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Amtliche Statistik trifft Wissenschaft

Forschungsdatenzentrum (FDZ) der Statistischen Landesämter

Das Forschungsdatenzentrum (FDZ) der Statistischen Landesämter, mit regionalem Standort im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg, ist Teil einer mittlerweile breit genutzten informationellen Infrastruktur und wird seit 2004 als Pilotprojekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Als Serviceeinrichtung für die Wissenschaft bietet es der wissenschaftlichen Forschung Zugang zu amtlichen Mikrodaten. In mehr als 240 Forschungsprojekten wird diese Möglichkeit bereits ergriffen. Am häufigsten werden Statistiken aus dem Bereich Mikrozensus und Bevölkerung nachgefragt, gefolgt von den Wirtschaftsstatistiken und dem Bereich Agrar und Umwelt. Der Bereich Umwelt und Baugewerbe wird dabei fachlich vom regionalen Standort Stuttgart betreut. Das Forschungsdatenzentrum der Statistischen Landesämter entwickelt das Daten- und Dienstleistungsangebot kontinuierlich und nutzerorientiert weiter. Für die Wissenschaft sind neuerdings miteinander verknüpfte Betriebs- und Unternehmensdaten aus unterschiedlichen Statistiken von besonderem Interesse.

Forschungsdatenzentrum erfolgreich in die 2. Förderphase gestartet

Mit dem Projekt »Anschlussvorhaben zur Verbesserung des Zugangs der Wissenschaft zu amtlichen Mikrodaten« startete das Forschungsdatenzentrum der Statistischen Landesämter am 1. Juli 2007 in eine zweite, zweieinhalb Jahre dauernde Förderphase. Die erste Förderphase hatte im Januar 2004 begonnen. Bisheriges Ziel des in einer Arbeitsgemeinschaft aller Statistischen Landesämter durchgeführten Projektes war es, eine neue organisatorische, fachliche und technische Infrastruktur zu entwickeln, um der Wissenschaft einen Zugang zu Mikrodaten der amtlichen Statistik zu erleichtern (i-Punkt). Dieses Ziel wurde eindrucksvoll erreicht: Zum einen zeigt dies die auf Basis des Kriterienkataloges der Leibniz-Gesellschaft im Oktober 2006 durchgeführte positive Evaluation des Projekts, wonach das Forschungsdatenzentrum der Statistischen Landesämter bereits zum jetzigen Zeitpunkt einen zentralen und unverzichtbaren Bestandteil der informationellen Infrastruktur in Deutschland darstellt. Zum anderen wurde das Datenangebot bereits intensiv – so auch im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg – für wissenschaftliche Analysen genutzt.

Breites Datenangebot wird intensiv genutzt

Gingen im 1. Halbjahr 2004 lediglich 14 Datennutzungsanträge ein, waren es im 1. Halbjahr 2007 bereits 63 Anträge. Insgesamt wurden seit Projektbeginn 2004 bis Juni 2007 in 245 Datennutzungsanträgen rund 1 700 Datenbestände beim Forschungsdatenzentrum der Statistischen Landesämter beantragt.

Die Wissenschaft nutzt das Datenangebot inzwischen auch in einem breiten fachlichen Spektrum, das mehr als 60 Statistiken beinhaltet – von A wie Agrarstruktur- bis Z wie Zeitbudgeterhebung. Die am häufigsten genutzten Statistiken stammen aus dem Bereich Bevölkerung und Mikrozensus. In über 100 Projekten wurden diese Daten analysiert, 93 Forschungsprojekte griffen auf Wirtschaftsstatistiken zurück, weitere 50 Projekte auf Agrar- und Umweltstatistiken. Die Umweltstatistiken werden fachlich vom regionalen Standort Stuttgart betreut und beinhalten unter anderem Mikrodaten zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung im Öffentlichen Bereich sowie im Bereich des Verarbeitenden Gewerbes. Die Daten ermöglichen eine Gesamtschau der Inanspruchnahme der Ressource Wasser und liefern beispielsweise Planungsgrößen für eine zukunftsfähige Gewässerschutzpolitik sowie zur Entwicklung einer nachhaltigen Wasserwirtschaft. Die Statistiken aus den Bereichen »Steuern und Finanzen« und »Gesundheit« wurden von jeweils 31 Projekten beantragt. Die Daten aus den weiteren Haushaltsbefragungen – hierunter fallen beispielsweise die Einkommens- und Verbrauchsstichproben privater Haushalte – wurden in 20 Fällen und die zur Sozialen Sicherung und Rechtspflege in 12 Fällen nachgefragt. Bildungsdaten waren in 9 Projekten Forschungsgegenstand. Durch die fachliche Breite des Datenangebotes, aber auch durch die regionale Präsenz des FDZ der Statistischen Landesämter, hat die Nutzung von amtlichen Mikrodaten durch die Wissenschaft deutlich zugenommen.

Forschungsprojekte im regionalen Standort Stuttgart

Im regionalen Standort Stuttgart werden derzeit 7 Forschungsprojekte betreut, 4 davon am Gastwissenschaftlerarbeitsplatz im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg, 3 über die sogenannte kontrollierte Datenfernverarbeitung. Bei diesem Datenzugang arbeiten die Wissenschaftler/-innen nicht in direktem Kontakt mit den Mikrodaten in den Räumlichkeiten der amtlichen Statistik, sondern entwickeln entsprechende Auswertungsprogramme, die von den Mitarbeitern im Forschungsdatenzentrum ausgeführt werden. Im Anschluss daran erhalten die Wissenschaftler/-innen die auf statistische Geheimhaltung überprüften Analyseergebnisse1.

Die vom Forschungsdatenzentrum im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg betreuten Projekte sind auf unterschiedlichen Forschungsgebieten angesiedelt. Entsprechend der fachlichen Zuständigkeit werden zum einen Forschungsprojekte aus dem Umweltbereich betreut. Beispielsweise wird – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des weltweiten Klimawandels – die Entwicklung der Wassernachfrage von Haushalten, Industrie und Landwirtschaft untersucht. Ein weiteres aktuelles Projekt sieht vor, Daten aus der Erhebung von Waren und Dienstleistungen für den Umweltschutz für eine Strukturanalyse der deutschen Umweltschutzindustrie zu nutzen. Neben diesen umweltbezogenen Projekten forschen Wissenschaftler am Gastwissenschaftlerarbeitsplatz jedoch auch mit Daten aus anderen Erhebungen zu Fragen der Wirtschaftsstruktur oder der Arbeitsmarktökonomie und veröffentlichen qualitativ hochwertige Forschungsergebnisse.2

Daten- und Dienstleistungsangebot wird weiter ausgebaut

Mit dem Ziel einer dauerhaften Etablierung des Forschungsdatenzentrums der Statistischen Landesämter wird es in Zukunft eine wesentliche Aufgabe sein, das Daten- und Dienstleistungsangebot nutzerorientiert und in Kooperation mit der Wissenschaft weiter zu entwickeln. Ziel ist es vor allem, das Informations- und Analysepotenzial der amtlichen Mikrodaten weiter auszubauen. In der Wissenschaft besteht dabei insbesondere Bedarf an der Integration von Betriebs- und Unternehmensdaten über mehrere unterschiedliche Statistiken hinweg. Dieser Aufgabe wird sich das FDZ der Statistischen Landesämter im Rahmen des Projekts »Amtliche Firmendaten für Deutschland« (AFiD) in den nächsten 2 Jahren widmen. In diesem Projekt werden Daten aus verschiedenen Wirtschafts- und Umweltstatistiken systematisch miteinander zusammengeführt. Ein Beispiel für eine solche Verknüpfung wäre ein Betriebsdatensatz für das Verarbeitende Gewerbe im Längsschnitt, der Informationen aus dem Monatsbericht, der Investitions-, Produktions- und Kleinbetriebserhebung über die Zeit enthält. Als Erweiterung dieses Betriebspanels können beispielsweise zusätzlich Daten aus der Statistik der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung auf Betriebsebene integriert werden. Dadurch bestünde dann zukünftig die Möglichkeit, Firmendaten wie Umsatz, Produktion oder Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Merkmalen aus dem Umweltbereich, wie beispielsweise dem Wasseraufkommen zu untersuchen. Darüber hinaus sind weitere integrierte Datenangebote geplant, etwa ein Unternehmenspanel für das Verarbeitende Gewerbe, in welchem der Jahresbericht für Unternehmen, die Investitions- sowie die Kostenstrukturerhebung zusammengeführt werden sollen. Zusätzlich zu den Kostenstrukturen werden sodann Aussagen zu allen Tätigkeitsfeldern der Unternehmen möglich, beispielsweise für Investitionen und Auslandsumsatz.

1 Daneben steht eine Vielzahl von Statistiken in Form von faktisch anonymisierten Mikrodatendateien auf standardisierten Scientific-Use-Files (SUF) für eine Arbeit am eigenen Arbeitsplatz zur Verfügung. Speziell für die wissenschaftliche Lehre an Hochschulen wurden absolut anonymisierte CAMPUS-Files entwickelt, die unentgeltlich zum Download bereitstehen. Umfangreiche Informationen zum Datenangebot und zu den verschiedenen Möglichkeiten des Datenzugangs sind im Internet unter www.forschungsdatenzentrum.de zu finden.

2 Derzeit aktuellste veröffentlichte Studien: Heinbach, Wolf Dieter (2007): Wages in Wage-Setting Regimes with Opening Clauses, in: AStA – Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv, 1(3), im Druck; Heinbach, Wolf Dieter/Spindler, Markus (2007): To Bind or Not To Bind Collectively? Decom-position of Bargained Wage Differences Using Counterfactual Distributions. IAW Diskussionspapier, Tübingen, erscheint demnächst.