:: 10/2006

Wirtschaftsleistung in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs 1992 bis 2004 – Ergebnisse der Revision 2005

Das Wirtschaftswachstum der Stadt- und Landkreise hat sich seit Anfang der 90er-Jahre sehr heterogen entwickelt. Während der Landkreis Heilbronn im Jahr 2004 seine Wirtschaftsleistung gegenüber 1992 um über 50  % steigern konnte, blieben andere Stadt- und Landkreise unter einem Wachstum von 20  %. Absolut gesehen trägt die Landeshauptstadt mit einem Zehntel den größten Teil zum baden-württembergischen Bruttoinlandsprodukt bei. Die neuesten Ergebnisse zur Wirtschaftsentwicklung in den Kreisen belegen den fortschreitenden Strukturwandel: In fast allen Kreisen ist der Dienstleistungssektor dynamischer gewachsen als die Produzierenden Bereiche. Im Jahr 2004 dominiert der Produzierende Sektor nur noch in 3 Kreisen. Die Kreisergebnisse zum Bruttoinlandsprodukt wurden erstmals nach den Methoden und Richtlinien der Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen 2005 berechnet.

Wirtschaft im Landkreis Heilbronn seit 1992 am stärksten gewachsen

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) umfasst den Wert aller innerhalb einer bestimmten Periode in einem bestimmten Wirtschaftsgebiet, wie beispielsweise einem Landkreis oder einem Bundesland produzierten Waren und Dienstleistungen. In Baden-Württemberg betrug das BIP im Jahr 2004 nominal, also nicht preisbereinigt, 324 Mrd. Euro. Die Wirtschaft im Land ist damit gegenüber 1992 um ein Drittel gewachsen. Die einzelnen Stadt- und Landkreise entwickelten sich jedoch recht uneinheitlich. Begünstigt durch Auslagerungen von Produktionskapazitäten aus den Zentren und zum Teil wegen günstiger Standortfaktoren wie Baulandpreise, Verkehrsanbindung oder der räumlichen Lage sind die Landkreise mit einem Plus von 34  % dynamischer gewachsen als die Stadtkreise (+ 29 %). Die höchsten Zuwachsraten erzielten:

Landkreis Heilbronn+53 %
Landkreis Biberach+49 %
und der Alb-Donau-Kreis+45 %

Unter den Stadtkreisen belegte Baden-Baden mit + 43,6 % den Spitzenplatz. Ausschlaggebend für das hohe Wachstum dieser Kreise waren vor allem die enormen Zuwächse der Bruttowertschöpfung in den Dienstleistungsbereichen. Schlusslichter waren – bedingt durch unterdurchschnittliches Wachstum im tertiären Sektor und gleichzeitiger Abnahme der Wertschöpfung im Produzierenden Gewerbe:

Landkreis Sigmaringen+9 %
Stadt Pforzheim+14 %
Stadt Heilbronn+17 %

Die Dienstleistungsbranche war nicht nur bei den Spitzenreitern die treibende Kraft des Wachstums. Im Landesdurchschnitt wuchs die Bruttowertschöpfung aller Dienstleistungsbereiche mit 46 % dreimal so stark wie das Produzierende Gewerbe (+ 15,4 %). In keinem Kreis nahm die Wertschöpfung der Dienstleistungen im Gesamtzeitraum ab. Ein anderes Bild zeigt sich dagegen im Bereich Land- und Forstwirtschaft, Fischerei: Hier wiesen im Gesamtzeitraum 1992 bis 2004 lediglich die 6 Landkreise Bodenseekreis, Zollernalbkreis, Tübingen, Esslingen, Ortenaukreis und Lörrach positive Wachstumsraten auf.

Gut 10  % der Wirtschaftsleistung Baden-Württembergs entstehen in Stuttgart

Ein überdurchschnittlich hohes Wirtschaftswachstum kann auch auf so genannte Basiseffekte zurückzuführen sein. So verfügen Stadt- und Landkreise, die bereits ein vergleichsweise hohes Bruttoinlandsprodukt aufweisen, nicht selten über geringere Entwicklungsmöglichkeiten. Als Beispiel sei hier die Stadt Stuttgart genannt. Mit einem im Landesvergleich eher verhaltenen Wachstum von etwa 25 % im Zeitraum 1992 bis 2004 liegt Stuttgart an neuntletzter Stelle im Vergleich aller Kreise. Beachtlich ist jedoch die erreichte Höhe der absoluten Wirtschaftsleistung. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 34 Mrd. Euro im Jahr 2004 wird nach wie vor ein gutes Zehntel der Wirtschaftsleistung Baden-Württembergs allein in der Landeshauptstadt erbracht. In der Region Stuttgart, die neben der Landeshauptstadt die Landkreise Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und den Rems-Murr-Kreis umfasst, entstanden fast 30 % der Wirtschaftsleistung des Landes. Knapp drei Viertel des baden-württembergischen Bruttoinlandsproduktes, das entspricht 231 Mrd. Euro, verteilen sich auf die 35 Landkreise, während allein in den 9 Stadtkreisen, begünstigt durch ihre zentral-örtlichen Funktionen, mit rund 93 Mrd. Euro ein Viertel der Wirtschaftsleistung erbracht wurde.

Dominanz des Produzierenden Sektors nur noch in 3 Kreisen

Wie eingangs erwähnt, entwickelte sich der Dienstleistungssektor (Handel, Gastgewerbe und Verkehr; Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister sowie öffentliche Verwaltung und Humandienstleister) in fast allen Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs seit 1992 wesentlich dynamischer als der Produzierende Sektor.1 Lediglich im Main-Tauber-Kreis und im Landkreis Tuttlingen wuchs die Wirtschaft – wenn auch minimal – in den industriell geprägten Wirtschaftsbereichen stärker. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Produzierende Sektor im Jahr 2004 nur noch in 3 Kreisen dominierte, und zwar in den Landkreisen Tuttlingen, Rastatt und Böblingen, während im Jahr 1992 die Industrie noch in insgesamt 16 Kreisen den größten Anteil zur Wertschöpfung beitrug. Allerdings schreitet der Strukturwandel auch im Landkreis Böblingen unaufhaltsam fort. Während dort im Jahr 1992 noch 59 % der gesamten Wertschöpfung im Produzierenden Bereich erwirtschaftet wurden, waren es im Jahr 2004 nur noch knapp über 50 %.

Wirtschaftskraft: Stuttgart im bundesweiten Großstadtvergleich auf Platz 4

Aussagen zur Wirtschaftskraft liefert das je Erwerbstätigen erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt. Der Indikator gibt Aufschlüsse über die Produktivität der einzelnen Kreise und ermöglicht Regionalvergleiche. Die höchste Wirtschaftskraft je Erwerbstätigen erreichten demnach 2004:

Stadt Stuttgart72 800 Euro
Stadt Mannheim71 400 Euro
Landkreis Böblingen65 200 Euro

Die Schlusslichter bildeten die Landkreise

Breisgau-Hochschwarzwald50 300 Euro
Emmendingen50 600 Euro
Tübingen51 000 Euro

Trotz dieser großen Spannweite zwischen höchstem und niedrigstem Wert ist die Wirtschaftskraft in den übrigen Kreisen eher ausgeglichen verteilt. So liegen knapp drei Viertel der 44 Kreise mit Werten zwischen 90 und 110  % des Landesdurchschnittes (60 100 Euro) relativ nahe beisammen. Im innerdeutschen Vergleich der Großstädte belegte Stuttgart bei der Wirtschaftskraft nach Frankfurt am Main (81 300 Euro), Düsseldorf (79 600 Euro) und Hamburg (75 300 Euro) den vierten Platz. An fünfter Stelle lag die bayerische Landeshauptstadt München (71 800), dicht gefolgt von Mannheim mit 71 400 Euro.2

Allerdings sollte an dieser Stelle auch kurz auf die Schwächen dieser Kennziffer eingegangen werden. Auf Kreisebene liegen derzeit noch keine Angaben zu den Vollzeitäquivalenten bzw. Gesamtarbeitsstunden der Erwerbstätigen vor, sodass das Bruttoinlandsprodukt auf die absolute Anzahl der Erwerbstätigen bezogen werden muss. Insofern ist das Volumen der tatsächlichen Beschäftigung verzerrt, weil die Erwerbstätigenzahl neben Vollzeitbeschäftigten auch Teilzeitbeschäftigte, geringfügig Beschäftigte und ggf. sogar Ein-Euro-Jobs umfasst. Kreise mit einem sehr hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigten stellen sich dadurch rechnerisch unproduktiver dar als sie in Wirklichkeit sind, da die Wirtschaftsleistung durch die gesamte Anzahl der Erwerbstätigen dividiert wird, ohne Gewichtung der Teilzeitkräfte, die bekanntlich in geringerem Umfang an der Wirtschaftsleistung beteiligt sind. Auch sei erwähnt, dass das Bruttoinlandsprodukt als Gesamtresultat wirtschaftlicher Aktivitäten zustande kommt, und nicht allein durch den Produktionsfaktor Arbeit geprägt ist. Die Kapitalintensität, also die Ausstattung mit Maschinen bzw. deren Modernitäts-grad oder die Infrastruktur beeinflussen ebenfalls die Höhe der wirtschaftlichen Leistung.

1 Produzierendes Gewerbe einschließlich Land- und Forstwirtschaft.

2 Ein vollständiger Nachweis der Kreisergebnisse erfolgt in der Gemeinschaftsveröffentlichung »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 2, Band 1: Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung in den kreisfreien Städten und Landkreisen Deutschlands 1992 und 1994 bis 2004«, die als Excel-Datei kostenlos abgerufen werden kann.