:: 8/2006

Regionale Entwicklung der Schülerzahlen an allgemein bildenden Schulen bis 2012

Modellrechnung für die Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs

Die Schülerzahlen an allgemein bildenden Schulen in Baden-Württemberg werden künftig zurückgehen. In den 44 Stadt- und Landkreisen des Landes wird diese Entwicklung aber nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Altersstruktur der Bevölkerung im Kinder- und Jugendlichenalter sehr divergierend verlaufen: Der stärkste Rückgang der Schülerzahlen an Grundschulen wird für die ländlich geprägten Landkreise Sigmaringen, Calw und Biberach sowie für den Enz- und den Alb-Donau-Kreis erwartet; dagegen wird in allen Stadtkreisen des Landes die Zahl der Grundschüler wesentlich moderater absinken.

In den Landkreisen Heidenheim und Waldshut sowie im Neckar-Odenwald- und dem Zollernalbkreis wird der Rückgang an den weiterführenden Schulen insgesamt (Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien) voraussichtlich am stärksten ausfallen. Dagegen wird – wie bei den Grundschülern – die Zahl der Schüler an weiterführenden Schulen in den Stadtkreisen und den stärker verdichteten Landkreisen aller Voraussicht nach schwächer zurückgehen; für immerhin vier Landkreise – Esslingen, Böblingen, Konstanz und Ludwigsburg – sowie den Stadtkreis Freiburg im Breisgau wurde sogar ein geringer Anstieg der Schülerzahlen an Gymnasien bis zum Schuljahr 2012/13 ermittelt.

Regional unterschiedliche Entwicklung der Schülerzahlen

Im soeben abgeschlossenen Schuljahr 2005/06 besuchten in Baden-Württemberg rund 452 000 Kinder eine öffentliche oder private Grundschule. Gut 194 400 Schülerinnen und Schüler werden an einer Hauptschule unterrichtet, 244 800 an einer Realschule und über 328 400 an einem Gymnasium. Landesweit hat damit die Zahl der Grundschüler seit 1995/96 mit 2 % leicht abgenommen, an den Hauptschulen ist der Rückgang mit fast 6 % dreimal so hoch. Dagegen haben die Realschulen und die Gymnasien im selben Zeitraum starke Zuwächse von knapp 23 % bzw. nahezu 28 % verzeichnet.

Regional ist diese Entwicklung aber sehr unterschiedlich verlaufen. So gibt es 13 Stadt- und Landkreise, in denen die Schülerzahl an den Grundschulen in den letzten 10 Jahren noch angestiegen ist: In der Stadt Freiburg sogar um über 7 %, im Landkreis Konstanz immerhin noch um gut 5 %. Andererseits ist die Zahl der Grundschüler im Zollernalbkreis, im Main-Tauber-Kreis und im Landkreis Heidenheim jeweils zwischen 12 und 13 % zurückgegangen.

Auch die Schülerzahlen der weiterführenden Schulen haben sich regional stark unterschiedlich entwickelt. An den Hauptschulen von sechs Stadt- und Landkreisen ist die Zahl der Schüler entgegen dem sinkenden Landestrend seit 1995/96 sogar angestiegen – am stärksten im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit 6 %. In anderen Kreisen haben die Hauptschülerzahlen dagegen erheblich abgenommen, am meisten im Hohenlohekreis mit 19 %.

Bei den Realschulen weisen der Enzkreis und der Hohenlohekreis mit jeweils über 44 % die höchsten Zuwächse auf. Eine Ausnahme zum landesweit steigenden Trend bildet die Stadt Ulm: Im Gegensatz zu allen anderen Kreisen ist die Schülerzahl dort um 6 % zurückgegangen.

Der Anteil der Gymnasiasten an der Schülerschaft insgesamt hat in allen Stadt- und Landkreisen seit 1995/96 zugenommen. Im akademisch geprägten Heidelberg war er bereits damals recht hoch. Dies erklärt den relativ geringen Anstieg der Zahl der Gymnasiasten um nur 12 % in diesem Zeitraum. Indessen hat sich die Zahl der Gymnasiasten im Landkreis Calw um 50 % erhöht, und auch der Alb-Donau-Kreis kann mit fast 44 % einen weit überdurchschnittlichen Anstieg verbuchen.

Starker Einfluss der Übergangsquoten auf die Schülerzahlen

Ursache dieser regional sehr differenzierten Entwicklung der Schülerzahlen an den weiterführenden Schulen sind neben der jeweiligen Altersstruktur in den Kreisen vor allem die unterschiedlichen Trends bei den Übergangsquoten. Landesweit ist der Anteil der Viertklässler, die von der Grundschule auf die Hauptschule wechselten, von 37,0 % im Jahr 1995 auf 28,9 % im Jahr 2005 abgesunken. Damit ist diese Quote so niedrig wie noch nie.

Die Realschulen konnten ihre Position etwas ausbauen. Hier zeigt sich seit langem ein leicht ansteigender Trend. Von 1995 auf 2005 konnten die Realschulen ihre Quote von 29,8 % auf 31,9 % erhöhen. Absoluter Gewinner unter den weiterführenden Schulen in Bezug auf die Übergangsquoten sind aber die Gymnasien. Wechselten 1995 noch 31,5 % der Viertklässler auf ein Gymnasium (weit weniger als auf die Hauptschule!), sind es 2005 37,8 % gewesen. Damit haben sich die Gymnasien zur landesweit beliebtesten Schulart bei den Übergängen auf weiterführende Schulen entwickelt.

Regional betrachtet ist seit 1995 allein in Heidelberg der Anteil der Übergänge auf die Hauptschule von vergleichsweise geringen 17,0 % auf 17,8 % leicht angewachsen. Freilich weist Heidelberg damit neben dem ebenfalls akademisch geprägten Freiburg (16,4 %) immer noch einen der niedrigsten Werte auf. Weit zurückgegangen, um 14 Prozentpunkte, ist die Hauptschulübergangsquote dagegen im Hohenlohekreis. Dieser eher ländlich strukturierte Kreis hatte 1995 mit 42,6 % noch einen der höchsten Hauptschulanteile im Land.

Auch an den Realschulen streuen die Übergangsquoten zwischen den Stadt- und Landkreisen sehr. 6 Kreise haben eine Realschulübergangsquote, die entgegen dem leicht ansteigenden Landestrend niedriger ist als vor 10 Jahren. Der Alb-Donau-Kreis kann mit einer Steigerung um 9 Prozentpunkte auf 39,2 % dagegen den höchsten Zuwachs verzeichnen. Dafür liegt der Anteil der Viertklässler, die auf ein Gymnasium wechseln, in diesem eher dünn besiedelten Kreis mit 31,0 % deutlich unter dem Landesdurchschnitt.

Häufig geben Schüler und Eltern in solchen weitgehend ländlich strukturierten, »topografisch schwierigen« Gegenden, in denen das nächste Gymnasium meist recht weit vom Wohnort entfernt liegt, der eventuell näher liegenden Realschule den Vorzug.

Auf den vorderen Plätzen bei den Übergängen auf das Gymnasium liegen entsprechend traditionell Stadtkreise mit vergleichsweise bequem erreichbaren Gymnasien, einem hohen Anteil akademisch ausgebildeter, »bildungsbewusster« Einwohner und/oder einem hohen Anteil von Beschäftigten im öffentlichen Dienst:

Heidelberg56,4 %,
Freiburg50,1 %
Karlsruhe49,2 %
Landkreis Tübingen50,7 %

mit der dominierenden Universitätsstadt Tübingen, in der vier Zehntel der Kreisbevölkerung leben. Den größten Zuwachs seit 1995 konnte bei den Übergängen auf das Gymnasium mit einem Plus von mehr als 10 Prozentpunkten der Stadtkreis Pforzheim auf nun 39,5 % verzeichnen.

Mit welcher weiteren Entwicklung der Schülerzahlen ist zu rechnen? Hierzu sind Annahmen zur künftigen Entwicklung der Kinder- und Jugendlichenzahlen sowie – bei den weiterführenden Schulen – zur Verteilung der Schüler auf die einzelnen Schularten erforderlich (vgl. i-Punkt).

Grundschüler: Stärkster Rückgang in ländlich geprägten Kreisen

Unter den gemachten Annahmen wird die Zahl der Schüler an Grundschulen bis zum Schuljahr 2012/13 in allen der 44 Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs stetig zurückgehen1 bei allerdings deutlichen regionalen Unterschieden: Der stärkste Rückgang, mit einem Minus von 19 %, wird für den Enzkreis erwartet. Insgesamt fällt auf, dass insbesondere in ländlich geprägten Landkreisen der Rückgang am stärksten sein wird; dagegen wird vor allem in den 9 Stadtkreisen des Landes die Schülerzahl deutlich schwächer absinken.

Auffällig ist damit, dass der Rückgang der (Grund-)Schülerzahl aller Voraussicht nach vor allem in denjenigen Kreisen dynamischer ablaufen wird, in denen die Bevölkerung heute noch relativ jung ist2. Dies gilt insbesondere für die Landkreise Sigmaringen, Biberach und den Alb-Donau-Kreis. In den Kreisen mit einer heute noch verhältnismäßig jungen Bevölkerung »wachsen« nämlich überdurchschnittlich viele Kinder und Jugendliche aus dem Schulalter heraus. Das bedeutet, dass damit gerade diejenigen Kreise, die derzeit noch eine relativ günstige Altersstruktur aufweisen, vor relativ großen Herausforderungen im Hinblick auf die Anpassung ihrer Infrastruktur stehen werden.

Erheblicher Rückgang der Schülerzahlen an Hauptschulen, moderates Minus an Gymnasien

Diese regional unterschiedliche Altersstruktur spiegelt sich auch bei der Entwicklung der Schülerzahlen an den weiterführenden Schulen3 wider: Die Zahl der Schüler an Haupt- und Realschulen sowie an Gymnasien insgesamt wird im Stadtkreis Freiburg im Breisgau bis zum Schuljahr 2012/13 voraussichtlich »nur« um knapp 3 % zurückgehen, im Zollernalbkreis sind es dagegen immerhin fast 17 %.

Aufgrund des unterstellten Übergangsverhaltens – insbesondere wegen der im Vergleich zu den Vorjahren niedrigeren Übergangsquote auf Hauptschulen und der entsprechend höheren auf Gymnasien4– wird die Entwicklung in den einzelnen Schularten aber unterschiedlich verlaufen:

  • Die Zahl der Schüler an Hauptschulen wird in den nächsten Jahren stetig zurückgehen. Landesweit wird im Schuljahr 2012/13 voraussichtlich ein Fünftel weniger Schüler öffentliche und private Hauptschulen besuchen als noch im Schuljahr 2004/05. Im Zollernalbkreis wird das Minus sogar 27 % betragen, im Stadtkreis Freiburg im Breisgau und im Landkreis Esslingen dagegen »nur« knapp 15 %.
  • Die Zahl der Schüler an Realschulen wird zwar auch kontinuierlich zurückgehen, der Rückgang wird voraussichtlich aber deutlich schwächer als an den Hauptschulen ausfallen: Die stärkste Abnahme wurde wiederum für den Zollernalbkreis ermittelt (- 14 %); dagegen wird die Schülerzahl im Landkreis Esslingen voraussichtlich nur geringfügig zurückgehen (- 0,6 %).
  • Noch moderater als an den Realschulen wird der erwartete Rückgang der Schülerzahlen an den Gymnasien ausfallen (Landeswert: - 3,5 % gegenüber - 6,5 % an Realschulen). Bis zum Schuljahr 2008/09 wird die Zahl der Schüler in den meisten Stadt- und Landkreisen sogar noch etwas ansteigen, um erst danach zurück-zugehen und unter das derzeitige Niveau abzusinken. Für immerhin vier Landkreise – Esslingen, Böblingen, Konstanz und Ludwigsburg – sowie den Stadtkreis Freiburg im Breisgau wurde sogar ein leichter Anstieg ermittelt.

Berechnungen sind mit Unschärfen behaftet

Bei der Bewertung der vorgelegten Ergebnisse ist grundsätzlich zu bedenken, dass diese mit Unschärfen behaftet sind: Zum einen basieren die vorgelegten Berechnungen zur regionalen Entwicklung der Schülerzahlen auf kleinräumigen Bevölkerungsvorausrechnungen und diese sind – zumindest nach dem Verständnis der amtlichen Statistik – keine Vorhersagen. Vielmehr werden »nur« die Entwicklungen der Kinder- und Jugendlichenzahlen aufgezeigt, welche zu erwarten sind, wenn vor allem die unterstellten Wanderungen sowie das Geburtenverhalten tatsächlich eintreffen würden.

Zum anderen konnte die Entwicklung der Schülerzahlen nach Schularten nur relativ pauschal mit Hilfe von so genannten »Schülerquoten« (vgl. i-Punkt) ermittelt werden, die damit nur implizit das regional unterschiedliche Übergangsverhalten auf weiterführende Schulen abbilden5.

Und schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse nicht dahingehend interpretiert werden können, wie sich die Schülerzahlen am Wohnort entwickeln werden. Vielmehr sind diese aufgrund des gewählten Ansatzes schulortbezogen. Das bedeutet, dass die Ergebnisse (nur) Hinweise auf die Frage geben können, wie sich beispielsweise die Zahl der Schüler an Realschulen im Landkreis Konstanz entwickeln wird. Die Frage, wie viele Kinder und Jugendliche, die im Landkreis Konstanz wohnen, künftig Realschulen besuchen werden, kann dagegen nicht beantwortet werden. Es geht also bei den vorgelegten Ergebnissen nicht um Aussagen zum regionalen Schulwahlverhalten bzw. zur »Bildungsneigung«. Vielmehr dienen die Daten dazu, Informationen zur Entwicklung der Schülerzahlen im Hinblick auf die Auslastung der örtlichen Schulinfrastruktur bereitzustellen6. Alles in allem haben damit die durchgeführten Berechnungen den Charakter von Modellrechnungen.

Die Ergebnisse dieser Modellrechnung sind für jeden der 44 Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs als Bildschirmtabelle über das Internet verfügbar (www.statistik-bw.de). Diese Tabelle enthält die Ergebnisse für jedes einzelne Vorausrechnungsjahr, jeweils getrennt nach Schularten.

1 Die in diesem Beitrag dargestellten Ergebnisse zur künftigen Veränderung der Schülerzahlen beziehen sich auf den Zeitraum 2004/05 bis 2012/13, da das Schuljahr 2004/05 Basis der Vorausrechnung war.

2 Neben der unterschiedlichen Altersstruktur der Bevölkerung haben selbstverständlich vor allem auch die in der regionalisierten Bevölkerungsvorausrechnung getroffenen kleinräumigen Annahmen zum Umfang der Wanderungsgewinne bzw. -verluste Auswirkungen auf die Entwicklung der Schülerzahlen in den Kreisen.

3 Aufgrund der relativ geringen Schülerzahlen bleiben die Freien Waldorfschulen, die Schulen besonderer Art sowie die Sonderschulen unberücksichtigt.

4 Vgl. Wolf, Rainer: Der Höhepunkt der Schülerzahlen in Baden-Württemberg ist erreicht, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 7/2006, S. 3 (Zitierweise: Schülerzahlen).

5 Dabei ist außerdem zu bedenken, dass die beruflichen Gymnasien nicht berücksichtigt wurden, was regional von großer Bedeutung sein kann.

6 Damit implizieren die Ergebnisse, dass die Entwicklung der Bevölkerungs- und Schülerzahlen innerhalb eines Verflechtungsbereichs – beispielsweise zwischen einem Stadtkreis und den benachbarten Landkreisen – ähnlich verlaufen wird.