der in den letzten beiden Schuljahren zu einem merklichen Rückgang der Schülerzahl an den öffentlichen Teilzeit-Berufsschulen geführt hat, wirkt sich an diesen Einrichtungen dagegen kaum aus.

Private Berufsfachschulen mit dynamischer Entwicklung

Der Mangel an Ausbildungsplätzen schlägt sich bei den privaten Schulen im Ausbau der berufsvorbereitenden Berufsfachschulen nieder. Dieser Bildungsgang ist mit dem öffentlichen Berufsvorbereitungsjahr vergleichbar. Dort sollen Jugendlichen, die keine Lehrstelle finden konnten, zusätzliche Qualifikationen vermittelt werden. Im Schuljahr 2004/05 wurden an diesen mittlerweile 34 Schulen 1 793 Jugendliche ausgebildet.

Im Schuljahr 2004/05 wurden an den privaten Berufsfachschulen insgesamt 9 580 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Die Tabelle lässt erkennen, dass mehr als jeder siebte Berufsfachschüler eine private Bildungseinrichtung besucht. Eindeutiger Schwerpunkt sind die Berufsfachschulen für Altenpflege. An den 49 privaten Einrichtungen absolvierten im letzten Schuljahr 4 377 Schülerinnen und Schüler ihre Ausbildung. Die Schulen der Altenpflegeausbildung sind verantwortlich für den im Schuljahr 1990/91 erkennbaren Bruch bei der Entwicklung der Schülerzahlen von Berufsfachschulen und Fachschulen. In diesem Jahr wurden die bisherigen privaten Fachschulen für Altenpflege in Berufsfachschulen umgewandelt. Damals wurden lediglich gut 1 700 Auszubildende gezählt. Die Altenpflegeschulen sind somit für einen großen Teil des Anstiegs der Schülerzahl an den privaten Berufsfachschulen in den vergangenen 15 Jahren verantwortlich.

In den letzten beiden Schuljahren weisen jedoch andere Bildungsgänge eine dynamische Entwicklung auf. Die oben genannten berufsvorbereitenden Berufsfachschulen sind unter den privaten Berufsfachschulen mittlerweile der am stärksten expandierende Bereich: Gegenüber dem Vorjahr stieg die Schülerzahl um fast 70 % an. Auch die Berufsfachschulen für Büro und Handel zählen zu den Einrichtungen, die der Chancenverbesserung von Jugendlichen beim Wettbewerb um Ausbildungsplätze dienen sollen. Hier werden ebenfalls zunehmend private Bildungsanbieter aktiv: Die Schülerzahl an privaten Berufsfachschulen für Büro und Handel hat sich innerhalb eines Jahres auf 313 verdreifacht.

Daneben sind unter den privaten Berufsfachschulen auch Bildungsgänge für körper- oder lernbehinderte Jugendliche stark vertreten. Im vergangenen Schuljahr wurden an diesen Einrichtungen 1 609 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Dies entspricht einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr um mehr als 600 Schülerinnen und Schüler. Der Ausbau der sonderschulischen und berufsvorbereitenden Bildungsgänge war somit ein weiterer Bereich, der in großem Umfang zum Anstieg der Schülerzahl an den privaten Berufsfachschulen um fast 24 % beitrug.

Schwerpunkt an privaten Berufskollegs: Erzieherinnenausbildung

In Schaubild 1 fällt der starke Anstieg der Schülerzahl an Berufskollegs in den letzten beiden Jahren auf. Im Schuljahr 2003/04 fiel er mit beinahe 27 % noch stärker aus als im vergangenen Schuljahr, als die Zahl der Schüler um weitere 9 % zunahm. Insgesamt wurden im Schuljahr 2004/05 knapp 3 400 Berufskollegiaten mehr unterrichtet als zwei Jahre zuvor. Ein erheblicher Teil dieses Anstiegs ist auf die Umstellung der Erzieherinnenausbildung zurückzuführen. Die Integration des Vorpraktikums in ein einjähriges Berufskolleg2 führte vor zwei Jahren dazu, dass nahezu 1 300 Schülerinnen und Schüler diesen neu geschaffenen Bildungsgang besuchten. Einschließlich dieses Berufskollegs für Praktikantinnen ist das Berufskolleg für Sozialpädagogik mit 4 034 Schülerinnen und Schülern damit der zahlenmäßig bedeutendste Ausbildungsbereich unter den privaten Berufskollegs.

Daneben stiegen auch die Schülerzahlen der kaufmännischen Berufskollegs an. Hierzu zählen neben der ebenso an öffentlichen Schulen anzutreffenden Ausbildung zu Wirtschaftsassistenten auch andere, nur an privaten Schulen angebotene Bildungsgänge: Europasekretärin3, Dolmetscher, Direktionsassistent, Marketingassistent, Touristik-Sekretär oder Rundfunkredakteur. Die Zahl der Auszubildenden steigerte sich in diesem Bereich innerhalb der letzten zwei Jahre um mehr als 800 auf 3 225.

Unter den anderen in Schaubild 2 dargestellten Bildungsgängen fällt das Berufskolleg für Gymnastiklehrer auf. Diese Ausbildung ist ebenfalls eine Spezialität privater Schulen. Im Schuljahr 2004/05 zählten die Gymnastikschulen zusammen 1 016 Schülerinnen und Schüler. Auch bei den Berufskollegs für Grafik und Design haben die privaten Schulen eine starke Stellung: Hier wurden im vergangenen Schuljahr 820 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, an den vergleichbaren öffentlichen Einrichtungen 334.

Nur wenige private berufliche Gymnasien

Unter allen Schularten weisen die Fachschulen mit mehr als 30 % den höchsten »Privatschüler«-Anteil auf. Dies ist allerdings nur zum kleineren Teil auf die auch an öffentlichen Schulen zu findenden Bildungsgänge wie Meisterschulen, Technikerschulen oder Fachschulen für Betriebswirtschaft zurückzuführen. Knapp drei Viertel der 5 693 Fachschüler absolvierten ihre Ausbildung im vergangenen Schuljahr an sozialpflegerischen Fachschulen. Diese Schulen für Heilerziehung, Arbeitserziehung, Jugend- und Heimerziehung sowie Haus- und Familienpflege sind der Schulaufsicht des Sozialministeriums zugeordnet. Da diesen Schulen in einem der nächsten Monatshefte ein eigener Beitrag gewidmet sein wird, werden sie an dieser Stelle nicht detaillierter dargestellt.

Private Schulen sind unter den allgemein bildenden Gymnasien recht häufig vertreten: 56 der insgesamt 432 allgemein bildenden Gymnasien befinden sich in freier Trägerschaft. Im Schuljahr 2004/05 wurden dort 29 365 der zusammen 320 846 Gymnasiasten unterrichtet. Dagegen besitzen nur 9 der 177 beruflichen Gymnasien einen privaten Träger. Entsprechend gering ist ihr Anteil an der Schülerschaft mit 1 120 von zusammen 42 985 Schülerinnen und Schülern.

Marktorientiertes Angebot

Die Entwicklung der Schülerzahlen – besonders in den letzten beiden Schuljahren – zeigt, dass sich die Träger privater Schulen rasch auf Veränderungen des »Bildungsmarkts« einstellen können. Angebote zur Chancenverbesserung wie die berufsvorbereitenden Berufsfachschulen dürfen als Reaktion auf die veränderten politischen Rahmenbedingungen bei der Förderung des Berufseinstiegs interpretiert werden. Hierzu zählt zum Beispiel die Ausschreibung von Fördermaßnahmen durch die Bundesagentur für Arbeit, um diese Maßnahmen möglichst preiswert und effektiv zu gestalten.

Auch die Ausweitung des Bildungsangebots im kaufmännischen Bereich kann als Zeichen der Marktorientierung privater Bildungseinrichtungen gewertet werden. Da sich die Schülerinnen und Schüler in der Regel durch die Bezahlung von Schulgeld an den Kosten der Ausbildung beteiligen, dürften steigende Schülerzahlen die Attraktivität des Angebots widerspiegeln. Der Trend zur Dienstleistungsgesellschaft mag hier eine Rolle spielen.

Beim Angebot an Ausbildungsplätzen im erzieherischen und pflegerischen Bereich spielt neben der Nachfrage nach Erzieherinnen, Altenpflegern oder Heilpädagogen auch der finanzielle Aspekt eine wichtige Rolle. Viele der privaten Einrichtungen werden von gemeinnützigen Vereinen oder kirchlichen Institutionen getragen. In Zeiten knapper Gelder im Sozialwesen wird hier die Bereitstellung von Ausbildungskapazitäten zunehmend als Kostenfaktor gesehen. Die weitere Entwicklung wird hier nicht nur durch demografische Faktoren, sondern auch von (finanz‑)politischen Rahmenbedingungen bestimmt werden.

1 Hierin sind die 15 984 Schülerinnen und Schüler an Schulen für Berufe des Gesundheitswesens nicht enthalten. Diese Schulen werden in Baden- Die erste Stufe der Ausbildung von angehenden Erzieherinnen erfolgt ab dem Schuljahr 2003/04 im Rahmen eines einjährigen Berufskollegs für Praktikantinnen. Davor erhielten die Praktikantinnen lediglich begleitenden Unterricht an (öffentlichen) Berufsschulen. Vgl. Wolf, Rainer: Die Ausbildung in erzieherischen Berufen in Baden‑Württemberg, in: Baden‑Württemberg in Wort und Zahl, Heft 4/2003, S. 165-170.

2 Im Text wird auf die additive Nennung der femininen und maskulinen Berufsbezeichnungen aus Gründen besserer Lesbarkeit verzichtet. Sie werden als Gattungsbegriffe aufgefasst, die beide Geschlechter umfassen.