:: 9/2005

Einschulungen an Grundschulen – Immer mehr Kinder werden früh eingeschult und immer weniger spät

Im Herbst 2004 wurden rund 112 000 Kinder an den öffentlichen und privaten Grundschulen des Landes eingeschult: 82,9 % normal, 11,9 % früh (Kann-Kinder und vorzeitig Eingeschulte) und 5,2 % verspätet (im Vorjahr zurückgestellt). Mädchen werden häufiger früh eingeschult und seltener zurückgestellt als Jungen. Insgesamt ist der Anteil der zurückgestellten Kinder an den erstmals schulpflichtigen Kindern seit Jahren rückläufig, in den letzten 10 Jahren hat er sich sogar fast halbiert. Während die Zahl der spät Eingeschulten von Jahr zu Jahr abnimmt, ist die der früh Eingeschulten in den letzten 10 Jahren fast um das Achtfache gestiegen. Zwischen den einzelnen Stadt- und Landkreisen gibt es, wie bei anderen bildungs-statistischen Aspekten auch, große Schwankungen. Neue Wege bei der Einschulung bietet in Baden-Württemberg vor allem die Stichtagsflexibilisierung, die ab dem Schuljahr 2005/06 stufenweise eingeführt wird.

Schulische Bildung und Ausbildung sind wesentliche Bestimmungsfaktoren für die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, aber auch für das Sichzurechtfinden in einer komplexer werdenden Umwelt. Dabei werden die Grundlagen für die schulische Entwicklung eines Kindes schon sehr früh gelegt. Versäumnisse in den ersten Jahren (unzureichende Sprachförderung im Kindergarten, zu wenig Förderkurse an der Grundschule etc.) wirken sich unmittelbar auf die schulische Leistungsfähigkeit und Motivation des Kindes und damit auch auf seine weitere Schullaufbahn aus. Vor allem die Ergebnisse von PISA und anderen Studien zur Qualität des Bildungswesens haben zu heftigen bildungspolitischen Diskussionen geführt. Immer wieder wird kritisiert, dass Kinder in Deutschland zu spät eingeschult werden. Der vorliegende Beitrag untersucht die Struktur der Einschulungen an Grundschulen in Baden-Württemberg und deren Entwicklung in den letzten Jahren.

83 % der Schulanfänger an Grundschulen1 werden normal eingeschult

An den öffentlichen und privaten Grundschulen in Baden-Württemberg wurden im Herbst 2004 insgesamt 112 135 Schüler eingeschult, 54 921 Mädchen und 57 214 Jungen. Dies sind 3,4 % weniger als im Vorjahr. Damit wird der seit dem Schuljahr 1997/98 (damals gab es 124 873 Schulanfänger) zu beobachtende Abwärtstrend nach zwei Unterbrechungen in den Schuljahren 2002/03 und 2003/04 wieder weiter fortgesetzt. Von den Schulanfängern im Herbst 2004 waren 92 925 »normal« (82,9 %) eingeschult. Das heißt, die Kinder waren bis zum 30. Juni 2004 6 Jahre alt und damit erstmals schulpflichtig geworden. 11 238 Schulanfänger (10,0 %) waren »frühzeitig« eingeschult worden, also zwischen dem 1. Juli und dem 30. September des Einschulungsjahres 6 Jahre alt geworden. Diese Kinder können seit 1998 auf Wunsch der Erziehungsberechtigten ohne weitere behördliche Prüfung zum Schulbesuch angemeldet werden (so genannte »Kann-Kinder«). Mit der Anmeldung werden diese Kinder dann schulpflichtig. »Vorzeitig« eingeschult wurden 2 138 Kinder (1,9 %). Diese sind nach dem 30. September 1998 geboren und damit erst im Oktober des Einschulungsjahres oder später 6 Jahre alt geworden. Hier musste zur Anmeldung durch die Erziehungsberechtigten auch noch ein Behördenentscheid vorliegen. Außerdem wurden die im Vorjahr zurückgestellten Kinder eingeschult. Dazu gehören 4 864 Kinder, die vor dem Herbst 2004 schulpflichtig, aber erst im Herbst 2004 eingeschult wurden, sowie 970 Kinder, die zwar im Vorjahr bereits eingeschult worden waren, dann aber doch noch zurückgestellt wurden und im Herbst 2004 wieder in die 1. Klasse aufgenommen wurden (siehe Übersicht). Erstmals schulpflichtig im Jahr 2004 (geboren zwischen dem 1. Juli 1997 und dem 30. Juni 1998) waren insgesamt 98 555 Kinder. Davon wurden 92 925 (94,3 %) eingeschult und 5 630 (5,7 %) zurückgestellt.

Außer an den Grundschulen gibt es in Baden-Württemberg auch noch an den Freien Waldorfschulen und an den Sonderschulen Schulanfänger. An diesen drei Schularten zusammen wurden im Schuljahr 2004/05 insgesamt 117 890 Kinder eingeschult. Der größte Teil (95,1 %) von ihnen begann seine schulische Laufbahn an einer Grundschule. 3,4 % wurden an einer Sonderschule eingeschult und 1,5 % an einer Freien Waldorfschule.

Mädchen häufiger früh eingeschult und seltener zurückgestellt als Jungen

Von den eingeschulten Kindern hatten mehr Mädchen als Jungen am 30. Juni 2004 das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet. Der Anteil der »Kann-Kinder« (also in den Monaten Juli, August oder September des Einschulungsjahres 6 geworden) war bei den Mädchen deutlich höher als bei den Jungen. Ebenso lag bei den Mädchen der Anteil der vorzeitig Eingeschulten (erst im Oktober des Einschulungsjahres oder später 6 geworden) leicht höher. Dagegen waren unter den Schulanfängern, die im Vorjahr zurückgestellt waren, weniger Mädchen als Jungen.

Diese Struktur wird auch von früheren Jahren bestätigt.

Seit 1994 Zahl der Zurückstellungen fast halbiert

Zu Beginn der 90er-Jahre wurde fast jedes zehnte Kind zurückgestellt, obwohl es eigentlich seinem Alter nach schulpflichtig gewesen wäre. Diese Kinder werden dann in der Regel im folgenden Schuljahr eingeschult. Ab dem Schuljahr 1994/95 nahm die Zurückstellungsquote kontinuierlich bis auf 6,2 % im Schuljahr 1998/99 ab. Nach einer leichten Zunahme bis 2002/03 sank sie im Schuljahr 2004/05 auf 5,7 %. Die Anzahl der Zurückstellungen ist

damit seit ihrem absoluten Höchststand von 10 767 im Schuljahr 1994/95 um fast die Hälfte auf 5 630 im Schuljahr 2004/05 gesunken. Auch hier schneiden die Mädchen besser ab. So war der Anteil der zurückgestellten Jungen in allen Jahren deutlich höher als der der Mädchen. Allerdings hat seit 2000 die Differenz kontinuierlich abgenommen (Tabelle 1).

Immer weniger spät, dafür immer mehr früh Eingeschulte

In der Schulstatistik werden die vor der Einschulung zurückgestellten Kinder unter der Rubrik »Kinder, die vor dem Herbst des Erhebungsjahres schulpflichtig, aber erst im Herbst des Erhebungsjahres eingeschult wurden« gezählt. Diese Rubrik wird zusammen mit der Rubrik der Kinder, die zwar zunächst regulär eingeschult worden waren, dann aber doch zurückgestellt wurden, als »spät« bezeichnet. Als »früh« eingeschult gelten die vorzeitig eingeschulten Kinder (nach dem 30.September des Einschulungsjahres geboren) sowie seit 1998 die so genannten »Kann-Kinder« (zwischen dem 1. Juli und dem 30. September des Einschulungsjahres geboren). Die Anzahl der früh Eingeschulten ist zwar bereits seit Beginn der 90er-Jahre fast kontinuierlich von Jahr zu Jahr gestiegen, einen richtigen »Schub« bekam sie aber im Jahr 1998, als den Eltern erstmals die Möglichkeit gegeben wurde, auf eigene Entscheidung hin ihre Kinder, die im Korridor Juli bis September des Einschulungsjahres 6 Jahre alt wurden, einschulen zu lassen. So gab es 1994 1 726 früh Eingeschulte, 1998 6 987 und 2004 13 376. Dagegen hat die Anzahl der spät Eingeschulten seit 1994 ununterbrochen abgenommen, von 9 992 bis auf 5 834 im Jahr 2004 (Schaubild).

Im Stadtkreis Heidelberg wird fast jeder vierte Schulanfänger früh eingeschult

Erwartungsgemäß gibt es zwischen den einzelnen Stadt- und Landkreisen große regionale Schwankungen bei den Einschulungen. So bewegen sich die Anteile der normal Eingeschulten zwischen 71,2 % im Stadtkreis Heidelberg und 87,3 % im Landkreis Neckar-Odenwald-Kreis. Während im Stadtkreis Heidelberg nahezu jeder vierte Schulanfänger früh eingeschult wurde, war es im Landkreis Freudenstadt nur jeder sechzehnte. Ähnlich niedrig ist die Quote der früh Eingeschulten im Landkreis Rottweil. Der Stadtkreis Stuttgart hat mit 8,4 % den landesweit höchsten Anteil an spät Eingeschulten. Hier könnte sich die relativ hohe Zahl an Migranten unter den Einwohnern niederschlagen, bei denen Kinder häufig sprachliche Defizite haben und deshalb nicht als schulreif angesehen werden. In den eher dünn besiedelten Landesgebieten mit Streusiedlungen dürften manche Eltern ihren Kindern eventuell die zu frühe »Pendelei« ersparen wollen. Am niedrigsten ist die Quote der spät Eingeschulten im Stadtkreis Heilbronn mit 3,2 %, gefolgt vom Stadtkreis Karlsruhe mit 3,7 % (Tabelle 2).

Neue Wege zur früheren Einschulung in Baden-Württemberg

Einige Grundschulen in Baden-Württemberg erproben seit 1996 im Schulversuch »auf neuen Wegen« andere Formen der Einschulung. Dabei werden die Klassenstufen 1 und 2 zu einer jahrgangsgemischten »Eingangsstufe« zusammengefasst, und zwar ohne vorher die Schulfähigkeit zu überprüfen. Ziel dieser 1 bis 3 Jahre dauernden Eingangsstufe ist es, besonders die verschiedenen Lernvoraussetzungen der Kinder zu berücksichtigen. An einigen Grundschulen gibt es zusätzlich einen zweiten Einschulungstermin zu Beginn des 2. Schulhalbjahres.

Ab dem Schuljahr 2005/06 tritt die erste Stufe einer umfangreichen Stichtagsflexibilisierung in Kraft. Der Stichtag wird vom 30. Juni auf den 31. Juli 2005 um einen Monat verlegt. Damit werden alle Kinder schulpflichtig, die bis zu diesem Termin 6 Jahre alt werden. Der Entscheidungsfreiraum der Eltern wird erheblich erweitert: Sie können ihre Kinder, die zwischen dem 1. August 2005 und dem 30. Juni 2006 6 Jahre alt werden, ohne bürokratische Hürden zur Schule anmelden. Mit der Anmeldung werden auch diese Kinder schulpflichtig. Voraussetzung ist lediglich die Schulfähigkeit des Kindes, welche vom Schulleiter festgestellt wird. Gegebenenfalls zieht dieser noch ein pädagogisch-psychologisches Gutachten oder das Gutachten eines Gesundheitsamtes hinzu. Im Schuljahr 2006/07 wird der Stichtag dann auf den 31. August verlegt, 2007/08 schließlich auf den 30. September.

1 Der Begriff »Grundschulen« steht hier sowohl für reine Grundschulen als auch für Grund- und Hauptschulen.