:: 9/2007

Studieren mit Kind und Kegel?

Das Zeitfenster, das jungen Akademikerinnen nach der beruflichen Ausbildung und einigen Jahren Berufserfahrung zur Familiengründung verbleibt, ist bekanntermaßen relativ klein. Die Herausforderung Familie und Beruf dann unter einen Hut zu bekommen ist groß. Der Anstieg später Mutterschaften und die Kinderlosigkeit von Akademikerinnen werfen die Frage auf, ob die Vorverlegung der Familienphase in die Zeit des Studiums eine bessere Vereinbarung von Familie und Beruf ermöglicht. Doch wenn das Studium mit Kind ein Zukunftsmodell werden sollte, dann müsste sich an den Hochschulen noch einiges ändern.

Das Thema der Familiengründung in Bildungsphasen fand bislang kaum Beachtung. Erst in letzter Zeit ist die Situation von studierenden Eltern stärker ins Blickfeld geraten. So beschäftigt sich eine aktuelle Buchveröffentlichung des Deutschen Jugendinstituts mit der Vereinbarkeit von Studium und Elternschaft1 und das Sozialwissenschaftliche Frauenforschungsinstitut an der Evangelischen Fachhochschule Freiburg (SoFFI K.) führte jüngst im Auftrag der LANDESSTIFTUNG Baden-Württemberg die landesweite Studie »Familiengründung im Studium« durch. Hinter dem neu erwachten Interesse an studierenden Eltern steht die Frage, ob die Realisierung des Kinderwunsches bereits während der beruflichen Ausbildung ein Ausweg aus dem Entscheidungsnotstand von Akademikerinnen sein könnte.

Unter den bestehenden Rahmenbedingungen ist es derzeit jedoch wenig attraktiv, bereits während des Studiums eine Familie zu gründen. Die Lebensentwürfe der meisten Studierenden orientieren sich nach wie vor am hergebrachten Phasenmodell, wonach die Familiengründung erst nach Abschluss des Studiums und einigen Jahren Berufserfahrung vorgesehen ist. Lediglich 2 % der Studierenden planen eine Elternschaft während des Studiums.

Der Anteil derjenigen, die bereits während der Studienphase mit einem Kind im eigenen Haushalt zusammenleben, ist ebenfalls relativ gering. In Baden-Württemberg sind dies derzeit 5,4 % der Studierenden (14 400 Personen).

Knapp 6 % aller Studierenden in Deutschland lassen sich auf das »Wagnis Kind« ein

Bundesweit leben etwa 115 000 Studierende mit mindestens einem Kind im eigenen Haushalt. Insgesamt macht dies einen Anteil von 5,7 % aller Studierenden aus, wobei sich hier große geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen lassen. Studentinnen sind deutlich häufiger in der Situation, elterliche Pflichten mit dem Studium vereinbaren zu müssen als ihre männlichen Kommilitonen. Während der Anteil der Studentinnen mit Kindern an allen Studentinnen bei 6,8 % liegt, leben nur 4,7 % der jungen Männer während ihrer Studienzeit mit einem Kind im eigenen Haushalt.2

Ein Blick auf die Lebensformen studierender Eltern zeigt, dass 65 % aller jungen Mütter und Väter im Studium verheiratet sind. Die Anteile der Alleinerziehenden und derjenigen, die in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft leben, sind fast gleich groß und liegen bei knapp 20 %.

Elternschaft im Studium: große geschlechtsspezifische Unterschiede

Knapp 80 % der studierenden Väter sind verheiratet, wohingegen lediglich 55 % der jungen Mütter im Studium in einer Ehe leben. Fast 30 % der Studentinnen sind alleinerziehend. Alleinerziehende Väter im Studium sind so selten, dass sie auf der Basis der amtlichen Statistik nicht ausgewiesen werden können. Jeder fünfte studentische Vater lebt in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft. Bei den Studentinnen sind dies mit 16 % anteilsmäßig etwas weniger.

Nicht nur zwischen den Geschlechtern, sondern auch im Ost-West-Vergleich zeigen sich im Hinblick auf die Lebensformen studierender Eltern große Unterschiede. Während in den alten Bundesländern 70 % aller Studierenden mit Kindern verheiratet sind, wählen diese Lebensform im Osten lediglich 53 % aller Eltern im Studium.

Hochschulen sind (noch) ein weitgehend familienfreier Raum

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass lediglich 12 % der studierenden Mütter ihre Hochschule als kinderfreundlich bewerten. 25 % der studierenden Mütter fühlen sich durch die Verpflichtungen des Studiums und 19 % durch die Kinderbetreuung sehr stark belastet. Besonders große Probleme der Vereinbarkeit existieren insbesondere im Hinblick auf die Teilnahme an Exkursionen und Praktika (für 47 %) sowie bei Prüfungsvorbereitungen (für 29 %). Nur 11 % aller Befragten halten das Betreuungsangebot für ausreichend, lediglich jede fünfte Mutter findet genug Zeit für Studium und Kind. 3

Fünf Hochschulen in Baden-Württemberg 2007 mit dem Grundzertifikat ausgezeichnet

In den letzten Jahren unternehmen immer mehr Hochschulen Anstrengungen, um die Vereinbarkeit von Familie und Studium bzw. Beruf zu verbessern: 2005 wurde die Universität Hohenheim als erste Hochschule in Baden-Württemberg mit dem Grundzertifikat »audit familiengerechte hochschule« ausgezeichnet. Dieses Jahr wurden insgesamt 20 Hochschulen ausgezeichnet, fünf davon aus Baden-Württemberg: Die Hochschule Esslingen, die Pädagogische Hochschule Karlsruhe, die Universität Konstanz und die Universität Mannheim hatten bereits 2006 mit Unterstützung des Sozialministeriums Baden-Württemberg das Grundzertifikat erhalten. Die Hochschule Mannheim folgte im Mai 2007 (i-Punkt).4 Ziel des Audits ist die Entwicklung von familiengerechten Studien- und Arbeitsbedingungen, von denen Studierende und Beschäftigte der Hochschulen mit Kindern profitieren.

Beispiel: Hochschule Esslingen

So wurden beispielsweise an der Hochschule Esslingen zahlreiche Maßnahmen für mehr Familienfreundlichkeit entwickelt und teilweise bereits umgesetzt. Familiäre Belange werden hier bei der Studienorganisation berücksichtigt, beispielsweise kann die Praxisphase bei familiären Betreuungspflichten verlängert werden. Eine vom Studentenwerk betriebene Kindertagesstätte für Kinder von 1 bis 3 Jahren hilft den Studierenden, Kind und Studium unter einen Hut zu bringen. Darüber hinaus existieren bereits flexible Arbeitszeitmodelle für die Beschäftigten der Hochschule. Zu den geplanten Maßnahmen gehören beispielsweise die Optimierung des Beratungsangebots zu Vereinbarkeitsfragen sowie der Ausbau der Infrastruktur für Familien (Verbesserung der Kinderbetreuung, Einrichtung von Eltern-Kind-Arbeitszimmern oder mobilen Spielzeugkisten, kindgerechte Gestaltung der Mensa). Auch die Möglichkeit der Einführung eines Teilzeitstudiums für studierende Eltern soll geprüft werden.

Trotz der Bemühung einzelner Hochschulen um eine familienfreundliche Hochschulkultur, ist es für viele Studierende nach wie vor schwierig, Familie und Studium zu vereinbaren. Die Gruppe der Studierenden mit Kindern gehört zu denjenigen, die ein erhöhtes Risiko für einen Studienabbruch tragen.5 Unter den der-zeit existierenden Rahmenbedingungen ist eine Familiengründung während des Studiums daher nur für wenige eine Option, um später längere Unterbrechungen im Berufsleben zu vermeiden. Die Schaffung einer familienbewussten Hochschulkultur könnte jedoch dazu beitragen, dass dieses Modell zukünftig an Attraktivität gewinnt.

1 Cornelißen, Waltraud/Fox, Katrin (Hrsg.): Studieren mit Kind. Die Vereinbarkeit von Studium und Elternschaft: Lebenssituationen, Maßnahmen und Handlungsperspektiven, München 2007.

2 Um jüngere Geschwister auszuschließen, wurden nur Fälle gezählt, in denen der oder die Studierende selbst oder deren Lebenspartner/-in als Bezugsperson angegeben war. Darüber, ob es sich bei den Kindern um leibliche Kinder handelt oder ob weitere eigene Kinder außerhalb des Haushalts leben, können auf der Basis des Mikrozensus keine Angaben gemacht werden.

3 Hendel-Kramer, Anneliese: Studierende Mütter – Situation an Hochschulen,(25. Juni 2007).

4 Die vorhandenen und zukünftigen Maßnahmen der einzelnen Hochschulen sind auf den Grundzertifikaten vermerkt, (20. Juni 2007).

5 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Elternschaft und Ausbildung – Gutachten des wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen (26. Juni 2007), S. 16.