:: 11/2006

Kaum direkte Impulse für die Wirtschaft durch Fußball-WM 2006

Die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland war ein rauschendes Fest, das neben einem allgemeinen Imagegewinn auch zur Stimmungsaufhellung im Lande beigetragen hat. Die große Mehrheit der Unternehmen hat jedoch wie erwartet keinerlei Effekte der WM auf die eigenen Geschäfte feststellen können. Zudem fällt gerade in den Branchen, in denen sich vor der WM überdurchschnittlich viele Unternehmen Hoffnungen auf eine Belebung ihrer Geschäfte gemacht hatten, die Bilanz nach der WM besonders ungünstig aus.

Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg dankt Herrn Reimers von der IHK Region Stuttgart für die freundliche Abdruckgenehmigung des nachstehenden Beitrags.

Wie in allen WM-Spielorten war auch in Stuttgart bzw. der Region im Vorfeld die Erwartung von positiven Auswirkungen der WM auf die regionale Wirtschaft hoch. Vermarktungspläne wurden entworfen und Aktivitäten organisiert, um sich den ausländischen Gästen möglichst gastfreundlich und positiv zu präsentieren, sowie möglichst viel der hereinströmenden Kaufkraft auch abzuschöpfen. Auch wurde vielfach ein Stimmungswandel hin zu größerer Konsumfreude der Inländer beschworen.

Die Erwartungen der großen Mehrheit der Unternehmen waren laut einer IHK-Umfrage im Herbst 2005 sehr viel rationaler: 80 % von ihnen hatten sich keinerlei Wirkung auf den eigenen Geschäftsverlauf versprochen. Lediglich 18 % aller Unternehmen haben sich zusätzliche Impulse von diesem Großereignis erhofft, insbesondere Betriebe aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe sowie dem Einzelhandel. Negative Effekte – etwa durch ungenutzte Arbeitszeiten oder die Verdrängung sonstiger Aktivitäten der Deutschen infolge von Fußballübertragungen – befürchtete hingegen nur gut 1 % der Unternehmen.

Die Bilanz der Unternehmen nach dem Mega-Event Fußballweltmeisterschaft fällt laut aktueller Umfrage dagegen sehr bescheiden aus. Wie von der Mehrheit der Betriebe aus der Region Stuttgart im Vorfeld der WM erwartet, konnten die meisten Unternehmen (85 %) im Blick zurück weder eine positive noch eine negative Wirkung der WM auf die Geschäfte des eigenen Unternehmens feststellen. Lediglich 9 % der Betriebe konnten tatsächlich von der WM profitieren, 6 % klagen dagegen über negative Auswirkungen. Gerade in den Branchen, in denen sich vor der WM überdurchschnittlich viele Unternehmen positive Impulse von der WM versprochen hatten, fällt die WM-Bilanz im Nachhinein besonders ungünstig aus.

Vor der WM hatte jeder dritte Einzelhändler aus der Region Stuttgart vor allem mit zusätzlichen Umsätzen durch ausgabefreudige WM-Touristen sowie heimischen WM-Fans gerechnet. Tatsächlich profitiert haben dagegen nur gut 13 % aller Einzelhändler. Es blieben jedoch vielfach nicht nur positive Effekte aus, sondern eine überraschend große Zahl von Händlern (40 %) musste sogar Einbußen im Vergleich zum saisonüblichen Geschäft verkraften – die meisten von ihnen völlig unerwartet und unvorbereitet. Dies hatte vor allem zwei Gründe: Die zahlreich angereisten Fans interessierten sich recht wenig für das breite Sortiment der regionalen Einzelhändler, sondern hauptsächlich für das Geschehen auf dem grünen Rasen. Außer Fanartikeln und fußballtypischen Genussmitteln wurden kaum Waren nachgefragt. Aber was die Einzelhändler noch viel mehr schmerzte war, dass viele Stammkunden die überfüllten Innenstädte mieden. Auch längere Öffnungszeiten und verkaufsoffene Sonntage erwiesen sich insbesondere an den Spieltagen als Flop. So stand den höheren Kosten für Personal kaum mehr Umsatz gegenüber.

Nicht ganz so ungünstig wie im Einzelhandel fällt dagegen die Bilanz des Hotel- und Gaststättengewerbes aus, da die zahlreichen ausländischen WM-Touristen den Beherbergungsbetrieben tatsächlich zusätzliche Übernachtungen bescherten. 26 % der Gastronomen hatten sich von der WM positive Effekte für den eigenen Betrieb versprochen. Für nicht ganz die Hälfte von ihnen haben sich die Erwartungen auch erfüllt, insbesondere für viele Beherbergungsbetriebe. Negative Auswirkungen melden dagegen 28 % der Unternehmen der Branche, vor allem Gaststätten – nur gut 4 % hatten schon vor der WM entsprechende Befürchtungen.

In anderen Branchen, in denen die Erwartungen an die WM ebenfalls überdurchschnittlich groß waren, wie der Ernährungsindustrie, der Werbewirtschaft oder dem Baugewerbe (Infrastrukturaufträge), sind ebenfalls nicht alle Hoffnungen in Erfüllung gegangen, jedoch melden sie keine vergleichbaren negativen Auswirkungen wie der Einzelhandel bzw. das Gastgewerbe. Allein in einer einzigen Branche wurden die durchaus hohen Erwartungen übertroffen: Die Taxi- und Busunternehmen hatten offensichtlich mit weniger zusätzlichen Beförderungen gerechnet, als tatsächlich zu bewältigen waren.