:: 10/2007

»Späte Mutterschaft« – zu den regionalen Unterschieden in Baden-Württemberg

Der demografische Wandel steht seit einigen Jahren verstärkt im Blickpunkt der öffentlichen Diskussion. Eine seit bald drei Jahrzehnten zu geringe Geburtenhäufigkeit, die mit etwa 1,3 Kindern je Frau erheblich unter dem bestandserhaltenden Wert von 2,1 liegt, steht dabei im Zentrum der Diskussion. Ein anderer Aspekt ist der seit Jahren zu beobachtende »Trend zur späten Mutterschaft«. Eine Auswertung aus dem Landesinformationssystem Baden-Württemberg (LIS) und der Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung belegt diese Entwicklung und zeigt recht deutliche Unterschiede innerhalb des Landes.

Im Jahr 2006 wurden in Baden-Württemberg 92 000 Kinder geboren – die geringste Zahl seit 1978. Damals hatte das Land allerdings fast ein Fünftel weniger Einwohner als heute. 1978 lag das Durchschnittsalter der Mütter bei Geburt eines Kindes noch bei 27 Jahren. Seither ist es stetig angestiegen; 2006 lag es bereits bei knapp 31 Jahren. Noch deutlicher wird dieser »Trend zur späten Mutterschaft«, wenn der Anteil der Geburten von Frauen, die im Alter von 35 und mehr Jahren (noch) ein Kind geboren haben, an allen Geburten herangezogen wird: 1985 lag dieser Anteil erst bei knapp 8 %, 1995 bei gut 11 % und 2006 bereits bei 23 %. Damit hat sich der Trend zur »späten Mutterschaft« in den letzten Jahren erheblich beschleunigt.

Um feststellen zu können, ob Frauen vor allem aus Ausbildungs- oder beruflichen Gründen tatsächlich verstärkt erst im höheren Alter ihren Kinderwunsch realisieren, müsste streng genommen auf das Alter der Mutter bei der Geburt des ersten Kindes abgestellt werden. Aufgrund der gesetzlichen Regelungen sind aber Daten über die Geburtenfolge nur bei Kindern von verheirateten Frauen verfügbar. Es sind deshalb keine zuverlässigen Angaben möglich, bei welchem Anteil der Geburten von Frauen im Alter von 35 und mehr Jahren es sich tatsächlich um Erstgeborene handelt. Da aber die Geburtenhäufigkeit seit etwa 20 Jahren relativ konstant ist, dürfte der Anstieg des Durchschnittsalters der Frauen bei der Geburt eines Kindes in diesem Zeitraum zumindest näherungsweise dem bei der ersten Mutterschaft entsprechen.

Als Ursachen für den Trend zur späten Mutterschaft wird vor allem die langjährige Ausbildung und der damit immer mehr nach hinten geschobenen Familiengründung/-planung gesehen. Eine aktuelle Untersuchung bestätigt, dass die späte Mutterschaft vor allem ein Familiengründungsmuster hoch qualifizierter Frauen ist; die umfassende Befragung von Müttern hat aber auch deutlich gemacht, dass die Gründe hierfür zu vielfältig sind, um eindimensionale Erklärungsmuster liefern zu können.1

Stadtkreis Heidelberg: viele Akademiker, viele »späte Mütter«

Regional unterscheidet sich der Anteil der Neugeborenen von Frauen im Alter von 35 und mehr Jahren an allen Geburten deutlich: Am höchsten ist er in den universitär geprägten Kreisen Heidelberg, Freiburg und Tübingen mit Werten um die 30 % (vgl. Tabelle)23; am geringsten ist der Anteil in den eher ländlich strukturierten Landkreisen Tuttlingen, Ostalb- und Neckar-Odenwald-Kreis sowie – und das ist auf den ersten Blick überraschend – auch in den Stadtkreisen Pforzheim und Heilbronn. Hier wird nicht einmal jedes fünfte Kind von einer 35-jährigen oder älteren Frau zur Welt gebracht.

Diese Ergebnisse lassen sich – wie vermutet – zumindest teilweise auf den regional unterschiedlichen Anteil von Frauen mit längeren Ausbildungszeiten zurückführen. Wird hierzu der Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen mit einem Abschluss an einer Fachhochschule oder Hochschule/Universität an allen weiblichen Beschäftigten herangezogen, so liegt dieser in den genannten Landkreisen (Tuttlingen, Ostalb- und Neckar-Odenwald-Kreis), aber auch in den Stadtkreisen Pforzheim und Heilbronn zum Teil deutlich unter dem entsprechenden Landeswert.4 Umgekehrt haben die Stadtkreise Heidelberg und Freiburg im Breisgau mit den jeweils höchsten Anteilen an Spätgebärenden auch die höchsten Akademikeranteile unter den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen (vgl. Schaubild 2).5

Alles in allem dürfte deshalb die Ausbildungsdauer der beschäftigten Frauen ganz entscheidend für die regionalen Unterschiede im Hinblick auf eine »späte Mutterschaft« sein. Die Höhe der regionalen Erwerbsbeteiligung der Frauen hat dagegen kaum einen nachweisbaren Einfluss auf die unterschiedlichen Anteile »Spätgebärender«: Einerseits geht beispielsweise in den Stadtkreisen Heidelberg und Freiburg im Breisgau eine relativ hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen mit einem hohen Anteil von Kindern, die von 35-jährigen und älteren Frauen zur Welt gebracht wurden, einher. Andererseits gibt es aber auch Kreise (zum Beispiel Tuttlingen, Zollernalbkreis), die zwar auch eine hohe Erwerbsbeteiligung der Frauen aufweisen, in denen aber nur relativ wenige Kinder von älteren Müttern zur Welt gebracht werden.

Die jeweiligen Anteile von Geborenen älterer Mütter an allen Geburten geben aber noch kein vollständiges Bild darüber, wie die regionalen Verhältnisse im Hinblick auf eine (bewusste) Entscheidung für eine späte Schwangerschaft zu bewerten sind. Vielmehr ist hierfür auch noch die regional unterschiedliche Geburtenrate, das heißt die durchschnittliche Kinderzahl aller Frauen von 15 bis unter 45, zu berücksichtigen. Ein höherer Wert hat in diesem Zusammenhang nämlich zwei Effekte: Zum einen steigt mit zunehmender Geburtenrate die Wahrscheinlichkeit, dass (weitere) Kinder auch von älteren Müttern geboren werden. Zum anderen führt eine höhere Geburtenrate rein rechnerisch zu einem geringeren Anteil von »späten Mutterschaften«, da die meisten Kinder von jüngeren Frauen geboren werden.

»Späte Mütter«, wenig Kinder

So ist bei Kreisen mit einem geringeren Anteil »später Mutterschaften« tendenziell eine überdurchschnittliche Geburtenrate zu beobachten. Hierzu gehören die vorwiegend ländlichen Landkreise Calw, Freudenstadt und Tuttlingen sowie der Neckar-Odenwald-, Ostalb- und Schwarzwald-Baar-Kreis. Diese Kreise zeichnen sich auch dadurch aus, dass nicht nur der Anteil »später Mutterschaften« gering ist, sondern auch die Geburtenhäufigkeit von Frauen im Alter von 35 und mehr Jahren unterdurchschnittlich ist.6 Dies lässt vermuten, dass hier viele junge Frauen bereits Kinder bekommen.

Umgekehrt ist in den Kreisen mit einem überdurchschnittlichen Anteil »später Mutterschaften« die Geburtenrate zumeist geringer. Beispielsweise weist der Stadtkreis Heidelberg den höchsten Anteil von Lebendgeborenen älterer Mütter und die geringste Kinderzahl je Frau aller 44 Stadt- und Landkreise auf (2004 bis 2006: 95 Kinder je 100 Frauen). Obwohl die Geburtenhäufigkeit bei Frauen über 35 in Heidelberg die höchste im Land ist, ändert dies nichts an der geringen Geburtenrate. Man kann folglich unterstellen, dass hier Frauen ihr erstes Kind wesentlich später bekommen. Ähnlich sieht es in den Stadtkreisen Stuttgart, Karlsruhe, Heidelberg und Freiburg sowie im Landkreis Tübingen aus.

Aber es gibt auch einige Kreise, in denen dieser negative Zusammenhang zwischen Anteil »später Mutterschaften« und Geburtenrate so nicht zu beobachten ist: Denn auch in den Landkreisen Ravensburg, Biberach und im Alb-Donau-Kreis ist der Anteil »später Mutterschaften« erhöht bzw. liegt im Durchschnitt, jedoch ist die Geburtenrate weit überdurchschnittlich. Diese »späten Mütter« bekommen im Vergleich zu den anderen Kreisen zudem viele Kinder. Man kann daher vermuten, dass es sich bei diesen Kindern nicht um erste sondern vor allem um zweite und dritte Kinder handelt.7

Eine Ausnahme ist auch der Stadtkreis Mannheim. Die Geburtenrate ist in Mannheim trotz eines geringen Anteils »später Mutterschaften« niedrig. Auch die Geburtenhäufigkeit älterer Frauen ist relativ gering. Hier bekommen viele Frauen anscheinend bereits in jungen Jahren Kinder, obwohl insgesamt weniger Kinder pro Frau geboren werden als anderswo.

Zusammenfassend kann festgestellt werden,

  • dass das durchschnittliche Alter bei der Geburt eines Kindes stetig gestiegen ist,
  • dass regionale Unterschiede beim Anteil »später Mutterschaften« vor allem auf unterschiedliche Ausbildungsniveaus zurückzuführen sind sowie,
  • dass ein hoher Anteil »später Mutterschaften« mit einer geringen Gesamtkinderzahl pro Frau einhergeht.

In den letzten Jahren hat der Anteil der Frauen mit einer Hoch- bzw. Fachhochschulausbildung stetig zugenommen. Sollten sich die Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht grundlegend ändern, spricht vieles dafür, dass sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzen wird – mit der Konsequenz, dass der Anteil »Spätgebärender« in den nächsten Jahren weiter zunehmen dürfte, wenn auch regional in unterschiedlichem Umfang. Ob dies auch einen Effekt auf die Geburtenrate haben wird bleibt abzuwarten.

1 Vgl. Herlyn, Ingrid/Krüger, Dorothea (Hrsg.): Späte Mütter, Opladen 2003, zitiert aus: Saleth, Stephanie: »Späte Mutterschaft – ein neuer Lebensentwurf?«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 11/2005«

2 Um Schwankungen der Ergebnisse im Zeitablauf zu eliminieren wurde ein Durchschnitt aus den Jahren 2004 bis 2006 gebildet.

3 Noch deutlicher werden die räumlichen Unterschiede auf der Ebene der Mittelbereiche nach dem Landesentwicklungsplan 2002; vgl. hierzu Schaubild 1.

4 Hierzu wurde auf die Beschäftigtenverhältnisse am Wohnort abgestellt, sodass berücksichtigt werden muss, dass ein Teil der Beschäftigten zur Arbeitsstelle in andere Kreisen auspendelt.

5 So werden bei einer Erhöhung des Akademikeranteils um einen Prozentpunkt 2,3 Kinder pro 100 Frauen weniger geboren.

6 Dieser zweite Indikator wird im Gegensatz zum »Anteil später Mutterschaften« nicht vom beschriebenen rechnerischen Effekt beeinflusst. Um einen möglichst aussagekräftigen Indikator zu erhalten, wurden nur die Geburten von Frauen im Alter von 35 bis unter 45 Jahren sowie die Frauen in diesem Alter berücksichtigt; da lediglich nur etwa 0,5 % der Geburten auf Geburten von Frauen im Alter von 45 und mehr Jahren entfallen, hätte die Einbeziehung dieser Altersgruppe zu altersstrukturell bedingten Unschärfen geführt.

7 Der Indikator »Geburtenhäufigkeit älterer Frauen« wird im Gegensatz zum »Anteil später Mutterschaften« stark davon beeinflusst, dass mit zunehmender Geburtenrate die Wahrscheinlichkeit steigt, dass weitere Kinder auch von älteren Müttern geboren werden.