:: 5/2008

Wohin zieht es ältere Menschen in Baden-Württemberg?

Die Bevölkerungszahl in Baden-Württemberg wächst seit 2006 ausschließlich durch Zuwanderungen aus dem In- oder Ausland. Wanderungsmotive sind vor allem die Wirtschaftslage und damit verbunden die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sowie Ausbildungsmöglichkeiten, die insbesondere junge Menschen anziehen. Weitere Gründe für Zuzüge können gesellschaftspolitische Umbrüche, Unruhen oder Kriege in anderen Ländern sein. Aber nicht nur junge und/oder erwerbsfähige Menschen wechselten den Wohnort. Auch nach dem Erwerbsleben sind die Menschen durchaus »wanderungsaktiv«.

Losgelöst von den Beweggründen Erwerbsmöglichkeit, Arbeitsmarkt und Ausbildung stehen als Motive vor allem die Infrastruktur, landschaftliche Attraktivität und auch die eigene Biografie im Vordergrund. Entgegen des in den letzten Jahren in Baden-Württemberg beginnenden Trends, wonach die Bevölkerung insgesamt verstärkt wieder in die Städte zieht bzw. nicht mehr in dem Ausmaß wie früher in das Umland abwandert, zieht es ältere Menschen weiterhin in die weniger verdichteten Randgebiete bzw. kleinere Kommunen, die über eine ausreichende Infrastruktur verfügen und in landschaftlich attraktiven Regionen des Landes liegen.

Weit mehr ältere Ausländer als ältere Deutsche verlassen das Land

Derzeit ist fast jeder vierte der 10,7 Mill. Baden-Württemberger mindestens 60 Jahre alt, nach den aktuellen Vorausrechnungen wird es 2025 bereits jeder dritte sein. Der Anteil der Zu- bzw. Fortzüge dieser Bevölkerungsgruppe an allen Zu- bzw. Fortzügen des Landes bewegt sich jeweils um die 7 %. Damit ist diese Bevölkerungsgruppe nicht so wanderungsaktiv wie jüngere Altersgruppen. Da die Zahl der älteren Menschen jedoch künftig steigt, wird deren Wanderungsverhalten mehr an Bedeutung gewinnen, besonders auf kleinräumiger Ebene.

Zunächst stellt sich die Frage: Was sind die Motive, zum Ende des Erwerbslebens oder auch noch später den Wohnort zu wechseln? Geht man doch davon aus, dass im Laufe des Lebens durch Familiengründung und soziale Netzwerke oder Wohneigentum eine Bindung zum Wohnort aufgebaut und gefestigt wurde, die nicht einfach aufgegeben wird. Ein erster Blick auf die Wanderungssalden der 60-Jährigen und Älteren des Landes hilft in dieser Frage: In den Jahren 2004 bis 2006 zogen mehr 60-Jährige und Ältere aus Baden-Württemberg fort als zu (11 200 Personen). Allerdings zeigt sich, dass hauptsächlich ausländische Mitbürger das Land im Saldo verließen (rund 9 500). Es handelt sich wohl vor allem um europäische Zuwanderer, die insbesondere in der Zeit von 1968 bis 1973 (bis zum Anwerberstopp) nach Baden-Württemberg kamen und nunmehr nach ihrem Erwerbsleben in ihre ursprüngliche Heimat zurückkehren. Nach einer Untersuchung1 zur Remigration von europäischen »Gastarbeitern« hängt eine Rückkehr auch von der Zahl der in Deutschland lebenden Familienangehörigen ab. Ein ähnliches Szenario ist für zugewanderte Erwerbspersonen mittleren Alters aus den neuen Bundesländern vorstellbar. Gesicherte Anhaltspunkte gibt es aus statistischer Sicht hierfür noch nicht.

Neben der eigenen Biografie gibt es weitere Gründe auch im Alter durchaus noch einmal den Wohnort zu wechseln, so vor allem die Nähe zu landschaftlich attraktiven Gebieten, zu kulturellen Angeboten und zu naher Versorgungsinfrastruktur. Es gibt jedoch auch Gründe, die einen Fortzug erzwingen können, zum Beispiel zu hohe Mieten bei einem durch den Renteneintritt verminderten Einkommen.2 Einer Entscheidung zum Wohnortwechsel geht letztlich ein Vergleich der aktuellen mit den möglichen Wohnsituationen voraus.3 Im höheren Alter spielt die Pflege- bzw. Hilfsbedürftigkeit eine zunehmende Rolle – damit hat die örtliche Lage von Einrichtungen zur Pflege einen Einfluss auf das Wanderungsgeschehen.

Verdichtungsbereiche im Ländlichen Raum mit höchstem Anteil an Älteren

Zum Ende des Jahres 2006 lebten 2,54 Mill. Männer und Frauen im Alter von 60 Jahren und mehr in Baden-Württemberg. Das entspricht einem Anteil von knapp 24 % der Bevölkerung. Die Verteilung ist regional durchaus unterschiedlich: Der Stadtkreis Baden-Baden hat mit knapp 32 % den höchsten Anteil, gefolgt vom Schwarzwald-Baar-Kreis mit 26 %. Auf der anderen Seite haben der Landkreis Tübingen (19 %) und die Universitätsstädte Freiburg im Breisgau und Heidelberg mit 20 bzw. 21 % die geringsten Anteile an Personen im Alter von 60 oder mehr Jahren.

Von den vier Hauptkategorien des Landesentwicklungsplanes (LEP 2002 – vgl. i-Punkt) haben die Verdichtungsbereiche (VB) im Ländlichen Raum mit knapp 25 % den höchsten Anteil an 60-Jährigen und Älteren. Das trifft insbesondere auf den VB Albstadt/Balingen/Hechingen zu (26 %). Auch die Verdichtungsräume insgesamt, also die besonders dicht besiedelten Gebiete, haben im Vergleich zum Land einen leicht überdurchschnittlichen Anteil. Die Randzonen der Verdichtungsräume liegen in etwa auf Landesniveau, während der Ländliche Raum im engeren Sinne mit knapp 23 % einen unterdurchschnittlichen Anteil aufweist.

Ruhestand in schöner Landschaft

Schaut man allein auf die Wanderungsbewegungen, also die absoluten Zahlen der Zu- und Fortzüge der 60-Jährigen und Älteren, so gab es in den bevölkerungsreichen Landkreisen Rhein-Neckar-Kreis, Ludwigsburg, Esslingen und Rems-Murr-Kreis die größte Dynamik im Wanderungsgeschehen (Summe der Zu- bzw. Fortzüge). Im Saldo zeigt sich, ob durch das Wanderungsverhalten eine Abnahme oder ein Zuwachs der Bevölkerungszahl erfolgt. Knapp die Mehrheit der 35 Landkreise Baden-Württembergs verzeichnete ein Wanderungsplus bei den 60-Jährigen und Älteren in den Jahren 2004 bis 2006. An der Spitze standen dabei die um die Stadt Freiburg im Breisgau gelegenen Landkreise Breisgau-Hochschwarz-wald und Emmendingen, der Bodenseekreis sowie der Neckar-Odenwald-Kreis. Es sind insbesondere die landschaftlich attraktiveren Gebiete wie die Rheinebene und Teile des Schwarzwaldes, der Bodensee und das Allgäu sowie Teile des Odenwaldes und im Hohenloheschen, die einen Zuwachs in dieser Altersgruppe erfahren.

Einen positiven Wanderungssaldo der 60-Jährigen und Älteren haben nicht nur Landkreise, deren Anteil an 60-Jährigen und Älteren bereits im Vorhinein hoch ist, sondern auch heute noch im Verhältnis zum Land jüngere Kreise, wie zum Beispiel der Landkreis Heilbronn. Setzt sich dieses Wanderungsverhalten in Zukunft fort, steigt – auch aufgrund der derzeitigen Altersstruktur der Bevölkerung – das Durchschnittsalter insbesondere dieser Kreise überdurchschnittlich an.4

Wegzug aus großen Städten

Bei den 9 Stadtkreisen gab es bei der Zuwanderung von Älteren nur einen Gewinner: Baden-Baden. Stuttgart verzeichnet mit 30 Personen je 1 000 Einwohner die höchste relative Abwanderung, gefolgt von Mannheim mit 21. Wird nur die deutsche Bevölkerung berücksichtigt, verringern sich die negativen Salden geringfügig. Nach Gemeindegrößenklassen zeigt sich ein eindeutiges Bild: Von jeweils 100 Kommunen hatten Wanderungsverluste in folgenden Klassen:

Über 20 000 Einwohner69,
10 000 bis 20 00058,
unter 10 000 Einwohner61.

Die Randzonen und der Ländliche Raum im engeren Sinne sind für ältere Menschen immer noch attraktiv, sie gewannen im Saldo rund 4 200 Personen im Alter von 60 und mehr Jahren im Verlauf der Jahre 2004 bis 2006 hinzu. Dagegen zeigten die Verdichtungsräume (VR) als großflächige Gebiete mit stark überdurchschnittlicher Siedlungsverdichtung und intensiver innerer Verflechtung und die Verdichtungsbereiche (VB) im Ländlichen Raum einen negativen Saldo (rund 15 400).5 Wird auch hier aufgrund der starken Abwanderung der ausländischen nur die deutsche Bevölkerung ab 60 Jahren betrachtet, liegt der Wanderungssaldo der Randzonen und des Ländlichen Raums im engeren Sinne sogar um 1 800 Personen höher. Bei den stark verdichteten Räumen halbiert sich dagegen der negative Saldo.

Größte Abwanderungen im Alter von 60 bis 70 Jahren

Fast die Hälfte der Zu- und Fortzüge der 60-Jährigen und Älteren aus bzw. nach Baden-Württemberg entfällt allein auf die 60- bis unter 70-Jährigen. Von den bereits anfangs erwähnten insgesamt 11 200 Personen ab 60 Jahren, die zwischen 2004 bis einschließlich 2006 das Land per saldo verlassen haben, entfallen auf diese Altersgruppe allein 8 200 Personen und damit 73 %. Nur 11 der 35 Landkreise sowie Baden-Baden und Freiburg im Breisgau können ein Wanderungsplus in dieser Altersklasse vorweisen. In der gesamten Region Stuttgart ist die Abwanderung hier am stärksten.

Für die 70-Jährigen und Älteren verringert sich der negative Wanderungssaldo des Landes und mehr Kreise verzeichnen ein Wanderungsplus, so zum Beispiel die Landkreise Heilbronn, Karlsruhe, Tübingen und der Alb-Donau-Kreis.

Die Generation 60+ ist durchaus mobil, auch wenn sie im gesamten Wanderungsgeschehen des Landes nicht im Vordergrund steht. Die Zahl der Fortzüge ist dabei gegenüber den Zuzügen in den letzten Jahren gestiegen, sodass im Saldo mehr ältere Menschen Baden-Württemberg verlassen. Auch bei der deutschen Bevölkerung ist der Saldo der Wanderungen bei den 60-Jährigen und Älteren in den letzten 3 Jahren negativ. Inwiefern diese Entwicklung weitergeht, ist jedoch heute noch nicht absehbar.

1 Vgl.: Möser, Thilo: Remigration von »Gastarbeitern« in ihre Herkunftsländer – Eine Verlaufsdatenanalyse mit dem Sozio-ökonomischen Panel, Diplomarbeit, 2005 unter: http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2005/2502/pdf/MoeserThilo-2005-01-26.pdf

2 Vgl.: Eichhorn, Lothar: Wanderungssalden der Senioren in den Landkreisen und kreisfreien Städten Deutschlands, in: Statistische Monatshefte Niedersachsen 4/2006, S.164ff.

3 Vgl.: Koch, Reinhold: Altenwanderung und räumliche Konzentration alter Menschen, Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumforschung, 1976, S. 69ff.

4 Vgl.: Dominé, Attina/Schwarck, Cornelia: Neue regionalisierte Bevölkerungsvorausrechnung bis 2025 für Baden-Württemberg, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 6/2007, S. 8ff.

5 Eine Ausnahme bei den Verdichtungsräumen stellt der VR Freiburg im Breisgau dar, der einen positiven Wanderungssaldo bei den über 60-Jährigen aufweist.