:: 2/2006

Die kleinen Gemeinden Baden-Württembergs

Zu den strukturellen Besonderheiten der Kommunen mit weniger als 1 000 Einwohnern

Baden-Württemberg ist vielfältig – und das nicht nur in landschaftlicher, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht. Die Vielfalt betrifft auch die Größe seiner Kommunen: So gibt es einerseits im Land immerhin noch 84 Gemeinden mit weniger als 1 000 Einwohnern; andererseits zählen auch neun baden-württembergische Kommunen zu den 82 Großstädten Deutschlands, in denen mehr als 100 000 Menschen leben. Die Spannweite bei der Einwohnerzahl in Baden-Württemberg reicht dabei von etwa 100 Personen in Böllen (Landkreis Lörrach) bis zu knapp 592 000 in der Landeshauptstadt Stuttgart.

Für den vorliegenden Beitrag wurden die ganz kleinen Gemeinden Baden-Württembergs mit weniger als 1 000 Einwohnern näher betrachtet. Dabei hat sich gezeigt, dass diese Kommunen typische Strukturmerkmale aufweisen: Insbesondere im Hinblick auf den Ausländeranteil, das Wahlverhalten, das Arbeitsplatzangebot oder die Wohngebäudestruktur zeigen sich signifikante Unterschiede zum Durchschnitt aller Gemeinden Baden-Württembergs.

Kleine Gemeinden vor allem im Süden des Landes

Gemeinden mit weniger als 1 000 Einwohnern gibt es nur in 16 der 35 Landkreise Baden-Württembergs (Stichtag: 30. Juni 2005). Diese 84 Kommunen konzentrieren sich dabei auf die südlichen Landesteile. Allein im Regierungsbezirk Tübingen sind es immerhin 43 Gemeinden, im Regierungsbezirk Freiburg 34. Im Regierungsbezirk Stuttgart haben nur Drackenstein und Hohenstadt (beide Landkreis Göppingen) sowie Obergröningen (Ostalbkreis) weniger als 1 000 Einwohner, im Regierungsbezirk Karlsruhe gehören Zwingenberg (Neckar-Odenwald-Kreis) und Heddesbach (Rhein-Neckar-Kreis) sowie Grömbach und Wörnersberg (beide Landkreis Freudenstadt) zu dieser Größenklasse.

Von den 84 kleinen Gemeinden befinden sich 80 in dünn besiedelten Gebieten, dem so genannten Ländlichen Raum im engeren Sinne.1 Die anderen vier Kommunen – Fischingen, Schallbach, Wittlingen und Heuweiler – zählen zu den Randzonen um die Verdichtungsräume.2 Zusammen genommen haben diese 84 Gemeinden lediglich 45 000 Einwohner und damit etwa so viele wie die Stadt Singen am Hohentwiel. Der Bevölkerungsanteil am Land liegt damit nur bei 0,4 %, der Anteil an der Landesfläche immerhin bei 2,2 %.

Was kennzeichnet diese kleinen Gemeinden? Antworten auf diese Frage sollen anhand ausgewählter Indikatoren schlaglichtartig gegeben werden:

Die kleinen Gemeinden sind durch einen relativ geringen Siedlungs- und Verkehrsflächenanteil geprägt: Hier liegt dieser Anteil, derzeit bei durchschnittlich gut 6 %, landesweit mit knapp 14 % mehr als doppelt so hoch. Nur in vier Gemeinden mit weniger als 1 000 Einwohnern wird der Landeswert übertroffen (Breitingen, Untermarchtal, Weilen unter den Rinnen, Fischingen). Entsprechend hoch ist in den kleinen Gemeinden der Wald- und Landwirtschaftsflächenanteil mit 43 % bzw. 50 % (Land: 38 % bzw. 46 %).

Die Kommunen mit weniger als 1 000 Einwohnern weisen, verglichen mit dem Landesdurchschnitt, eine sehr geringe Bevölkerungsdichte auf: Hier leben durchschnittlich nur 58 Personen auf einem Quadratkilometer, landesweit sind es 300. Fischingen im Landkreis Lörrach – in der Randzone der Region Hochrhein-Bodensee gelegen – hat als einzige der kleinen Gemeinden eine überdurchschnittliche Bevölkerungsdichte (375 Einwohner je km2). Die geringste Verdichtung mit jeweils weniger als 20 Einwohnern je km2 weisen der Gutsbezirk Münsingen sowie Böllen, Emeringen und Ibach auf.

Die Bevölkerung in den kleinen Gemeinden ist im Schnitt jünger als landesweit: Ende 2004 lag hier das Durchschnittsalter bei 39,5 Jahren, im Landesdurchschnitt bei 41,1 Jahren. Allerdings sind bei diesem Indikator die Gemeindeergebnisse nicht so homogen wie beispielsweise bezüglich der Bevölkerungsdichte. Zu den kleinen Gemeinden zählen nämlich nicht nur die landesweit jüngsten Gemeinden Riedhausen und Fleischwangen, sondern auch die ältesten Baden-Württembergs (Untermarchtal, Bürchau und Beuron).

Signifikant ist dagegen der weit unterdurchschnittliche Anteil an ausländischer Bevölkerung in den Gemeinden mit weniger als 1 000 Einwohnern, der – wie noch zu zeigen sein wird – insbesondere auf das relativ geringe Arbeitsplatzangebot zurückzuführen sein dürfte: Hier haben im Durchschnitt nur 3,6 % der Bevölkerung einen ausländischen Pass, landesweit dagegen 12 %. Nur von zwei (Moosburg und in Reichenbach am Heuberg) der insgesamt 84 kleinen Kommunen wird dieser Landeswert übertroffen.

Bemerkenswert ist auch das Wahlverhalten in den kleinen Gemeinden: Bei der Bundestagswahl 2005 entfielen 51,3 % der gültigen Zweitstimmen auf die CDU, landesweit waren es immerhin gut 12 Prozentpunkte weniger. Umgekehrt hat hier die SPD schlechter abgeschnitten (21,6 % gegenüber landesweit 30,4 %). Ebenfalls weniger Stimmen haben die GRÜNEN erzielt, während es bei der FDP kaum Unterschiede im Vergleich zum Landesergebnis gab. Auffällig ist die hohe Wahlbeteiligung in den kleinen Gemeinden, die hier mit 80,8 % um beachtliche fünf Prozentpunkte höher als im Landesdurchschnitt war. Landesweiter Spitzenreiter war die Gemeinde Unterwachingen im Alb-Donau-Kreis, in der 92,2 % der Wahlberechtigten ihre Zweitstimme (ohne Briefwähler) abgegeben haben.

Deutlich geringer als landesweit ist das Arbeitsplatzangebot in den kleinen Gemeinden: Hier kommen auf 1 000 Einwohner durchschnittlich »nur« 147 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, landesweit sind es 349. Lediglich vier Kommunen mit weniger als 1 000 Einwohner haben einen so genannten Beschäftigtenbesatz, der über dem Landesdurchschnitt liegt. Neben den Gemeinden Betzenweiler, Egesheim und Königsheim ist dies vor allem Wembach im Landkreis Lörrach mit dem sogar landesweit höchsten Wert.

Dieses relativ geringe Arbeitsplatzangebot in den kleinen Gemeinden spiegelt sich auch im Pendlerverhalten wider: Während landesweit auf 100 sozialversicherungspflichtige Auspendler 106 Einpendler kommen, waren es im Durchschnitt der kleinen Gemeinden nur 35 Einpendler je 100 Auspendler.

Deutlich niedriger ist dagegen die Arbeitslosigkeit in den kleinen Gemeinden: Die Zahl der Arbeitslosen bezogen auf die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter war hier um gut 1,5 Prozentpunkte geringer als landesweit.3 In sieben kleinen Gemeinden war im Juni 2004 sogar überhaupt niemand arbeitslos gemeldet; nur in neun der 84 Kommunen war die berechnete Quote höher als im Landesdurchschnitt.

Günstig sind auch die Wohnverhältnisse in den Gemeinden mit weniger als 1 000 Einwohnern. Aufgrund relativ niedriger Baulandpreise wird hier die Gebäudestruktur von Einfamilienhäusern dominiert: Ende 2004 waren immerhin drei Viertel aller Wohngebäude Einfamilienhäuser (75,7 %), im Landesdurchschnitt »nur« knapp 58 %. Die durchschnittliche Wohnfläche je Wohnung liegt hier mit 111 m2 ebenfalls erheblich, nämlich um 20 m2 über dem Landesdurchschnitt.

Andererseits ist die Bevölkerung in den kleinen Gemeinden, die – wie gezeigt – überwiegend in dünn besiedelten Gebieten gelegen sind, verstärkt auf Personenkraftwagen angewiesen. Der Motorisierungsgrad, das heißt die Zahl der Pkw bezogen auf 1 000 Einwohner, ist deshalb mit 611 höher als landesweit (569). Spitzenreiter ist die Gemeinde Moosburg mit 773 Pkw je 1 000 Einwohner.

Die Trink- und Abwasserpreise lagen im Januar 2005 in den kleinen Gemeinden im Schnitt bei insgesamt 4,10 Euro je Kubikmeter und damit um 24 Cent über dem Landesdurchschnitt. Dabei sind aber erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden festzustellen: Der Gesamtwasserpreis reicht bei den Kommunen mit weniger als 1 000 Einwohnern von 1,41 Euro in Boms bis 6,60 Euro in Beuron.

Nicht wenige der kleinen Gemeinden sind in landschaftlich attraktiven Gegenden gelegen, sodass hier der Tourismus eine bedeutende Rolle spielt. Bezogen auf einen Einwohner kamen hier im Jahr 2004 durchschnittlich 5,3 Übernachtungen, landesweit »nur« 3,7 Übernachtungen. Zu den Spitzenreitern zählen hier insbesondere kleine Gemeinden im Landkreis Lörrach. Trotz des hohen Durchschnittswertes ist andererseits festzuhalten, dass in über der Hälfte der kleinen Gemeinden keine Gästeübernachtungen in Beherbergungsstätten mit mehr als acht Betten gezählt wurden. Eine hohe Tourismusintensität kann daher nicht als »typisch« für kleine Gemeinden angesehen werden.

Da die kommunale Steuerkraft vor allem vom örtlichen Arbeitsplatzangebot (und daraus resultierend vom örtlichen Gewerbesteueraufkommen) bestimmt wird, ist dieser Indikator in den Gemeinden mit weniger als 1 000 Einwohnern unterdurchschnittlich: Die Steuerkraftmesszahl lag in den kleinen Kommunen im Jahr 2005 bei 455 Euro je Einwohner; im Landesdurchschnitt waren es immerhin 619 Euro pro Kopf. Spitzenreiter war wie bei der Arbeitsplatzdichte und der Einpendler-Auspendler-Relation die Gemeinde Wembach mit einer Steuerkraftmesszahl von 1 154 Euro je Einwohner.

Dagegen ist die Verschuldung in den betrachteten Gemeinden deutlich geringer als landesweit: Der Schuldenstand lag im Jahr 2004 in den kleinen Gemeinden bei durchschnittlich 358 Euro je Einwohner, im Land insgesamt bei 553 Euro. Immerhin 23 der landesweit 105 schuldenfreien Kommunen Baden-Württembergs zählen zur Gemeindegrößenklasse mit weniger als 1 000 Einwohnern.

Signifikante Unterschiede zum Landesdurchschnitt

Mithilfe einer Auswertung aus dem Landesinformationssystem Baden-Württemberg wurde anhand ausgewählter Indikatoren gezeigt, dass die kleinen Gemeinden Baden-Württembergs signifikante Strukturunterschiede zum Durchschnitt aller Gemeinden Baden-Württembergs aufweisen. Besonders deutlich wurde dies für die Indikatoren »Bevölkerungsdichte«, »Ausländeranteil« sowie »Beschäftigtenbesatz«.

Dagegen lassen die Ergebnisse zum Durchschnittsalter der Bevölkerung, zum Trink- und Abwasserpreis sowie zur Tourismusintensität keinen eindeutigen Zusammenhang mit der Gemeindegröße erkennen. Allerdings hat sich auch gezeigt, dass es – wie zu erwarten war – auch innerhalb dieser Gemeindegrößenklasse zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Kommunen gibt.

Alles in allem determiniert aber die Gemeindegröße – und mit ihr einhergehend die Bevölkerungsdichte – eine Vielzahl von Strukturmerkmalen der Kommunen. Das heißt, es ist ein (positiver oder negativer) Zusammenhang zwischen Gemeinden nach Größenklassen und bestimmten Strukturmerkmalen feststellbar.

So wiesen bei den 18 dargestellten Indikatoren die Kommunen in der Gemeindegrößenklasse bis 1 000 Einwohner immerhin 14-mal den geringsten bzw. höchsten Wert der insgesamt 11 Gemeindegrößenklassen auf.

1 Zur Abgrenzung der Raumkategorien vgl.: Landesentwicklungsplan 2002 Baden-Württemberg, hrsg. vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, insbesondere S. 87 ff.

2 Die kleinste Gemeinde in den Verdichtungsräumen Baden-Württembergs ist Au (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) mit gut 1 300 Einwohnern; in den Verdichtungsbereichen hat Jungingen im Zollernalbkreis mit knapp 1 500 Einwohnern die geringste Bevölkerungszahl.

3 Da für Gemeinden keine Arbeitslosenquoten verfügbar sind, wurde hilfsweise die Zahl der Arbeitslosen auf die Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren bezogen.