:: 9/2007

Die Neue Messe Stuttgart und ihre Auswirkungen auf Stadt und Region

Mehr Umsatz, mehr Arbeitsplätze, mehr Internationalität, ein deutlicher Imagegewinn und höhere Steuereinnahmen für Stadt und Region Stuttgart, darüber hinaus positive Auswirkungen auf die Wirtschaft in ganz Baden-Württemberg – dies sind die zu erwartenden Folgen der Landesmesse Stuttgart, die in knapp 4 Wochen durch Bundespräsident Horst Köhler eröffnet wird. Das durch die Neue Messe generierte Zusatzeinkommen in der Region, die sogenannte »Umwegrentabilität«, wird sich von ca. 350 Mill. Euro (2005) bis 2015 auf mindestens 700 Mill. Euro verdoppeln, so das Ergebnis mehrerer Untersuchungen von Roland Berger, ifo Institut München und der Basler Prognos AG. Allgemein verbleiben etwa die Hälfte der Ausgaben der Aussteller in der Messestadt bzw. in deren Umland. Eine Messegesellschaft zieht durch ihre Aktivitäten das 5- bis 7-fache ihres eigenen Umsatzes in die Region – je nach Größe und Internationalität.

Deutschland ist Weltmarktführer der Messebranche. Von den global führenden Messen finden zwei Drittel in Deutschland statt. Jährlich werden rund 140 bis 160 internationale Messen mit mehr als 160 000 Ausstellern und 9 bis 10 Mill. Besuchern in Deutschland organisiert. Die Messebranche verursacht gesamtwirtschaftliche Produktionseffekte in Höhe von 23 Mrd. Euro im Jahr und sichert rund 250 000 Arbeitsplätze. Davon rund 120 000 im Dienstleistungsgewerbe, 75 000 im Produzierenden Gewerbe und 55 000 in Handel und Verkehr.

6 der 10 umsatzstärksten Messegesellschaften der Welt haben ihren Sitz in Deutschland. Die Messe Stuttgart lag mit dem alten Gelände am Killesberg von der Größe her auf Platz 13 in der Bundesrepublik; beim Umsatz war sie in den vergangenen Jahren von Rang 7 auf Rang 10 in Deutschland abgerutscht. Der Konzernumsatz 2006, der von 208 Mitarbeitern erwirtschaftet wurde, betrug 61,1 Mill. Euro. Bei 52 Messeveranstaltungen wurden rund 10 200 Aussteller und ca. 1,1 Mill. Besucher registriert.

Das neue, moderne Gelände am Flughafen Stuttgart wird diesen Trend umkehren. Anstelle von 54 500 Quadratmeter Hallenfläche stehen jetzt 105 000 Quadratmeter in 9 Hallen sowie 40 000 Quadratmeter Freigelände zur Verfügung. Damit schiebt sich Stuttgart auf Platz 9 in der Größenordnung der Messestädte in Deutschland vor (Schaubild). Hinzu kommt das ICS Internationales Congresscenter Stuttgart mit 33 Sälen für bis zu 9 000 Personen. Zusammen mit 10 700 Parkplätzen, davon rund 4 000 im Parkhaus über der Autobahn A 8, bietet das neue Messegelände eine perfekte Infrastruktur mit einer europaweit einzigartigen Anbindung an alle wichtigen Verkehrsträger. Ein Schwerpunkt wird künftig die weitere Internationalisierung der Messe Stuttgart sein. So stieg die Zahl der ausländischen Aussteller von 2 687 (1995/96) auf 4 050 (2005/06); zudem werden wichtige Messethemen wie die AMB, die Intervitis Interfructa oder die Interbad in zunehmender Zahl ins Ausland »exportiert«.

Messen sind multifunktional: sie dienen der Kundenpflege und Kundenbindung ebenso wie der Präsentation neuer Produkte, Technologien und Dienstleistungen, sie erhöhen die Medienwirkung des ausstellenden Unternehmens, ermöglichen Benchmarking zwischen Wettbewerbern und dienen der Mitarbeitermotivation sowie immer stärker auch der Mitarbeitergewinnung. Vor allem aber ermöglichen Messen direkte, persönliche Dialog-Kommunikation zwischen Anbietern und Nachfragern und damit auch die emotionale Ansprache von Kunden. Etwa 56 000 deutsche Unternehmen sind derzeit als Aussteller im B2B1-Bereich tätig, laut einer Studie von TNS Emnid gibt es ein für die Messebranche erreichbares Potenzial von weiteren 40 000 Unternehmen. Mehr als 80 % der ausstellenden Firmen haben weniger als 500 Beschäftigte – Messen sind deshalb Mittelstandsförderung pur.

Die meisten Metropolen und Bundesländer haben diese positiven Aspekte erkannt und investieren in den Ausbau bzw. die Modernisierung ihrer Messe-Infrastruktur. In jüngerer Zeit unternimmt das Ausland große Anstrengungen, um die Spitzenstellung der deutschen Messebranche zu erschüttern. In Paris haben sich mehrere Betreiberfirmen und Geländebesitzer zu zwei großen Unternehmen zusammengeschlossen, in Mailand entsteht zur Zeit das größte Messegelände der Welt, Spanien weist das höchste Flächenwachstum Europas auf und verfügt inzwischen über zwei Drittel der deutschen Hallenkapazitäten. Und in den USA, wo gleichfalls nahezu alle großen Messegelände im Besitz der öffentlichen Hand sind, hat diese in den vergangenen 10 Jahren die jährlichen Investitionen in Messe- und Kongresszentren von 1,2 auf 2,4 Mrd. Dollar gesteigert und parallel dazu auch die vorhandenen Flächen verdoppelt – in Deutschland betrug der Flächenzuwachs in diesem Zeitraum 23 %. Auch in China, Indien und Russland entstehen mit großer Dynamik jedes Jahr neue Messegelände.

In Deutschland lassen sich die positiven Auswirkungen von neuer, moderner Messe-Infrastruktur sehr gut am Beispiel der Messe München studieren. 1998 aus der Innenstadtlage an der Theresienwiese auf das ehemalige Flughafengelände Riem ausgesiedelt, hat die Neue Messe München in den ersten 7 Jahren ihrer Existenz ihrem Umsatz um rund 70 % gesteigert und dabei in allen Jahren ein positives operatives Ergebnis samt einer Umsatzrendite zwischen 17 und 33 % erzielt. Trotz des Ausbaus ihrer Kapazitäten auf zuletzt 180 000 m2 Hallenfläche ist die Neue Messe München zu den Hauptzeiten im Frühjahr und Herbst regelmäßig überbucht. Bei vielen Veranstaltungen beträgt der Anteil ausländischer Aussteller weit über 50 %. Der Umschlagfaktor (er zeigt an, wie oft die vorhandene Hallenfläche übers Jahr komplett vermietet wird) liegt heute in München je nach Messeturnus zwischen 13 und 15 – genauso hoch wie im alten Stuttgarter Gelände auf dem Killesberg. Die Stadt München hat durch den Neubau der Messe enorm an internationaler Reputation hinzugewonnen: ein Pluspunkt im Tourismus ebenso wie bei der Ansiedlung neuer, zukunftsträchtiger Wirtschaftsunternehmen.

In Köln, von der Messefläche her die Nr. 3 in Deutschland nach Hannover und Frankfurt, hat eine Untersuchung des Münchner ifo Institutes im Jahr 2003 einen bundesweiten Umsatz von 1,7 Mrd. Euro ergeben, den die nationalen und internationalen Veranstaltungen der Messe induzieren. Allein das direkte Ausgabenvolumen aller in- und ausländischen Besucher belief sich auf 1,24 Mrd. Euro, die sich fast genau im Verhältnis 2:1 auf Aussteller und Besucher verteilten. Von den 1,24 Mrd. Euro blieben 46,3 % in Stadt und Region Köln, 15,7 % im restlichen Nordrhein-Westfalen, 11,5 % im übrigen Bundesgebiet und 26,5 % im Ausland. In Frankfurt, der in allen Parametern internationalsten und unter dem Strich profitabelsten deutschen Messe, lagen die Produktionseffekte der Besucher- und Ausstellerausgaben bereits im Jahr 2000 bei rund 2,7 Mrd. Euro. 43,6 % der Aussteller- und Besucherausgaben blieben in der Region, 10,3 % entfielen auf das restliche Hessen, 23,2 % auf das Bundesgebiet und 22,9 % auf das Ausland.

Neben der Umwegrentabilität stellt für die Kommunen im Umfeld einer Messe auch die Frage des Steueraufkommens einen sehr wichtigen Faktor dar. Im Falle Frankfurts ergaben sich so im Jahr 2000 für die hessische Landeshauptstadt, ihre Umlandkommunen, das Bundesland Hessen und die Bundesrepublik Deutschland ein messebedingtes Steueraufkommen von 510 Mill. Euro, bestehend aus Umsatzsteuer inklusive Einfuhrumsatzsteuer, Lohnsteuer, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Produktionssteuern. In München erzeugt ein durchschnittliches Messejahr Steuereinnahmen in Höhe von 310 Mill. Euro, von denen 37 % auf den Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt entfallen – den beiden Gesellschaftern der Messe. Deren Grundinvestition in Form von jeweils 30 Mill. Euro in den ersten 8 Jahren nach der Verlagerung der Messe stehen Steuereinnahmen in Höhe von 115 Mill. Euro gegenüber. Seit 1998 haben die öffentlichen Gesellschafter der Messe München rund 800 Mill. Euro an steuerlichen Mehreinnahmen verbuchen können – deutlich mehr als das für die Grundfinanzierung zur Verfügung gestellte Gesellschafterdarlehen von 520,7 Mill. Euro. Die Investition in die Neue Messe München hat sich damit für ihre Gesellschafter auch unter Renditegesichtspunkten gelohnt.

Was bedeutet all dies für Stuttgart und seine Neue Messe? Schon jetzt kann man eine ähnlich positive Entwicklung wie in München auch für die baden-württembergische Metropole prognostizieren. Stuttgart ist zwar nur halb so groß wie München, verfügt aber in seiner Region mit 2,6 Mill. Einwohnern über ein größeres Einzugsgebiet und eine höhere Industriedichte. Mit einem Exportanteil von 43 % liegt das Produzierende Gewerbe in der Region deutschlandweit auf Platz 1. Der Maschinen- und Anlagenbau verfügt in der Region Stuttgart ebenso über ein weit überdurchschnittlich starkes Standbein wie die Elektrotechnik, der Fahrzeugbau und die Medizintechnik. Der Unternehmens-Claim der Landesmesse Stuttgart »Mitten im Markt« hat für viele Bereiche seine volle Berechtigung.

Von der Neuen Messe Stuttgart, die im Juni 2007 mit den Fachmessen wie die Internationale Messe für Feinwerks-, Ultrapräzisions-, Mikro- und Nanotechnologien MiNaT 2007 und BlechExpo/SchweissTec teileröffnet wurde, werden künftig mehrere tausend Arbeitsplätze abhängen. Für das Jahr 2010 wird ein Anstieg der Ausstellerzahlen um 60 % auf dann etwa 17 000 prognostiziert und ein Besucherwachstum um 30 % auf 1,3 Mill. Bereits heute generiert zum Beispiel eine R + T als Weltleitmesse für Rollladen, Tore und Sonnenschutz mehr als 100 000 Hotelübernachtungen in Stuttgart und Umgebung, die führende Ausstellung für Weinbau- und Fruchtsafttechnologie, Intervitis Interfructa, sorgt für rund 60 000 Übernachtungen.

Vor allem die mittelständischen Unternehmen der Region bekommen mit der Neuen Messe ein modernes Schaufenster zu den Märkten der Welt. Aber auch die Kommunen und Verbände können die Neue Messe als Präsentationsforum nutzen; so wird es dort eine eigene Lounge für die Region Stuttgart geben. Durch die Neue Messe verbessern sich Standortqualität und wirtschaftliche Attraktivität der Region weiter. Das neue Messegelände dient zwar in erster Linie der Organisation von Messen und Kongressen, aber auch die Hauptversammlungen großer Unternehmen wie Daimler, Porsche oder Bosch sind möglich.

Derzeit sind rings um die Messe am Flughafen mehr als 100 Hektar neuer Gewerbegebiete geplant bzw. bereits in Realisierung. Zahlreiche Bauanfragen für Büro- und Konferenzräumlichkeiten sowie für mehr als 10 Hotels liegen vor. Die Mövenpick-Gruppe wird ihr Airporthotel grundlegend modernisieren und baut zwischen Flughafen und Landesmesse ein neues Viersterne-Hotel, das zur Messeeröffnung fertiggestellt wird. Insgesamt verfügt Mövenpick dann am Airport über mehr als 550 Hotelzimmer.

Ein weiterer Schub ist durch die Realisierung von Stuttgart 21 und dem damit verknüpften Bau des neuen ICE-Bahnhofes Flughafen/Messe zu erwarten. Der regionale und überregionale Eisenbahnverkehr wird dadurch neu geordnet, und die Fahrtzeiten in Metropolen wie Paris, München, Frankfurt oder Zürich verkürzen sich drastisch.

1 B2B (Business-To-Business) steht allgemein für Beziehungen zwischen (mindestens zwei) Unternehmen, im Gegensatz zu Beziehungen zwischen Unternehmen und anderen Gruppen (zum Beispiel Konsumenten, also Privatpersonen als Kunden, Mitarbeitern oder der öffentlichen Verwaltung). Business-To-Business wird mit B2B oder auch B-to-B abgekürzt. In der deutschen Literatur ist auch von Betrieb-Betrieb-Beziehung die Rede.