:: 11/2005

Voraussichtliche Bevölkerungsentwicklung bis 2020

Alterungsprozess stellt Kreise und Kommunen Baden-Württembergs vor große Herausforderungen

Die künftige Bevölkerungsentwicklung hat Auswirkungen auf praktisch alle Gesellschaftsbereiche. Dabei ist neben der Entwicklung der Einwohnerzahl insgesamt vor allem auch diejenige einzelner Altersgruppen von zentralem Interesse. So führen Veränderungen in der Altersstruktur zu einer veränderten Nachfrage nach Infrastruktur im öffentlichen Sektor sowie zu deren Auslastung. Konsequenzen ergeben sich somit unter anderem für die Kindergarten- und Schulplanung, vor allem aber für den Pflegebereich.

Mit dem vorliegenden Kurzbeitrag werden die Grundzüge der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung in den Teilräumen des Landes bis zum Jahr 2020 skizziert. Erstmals werden dabei Ergebnisse für Kommunen bereits ab 5 000 Einwohner (bisher ab 10 000 Einwohner) veröffentlicht.

Nach der aktuellen regionalisierten »Bevölkerungsvorausrechnung«1 wird der Stadtkreis Freiburg im Breisgau im Jahr 2020 voraussichtlich knapp 229 000 Einwohner aufweisen. Dies entspricht einem Anstieg der Bevölkerungszahl gegenüber 2004 um 7 %. Landesweit wird dagegen für diesen Zeitraum ein Plus von lediglich 3,7 % erwartet. Die Breisgaumetropole wird damit – und wie bereits in den letzten Jahren – landesweit die höchste Dynamik der 44 Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs aufweisen. Andererseits bedeutet dieses für die kommenden 16 Jahre ermittelte Plus von 7 % eine deutliche Abschwächung gegenüber der Entwicklung in den vergangenen Jahren: Im Vergleichszeitraum, das heißt seit 1988, hat die Einwohnerzahl in der Stadt an der Dreisam um immerhin gut 16 % zugenommen. Ursache dieser erwarteten Abschwächung sind – wie auch landesweit – sinkende Wanderungssalden sowie – aufgrund der Alterung der Bevölkerung – zunehmende Sterbeüberschüsse.

Ebenfalls überdurchschnittliche Zuwächse bis 2020 werden vor allem für die Landkreise Heilbronn, Konstanz und Biberach erwartet. Deutlich schwächer als landesweit wird dagegen die voraussichtliche Entwicklung im Landkreis Heidenheim, dem Zollernalbkreis, den Stadtkreisen Heilbronn, Pforzheim und Mannheim sowie dem Main-Tauber-Kreis mit einem Plus von jeweils unter 2 % verlaufen (vgl. Tabelle).

Arbeitsplatzangebot entscheidend für Bevölkerungsentwicklung in den Kreisen

Die deutlichen regionalen Unterschiede in der Bevölkerungsentwicklung sind nicht zuletzt auf Unterschiede in der Beschäftigungsentwicklung zurückzuführen: Die genannten Kreise, für die der geringste Bevölkerungszuwachs bis 2020 ermittelt wurde, zählten in den letzten 10 Jahren auch zu denjenigen mit einem überdurchschnittlichen Rückgang der Beschäftigtenzahl. Umgekehrt gehören die Kreise, für die ein überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum erwartet wird, überwiegend zu denjenigen Räumen mit einer in der Vergangenheit günstigen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Mit anderen Worten: Das Wanderungsgeschehen wird auf Kreis- und vor allem auf Regionenebene ganz entscheidend vom regionalen Arbeitsplatzangebot bestimmt. Kleinräumig, das heißt auf der Ebene der Gemeinden, ist dagegen für die Bevölkerungsentwicklung das örtliche Wohnraum- bzw. Baulandangebot von entscheidender Bedeutung.

Neben der Entwicklung der Bevölkerungszahl insgesamt ist die Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung für Planungszwecke von entscheidender Bedeutung. Und hier zeichnet sich eindeutig ab, dass sich der Alterungsprozess der Bevölkerung auch in Zukunft fortsetzen wird. Mit Abstand am ältesten werden die Einwohner im Jahr 2020 – wie bereits heute – im Stadtkreis Baden-Baden sein: Das Durchschnittsalter wird sich in der Kurstadt gegenüber 2004 nochmals um  3,1Jahre auf 49,1 Jahre erhöhen (Landeswert: 44,4 Jahre). Die jüngste Bevölkerung wird dann in den stark von Studierenden geprägten Stadtkreisen Heidelberg und Freiburg im Breisgau leben:

Alterungsprozess der Bevölkerung mit erheblichen Konsequenzen für die Infrastrukturplanung

Auffällig ist, dass der Alterungsprozess aller Voraussicht nach vor allem in denjenigen Kreisen dynamischer ablaufen wird, in denen die Bevölkerung heute noch relativ jung ist. Dies gilt insbesondere für die Landkreise Sigmaringen, Tübingen und Biberach. In den Kreisen mit einer verhältnismäßig jungen Bevölkerung sind nämlich überdurchschnittliche Abnahmen der Geburtenüberschüsse bzw. überdurchschnittliche Zunahmen der Sterbeüberschüsse zu erwarten, weil hier überdurchschnittlich viele Junge aus diesem Alter heraus- und in ein höheres Alter »hineinwachsen«.2 Das bedeutet, dass damit gerade diejenigen Kreise und Kommunen, die derzeit noch eine relativ günstige Altersstruktur aufweisen, vor großen Herausforderungen im Hinblick auf ihre Infrastrukturplanungen stehen werden. 3 Dagegen wird in allen Stadtkreisen Baden-Württembergs, die

– mit Ausnahme von Heidelberg und Freiburg im Breisgau – bereits heute von einer relativ alten Bevölkerung geprägt sind, der weitere Alterungsprozess langsamer als landesweit verlaufen.

Noch deutlicher wird der demografische Wandel – und die regional unterschiedliche Dynamik im Alterungsprozess – bei Betrachtung ausgewählter Altersgruppen:

  • Die Zahl der Kinder im Kindergartenalter wird bis zum Jahr 2010 landesweit um gut 10 % zurückgehen, um danach bis 2020 in etwa auf diesem (niedrigen) Niveau zu verharren. Am stärksten wird der Rückgang im heute noch jüngsten Landkreis Tübingen mit 15 % verlaufen, im »ältesten« Kreis Baden-Baden wird das Minus »nur« knapp 6 % betragen.
  • Noch stärker wird der Rückgang bei der Zahl der Jugendlichen (10- bis 17-Jährige) ausfallen: Bis 2020 ist landesweit mit einem stetigen Rückgang in Höhe von gut 18 % zu rechnen; im Landkreis Sigmaringen und im Zollernalbkreis wird die Zahl der Jugendlichen sogar um ein Viertel zurückgehen. Demgegenüber nicht einmal halb so hoch wird das Minus in den Stadtkreisen Freiburg und Ulm sowie im Landkreis Esslingen ausfallen.
  • Ganz anders die Entwicklung bei den Hochbetagten (85-Jährige und Ältere), deren Zahl enorm ansteigen wird – landesweit um 76 %. Im Neckar-Odenwald-Kreis sowie den Landkreisen Sigmaringen, Heilbronn und Karlsruhe wird es bis zum Jahr 2020 sogar zu mehr als zu einer Verdoppelung kommen.

Die Ergebnisse dieser Vorausrechnung sind – erstmals auch für Kommunen mit mindestens 5 000 Einwohnern (bisher: ab 10 000 Einwohnern) – über die SRDB verfügbar.

Vorausrechnungen sind keine Vorhersagen

Der Trend hin zu einer Überalterung der Bevölkerung ist aufgrund der derzeitigen Altersstruktur zwar relativ gut prognostizierbar, bei der Bewertung der vorgelegten Ergebnisse ist aber grundsätzlich zu bedenken, dass Vorausrechnungen – zumindest nach dem Verständnis der amtlichen Statistik – keine Vorhersagen sind. Vielmehr werden »nur« die Entwicklungen aufgezeigt, welche zu erwarten sind, wenn die unterstellten regionalen Verhaltensmuster bei der Binnenwanderung, dem Geburtenverhalten und der Sterblichkeit tatsächlich eintreffen würden und wenn bis zum Jahr 2020 per saldo jährlich etwa 38 000 Personen über die Landesgrenze nach Baden-Württemberg zuziehen würden (so genannter »Status-Quo-Ansatz«).

Trotz dieser Einschränkungen haben Bevölkerungsvorausrechnungen für politische Entscheidungen einen nicht zu unterschätzenden Nutzen: Sie zeigen zwar nicht unbedingt, wie es sein wird, aber sie zeigen auf, was sein wird, wenn die gemachten Annahmen während des Vorausrechnungszeitraums Gültigkeit besitzen. Im Extremfall hat eine Vorausrechnung sogar gerade dann ihren Zweck erfüllt, wenn das prognostizierte Ergebnis gar nicht eingetroffen ist. Beispiel: Für eine Stadt wird eine künftig stagnierende Bevölkerungsentwicklung »prognostiziert«; aufgrund dieses Ergebnisses wird dieser als unerwünscht angesehenen Entwicklung durch den Ausweis von Bauland entgegengesteuert, sodass die Bevölkerungszahl tatsächlich stärker als berechnet steigt. Damit hat aber die Vorausrechnung – obwohl das tatsächliche vom prognostizierten Bevölkerungswachstum deutlich abweicht – ihren Zweck erfüllt. Sie hat nämlich dazu beigetragen, dass das Vorausrechnungsergebnis durch entsprechendes politisches Handeln widerlegt wurde (so genannte »selbstzerstörerische Kraft« von Prognosen).

Festzuhalten bleibt deshalb, dass es gilt, die Möglichkeiten von Bevölkerungsvorausrechnungen zu nutzen, aber auch ihre Grenzen zu erkennen. Bevölkerungsvorausrechnungen haben ihre Aufgabe dann erfüllt, wenn sie die Basis für Analysen und Planungen der Entscheidungträger beisteuern, mögliche (Fehl-)

Entwicklungen aufzeigen und so die Unsicherheit über die Zukunft verringern helfen.

1 Zum gewählten Ansatz vgl. i-Punkt.

2 Beispielsweise wies der Landkreis Sigmaringen Ende 2004 landesweit mit den höchsten Anteil der unter 15jährigen an der Gesamtbevölkerung auf; bis zum Jahr 2020 wird der Rückgang der Bevölkerung in dieser Altersgruppe stärker als in allen anderen Kreisen Baden-Württembergs ausfallen (-18 %).

3 Umfassend dargestellt sind die Konsequenzen der Altersstrukturprozesse für die öffentlichen Haushalte in: Seitz, Helmut: Implikationen der demographischen Veränderungen für die öffentlichen Haushalte und Verwaltungen, Dresden 2004. – Eine Übersicht über die gesellschaftlichen Auswirkungen der künftigen Bevölkerungsentwicklung enthält: Cornelius, Ivar: Die Bevölkerungsentwicklung in Baden-Württemberg – Eine Herausforderung für unsere Gesellschaft, hrsg. vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg, 2005.