:: 5/2008

Baden-Württemberg 2008 – Perspektiven

Die wirtschaftliche Situation der mittelständischen Unternehmen in Baden-Württemberg ist zurzeit im Großen und Ganzen erfreulich stabil. Die vergleichsweise gute Ausgangslage im Land ist natürlich nicht zufällig. Sie beruht auf einem von den Unternehmen über Jahre hinweg hart erarbeiteten Wettbewerbsvorteil durch permanente Innovationen. Von diesem Innovationsvorsprung profitieren wir gegenwärtig alle. Klar ist aber, dass im Rahmen der Globalisierung in einem sich immer rascher wandelnden Umfeld diese Vorsprünge permanent gefährdet sind. Nur wer in der Gegenwart die notwendigen Anstrengungen aufbringt, kann auch in der Zukunft von Innovationsvorteilen profitieren. Dabei müssen auftauchende Probleme vorausschauend berücksichtigt werden. Insbesondere ist es notwendig, das im Land vorhandene Humankapital besser zu aktivieren und auszunutzen.

Baden-Württemberg ein »Mittelstandsland«

Nach einer im letzten Jahr von uns zusammen mit zwei Wirtschaftswissenschaftlichen Instituten (IAW Tübingen und ifm Mannheim)1 veröffentlichten Studie stimmt das im bundesweiten Vergleich zumindest seit der deutschen Wiedervereinigung nicht mehr so ganz. Vor allem die neuen Bundesländer sind nämlich noch deutlich stärker vom Mittelstand geprägt als unser Land. Präziser ausgedrückt liegen die besonderen Stärken Baden-Württembergs heute im »gehobenen« Mittelstand.

Dies alles ändert aber nichts daran, dass der Mittelstand – wie auch immer man ihn genau definiert – nach wie vor ein wesentliches und unverzichtbares Rückgrat unserer Wirtschaft darstellt. Ca. 99 % aller Unternehmen im Land gehören nämlich zur Kategorie der kleineren und mittleren Unternehmen. Bei den Arbeitsplätzen (50 %) und den Umsätzen (40 %) ist ihr Beitrag zwar deutlich geringer, er braucht sich vor der Großindustrie aber beileibe nicht zu verstecken. So sind beispielsweise das Ernährungsgewerbe, die Metallverarbeitung, das Baugewerbe, das Gastgewerbe und weite Bereiche der unternehmensnahen und vor allem der persönlichen Dienstleistungen nach wie vor eindeutig mittelständisch geprägt. Und selbst im Handel, in dem wir das Vordringen der Filialisten nahezu täglich hautnah beobachten können, dominieren immer noch die Mittelständler.

Regional zeigen sich innerhalb des Landes deutliche Unterschiede. In den Verdichtungsräumen und hier vor allem in den Stadtkreisen spielen die größeren, nichtmittelständischen Unternehmen eine vergleichsweise starke Rolle. Dagegen bestimmt in den restlichen Gebieten des Landes der Mittelstand eindeutig das Wirtschaftsgeschehen. Insbesondere der Regierungsbezirk Stuttgart mit der Landeshauptstadt Stuttgart an der Spitze zeichnet sich wegen der dort ansässigen Großunternehmen durch unterdurchschnittliche Mittelstandsanteile aus. Demgegenüber ist der Regierungsbezirk Freiburg im Breisgau sehr deutlich von den kleineren und mittleren Unternehmen geprägt. Vor allem wegen der 5 Stadtkreise gilt das etwas weniger stark für den Regierungsbezirk Karlsruhe; im Landesvergleich ist der Mittelstand hier aber immer noch deutlich überdurchschnittlich repräsentiert.

Wirtschaftsentwicklung 2008

2007 war ein gutes Jahr für die Wirtschaft in Baden-Württemberg. Die vergangenen beiden Jahre markieren eine Phase der Hochkonjunktur, wie sie Baden-Württembergs Wirtschaft seit der Jahrtausendwende nicht erlebt hat. Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt ist nach ersten Berechnungen des Statistischen Landesamtes im Südwesten im Jahr 2007 um 2,7 % gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Dieser Wert liegt etwas über der Wachstumsrate für Gesamtdeutschland (+ 2,5 %).

Der konjunkturelle Höhenflug wird sich im Jahr 2008 fortsetzen – aber nicht im bisherigen Maß. Das Statistische Landesamt rechnet für das laufende Jahr mit einem preisbereinigten Wirtschaftswachstum von gut 2 %. Für Deutschland erwartet der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eine Steigerung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts um 1,9 %. Trotz konjunktureller Abschwächung wird das Wachstum im Südwesten voraussichtlich immer noch höher sein als die seit dem Jahr 2000 im Durchschnitt erzielten jährlichen Wachstumsraten.

Die enge Verflechtung Baden-Württembergs mit dem Weltmarkt ist mit dafür verantwortlich, dass sich die Perspektiven für 2008 leicht eintrüben. Die Auswirkungen der Immobilien- und Kreditkrise in den USA werden sich wahrscheinlich erst in diesem Jahr in ihrer ganzen Tragweite zeigen. Dass angesichts dieser Risiken der prognostizierte Rückgang des Wachstums moderat ausfällt, liegt daran, dass sich der Export auf mehrere Pfeiler stützt als allein den Dollar-Raum. Fast 60 % der Auslandserlöse erzielen die baden-württembergischen Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes in Ländern der Europäischen Union. Da hier für das Jahr 2008 ein solides Wirtschaftswachstum von 2,3 % erwartet wird, dürften mögliche Nachfrageschwächen auf anderen Märkten abgefedert werden.

Der Aufschwung der vergangenen Jahre ist am Arbeitsmarkt angekommen. Die Zahl der im Land erwerbstätigen Personen dürfte sich im Jahresdurchschnitt 2007 um mehr als 80 000 gegenüber dem Vorjahr erhöht haben (+ 1,5 %). Eine derartige Beschäftigungsausweitung konnte zuletzt 2001 erzielt werden. Auch im laufenden Jahr wirken positive Signale auf den Arbeitsmarkt. In Baden-Württemberg ist ein Plus von 40 000 Erwerbstätigen (+ 0,75 %) zu erwarten.

Exportland Baden-Württemberg

Deutschland darf sich bekanntlich auch 2007 mit einer Ausfuhr von rund 970 Mrd. Euro wieder Exportweltmeister nennen, obwohl viele bereits in diesem Jahr China an der Spitze erwartet hatten. Zugegeben: der starke Euro hat dabei etwas mitgeholfen. Dabei ist aber auch zu bedenken, dass letztlich 82,6 Mill. Deutsche mit über 1,3 Mrd. Chinesen verglichen werden, also mit mehr als 16-mal so vielen Menschen.

Baden-Württemberg hat beim guten Abschneiden einmal mehr kräftig mitgeholfen. Mit Exporten in Höhe von ca. 150 Mrd. Euro ist das Land hinter Nordrhein-Westfalen und fast gleichauf mit dem deutlich größeren Bayern weit vor allen anderen Bundesländern die souveräne Nummer 3 in Deutschland.

Aufgrund der starken Stellung des Verarbeitenden Gewerbes (Industrie) in Verbindung mit einer überdurchschnittlichen Ausfuhrneigung in diesem Bereich liegt Baden-Württemberg bei der Exportquote mit 42 % weit über dem Durchschnitt aller Bundesländer von 31 %. Auch bei diesem Maßstab nimmt das Land hinter Bremen (Hafenstadt) und dem Saarland (starke Bindung an Frankreich) Rang 3 ein. Das zeigt, eine mittelständisch strukturierte Wirtschaft kann durchaus erfolgreich im weltweiten Konkurrenzkampf bestehen.

Bei den ausgeführten Waren kommen die traditionellen Stärken der baden-württembergischen Industrie zum Tragen, denn fast die Hälfte der Exporte entfällt auf Kraftfahrzeuge und Maschinen. Bundesweit machen diese beiden Produktgruppen gerade ein Drittel aus. Eine gewisse Konzentration auf die eigenen Stärken dürfte sich auszahlen. Bundesweit ist unser Nachbar Frankreich der wichtigste Abnehmer deutscher Waren.

Für die baden-württembergischen Exporteure ist Frankreich zwar etwa genauso wichtig, die US-amerikanischen Märkte sind aber von noch größerer Bedeutung. Sowohl für Deutschland insgesamt als auch für das Land ist Europa, darunter vor allem die EU-Mitglieder, die bedeutendste Abnehmerregion. Die überdurchschnittliche Bedeutung Amerikas und Asiens für Baden-Württemberg (Anteil zusammen 28,4 %) ist ebenfalls ein Indiz dafür, dass das Land im zunehmend globaleren Wettbewerb gut aufgestellt ist.

Standortvorteile durch Forschung und Entwicklung

Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist gerade vor dem Hintergrund zunehmender Globalisierung von strategischer Bedeutung. In Hochlohnländern wie Deutschland und Baden-Württemberg sind Innovationen und technischer Fortschritt Schlüsselelemente für die Sicherung langfristiger Wettbewerbsfähigkeit. Forschung und Entwicklung der Wirtschaft, des Staates und der Hochschulen bilden im gegenseitigen Zusammenwirken hierfür die entscheidende Grundlage. Baden-Württemberg hat diesbezüglich beste Voraussetzungen.

Im Jahr 2005 wurden in Baden-Württemberg mit 13,7 Mrd. Euro die höchsten Ausgaben für Forschung und Entwicklung aller Bundesländer getätigt, gefolgt von Bayern mit 11,5 Mrd. Euro. Damit wurde ein Viertel der gesamten FuE-Ausgaben Deutschlands in Baden-Württemberg erbracht. Während das nominale Bruttoinlandsprodukt im Land seit 1995 um etwa 24 % angestiegen ist, sind die FuE-Ausgaben fast doppelt so stark gewachsen. Die FuE-Ausgabenintensität (FuE-Ausgaben bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt) erhöhte sich dadurch von 3,7 % auf 4,2 %. Mit diesem Wert liegt Baden-Württemberg auf Platz 1 der Bundesländer und bereits deutlich über der Zielmarke von 3 %, die sich die Europäische Union im Rahmen der Lissabon-Strategie zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit für das Jahr 2010 gesetzt hat.

Auch im internationalen Vergleich hält Baden-Württemberg damit nachhaltig einen Spitzenplatz. Die FuE-Ausgabenintensität des Landes liegt sogar deutlich über den Werten der Hochtechnologieländer Japan (3,3 %) und USA (2,6 %). Die Durchschnittswerte von Deutschland (2,5 %) und der EU-27 (1,8 %) werden übertroffen. Weltweit konnte nur Israel (4,5 %) höhere FuE-Ausgabenanteile als Baden-Württemberg erreichen.

Nicht allein das große Volumen des Forschungseinsatzes, sondern auch das enge und funktionierende Zusammenwirken von Grundlagenforschung auf der einen Seite sowie angewandter Forschung auf der anderen Seite führen im Ergebnis zur überaus starken Innovationsbasis im Land. Diese herausragende Position Baden-Württembergs lässt sich anhand des vom Statistischen Landesamt berechneten Innovationsindex für die europäischen Regionen statistisch belegen.

Neben den Faktoren »Erwerbstätige in industriellen Hochtechnologiebranchen und in den wissensintensiven Dienstleistungen«, dem »Personal in wissenschaftlich-technischen Berufen« sowie den »Patentanmeldungen« gehen die »Forschungs- und Entwicklungsleistungen« als maßgebliche Größen in die Indexberechnung ein. Gemessen am Innovationsindex 2006 ist Baden-Württemberg innerhalb der EU-25 die Region mit der höchsten Innovationskraft. Wegen dem schon in der Vergangenheit hohen Ausgangsniveau schneidet Baden-Württemberg bei der Entwicklung allerdings nur mäßig ab. Eine weitere nennenswerte Erhöhung der Innovationskraft setzt vergleichsweise höhere Anstrengungen voraus als in den »Aufholregionen«. Vor dem Hintergrund eines permanenten Konkurrenzdrucks ist mit den FuE-Anstrengungen aber auf keinen Fall nachzulassen.

Welche Bereiche bestimmen nun in welchem Ausmaß die führende Position Baden-Württembergs bei Forschung und Entwicklung? Vor allem die Wirtschaft trägt mit 80 % der gesamten FuE-Ausgaben den Löwenanteil bei; im Bundesdurchschnitt sind es nur 70 %. Die herausgehobene Forschungs- und Entwicklungsleistung der Wirtschaft im Land resultiert vor allem aus dem Engagement der Großunternehmen. Rund 79 % des FuE-Personals ist in Unternehmen mit 1 000 und mehr Beschäftigten tätig (Deutschland: ca. 73 %). Der Anteil des FuE-Personals in mittelständischen Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten liegt in Baden-Württemberg bei rund 15 % (Deutschland: 19,8 %).

Wie sich die enormen Forschungsausgaben der baden-württembergischen Wirtschaft auswirken, zeigt sich auch an der positiven Beschäftigungsentwicklung in den industriellen Hochtechnologiebranchen und den wissensintensiven Dienstleistungen. In den Hochtechnologiebranchen hat sich die Zahl der Erwerbstätigen in Baden-Württemberg seit 1995 um etwa 3 % erhöht. In den wissensintensiven Dienstleistungen, die sich durch einen besonders hohen Anteil an Hochschulabsolventen und an Beschäftigten mit ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung auszeichnen, ist im gleichen Zeitraum sogar ein rasantes Beschäftigungswachstum von 34 % zu verzeichnen. Allein wäre die Wirtschaft allerdings nicht in der Lage, das hohe Innovationsniveau des Landes zu halten; eine bedeutende Rolle spielt die exzellente Grundlagenforschung. So nimmt Baden-Württemberg im Bundesländervergleich bei den beiden FuE-Standbeinen staatliche und universitäre Forschungseinrichtungen ebenfalls Spitzenplätze ein.

Unter den Flächenländern hatte Baden-Württemberg bei den FuE-Einrichtungen des Staatssektors (zum Beispiel Fraunhofer Institute, Helmholtz-Zentren, Institute der Max-Planck-Gesellschaft etc.) mit 54 FuE-Personen je 1 000 öffentlich Bedienstete die höchste FuE-Personalintensität. Übertroffen wurde dieser Wert nur von den Stadtstaaten Berlin (65) und Bremen (63). Auch die universitäre Grundlagenforschung bildet ein großes Reservoir für die technologischen Innovationen in den Unternehmen. Beim aussagekräftigen Vergleich der FuE-Ausgaben bezogen auf die Zahl der Professoren liegt Baden-Württemberg auf Platz 1, gefolgt von Berlin und Nordrhein-Westfalen.

Je Professor wurden im Land 522 000 Euro für FuE ausgegeben; im Länderdurchschnitt waren es 438 000 Euro. Wie bereits ausgeführt, kommt es aber nicht allein auf das Forschungsvolumen an, sondern vor allem auf die Realisierung von Forschungssynergien unterschiedlicher Forschungsrichtungen (zum Beispiel Nanotechnologie).

IT-Einsatz in Unternehmen

Unternehmen können die eigenen Stärken in einem globalen Markt nur dann erfolgreich ins Spiel bringen, wenn sie moderne Informations- und Kommunikationstechniken einsetzen. So spielt im Rahmen der im Jahr 2000 von den europäischen Staats- und Regierungschefs gesetzten »Lissabon-Ziele« die Verbreitung moderner Informations- und Kommunikationstechniken eine zentrale Rolle. 2007 nutzten 84 % der baden-württembergischen Unternehmen Computer im Geschäftsablauf.2 Auf den ersten Blick erscheint dieses Ergebnis erstaunlich niedrig.

Allerdings wird es ganz wesentlich von der großen Zahl sehr kleiner Firmen mit weniger als 10 Beschäftigten geprägt, die über 90 % aller Unternehmen ausmachen. Zwar sind auch in Kleinstunternehmen bei vielen Tätigkeiten Computer nicht mehr wegzudenken, aber es gibt durchaus Branchen wie beispielsweise das Taxi- oder das Friseurgewerbe, die auch heute noch ohne Computer auskommen können. Betrachtet man auf der anderen Seite nur die Unternehmen ab 10 Beschäftigten, dann liegt die Computernutzung mit 98 % bereits sehr nahe an der Vollversorgung.

Über die Zeit betrachtet bleibt die Verbreitung der Computernutzung sowohl in Baden-Württemberg als auch bundesweit seit einigen Jahren auf ähnlichem Niveau. Dafür ist bei der verwendeten Technik und der Breite der Nutzung eine deutliche Entwicklung zu erkennen. So verfügten – nach 46 % im Jahr 2004 – 2007 eine deutliche Mehrheit von 79 % der Unternehmen mit Internetanschluss über einen schnellen Breitbandanschluss. 70 % der Unternehmen mit Computernutzung haben inzwischen ein firmeninternes Netzwerk (LAN, WLAN, Intra- oder Extranet). Auch bezogen auf die Zahl der Beschäftigten bzw. Arbeitsplätze lässt sich ein deutliches Fortschreiten des Computereinsatzes beobachten. Während 2004 mit 53 % nur gut die Hälfte der Beschäftigten mindestens einmal wöchentlich an einem Computer saß, waren dies 2007 mit 65 % bereits nahezu zwei Drittel. Von diesen Computernutzern konnten 2007 mit 73 % zudem drei Viertel auf das Internet zugreifen. Weitaus die Mehrzahl der baden-württembergischen Unternehmen tut demnach alles, um die technischen Voraussetzungen für eine weltweite Kommunikation zu schaffen. Für das Bestehen im globalen Wettbewerb ist dies absolut notwendig.

Existenzgründungen

Baden-Württemberg gilt seit jeher als das Land der Tüftler und Denker. Dass dies keine Phrase ist, zeigt die Zahl der Patentanmeldungen pro Einwohner. Hier belegt das Land im Bundesvergleich ebenso den 1. Platz wie bei den Forschungsausgaben. Die Innovationskraft im Land ist groß, auch wenn die Kultur der Selbstständigkeit nur unterdurchschnittlich ausgeprägt ist. In Baden-Württemberg arbeiten über 520 000 Selbstständige; bezogen auf die Gesamtzahl der Erwerbstätigen bedeutet das einen Anteil von 10 %. Im internationalen Vergleich ist das nicht viel. Nur drei Länder der Europäischen Union – nämlich Luxemburg, Estland und Dänemark – weisen eine geringere Selbstständigenquote auf. Spitzenreiter im EU-Vergleich sind die südlichen Länder Griechenland (Anteil: 30 %), Italien (Anteil: 25 %) und Portugal (Anteil: 23 %).

Eigenverantwortung, Kreativität und finanzielle Unabhängigkeit sind eine wichtige Motivation, unternehmerisch tätig zu werden. Andererseits bleibt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Weg in die Selbstständigkeit oft nur die einzige Alternative zur Arbeitslosigkeit. Die relativ gute Arbeitsmarktlage in Baden-Württemberg dürfte somit ein gewichtiger Grund für die niedrige Selbstständigenquote sein.

Klar ist, dass unternehmerischer Pioniergeist die Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Dynamik eines Landes voranbringt. Das trifft auch auf Baden-Württemberg zu. Im Jahr 2006 wagten in Baden-Württemberg 96 600 Personen den Schritt in die Selbstständigkeit, indem sie einen von 88 400 Gewerbebetrieben alleine oder gemeinsam mit anderen neu gegründet haben. Nur bei 21 % dieser Gründungen (18 900 Betriebe) kann ein größeres wirtschaftliches Potenzial vermutet werden. Die Zahl der Neugründungen mit wirtschaftlicher Substanz ist demnach erstmals seit dem Jahr 2003 wieder zurückgegangen (– 9 %). Die Gründungsaktivitäten in Baden-Württemberg sind im nationalen und internationalen Vergleich also eher unterdurchschnittlich.

Eine hohe Gründungsintensität allein ist aber nicht erstrebenswert. Es hilft wenig, wenn Existenzgründungen nicht nachhaltig sind und schon nach kurzer Zeit wieder vom Markt verschwinden (müssen). Entscheidend ist vielmehr, nach einer Anlaufphase rasch stabile betriebswirtschaftliche Verhältnisse zu bekommen und mittelfristig zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Um als Existenzgründer in dieser Weise erfolgreich zu sein, bedarf es vor allem günstiger Rahmenbedingungen: Dazu gehört ein bedarfsgerechtes Beratungs- und Förderangebot genauso wie eine leistungsfähige Infrastruktur; es braucht sowohl gut ausgebaute Verkehrswege als auch ein funktionierendes Informations- und Kommunikationsnetzwerk. Unabdingbar sind ferner eine zuverlässige Energieversorgung sowie Finanzdienstleistungen nach Maß.

Dass diese Voraussetzungen in Baden-Württemberg im Großen und Ganzen gegeben sind, zeigt das vergleichsweise geringe Insolvenzrisiko hiesiger Unternehmen. So war auch im Jahr 2006 deutschlandweit die Insolvenzhäufigkeit für baden-württembergische Unternehmen mit 58 Aufgaben je 10 000 Unternehmen am niedrigsten; mit deutlichem Abstand folgen Bayern (79 Insolvenzen je 10 000 Unternehmen) und Hessen (81 Insolvenzen je 10 000 Unternehmen).

Die nach wie vor wichtigsten Ursachen für das Scheitern einer Existenzgründung sind individuelle Finanzierungsmängel und Informationsdefizite. Kleine und mittlere Unternehmen haben grundsätzlich Finanzierungsnachteile. Ihnen stehen die Kapitalmärkte als Finanzierungsquelle nicht zur Verfügung. Auch Instrumente wie Factoring oder Beteiligungskapital werden wenig genutzt. Im Gegenzug ist dadurch die Abhängigkeit von Kreditgebern besonders groß. Die Gründungsförderung hat in Baden-Württemberg seit vielen Jahren Tradition. L-Bank, Bürgschaftsbank und Mittelständische Beteiligungsgesellschaft bieten Existenzgründern ein breit gefächertes Angebot an Finanzierungsinstrumenten. Insbesondere stehen zinsverbilligte Darlehen, Bürgschaften und stille Beteiligungen zur Verfügung. Nach wie vor liegen aber staatlicherseits Verbesserungsmöglichkeiten vor allem in einer Ausweitung der Eigenkapitalmöglichkeiten sowie unternehmensfreundlicheren steuerlichen Rahmenbedingungen.

Arbeitskräfteentwicklung

Die aktuell erfreulich gute Wirtschaftslage unseres Mittelstands schlägt sich auch am Arbeitsmarkt nieder. Die Arbeitsmarktbilanz für das Jahr 2007 fällt in Baden-Württemberg so positiv aus wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Die Zahl der Arbeitsplätze überstieg erstmals die Marke von 5,5 Mill. Allein im Jahr 2007 nahm die Zahl der Erwerbstätigen in Baden-Württemberg (+ 85 000) fast 3-mal so stark zu wie 2006.

Das Produzierende Gewerbe im Land schaffte im Jahr 2007 die Trendwende. Erstmals nach einem 5 Jahre andauernden Stellenabbau gab es wieder mehr Arbeitsplätze. Ausschlaggebend war der höhere Personalbedarf im Verarbeitenden Gewerbe mit einem Plus von fast 16 000 Arbeitsplätzen. Im Baugewerbe stieg die Zahl der Erwerbstätigen um knapp 3 000. Wie bereits seit vielen Jahren trugen auch 2007 die Dienstleistungsbranchen zur positiven Entwicklung in Baden-Württemberg maßgeblich bei.

Die Zahl der Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor stieg per saldo um fast 66 000 auf mehr als 3,6 Mill. Gut die Hälfte dieser zusätzlichen Dienstleistungsarbeitsplätze entstand alleine bei den Unternehmensdienstleistern einschließlich Banken und Versicherungen (+ 34 000). Damit sind heute 65 % aller Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor und nur noch 33 % in der Industrie tätig (Land- und Forstwirtschaft 2 %).

Die langfristig ansteigende Entwicklung der Erwerbstätigenzahlen in Baden-Württemberg geht vor allem auf die überdurchschnittliche Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit zurück. Während sich die Zahl der erwerbstätigen Männer seit 1980 um 284 000 (+ 11 %) erhöhte, stieg die Zahl der berufstätigen Frauen um gut 639 000, was einem stattlichen Plus von 38 % entspricht. Im Vergleich zu 1990 ist die Zahl der erwerbstätigen Männer lediglich um knapp 2 %, die der Frauen jedoch um rund 19 % gestiegen. Aufgrund der starken Zunahme der Anzahl der berufstätigen Frauen hat sich der Frauenanteil an allen Erwerbstätigen von 40 % im Jahr 1980 auf knapp 45 % im Jahr 2006 erhöht.

Entscheidender Motor für diese beachtliche Bilanz und die große Zunahme der Zahl der Erwerbstätigen war die enorme Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung. Seit 1980 kamen in Baden-Württemberg knapp 840 000 Teilzeitstellen hinzu. Während die Teilzeitarbeit mit einem Plus von 142 % sehr kräftig expandierte, hat sich die Zahl der Vollzeitstellen seit 1980 lediglich um knapp 84 000 (+ 2 %) erhöht. Teilzeitarbeit ist nach wie vor eine Domäne der Frauen; 82 % der rund 1,4 Mill. Teilzeitbeschäftigten in Baden-Württemberg sind Frauen. Die Expansion der Teilzeitbeschäftigung beruht nicht zuletzt darauf, dass Teilzeitjobs sowohl im Interesse der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber liegen. Viele Frauen und Männer können überhaupt nur am Erwerbsleben teilnehmen, weil ein Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen besteht. Die Wahl einer Teilzeitbeschäftigung ist häufig die eigene Entscheidung der Arbeitnehmer. So gaben rund 84 % der Teilzeitbeschäftigten an, eine Vollzeittätigkeit nicht zu wünschen oder aus anderen Gründen (familiäre Verpflichtungen, Ausbildung) nicht ausüben zu können. Nur gut 13 % arbeiten Teilzeit, weil sie keine Vollzeitstelle finden und annähernd 3 % hatten gesundheitliche Gründe für die Wahl dieser Arbeitszeitform angegeben.

Im Rahmen der »Lissabon-Strategie« strebt die Europäische Union für das Jahr 2010 eine Erwerbstätigenquote von 70 % an. Baden-Württemberg hat mit einer Erwerbsbeteiligung von gut 71 % dieses Ziel bereits heute übertroffen. Im Durchschnitt der Europäischen Union lag im Jahr 2006 die Erwerbstätigenquote der 15- bis unter 65-Jährigen bei 64 %. Gleichzeitig soll europaweit eine Frauenerwerbsquote von 60 % erreicht werden; Baden-Württemberg (knapp 65 %) und Deutschland (rund 62 %) haben auch diese Zielvorgabe der Lissabon-Strategie schon umgesetzt.

Diese Zielsetzungen haben nicht nur eine gesellschaftspolitische Dimension, sondern vor allem auch eine volkswirtschaftliche. Angesichts der absehbaren demografischen Entwicklung müssen sich die Unternehmen verstärkt mit ihrem künftigen Arbeitskräftebedarf auseinandersetzen. Das gilt ganz besonders für die mittelständische Wirtschaft in unserem Land. Der Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte hat schon begonnen.

Was kann die amtliche Statistik zur Abschätzung der künftigen Entwicklung beitragen? Sie liefert Aussagen zu den Basistrends, die durch die aktuelle demografische Situation bereits mittel- und langfristig vorbestimmt sind. Sowohl bei der Annahme konstanter (Status-quo-Variante) als auch bei der Annahme steigender Erwerbsbeteiligung (Veränderungsvariante) ist mit einem sinkenden Anteil der unter 50-jährigen Erwerbspersonen zu rechnen. Bis 2020 wird der Anteil der älteren Erwerbspersonen auf mehr als ein Drittel anwachsen (Status-quo-Variante: 35 %; Veränderungsvariante: 38 %).

Falls die baden-württembergische Wirtschaft in den Jahren 2020 bis 2030 den selben Bedarf an Fachkräften haben wird wie heute, dann wird sie unter der Voraussetzung, dass die Erwerbsbeteiligung auf heutigem Niveau bleibt (Status-quo-Variante), bereits im Jahr 2020 zu wenig Fachkräfte mit abgeschlossener Lehre sowie zu wenig Meister und Techniker auf dem Arbeitsmarkt vorfinden. Unter der Voraussetzung, dass die Erwerbsbeteiligung erheblich steigt (Veränderungsvariante) und der Bedarf quantitativ und qualitativ gleich bleibt, wird die baden-württembergische Wirtschaft auch in den Jahren zwischen 2020 und 2030 ein ausreichendes Fachkräfteangebot vorfinden. Tatsächlich auszugehen ist aber von einem steigenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften. Unter den Erwerbspersonen werden in Zukunft auf alle Fälle relativ weniger junge Menschen sein. Um genügend Fachkräfte zur Verfügung zu haben, muss der nachwachsenden Generation die bestmögliche schulische und berufliche Ausbildung ermöglicht werden.

Vor dem Hintergrund, dass heute jeder dritte Jugendliche unter 18 Jahren in Baden-Württemberg einen Migrationshintergrund aufweist (rund 662 000 Personen), nimmt eine angemessene Förderung gerade dieser Bevölkerungsgruppe einen hohen Stellenwert ein. Gegenwärtig bleibt das Bildungsniveau der jungen Migranten weit hinter dem ihrer deutschen Altersgenossen ohne Migrationshintergrund zurück, obwohl auch sie ihre schulische und berufliche Ausbildung weitgehend hier absolviert haben. Annähernd 5 % der 20- bis unter 30-jährigen Migranten haben keinen Schulabschluss, während dies nur auf rund 1 % der jungen Menschen ohne Migrationshintergrund zutrifft. Das Potenzial der in Baden-Württemberg lebenden Migranten muss daher besser ausgeschöpft werden. Weitere Potenziale liegen bei den Frauen und den älteren Arbeitnehmern.

Familienfreundliche Betriebe

Familienfreundlichkeit wird auch für mittelständische Unternehmen zu einem immer wichtigeren Standortfaktor. Eine zukunftsfähige Personalpolitik bezieht die familiären Bedingungen der Beschäftigten mit ein; dies gilt besonders in Zeiten eines demografisch drohenden Fachkräftemangels. So ergeben sich für familienorientierte Unternehmen zum einen Wettbewerbsvorteile durch Produktivitätssteigerungen sowie zum anderen Imagegewinne, die sich bei der Anwerbung von (Nachwuchs-)Fachkräften auszahlen. Die konkreten Wettbewerbs- und Kostenvorteile für die Unternehmen liegen unter anderem in der Erhöhung der Mitarbeitermotivation, der Senkung der Arbeitskräftefluktuation sowie der Reduzierung des Krankenstandes und einer Verkürzung der Ausfallzeiten aufgrund von Elternzeit. Erfolgreiche Unternehmen bauen ihre Produktivität auf dem Potenzial zufriedener Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf. Handlungsfelder für Familienfreundlichkeit sind vor allem die Arbeitszeit und Arbeitsorganisation sowie Kinderbetreuungsmöglichkeiten; dazu kommen Hilfen für den Wiedereinstieg nach der Elternzeit und unterstützende Maßnahmen für eine älter werdende Belegschaft. Nicht zu unterschätzen ist die Förderung einer entsprechenden familienfreundlichen Unternehmenskultur.

Aus den Erfahrungen der FamilienForschung im Statistischen Landesamt zeigt sich, dass es für die Verbesserung der Familienfreundlichkeit in den Betrieben grundsätzlich keine 08/15-Lösungen gibt. Deshalb unterstützt die FamilienForschung Baden-Württemberg seit 2007 familienbewusste Aktivitäten in den Betrieben durch ganz spezifische Informationsangebote und Vor-Ort-Veranstaltungen. Das Projekt wird im Auftrag des Ministeriums für Arbeit und Soziales des Landes Baden-Württemberg durchgeführt. Das Angebot richtet sich an alle baden-württembergischen Betriebe, insbesondere KMU.

Mit dem neuen Serviceangebot »Familienfreundlicher Betrieb« liefert die FamilienForschung Baden-Württemberg Antworten auf die Frage, wie Unternehmen die Vorteile einer besseren Familienorientierung konkret nutzten können. Die erfolgreiche Premiere dieses Angebots fand am 26. September 2007 im Markgräflerland im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Erfolgreich in die Zukunft – Familienfreundlich im Betrieb« statt. Dabei handelt es sich um Workshops, die interessierten Unternehmensvertretern die Gelegenheit bieten, sich zum Thema zu informieren, in den Erfahrungsaustausch zu treten sowie gemeinsam familienfreundliche Projekte zu entwickeln. Diesen neuen Service hat die FamilienForschung Baden-Württemberg nochmals am 23. Januar 2008 in Freiburg im Breisgau auf einer gemeinsamen Veranstaltung der Landkreise Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald und der Stadt Freiburg im Breisgau vorgestellt. Dort informierten Unternehmensvertreter über ihre Erfahrungen mit unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen, Service- und Kinderbetreuungsangeboten. Sie zeigten, dass Betriebe aller Branchen und Größenklassen familienfreundlich agieren können. Anstatt Parallelstrukturen aufzubauen, wurden Partner gesucht, um bestehende landes- und bundesweite Initiativen vor Ort gemeinsam umzusetzen.

Perspektiven

Die Perspektiven für Baden-Württemberg sind trotz eines schwierigen außenwirtschaftlichen Umfelds erfreulich stabil. In seiner Prognose rechnet das Statistische Landesamt für 2008 mit einem realen Wirtschaftswachstum von gut 2 %. Das dürfte über dem für Deutschland insgesamt erwarteten Wert liegen. Zudem sind die Voraussetzungen für ein weiteres Bestehen im internationalen Wettbewerb bislang gegeben.

Allerdings gibt es auch ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotenzial. Die aktuellen Stärken unserer Wirtschaft könnten sich rasch zu Nachteilen entwickeln. Zu denken ist zum einen an die große Abhängigkeit von den internationalen Märkten, zum anderen an die Fokussierung der hiesigen Unternehmen auf wenige Schlüsselbranchen, wie zum Beispiel den Maschinen- und Fahrzeugbau. Um trotz der unbestreitbar vorhandenen Risiken auch mittelfristig auf der sicheren Seite zu sein, bedarf es in den Unternehmen mit Nachdruck der laufenden Verbesserungen in der Technologie, der Organisation sowie der Kundenorientierung.

Diese permanenten Verbesserungen sind nur mit hoch qualifizierten Arbeitskräften zu leisten. Die umfassende Ausschöpfung aller vorhandenen Ressourcen an Humankapital ist damit die wichtigste Aufgabe in unserem Land. Möglichkeiten hierzu gibt es genügend. Die gezielte Förderung der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Schulen und Betrieben ist ein Weg. Die Erhöhung der Berufstätigkeit bei jungen Frauen ohne gleichzeitig einen Rückgang der Geburtenrate in Kauf zu nehmen ist ein anderer. Man muss sich nur im Klaren darüber sein, dass Erfolge nicht kurzfristig zu haben sind. Je früher der Staat, die Wirtschaft, die Gesellschaft sich intensiv mit dieser Aufgabe auseinandersetzen, desto eher werden wir Ergebnisse haben und umso beruhigter können wir in die Zukunft unseres Landes schauen.